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Die Komponistin von Köln

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Emons Verlagerschienen am23.05.2024
Das bewegende Schicksal zweier jüdischer Frauen zur Zeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchs in Köln. Köln, um 1900. Maria und Franzi kennen sich seit ihrer Schulzeit. Doch ihre Wege trennen sich, als Maria sich verliebt und nach England zieht, wo sie eine Familie gründet und Musikerin werden will. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verflicht das Leben der beiden jungen jüdischen Frauen erneut miteinander. Zwischen Zerstörung, Angst und Wut versuchen sie, sich ihre Träume zu bewahren und trotz aller Widrigkeiten ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Hanka Meves arbeitet als Autorin und Journalistin in Köln. Sie hat ein Geschichts- und postgraduiertes Europastudium absolviert und schreibt Sachbücher sowie Kurz- und Kindergeschichten. Mit »Die Komponistin von Köln« legt sie ihren ersten historischen Roman vor.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDas bewegende Schicksal zweier jüdischer Frauen zur Zeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchs in Köln. Köln, um 1900. Maria und Franzi kennen sich seit ihrer Schulzeit. Doch ihre Wege trennen sich, als Maria sich verliebt und nach England zieht, wo sie eine Familie gründet und Musikerin werden will. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verflicht das Leben der beiden jungen jüdischen Frauen erneut miteinander. Zwischen Zerstörung, Angst und Wut versuchen sie, sich ihre Träume zu bewahren und trotz aller Widrigkeiten ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Hanka Meves arbeitet als Autorin und Journalistin in Köln. Sie hat ein Geschichts- und postgraduiertes Europastudium absolviert und schreibt Sachbücher sowie Kurz- und Kindergeschichten. Mit »Die Komponistin von Köln« legt sie ihren ersten historischen Roman vor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987071362
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum23.05.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse3939 Kbytes
Artikel-Nr.14973261
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Ein weiter Weg

Köln, 1888

»Hier entlang!«, rief Mariechen mir zu, als wir auf die Straße traten.

Ich richtete meinen Blick in die andere Richtung. »Ich dachte, du wohnst dort.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich zeige euch was.«

Meine kleine Schwester Lea zupfte an meinem Rock. »Wir dürfen keinen Umweg gehen.«

Mariechen lachte. »Fünf Minuten.« Schon griff sie meine Hand und zog mich hinter sich her. Lea folgte uns widerwillig, als könnte sie uns mit ihrer Langsamkeit aufhalten.

Wir liefen vor bis zu dem breiten Streifen, durch den das Sonnenlicht fiel, das uns blendete, weil die alte Stadtmauer Stück für Stück abgerissen wurde. Dort erst warteten wir auf Lea, die sich bitterlich beschwerte.

»Das hier wird alles abgerissen«, trompetete Mariechen in das Jammern hinein. »Für eine Oper, ein Konzerthaus.« Sie hob begeistert die Arme. »Und ich spiele das erste Cello.« Sie fasste Lea und mich an den Händen und drehte sich mit uns im Kreis.

Und ich?

Bereits am ersten Schultag war mir ihr Lachen aufgefallen. Unweigerlich musste ich sie anstarren. Sie stand am Eingang der Schule und klopfte mit ihrem rechten Fuß einen Takt. Ihre Haare hatte sie - oder war es das Kindermädchen gewesen? - streng zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten. Doch die Locken versuchten der Strenge zu entfliehen. Ihr Kleid war von feinstem Stoff, die Rüschen lagen sorgfältig an den Puffärmeln und auf der Brust, ein aprikosenfarbenes Taillenband zog meinen Blick magisch an. Es passte wunderbar zum Blau des Rockes und zu ihren dunklen Augen. Dann schaute ich an mir hinunter und wieder hoch. Mittelblau, alles in einem Ton. Inzwischen war sie aus meinem Blickfeld verschwunden.

Es war ein kalter Frühlingstag. Die Sonne beleuchtete die engen Gassen nur spärlich, strahlte einmal auf dieses, einmal auf jenes Dreifensterhaus. Wir liefen an Kneipen und Geschäften vorbei, deren üppige Auslagen den Spaziergang verlängerten.

Lea und ich hatten viel Freude an dem zehnminütigen Weg zur neuen Schule. Wir dachten, dass die Tornister leicht wären, obgleich die Lederriemen in unsere Schultern schnitten. So wie sich unsere Ranzen leicht anfühlten, fühlte ich mich frei. Endlich kam ich aus der einzig erlaubten Elisenstraße heraus in die Welt. Bisher hatten wir sie nur in Begleitung verlassen dürfen.

Die Schaufenster am Rande des Wegs waren mit leckeren Kamellen gefüllt, mit Glasmurmeln, von denen wir nie genug bekommen konnten, und mit Stoffen, von denen die Bewohner dieser Stadt nie genug bekamen.

»Komm, komm schon!«, rief ich und trieb Lea zur Eile an. Sie ließ es geschehen, ohne die Augen von den Auslagen zu lösen, und lief mehr rück- als vorwärts. Es dauerte länger als die zehn Minuten, doch dann sahen wir das Eingangstor zu unserer Schule, der Evangelischen Höheren Töchterschule in der Antoniterstraße, davor warteten die Mädchen.

Die Bänke in unserem Klassenzimmer standen eng aneinandergedrängt. Die Wände waren bis zu unserer Augenhöhe mit einer tiefdunkelgrünen Ölfarbe geschützt. Darüber hellte ein fahles Gelb die Wand etwas auf. Außer einem Bild mit einer Schneelandschaft war der Raum schmucklos. Es roch nach Putzmittel. Ich ließ meine Augen durch das Klassenzimmer wandern. Sofort erspähte ich das Mädchen mit dem lauten Lachen wieder. Sie hatte sich einen bequemen Platz in der dritten Reihe ausgesucht. So saß sie nicht zu sehr im Blickfeld der Lehrerin, aber auch nicht im toten Winkel, der dazu führen konnte, dass man nicht auffiel und keine guten Noten bekam. Ich drängelte mich an den anderen Schülerinnen vorbei und ergatterte tatsächlich den Stuhl neben ihr.

»Franziska«, flüsterte ich ihr zu.

»Genau wie meine Großtante Franzi«, erwiderte sie und streckte mir ihre schmale Hand entgegen. »Mariechen.«

»Wie das Funkenmariechen?«

Sie kicherte leise und wehrte ab. »Ich mag Karneval nicht so sehr.« Dann klopfte sie auf der Heftablage unter dem Tisch einen Rhythmus. Langsam, danach etwas schneller.

Ich starrte auf ihre Finger, die sich federleicht bewegten, konzentrierte mich, strengte mich an und flüsterte: »Robert Schumann.«

Sie nickte. Ich war erleichtert.

Mit einem lauten Knarzen öffnete sich die Tür, und unsere Lehrerin betrat den Raum. Wir sprangen auf, um sie zu begrüßen.

»Guten Morgen!«

»Guten Morgen, Fräulein Baumann!«

Seelenruhig blieb Mariechen sitzen, klopfte ihren Rhythmus zu Ende, erhob sich dann und stimmte in das Begrüßungsritual der Klasse ein. Von diesem Tag an nannten mich alle Franzi.

Brüder

Fräulein Baumann hatte die schönste Schrift, die wir uns vorstellen konnten. Sie hinterließ keine Schliere auf der Tafel. Ihre Stimme war warm und freundlich. Und ihre Taille! Wie schön sich ihr Kleid um ihre Figur schmiegte. Ich versuchte, ihre Schrift nachzuahmen, Mariechen trommelte ihre Musik auf die untere Tischplatte. Ich strich meinen Rock glatt, meine neue Freundin störte sich nicht an einem Fleck auf ihrem Kleid. Als meine Kreide vom Tisch rutschte, berührte ich aus Versehen Mariechens Taillenband. »Wie weich es war!«

Einen Tag später fand ich es in einem Briefumschlag in meinem Ranzen mit den Worten: »Sowieso zu grell für mich.« Auf dem Briefumschlag stand eine gedruckte Adresse: Gebr. Bing & Söhne, Samt- und Seidenband-Lager, Pipinstraße 6 - 8. Einen Tag später lud sie mich zu sich ein. Sofort sagte ich zu.

Mein Herz klopfte vor Aufregung, als wir unser Zuhause verließen. Wieder hatte ich Lea im Schlepptau. Schon nach wenigen Schritten bogen wir in die prächtige Hohe Straße ein. Große Fenster präsentierten Kleider, Schuhe, Hüte, wunderbare Leckereien. Meine Schwester hüpfte voller Freude, hielt dann plötzlich an und drückte ihre Nase an eine Scheibe, hinter der Süßigkeiten auslagen. Lutscher und Bonbons waren nach Farben sortiert, aufgereiht wie in einem Regenbogen. Aus der offenen Tür wehte uns der Duft von süßem gebranntem Zucker entgegen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Doch ich wollte zu Mariechen.

»Komm!«, sagte ich und zog Lea hinter mir her. Endlich standen wir vor der Nummer 47.

»H. und Alb. Rauch, Mainzer Möbelfabrik«, las meine Schwester langsam vor, was auf dem Schild neben der Haustür stand. Ich klingelte.

»Ich denke, sie heißt Bing, und wo gibt es hier Seidenbänder?« Kleine Schwestern können unendlich nerven.

»Das Geschäft ist nicht weit weg von hier. Hier wohnen sie.«

Lea stampfte mit den Füßen auf. »Ich wollte die Seidenbänder sehen.«

Ein junges Mädchen öffnete die Tür. »Die Damen Stein und Stein?«

Ich nickte eifrig und spürte, wie mir Röte vor Aufregung ins Gesicht schoss.

»Über dem Laden.« Das Mädchen schob uns in den Hausflur und verschwand im Gewühl der geschäftigen Ladenstraße.

»Hierher, hier oben!«, tönte uns eine bekannte Stimme entgegen. Mariechen beugte sich über die Treppenbrüstung und winkte.

Zugleich drang ein Gewirr von Tönen zu uns, das sogleich von einer hohen Stimme unterbrochen wurde: »Es reicht!«

Mariechen war ein Abbild ihrer Mutter Henriette. Glücklicherweise fehlte ihr deren Strenge. Henriette trug ein langes graues Kleid, das den Hals durch eine helle Rüsche verdeckte, die schwarzen Haare streng gebunden. Sie sah ernst aus.

Die Tür zur Wohnung stand offen. Eine riesige Diele führte direkt in den Salon, in dem wie bei uns ein Flügel den Raum füllte. Doch während bei uns nur unsere Mutter diesen Platz beanspruchte, lehnten hier drei Knaben mit ihren Geigen lässig daran. Eine dunkel- und hellgrün gestreifte Stofftapete schützte die Wände. Ein schweres Ledersofa und zwei dicke Sessel luden zum Verweilen ein. Auf dem runden Tisch davor stand ein großer Blumenstrauß, von dem ein betörender Duft ausging. Ein blumiger Teppich bedeckte den Boden.

Ich zog meine Schuhe am Eingang aus und versank in dem unendlich weichen Bodenbelag. Lea tat es mir nach. Wir waren sprachlos.

Mariechen zeigte auf ihre Familie. »Meine Frau Mutter, meine Brüder Menny und Hugo, mein Cousin Richard.«

Ihre Mutter verabschiedete sich in ihr Zimmer. Schon setzten die drei Jungen ihre Streichinstrumente wieder an und begannen ihr schauerliches Musikspiel von Neuem.

»Schluss!«, rief Mariechen und tat so, als würde sie einen Taktstock halten.

Lachend schubste Hugo den imaginären Dirigentenstab weg. »Eine Dirigentin. Das ist nicht zugelassen.«

Sie stellte sich auf den Klavierhocker, hob stolz ihren Kopf und erwiderte: »Dann bin ich eben der Dirigent.«

Richard trat an sie heran und schaute seiner Cousine auf dem Hocker direkt in die Augen. »Lass gut sein, Kleine.« Er war lang und schlaksig, selbst seine Hände und Finger waren schmal und lang, wie auch sein Gesicht, besonders im Vergleich zu dem weichen, runden von Mariechen. Menny und Hugo hingegen waren kaum größer als Marie. Sie wirkten wie Zwillinge, waren jedoch zwei und drei Jahre älter als ihre Schwester. Was alle vier einte, waren die unglaublich dichten dunklen Haare und Augenbrauen, die ihre Blicke verwegen und mutig aussehen ließen. Besonders hatte es mir Richard angetan.

»Wir wissen, dass du Musikerin werden willst, aber wir dürfen auch mal experimentieren. Außerdem hast du Besuch.« Richard zeigte mit seinem Bogen auf Lea und mich.

Mariechen hüpfte mit einem Satz vom Hocker, griff meine Hand und ging hocherhobenen Kopfes aus dem Raum. »Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.«

»Jetzt bin ich doch froh, dass ich eine große Schwester habe«, lobte mich Lea am Abend, als wir in unseren Betten...
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Autor

Hanka Meves arbeitet als Autorin und Journalistin in Köln. Sie hat ein Geschichts- und postgraduiertes Europastudium absolviert und schreibt Sachbücher sowie Kurz- und Kindergeschichten. Mit »Die Komponistin von Köln« legt sie ihren ersten historischen Roman vor.