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Todesstreifen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am01.06.2024
Es ist 1985. Du lebst in Ost-Berlin, in der DDR. Und du hast eine Masse Ärger am Hals, weil du mal wieder deine Klappe zu weit aufgerissen hast. Vermutlich stecken sie dich ins Erziehungsheim. Und das wird deine Oma niemals überleben. Und dann auf einmal diese einmalige Chance zur Flucht in den Westen. Blöd nur, dass du dafür einen Jungen kidnappen musst, der nun mal genauso aussieht wie du. Aber der ist ein Wessi, und was haben die schon zu befürchten. Oder? ODER?? Als die Mauer noch stand. Ein spannender Doppelgänger-Krimi über eine waghalsige Flucht von Ost- nach Westberlin.

Helen Endemann studierte Jura in Passau, Helsinki und Heidelberg und arbeitet heute als Rechtsanwältin. 2013 erschien ihr erster Jugendroman. Helen Endemann lebt mit ihrer Familie in Schwalbach.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEs ist 1985. Du lebst in Ost-Berlin, in der DDR. Und du hast eine Masse Ärger am Hals, weil du mal wieder deine Klappe zu weit aufgerissen hast. Vermutlich stecken sie dich ins Erziehungsheim. Und das wird deine Oma niemals überleben. Und dann auf einmal diese einmalige Chance zur Flucht in den Westen. Blöd nur, dass du dafür einen Jungen kidnappen musst, der nun mal genauso aussieht wie du. Aber der ist ein Wessi, und was haben die schon zu befürchten. Oder? ODER?? Als die Mauer noch stand. Ein spannender Doppelgänger-Krimi über eine waghalsige Flucht von Ost- nach Westberlin.

Helen Endemann studierte Jura in Passau, Helsinki und Heidelberg und arbeitet heute als Rechtsanwältin. 2013 erschien ihr erster Jugendroman. Helen Endemann lebt mit ihrer Familie in Schwalbach.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783733607906
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum01.06.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse6077 Kbytes
Artikel-Nr.15022931
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. In Feindesland
Ben

Die Schubkarre hält mit einem Ruck an. Eine Tür quietscht leise in den Angeln.

«Los, aufstehen.» Der Stimme nach ist es dieser Peter. Jemand zieht mich hoch. Als ich stehe, werden mir die Fußfesseln gelöst.

«Aber nicht wieder strampeln», sagt eine unbekannte Stimme dicht an meinem Ohr. Das muss der Junge sein, der vorhin aus dem Gebüsch gekommen ist. Mir läuft die Gänsehaut vom Nacken in die Haarspitzen und an den Armen runter. Was ich eben im Bruchteil einer Sekunde gesehen habe, kann überhaupt nicht wahr sein. Ich drehe meinen Kopf nach der Stimme um, aber natürlich erkenne ich durch den Sack über meinem Kopf nichts. Es quietscht wieder, und ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Unter dem Sack wird es stockdunkel.

«Also, Kleiner.» Die Stimme wieder. «Wir lösen jetzt das Tuch von deinem Mund und nehmen den Sack weg. Aber wenn du schreist oder Quatsch machst, kommt das gleich wieder drauf, klar?»

«Klar?»

Ich nicke. Nach einigem Ruckeln lockert sich das Band um meinen Kopf, und ich spüre, wie sie den Sack lüften.

Ich bin in einem kleinen, dunklen Holzschuppen mit drei Jungen, von denen einer aussieht wie ich. Und zwar ganz genauso wie ich: rotblonde, volle und leicht krause Haare, Sommersprossen, blaue Augen. Augenbrauen, Kinn, alles wie bei mir und trotzdem so fremd, wie man nur sein kann. Der Junge sitzt auf einer Kiste und mustert mich ebenfalls.

«Ziemlich gut, was?» Er fährt sich durch die Haare und sieht zu den Jungen, die sich mir als Klaus und Peter vorgestellt haben.

Klaus nickt. Peter macht «hm».

«Okay, Kleiner.» Das «Kleiner» macht mich wahnsinnig. «Folgendes: Ich brauche deine Klamotten. Trikot, Hose, Strümpfe, Schuhe. Unterhose kannste behalten. Dafür kriegst du meine Sachen.» Er zieht an seinem T-Shirt. «Meinst du, das kriegen wir hin?»

«Warum?» Meine Stimme klingt weinerlich. Ich räuspere mich. Der Überfall und jetzt diese drei gegen mich in der kleinen Hütte - ich habe Angst. Die Vorstellung, mich vor denen auszuziehen, ist unerträglich.

«Das ist jetzt nicht so wichtig.» Der Junge zieht sich das T-Shirt über den Kopf. Sein Oberkörper ist breiter als meiner, und Bizeps und Trizeps wölben sich deutlich sichtbar an seinen Oberarmen. «Die Sache ist ganz einfach: Du gibst mir deine Sachen, und mit ein bisschen Glück bist du heute Abend schon wieder zu Hause.»

Ich rühre mich nicht.

«Oder müssen wir dich ausziehen, wie ein Baby?» Er tritt noch näher an mich heran, sodass ich die Wärme, die sein Körper abstrahlt, auf meiner Haut spüre. Peter und Klaus stehen mit verschränkten Armen neben ihm.

«Ich verstehe nicht, warum.» Ich flüstere, keine Ahnung, wieso. Der Junge sieht aus wie ich. Er will meine Sachen anziehen. Er will so aussehen wie ich. Aber wieso?

«Kleiner. Benjamin.» Ich kann seinen Atem riechen, er riecht nach Pfefferminztee. «Wenn wir dich zwingen müssen, wird es hässlich. Keiner will dir weh tun. Du brauchst nur die Sachen auszuziehen, und heute Abend ist der Spuk vorbei.»

Er sieht mir in die Augen, als könnte er bis in den letzten Winkel meiner Seele sehen. Der Junge ist mir so unheimlich wie ein Geist. Ich greife nach dem Saum meines T-Shirts und fange an, es mir über den Kopf zu ziehen.

«Na also.» Alle rücken ein Stück von mir weg, um mir Platz zu machen. Der Junge nimmt mir das Shirt ab, dreht es wieder auf rechts und zieht es sich über, während ich meine schwarzen Läufershorts ausziehe. Klaus reicht mir das T-Shirt des Jungen. Ich schwanke einen Moment zwischen dem Widerwillen, in den Geruch seiner Kleidung einzutauchen, und der Peinlichkeit, in Unterhose vor diesen fremden Jungen zu stehen. Ich ziehe das Shirt über und nehme die Shorts entgegen, die Klaus mir hinhält.

Der Junge nimmt meine Socken in die Hand, riecht daran und rümpft die Nase. Da steigen mir vor Wut Tränen in die Augen, die ich nur mühsam zurückhalten kann. Als ob ich seine Socken anziehen will! Er schlüpft in meine Nikes und runzelt die Stirn.

«Passen die?», fragt Klaus.

«Sind ´n bisschen klein.» Der Junge bindet die Schuhe zu.

«Da musste jetzt durch», sagt Peter.

Ich setze mich auf die Kiste, auf der der Junge vorher gesessen hat, um mir seine Schuhe anzuziehen. Sie sind mir ungefähr eine Größe zu groß. Außerdem sind sie ziemlich abgelaufen und viel unbequemer als meine. Sind die vielleicht nur scharf auf West-Kleidung?, schießt es mir durch den Kopf. Aber würden sie dafür zu dritt jemanden überfallen?

«Hör zu.» Der Junge ist jetzt fertig angezogen und geht in die Hocke, das Gesicht direkt vor meinem. «Du bleibst jetzt ein Weilchen hier. Sa... äh, Peter und Klaus lassen dich in ...» Er sieht auf seine Armbanduhr.

«Die Uhr», sagt Peter.

«Gut mitgedacht», murmelt der Junge und zieht seine Armbanduhr aus. «Deine Uhr, bitte.»

Ich starre ihn an und rühre mich nicht. Die Uhr war ein Geburtstagsgeschenk.

«Du kriegst sie wieder, versprochen.» Der Junge hält mir seine hässliche Opa-Uhr hin. «Sonst müssen wir dich wieder fesseln.»

«Das sollten wir sowieso», sagt Peter. «Nicht dass er hier randaliert und jemand ihn hört.»

Ich sehe panisch von dem Jungen zu Peter. Meine drei Kidnapper rücken auf mich zu, und Peter greift nach meinen Armen. Ich wehre mich, aber sie halten mich zu dritt fest, und Klaus bindet mir die Arme hinter dem Rücken zusammen.

«Hilfe!», schreie ich, so laut ich kann.

«Das Tuch!», ruft der Junge und sieht sich nach Peter um, während er mich festhält. Peter bindet mir mit dem Tuch den Mund so fest zu, dass es weh tut.

«Ist das nicht ein bisschen fest?», fragt Klaus.

«Das lockert sich ja mit der Zeit», sagt Peter.

Der Junge entwindet meinem gefesselten Arm die Uhr und legt sie sich an. Dann drückt er mich wieder auf die Kiste und hockt sich vor mich.

«Tut mir leid, dass das sein musste. Wir wollen dir gar nichts tun. Also noch mal: Peter und Klaus holen dich heute Abend hier raus. Ha, das reimt sich.»

Die zwei nicken mir bestätigend zu. Der Junge tätschelt meine Schulter. Dann steht er auf.

«Du musst dich beeilen», sagt Peter.

Klaus öffnet die Schuppentür, und ein Rechteck aus Sonnenlicht fällt auf den Boden des Schuppens. Meine Kidnapper gehen hinaus, und die Tür fällt zu. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Mir fällt die Warnung meiner Mutter ein. Ich hätte niemals hierherkommen dürfen.

***

«Ben, sag den Wettkampf ab. Sag, dass du krank bist», hat meine Mutter gesagt, als meine Eltern mich gestern überraschend anriefen.

«Wieso das denn?» Mein Vater hatte mir die Anmeldung schon vor Wochen unterschrieben zurückgeschickt.

«Ich will nicht, dass du da rüberfährst, Ben.» Mama klang richtig besorgt.

«Warum denn nicht? Ihr habt es doch erlaubt.»

«Das hat dein Vater unterschrieben. Ich hätte nie meine Einwilligung gegeben, wenn ich gewusst hätte, dass der Wettkampf dadrüben stattfindet.»

«Wir fahren nur in den Ostteil, Mama. Abends sind wir wieder zurück im Internat. Was soll denn da schon passieren?»

«Du weißt nicht, wie es drüben ist.» Mamas Stimme klang fast verzweifelt. «Du weißt nicht, wozu die da fähig sind.»

«Ach Schatz - Ben, deine Mutter übertreibt.» Papa hatte ihr den Hörer abgenommen. «Keiner weiß von der alten Geschichte, Anna.» Das war nicht für meine Ohren bestimmt, ich musste mich anstrengen, Vater zu verstehen, er hielt anscheinend die Hand vor den Lautsprecher.

«Was für eine Geschichte?»

«Warte kurz, ich bin gleich wieder bei dir.» Ich hörte eine Weile nichts mehr, bis er sich wieder meldete: «Ben, es ist alles in Ordnung. Mama beruhigt sich wieder. Fahr du zu deinem Wettkampf und mach sie richtig nass dadrüben!»

***

Am Wettkampftag fuhren wir mit der U-Bahn bis Friedrichstraße. Wir standen eine ganze Weile in dem düsteren Bahnhof herum. Es gab mehrere Grenzübergänge, hatte ich gehört. Wir sollten den im Bahnhof Friedrichstraße nehmen, und von dort würde uns ein Bus abholen. Ziemlich umständlich, dass wir nicht direkt mit dem Bus hinfuhren. Aber das waren die Sicherheitsvorkehrungen, hatte Meier, unser Sportlehrer, gesagt. Letztes Jahr, als ich noch nicht am Sportinternat war, hatte sich ausgerechnet der für Olympia qualifizierte Spitzensprinter der Ost-Mannschaft im Gepäckraum des Busses versteckt und war so in den Westen geflohen. Darüber durften wir aber nicht reden, schon gar nicht heute. Mein Freund Andi meinte, es sei ein Wunder, dass sie die Ost-West-Jugendwettkämpfe nicht ganz abgesagt haben, aber sie wollten wohl nicht das Gesicht verlieren. Bei einer Absage wäre eine...
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