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Das Spiel mit der Angst

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.07.20231. Auflage
In diesen Geschichten kämpft nicht nur Kommissar Charitos gegen das Verbrechen. Auch ein alter Maler, der schon Krieg und Hunger erlebt hat, wehrt sich gegen die neusten Finten des Schicksals und erfindet ein Spiel mit der Angst. Und schließlich sind da noch ein Grieche und ein Türke, zwei Restaurantbesitzer und Konkurrenten, die sich gegenseitig alles Böse an den Hals wünschen. Doch als sie zufällig an einem Tisch essen, entdecken sie köstliche Gemeinsamkeiten.

Petros Markaris, geboren 1937 in Istanbul, ist Verfasser von Theaterstücken und Schöpfer einer Fernsehserie, er war Co-Autor von Theo Angelopoulos und hat deutsche Dramatiker wie Brecht und Goethe ins Griechische übertragen. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der Neunzigerjahre und wurde damit international erfolgreich. Er hat zahlreiche europäische Preise gewonnen, darunter den Pepe-Carvalho-Preis sowie die Goethe-Medaille. Petros Markaris lebt in Athen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextIn diesen Geschichten kämpft nicht nur Kommissar Charitos gegen das Verbrechen. Auch ein alter Maler, der schon Krieg und Hunger erlebt hat, wehrt sich gegen die neusten Finten des Schicksals und erfindet ein Spiel mit der Angst. Und schließlich sind da noch ein Grieche und ein Türke, zwei Restaurantbesitzer und Konkurrenten, die sich gegenseitig alles Böse an den Hals wünschen. Doch als sie zufällig an einem Tisch essen, entdecken sie köstliche Gemeinsamkeiten.

Petros Markaris, geboren 1937 in Istanbul, ist Verfasser von Theaterstücken und Schöpfer einer Fernsehserie, er war Co-Autor von Theo Angelopoulos und hat deutsche Dramatiker wie Brecht und Goethe ins Griechische übertragen. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der Neunzigerjahre und wurde damit international erfolgreich. Er hat zahlreiche europäische Preise gewonnen, darunter den Pepe-Carvalho-Preis sowie die Goethe-Medaille. Petros Markaris lebt in Athen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257614008
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum26.07.2023
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse956 Kbytes
Artikel-Nr.11849638
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Dem Andenken von Nikos Koundouros gewidmet und seinem Film Mikres Afrodites

Nach so vielen Jahren im Polizeidienst habe ich mich immer noch nicht an die Anrufe gewöhnt, die mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen. Auch jetzt schrecke ich hoch.

Die Stimme am Telefon gehört Dermitsakis. »Herr Kommissar, gerade wurde uns ein Toter in der Korai-Straße in Jerakas gemeldet. Anscheinend ...«

»Und deshalb weckst du mich?«, protestiere ich empört. »Ruf doch deine Kollegen für die Ermittlungen zu Hilfe! Mich könnt ihr morgen früh immer noch informieren.«

»Wir sind schon am Tatort«, erwidert er ruhig. »Aber es gibt zwei Gründe, warum ich Sie wecken muss.«

»Und welche?«

»Das Opfer heißt Aristidis Sachos. Er ist Virologe und Mitglied der Corona-Expertenkommission. Und außerdem sieht es so aus, als hätte der Täter eine Botschaft hinterlassen.«

»Und wie lautet die?«

»Das weiß ich noch nicht. Die Tatwaffe steckt im Rücken des Opfers, und am Messergriff befindet sich ein Notizzettel. Wir warten auf die Gerichtsmedizin und die Spurensicherung, bevor wir ihn anfassen und nachsehen, was darauf steht.«

Weitere Erklärungen sind überflüssig. »Gut, ich komme.«

Ich beginne mich anzuziehen, doch das Coronavirus hat mein Leben verändert. Jetzt muss ich, bevor ich zu einer Vernehmung fahre, selbst eine Vernehmung über mich ergehen lassen.

»Ist es denn unbedingt nötig, dass du persönlich hinfährst?«, murrt Adriani. »Lass doch deine Mitarbeiter das Gröbste erledigen, und am Morgen seht ihr weiter. Du bist Vizekriminaldirektor für die Region Attika, denkst aber immer noch wie ein Revierleiter.«

Ich versuche die Nerven zu bewahren und erkläre ihr, wer das Opfer ist. »Regierung und Medien werden morgen Kopf stehen. Wie soll ich mich rechtfertigen, wenn herauskommt, dass ich benachrichtigt wurde und im Bett geblieben bin?«

Mein Argument scheint sie zu überzeugen, sie sieht ein, dass ihr Patient nicht isoliert werden kann, aber sie ordnet vorbeugende Maßnahmen an. »Du fährst mit dem eigenen Auto und nicht im Streifenwagen.«

»Keine Sorge, ich nehme den Seat.«

»Hast du eine Maske dabei?«

»Ich habe immer eine im Auto.«

»Warte, ich gebe dir noch zwei mit, für alle Fälle.«

Beim Aufbruch frage ich mich, wann sie ein Fieberthermometer kauft und mir jedes Mal die Temperatur misst, wenn ich nach Hause komme.

Jerakas gehört nicht zu den Gegenden, die mir vertraut sind, daher starte ich vorsichtshalber mein Navi und komme damit auch fast bis zum Ziel. Doch dann kann ich links nicht in die Korai-Straße einbiegen, da die Straße mit einem Flatterband abgesperrt ist. Ich sage den Streifenwagenbeamten, wer ich bin, lasse den Seat stehen und gehe zu Fuß zu der Stelle, wo sich meine Mitarbeiter und die anderen Teams versammelt haben. Als mich Dermitsakis erblickt, eilt er auf mich zu und geleitet mich zum Tatort. Das Opfer liegt mit einem Messer im Nacken bäuchlings auf dem Gehsteig.

»Wurde er von hinten angegriffen und erstochen?«, frage ich.

»Nein«, antwortet Dimitriou von der Spurensicherung, der in der Nähe steht. »Das Opfer war zu Fuß hier auf dem Gehsteig unterwegs, und der Täter hat ihn von hinten mit einem Motorrad angefahren. Erst nachdem das Opfer gestürzt war, erfolgte der tödliche Messerstich in den Nacken. Wenn Sie genau hinschauen, können Sie die Reifenspuren des Motorrads erkennen.«

Er deutet auf die Stelle, aber die Straße ist nur schwach beleuchtet, und mit bloßem Auge ist für mich nichts zu sehen. Auf den ersten Blick ähnelt die Tatwaffe einem ganz normalen Messer, das man in jedem Kramladen in der Athinas-Straße finden kann. Mein Blick fällt auf den Zettel, der mit Klebeband am Griff befestigt ist.

»Das ist der Zettel, den du lieber nicht anrühren wolltest?«, frage ich Dermitsakis. »Weil er eine Botschaft oder ein Bekennerschreiben sein könnte?«

»Genau. Wir wollten mit dem Ablösen auf Sie warten.«

Dimitriou reicht mir ein Paar Wegwerfhandschuhe und ruft einen seiner Techniker, der das Klebeband befeuchtet und ablöst. Dimitriou bedeutet ihm, dass er mir den Zettel überreichen soll.

Nachdem ich mir die Handschuhe übergezogen habe, nehme ich das Papier in Empfang und falte es vorsichtig auseinander. Auf dem Zettel steht nur ein Satz: »Mein Name ist Covid, und ich töte.« Ich lese ihn noch einmal, um sicherzugehen, dass ich mich nicht verlesen habe. Dann drehe ich ihn zu den anderen hin, damit auch sie das Statement sehen können.

»Das Werk eines Verrückten«, lautet Dimitrious Kommentar.

»Gibt es Zeugen, die das Motorrad beschreiben können oder sich sogar das Kennzeichen notiert haben?«, frage ich Dermitsakis.

»Nein, abgesehen von Opfer und Täter scheint niemand auf der Straße unterwegs gewesen zu sein. Ein anonymer Anrufer hat die Polizei informiert.«

Das Gespräch wird durch das Eintreffen von Dervissoglou und Askalidis unterbrochen. »Was gibt´s? Habt ihr etwas herausgekriegt?«, fragt Dermitsakis.

»Ja, Sachos war geschieden und lebte allein. Er hat zwei Söhne, die im Ausland studieren«, antwortet Askalidis.

»Weiß man, an welchem Krankenhaus er gearbeitet hat?«

»Im Allgemeinen Krankenhaus Nikea.«

»Dort ermittelt ihr morgen«, sage ich zu ihnen. Und ich werde mit meinen Vorgesetzten und dem Minister konferieren müssen.

Vorläufig steht nichts weiter an. Ich übergebe Dimitriou den Notizzettel und bitte ihn, mir eine Kopie ins Büro zu schicken, bevor ich in meinen Wagen steige.

Auf der ganzen Fahrt lässt mich die Signatur des Täters nicht los. Höchstwahrscheinlich haben wir es tatsächlich mit einem Verrückten zu tun. Und Psychopathen sind für die Ermittler das Schlimmste.

Jeden Morgen fahre ich Adriani zu Katerinas Wohnung, da sie unseren Enkel Lambros während der Pandemie ganztägig betreut. Heute erzähle ich ihr auf der Fahrt von der Ermordung des Virologen.

Zu meiner großen Überraschung reagiert sie ganz freudig. »Unsterbliches Griechenland, wieder einmal haben wir die Nase vorn! Wir haben das Virus entdeckt, das durch Messerstich tötet.«

Das Faszinierende an Adriani ist, dass man nie weiß, wie ihre Reaktionen ausfallen. Jedes Mal ist man aufs Neue überrascht. Ich setze sie vor dem Eingang zu Katerinas Wohnhaus ab. Dann gebe ich Koula Bescheid, dass ich zur Katechaki-Straße fahre, um dem Vizepolizeipräsidenten Bericht zu erstatten, und dass sie ihm gleich das Foto der Covid-Signatur zuschicken soll.

Er erwartet mich schon in seinem Büro. Wir tippen die Ellenbogen aneinander - was mich an das Eierpecken zu Ostern erinnert - und setzen uns, bevor ich ihn auf den neusten Stand bringe. Inzwischen ist auch das Foto der Covid-Signatur eingetroffen.

»Was halten Sie davon?«, fragt er mich. »Es ist weder eine Erklärung noch ein Bekennerschreiben. Es ist eher eine Art Visitenkarte, mit der er sich uns vorstellt.«

»Und wenn er sich uns vorstellt, heißt das vermutlich, dass er weitermachen will.«

»Aber warum? Worauf will er hinaus?«, fragt sich der Vizepolizeipräsident. »Will er die Virologen beiseiteräumen, damit sich das Virus ungehindert und ohne Schutzmaßnahmen verbreiten kann?«

»Wenn er darauf aus ist, Virologen zu töten, um das Gesundheitssystem zum Einsturz zu bringen, dann führt uns eine Überwachung der Expertenkommission am schnellsten ans Ziel. Wenn er jedoch tötet, um die Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen, wird die Sache kompliziert. Wir sollten uns mit den Ärzten der Corona-Expertenkommission zu einem Gespräch treffen.«

»Der Polizeipräsident hat sich darum gekümmert. Nach seiner Besprechung mit dem Minister werden wir mit ihnen reden können.«

Nach einer knappen Stunde ruft uns der Polizeipräsident zu sich. Die drei Virologen, die durch ihren täglichen TV-Auftritt im Fernsehen griechenlandweit bekannt sind, sitzen bei ihm im Büro.

»Aristidis´ gewaltsamer Tod hat uns erschüttert«, ergreift einer der drei das Wort. »Wirklich tief erschüttert.«

»Wir wussten ja, dass die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen vielen Leuten gegen den Strich gehen. Aber keiner von uns konnte sich vorstellen, dass jemand deswegen zum Mörder wird«, fügt ein anderer hinzu.

»Hat er erzählt, dass er bedroht würde?«, frage ich.

»Mir gegenüber hat er keine Drohungen erwähnt. Bei unserem gestrigen Treffen war er gut gelaunt und hat Späßchen gemacht.« Die anderen beiden stimmen dem Sprecher zu.

»Haben Sie je Drohanrufe oder Ähnliches erhalten?«, will der Vizepolizeipräsident wissen.

Sie verneinen die Frage. »Nur im Internet sind wir mit Hasskommentaren konfrontiert«, fügt der dritte hinzu, der bis jetzt geschwiegen hat.

Damit sind vorerst alle Fragen beantwortet. Die drei Experten erheben sich. Der erste hält an der Bürotür inne. »Wir hoffen, dass Sie Aristidis´ Mörder schnell fassen«, meint er zum Abschied.

»Glauben Sie, dass es bald einen Impfstoff gegen Corona gibt?«, fragt ihn der Polizeipräsident.

»Wir hoffen es, aber sicher sind wir nicht«, erwidert der zweite.

»So ergeht es uns auch mit der Ergreifung des Mörders. Wir hoffen es, aber sicher sind wir nicht.«

Höflich und verständnisvoll lächelnd entfernen sie sich. Kurz darauf mache auch ich mich auf den Weg.

Im Büro erwartet mich mein Team mit leeren Händen. Im Krankenhaus, in dem Sachos arbeitete, war aus Ärzten und Pflegepersonal kein einziger interessanter Hinweis herauszukriegen. Und der Obduktionsbericht bestätigt auch nur das, was schon mit bloßem Auge erkennbar war. Es ist einer...
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Petros Markaris, geboren 1937 in Istanbul, ist Verfasser von Theaterstücken und Schöpfer einer Fernsehserie, er war Co-Autor von Theo Angelopoulos und hat deutsche Dramatiker wie Brecht und Goethe ins Griechische übertragen. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der Neunzigerjahre und wurde damit international erfolgreich. Er hat zahlreiche europäische Preise gewonnen, darunter den Pepe-Carvalho-Preis sowie die Goethe-Medaille. Petros Markaris lebt in Athen.