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Das Leuchten der Rentiere

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am04.10.2022
Die unvergessliche Geschichte eines Sámi-Mädchens, das in einer im Verschwinden begriffenen Welt für seinen Platz im Leben kämpft. Ein Roman, so fesselnd und bezaubernd wie die schneebedeckte Weite, in der er spielt.  Die Sámi Elsa ist neun Jahre alt, als sie allein Zeugin des Mordes an ihrem Rentierkalb wird. Der Täter zwingt sie, zu schweigen. Sie kann nichts tun und fühlt sich doch schuldig, gegenüber ihrer Familie und allen, die ihr nah sind, denn wieder einmal sieht die Polizei keinerlei Anlass, in einem Verbrechen zu ermitteln. Elsas Rentier gilt schlicht als 'gestohlen'. Als die Bedrohung der Sámi und ihrer Herden dramatisch zunehmen und auch Elsa selbst ins Visier des Haupttäters gerät, findet sie endlich die Kraft, sich ihrer lange unterdrückten Schuld, Angst und Wut zu stellen. Aber wird sie etwas ausrichten können gegen die Gleichgültigkeit der Behörden und die Brutalität der Täter?   »Was immer Sie sonst noch im Leben vorhaben: Diesen Roman müssen Sie lesen!« Dagens Nyheter

Ann-Helén Laestadius, geboren 1971, ist eine schwedische Journalistin, preisgekrönte Autorin und gebürtige Sámi. Ihr internationaler Bestseller Das Leuchten der Rentiere wurde von Netflix verfilmt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
HörbuchCD-ROM
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDie unvergessliche Geschichte eines Sámi-Mädchens, das in einer im Verschwinden begriffenen Welt für seinen Platz im Leben kämpft. Ein Roman, so fesselnd und bezaubernd wie die schneebedeckte Weite, in der er spielt.  Die Sámi Elsa ist neun Jahre alt, als sie allein Zeugin des Mordes an ihrem Rentierkalb wird. Der Täter zwingt sie, zu schweigen. Sie kann nichts tun und fühlt sich doch schuldig, gegenüber ihrer Familie und allen, die ihr nah sind, denn wieder einmal sieht die Polizei keinerlei Anlass, in einem Verbrechen zu ermitteln. Elsas Rentier gilt schlicht als 'gestohlen'. Als die Bedrohung der Sámi und ihrer Herden dramatisch zunehmen und auch Elsa selbst ins Visier des Haupttäters gerät, findet sie endlich die Kraft, sich ihrer lange unterdrückten Schuld, Angst und Wut zu stellen. Aber wird sie etwas ausrichten können gegen die Gleichgültigkeit der Behörden und die Brutalität der Täter?   »Was immer Sie sonst noch im Leben vorhaben: Diesen Roman müssen Sie lesen!« Dagens Nyheter

Ann-Helén Laestadius, geboren 1971, ist eine schwedische Journalistin, preisgekrönte Autorin und gebürtige Sámi. Ihr internationaler Bestseller Das Leuchten der Rentiere wurde von Netflix verfilmt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455012958
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum04.10.2022
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1341 Kbytes
Artikel-Nr.9113738
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteTeil 1 Dálvi, Winter, 2008Teil 2 Cakcadálvi, SpÄTHErBST 2018Teil 3 Giddageassi, Frühlingssommer 2019DankGlossarBiographienImpressummehr
Leseprobe

5 - vihtta

In der Küche duftete es nach Kaffee und nassem Hund, Gabo war aber wieder nach draußen gelassen worden. Elsa verkniff sich ein Gähnen, als sie am Küchentisch Platz nahm, wo Papa und Mattias bereits saßen. Mama konnte sich wie üblich morgens nicht hinsetzen. Ihr fehlte die Ruhe zum Sitzen, auch wenn sie zu Abend essen wollten. Aber trotzdem nicht so schlimm wie bei Áhkku, die immer am Herd stand und eine Extraportion Suovas briet oder die Kartoffeln mit einer Nadel testete.

»Ich komme«, sagte Mama immer, wenn Elsa sie bat, sich hinzusetzen.

Aber sie kam nicht, und wenn sie sich dann endlich setzte, waren die anderen schon fertig.

Jetzt wühlte sie in den Gefrierfächern, um das Brot zu finden, das sie letzte Woche gebacken hatte. Auf dem Herd tutete der Wasserkessel bedrohlich vor sich hin. Papa stand schnell auf, mit einem Butterbrot im Mundwinkel, sodass die Käsescheibe fast auf den Boden gefallen wäre, und schob den Kessel beiseite. Mama warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Sie konnte gut böse gucken. Eine Menge Blicke schossen an diesem Morgen über den Tisch. Papa schüttelte den Kopf, wusste bestimmt nicht, ob er etwas falsch gemacht hatte. Männer wussten das selten. Das sagte Áhkku oft zu Elsa. Áhkku war sogar noch besser darin, böse zu gucken. Sie machte alles ein Fünkchen besser als Mama. So war das einfach.

»Du musst mit zur Polizei kommen«, sagte Papa kurz angebunden.

Elsa stockte mit dem Milchglas am Mund und sah ihn an. Er hatte sich rasiert. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und das Weiße in ihnen war rot, aber sein Kinn war glatt und glänzte fast.

»Warum?«

»Du musst sagen, wo du das Ren gefunden hast.«

Sie starrte ihn an.

»Ja, dein Ren«, stellte er klar. »Ich will nur, dass sie begreifen, was du durchgemacht hast. Vielleicht hast du auch jemanden gesehen? Hast du?«

Da ging ihm die Luft aus. Er brachte es nicht fertig, ihr in die Augen zu schauen.

»Dieses Mal haben sie nur getötet, um uns das Leben zur Hölle zu machen. Und die Polizei wird den Unterschied nicht kapieren. Sie denken, uns geht es ums Geld! Wenn sie überhaupt glauben, dass es unser Ren war.« Mattias´ Stimme zitterte. Nicht, weil er weinen wollte. Er war wütend, und Elsa traute sich nicht, ihn anzusehen.

»Hör auf!«, keifte Papa. »Nicht jetzt.« Er nickte leicht in Elsas Richtung.

»Aber ist doch wahr!« Mattias kippelte auf dem Kiefernstuhl und balancierte gleichzeitig das Saftglas in der Hand.

Mama stellte die Butter weg, den Käse wickelte sie in eine Plastiktüte und ließ den Käsehobel in die Spüle fallen. Sie räumte die Milchpackung und den Saftkarton ab, schob nachlässig die Krümel zusammen und holte Kaffeetassen für sich und Papa heraus.

Elsa trank die Milch unendlich langsam, während sie darüber nachdachte, wie ungesetzlich es genau war, einen Polizisten anzulügen. Gefängnisungesetzlich oder nur ein bisschen ungesetzlich? Mattias´ Meinung nach belog die Polizei sie alle ununterbrochen, aus welchem Grund sollte Elsa das nicht auch machen dürfen? Sie dachte ans Ohr, das sie vorläufig unter dem Bett, unter ihren Klamotten versteckt hatte. Sie hatte es eine Weile in der Hand gehalten, bevor sie eingeschlafen war, hatte sich aber nicht getraut, es im Bett zu lassen, weil Mama sie immer wecken musste.

Die Wanduhr tickte laut. Mama setzte sich endlich hin.

»Ich halte es für besser, wenn wir sagen, Mattias hat es gefunden. Sie ist zu klein.«

Mattias kam mit den Stuhlbeinen laut auf dem Boden auf und stellte das Saftglas mit einem Knall ab.

»Klar! Mache ich.«

Elsa blickte sehnsüchtig auf die große Straße. Wenn sie doch nur jetzt dort mit Anna-Stina stehen und auf den Bus warten könnte und nicht an die Polizei zu denken brauchte oder daran, dass sie verloren hatte, was ihr gehörte.

Mama rieb sich die Schläfen, und Elsa betrachtete die grauen Haarsträhnen, die sich zwischen die dunklen geschummelt hatten. Silbrige Streifen. Vielleicht war Mama auch dabei, eine andere zu werden, so wie Elsa im Wald. Denn sie erkannte sie eigentlich nicht mehr wieder. Sie weinte oft und schimpfte noch mehr, meistens mit Mattias, der den Kopf einzog und sich verdrückte.

Mama war Rivgu genannt worden. So nannten böse Zungen Frauen, die keine Saminnen waren. Mama war aus der Stadt. Marika aus der Stadt. Elsa glaubte nicht an das mit der Rivgu, denn Mama sprach doch Samisch, nähte Kolts, besaß eigene Kolts und war Rentierhalterin. Aber sie hatte gesagt, dass sie all das erst lernen musste, als Papa beschloss, dass er sie zur Frau haben wollte.

»Er war sich sicher, und du weißt ja, wenn Papa sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann ihn niemand davon abbringen.« Und dann lachte sie.

Jetzt war es schon lange her, dass sie Elsa daran erinnerte, wie Liebe entstehen konnte. Jetzt war meistens dicke Luft.

Es war nicht klar, ob es böse gemeint war, wenn man »Rivgu« sagte, man musste genau hinhören, in welchem Ton es ausgesprochen wurde. Es konnte sein, dass man damit nur zum Ausdruck bringen wollte, dass sie keine samischen Wurzeln hatte. Denn es war wichtig, zu wissen, wer mit wem verwandt war.

Als Mama und Papa heirateten und dann Mattias kam, wurde immer seltener von »Rivgu« gesprochen. Sie konnte auch anfangen, einen Kolt zu tragen. Áhkku hatte das erklärt. Elsa mochte das Wort Rivgu nicht. Und Mama hatte gesagt, dass die Leute keine Ahnung hatten, wovon sie redeten.

»Auch ich bin eine echte Samin«, hatte sie Elsa eines Abends ins Ohr geflüstert, als sie ihr noch Märchen vorlas.

Elsa, die nie etwas anderes geglaubt hatte, hatte die Mitteilung schweigend zur Kenntnis genommen. Und Mama hatte plötzlich ein entsetztes Gesicht gemacht. Als hätte sie ein Geheimnis ausgeplaudert.

»Du bist noch zu klein«, hatte sie gemurmelt.

»Wir sind gleich«, hatte Elsa entschlossen gesagt.

Mattias behauptete, es wäre unmöglich, sich an Erlebnisse von vor dem sechsten Lebensjahr zu erinnern, aber Elsa erinnerte sich.

Das mit der Rivgu hatte sie auch im Dorf gehört, als jemand Mama beiläufig erwähnte. Als sie nach Hause kam und danach fragte, hatte Mama über die alten Schachteln gelacht, die nur Klatsch und Tratsch verbreiteten. Das Lachen war nicht echt gewesen, denn Elsa wusste, wie es sich anhörte, wenn es aus dem Bauch nach oben sprudelte.

Etwa zur gleichen Zeit hatte sie begriffen, dass Áhkku und Áddjá und auch Mamas Eltern Namen hatten, und dass »Áhkku« Oma mütterlicher- und väterlicherseits und »Áddjá« auch Opa mütterlicher- und väterlicherseits bedeuten konnten.

Elsa konnte immer schon am besten Samisch, besser als Schwedisch, also fühlte sich ihre Zunge im Haus nebenan am wohlsten. Da fiel es leicht, zu reden und zu sagen, was man wollte. Bei Oma und Opa in der Stadt war das schwer. In der Schule gewöhnte sie sich ans Schwedische. Obwohl es eine samische Schule war, gab es immer noch Mitschüler, die am liebsten Schwedisch sprachen.

Sie konnte sich nicht mehr hinter Erinnerungen verstecken, als sich Papa neben ihr laut räusperte.

»Elsa kommt mit mir. Wenn wir jetzt anfangen zu lügen und das rauskommt, glaubt man uns nie wieder, und wir erleben keine Gerechtigkeit.« Er wartete Mamas Reaktion nicht ab, sondern stand schnell auf, um seine Kaffeetasse auszuspülen.

Mattias zuckte seufzend die Schultern. Mama starrte auf Papas Rücken, und Elsa spürte, dass ihr das Frühstück wieder hochkam. Sie schluckte und schluckte.

Papa ging zum Schlafzimmer, Mama stand ebenfalls auf und entfernte sich.

»Elsa! In deinem Zimmer riecht es schlecht. Hast du wieder halb aufgegessenes Obst oder ein nasses Handtuch in der Tasche vergessen, oder was ist das?« Mama kam mit einem Stirnrunzeln zurück.

Das Ohr! Danach roch es vermutlich. Sie selbst hatte nichts wahrgenommen.

»Ja, kann sein, das ich was vergessen habe. Ich gucke nach«, murmelte sie.

Mama ging weiter zum Schlafzimmer, und Elsa rannte in ihr Zimmer. Doch, vielleicht roch es ein wenig. Sie musste das Ohr in den Schuppen bringen, sobald sie von der Schule nach Hause kam. Dort würde es richtig trocknen. Sie leerte schnell ihre kleine grüne Schachtel mit der Halskette und legte stattdessen das Ohr hinein. Dann stellte sie die Schachtel mit zwei Büchern beschwert ins Bücherregal. Jetzt würde wohl kein Gestank nach außen dringen.

Sie ging zurück in die Küche. Aus Mamas und Papas Schlafzimmer war wütendes Gemurmel zu hören.

Sie lehnte sich über den Küchentisch, damit sie die Bushaltestelle sehen konnte. Das Halteschild war fast vollständig mit Schnee bedeckt. Der Schneepflug war am Morgen vorbeigefahren und hatte den Schnee zu Wällen aufgetürmt.

Anna-Stina stand allein da draußen. Nur zwei Mädchen aus dem Dorf gingen in die samische Schule: Anna-Stina und Elsa. Die anderen besuchten die schwedische Dorfschule, die neben der samischen Schule lag. Anna-Stina war zwei Jahre älter als Elsa und ging in die vierte Klasse, trotzdem verstanden sie sich gut. Dazu waren sie gewissermaßen gezwungen, weil es sonst niemanden gab.

Sie fasste einen Entschluss, lief in den Flur und zog ihre Jacke an, schob die Füße in die immer noch zu großen Stiefel, ohne sie zuzubinden, wickelte den Schal zweimal um den Hals, zog die rote Mütze in die Stirn, nahm die Handschuhe in die eine und die Schultasche in die andere Hand und war kurz darauf aus der Tür. Der Schnee auf der Treppe knirschte unter ihren Schuhen, und sie sprang über die letzte Stufe. Aus dem Wald war zu hören, dass sich der Bus näherte. Der Morgen war so still, dass ein Bus in einer Entfernung von mehreren Kilometern zu hören war. Auf den Wangen war der Frost...
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Autor

Ann-Helén Laestadius, geboren 1971, ist eine schwedische Journalistin und Autorin und gebürtige Sámi. In Schweden war sie bereits für ihre vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbücher sehr bekannt, bevor sie mit ihrem ersten Roman für ein erwachsenes Publikum, Das Leuchten der Rentiere, auf Anhieb einen Nummer-1-Bestseller landete. Der Roman wurde in Schweden u.a. als Buch des Jahres 2021 ausgezeichnet, stand in Deutschland etliche Wochen in Folge auf der Spiegel-Bestsellerliste und wird aktuell von Netflix verfilmt. Auch Die Zeit im Sommerlicht stand auf Platz 1 der schwedischen Bestsellerliste. Ann-Helén Laestadius lebt in der Nähe von Stockholm.