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Die Stimmen des Flusses

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
666 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am16.11.20101. Auflage
Ein großer, dramatischer Roman über das engverflochtene Schicksal einer Handvoll Menschen, die der Spanische Bürgerkrieg zu Gegnern und zu Liebenden macht. Seit Carlos Ruiz Zafóns Der Schatten des Windes hat es keinen Roman aus Spanien gegeben, der seine Leser so in den Sog einer faszinierenden Geschichte zieht wie dieser. Was geschah wirklich am 18. Oktober 1944 in dem Pyrenäenort Torena? Als Tina Bros sechs Jahrzehnte später in der alten Dorfschule ein hinter der Schiefertafel verborgenes Tagebuch entdeckt, ahnt sie nicht, daß sie an Dinge rührt, die in ihrer Verquickung aus Schuld und Scham, aus Leidenschaft und Fanatismus das ganze Drama einer schlimmen Zeit spiegeln. Noch weniger ahnt sie, daß der Schatten von damals bis in ihre eigene Gegenwart ragt. In den Händen hat sie die Lebensgeschichte des Dorfschullehrers Oriol Fontelles - einen langen Brief an seine Tochter, der diese nie erreicht hat, die Bitte, von ihr und der Nachwelt nicht verurteilt zu werden. Tina, deren eigenes Leben in Unordnung geraten ist, setzt alles daran, herauszufinden, was damals tatsächlich geschah. Sie erfährt von Oriols tragischer Liebesbeziehung zu der schönen und mächtigen Elisenda Vilabrú, deren Vater und Bruder zu Beginn des Bürgerkriegs von Anarchisten ermordet wurden, davon, wie Elisenda in ihrem Bedürfnis nach Rache alle Fäden zieht und wie ihr Geliebter Oriol Fontelles als heimlicher Widerständler ein gefährliches Doppelspiel beginnt, das in der Dorfkirche von Torena sein schicksalhaftes Ende findet. Für Tina Bros jedoch ist die Geschichte nicht beendet, denn alter Haß und alte Leidenschaften gären weiter, die Vergangenheit ist nicht vergangen. Jaume Cabré ist ein Meister der Dramatik: Wie im Film wechseln die Szenen in raschem Schnitt, die Stimmen der Protagonisten lösen einander ab, und das ungeheuerliche Geschehen erschließt sich dem Leser, als wäre er selbst dabei. Er liest die bewegende Geschichte von kleinlicher Bosheit und heimlicher Größe, von mörderischem Ha


Jaume Cabré, geboren 1947 in Barcelona, ist einer der angesehensten katalanischen Autoren. Neben Romanen, Erzählungen und Essays hat er auch fürs Theater geschrieben und Drehbücher verfasst. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem spanischen Kritikerpreis und dem französischen Prix Méditerranée, und in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEin großer, dramatischer Roman über das engverflochtene Schicksal einer Handvoll Menschen, die der Spanische Bürgerkrieg zu Gegnern und zu Liebenden macht. Seit Carlos Ruiz Zafóns Der Schatten des Windes hat es keinen Roman aus Spanien gegeben, der seine Leser so in den Sog einer faszinierenden Geschichte zieht wie dieser. Was geschah wirklich am 18. Oktober 1944 in dem Pyrenäenort Torena? Als Tina Bros sechs Jahrzehnte später in der alten Dorfschule ein hinter der Schiefertafel verborgenes Tagebuch entdeckt, ahnt sie nicht, daß sie an Dinge rührt, die in ihrer Verquickung aus Schuld und Scham, aus Leidenschaft und Fanatismus das ganze Drama einer schlimmen Zeit spiegeln. Noch weniger ahnt sie, daß der Schatten von damals bis in ihre eigene Gegenwart ragt. In den Händen hat sie die Lebensgeschichte des Dorfschullehrers Oriol Fontelles - einen langen Brief an seine Tochter, der diese nie erreicht hat, die Bitte, von ihr und der Nachwelt nicht verurteilt zu werden. Tina, deren eigenes Leben in Unordnung geraten ist, setzt alles daran, herauszufinden, was damals tatsächlich geschah. Sie erfährt von Oriols tragischer Liebesbeziehung zu der schönen und mächtigen Elisenda Vilabrú, deren Vater und Bruder zu Beginn des Bürgerkriegs von Anarchisten ermordet wurden, davon, wie Elisenda in ihrem Bedürfnis nach Rache alle Fäden zieht und wie ihr Geliebter Oriol Fontelles als heimlicher Widerständler ein gefährliches Doppelspiel beginnt, das in der Dorfkirche von Torena sein schicksalhaftes Ende findet. Für Tina Bros jedoch ist die Geschichte nicht beendet, denn alter Haß und alte Leidenschaften gären weiter, die Vergangenheit ist nicht vergangen. Jaume Cabré ist ein Meister der Dramatik: Wie im Film wechseln die Szenen in raschem Schnitt, die Stimmen der Protagonisten lösen einander ab, und das ungeheuerliche Geschehen erschließt sich dem Leser, als wäre er selbst dabei. Er liest die bewegende Geschichte von kleinlicher Bosheit und heimlicher Größe, von mörderischem Ha


Jaume Cabré, geboren 1947 in Barcelona, ist einer der angesehensten katalanischen Autoren. Neben Romanen, Erzählungen und Essays hat er auch fürs Theater geschrieben und Drehbücher verfasst. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem spanischen Kritikerpreis und dem französischen Prix Méditerranée, und in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518733202
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum16.11.2010
Auflage1. Auflage
Seiten666 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1003524
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2

Seine Exzellenz Don Nazario Prats, Zivilgouverneur und Provinzchef des Movimiento, war kahl, schnauzbärtig, verschwitzt und nervös. Wer war nicht nervös, wenn er Senyora Elisenda gegenüberstand? Allein ihre persönliche Duftnote versetzte ihn in Alarmbereitschaft, erinnerte sie ihn doch daran, wie Senyora Elisenda ihm während der Beerdigung ihres Mannes Santiago mit samtweicher Stimme Befehle zugeraunt hatte, als wüßte sie nicht, daß er Zivilgouverneur war, und wie sie ihn erpreßt hatte, als wäre ihr unbekannt, daß er als Provinzchef des Movimiento gewisse Vorrechte genoß. Aber ihr waren seine Vorrechte völlig egal, sie brachte ihn um seine rechtmäßigen Einkünfte, und das mit einer Kaltschnäuzigkeit, die eines Stalin würdig gewesen wäre. Eines Stalin, jawohl. Für die Kameras setzte er eine freundliche Miene auf, während er zusah, wie Marcel, der Sprößling des seligen Kameraden Santiago Vilabrú, elegant den Hang hinunterglitt bis zu der Stelle, wo er, drei Subdelegierte, sechs Bürgermeister und die verfluchte Witwe gemeinsam mit drei Autobussen voller Claqueure aus Vall d'Àssua, Caregue und Batlliu der Eröffnung der Skipiste von Tuca beiwohnten, die eine Innovation war, eine mutige Initiative und ein Ansporn für die Zukunft. Die Autobusinsassen klatschten eifrig, denn sie hatten kein Wort verstanden, und so handelte es sich wohl um etwas Bedeutendes. Marcel Vilabrú Vilabrú, ein ausgezeichneter Skifahrer, war in zweitausenddreihundert Meter Höhe gestartet; auf seinem Rücken knatterte die rot-goldene spanische Fahne im Wind, und seine Skier rauschten leise durch den Schnee, als er hangabwärts sauste, in Schwüngen, die er zuvor mit Quique abgesprochen und an die dreißigmal geübt hatte, damit er nicht etwa durch einen Patzer im Neuschnee landete, den er mit dieser grandiosen Abfahrt einweihte, und dabei die Fahne ruinierte und das Schauspiel verdarb.

Don Nazario Prats verfolgte Marcels Abfahrt mit aufgesetztem Lächeln und warf von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick auf seine Widersacherin, um sicherzugehen, daß sie keinerlei Anzeichen von Langeweile, Mißmut oder sonst eine Gemütsregung erkennen ließ, die sie dazu bewogen hätte, das Ganze einem Minister zu erzählen, bloß um ihn anzuschwärzen. Einem Minister oder den Kameraden von der Falange. Aber nein, die Witwe sah ihrem geliebten Sohn zu und betrachtete voller Stolz die lautlos flatternde zweifarbige Fahne (das Knattern drang nicht bis zu den Würdenträgern herüber), während die Kameras der Wochenschau die Szene in Schwarzweiß festhielten.

»Erst dreizehn Jahre alt und schon ein so begnadeter Skiläufer«, sagte er aufs Geratewohl, für die Ohren der Allgemeinheit, besonders aber für ihre Ohren bestimmt. Niemand entgegnete etwas, und er spürte, wie seine Hände schweißnaß wurden, wie immer, wenn er die Fassung verlor. Nicht einmal sie hatte geantwortet, dabei hätte sie sich doch ein klein wenig entgegenkommend zeigen können. Aber nein, sie will mich fertigmachen.

Der Gouverneur sah nach links: Hochwürden August Vilabrú, dieser stille alte Kanoniker (oder was auch immer er sein mochte), beobachtete Marcel Vilabrús Abfahrt so stolz, als wäre er der Vater des Jungen. Der Gouverneur wußte nicht, daß August Vilabrú sich mit Fug und Recht zumindest als der Vater der Mutter des Jungen fühlen konnte; schließlich hatte er, als Elisenda fünf Jahre alt war, ihren Eltern gesagt: »Anselm, Pilar, dieses Mädchen ist etwas ganz Besonderes.« »Und Josep?« »Josep«, hatte er geantwortet (der arme Josep, er ruhe in Frieden), »Josep ist durchschnittlich, aber Elisenda ist außergewöhnlich intelligent, sie sieht die Dinge im Zusammenhang und …« »Schade nur, daß sie ein Mädchen ist.« »Galant wie immer.« »Anselm, Pilar, jetzt streitet euch doch um Himmels willen nicht meinetwegen! Eure Tochter ist ein Diamant, und es wäre mir eine Ehre, ihn zu schleifen, bis er funkelt.« Aber Anselm Vilabrú war ein Hansdampf in allen Gassen, und Pilar machte, auch wenn er das damals nicht wissen konnte, anderen Männern schöne Augen, und so schenkten sie Augusts Bemerkungen keine Beachtung. Sie nahmen ihn sowieso nicht ernst: Sowohl sein Bruder als auch seine Schwägerin waren der Ansicht, Mathematiker seien schlechte Menschenkenner, noch dazu, wenn sie Priester waren. Also ergriff Hochwürden August die Initiative und brachte das Mädchen im Internat der Theresianerinnen von Barcelona unter, weil er sich der Spiritualität ihres seligen Gründervaters Enric d'Ossó, der seiner Meinung nach heiliggesprochen gehörte, stets verbunden gefühlt hatte. Er sprach mit Mutter Venància und gewann sie als Verbündete: Das arme Kind brauchte eine anständige Erziehung, denn obwohl sie aus einer der besten Familien kam, kümmerte sich dort niemand richtig um sie. Mutter Venància verstand. Sie wußte, daß Hochwürden August Vilabrú sich an sie gewandt hatte, weil sie als die Anspruchsvollste unter den Theresianerinnen galt. Ein kurzer, aber fruchtbarer Aufenthalt im Kloster von Ràpita zu Zeiten der Äbtissin Dorotea hatte ihr eisernes Pflichtgefühl geschärft und ihr die Devise eingeprägt, daß man stets das tun mußte, was man für richtig hielt. »Eine Eins in Rechnen, eine Eins in Grammatik, eine Eins in Latein, eine Eins in Naturwissenschaften, eine Eins in Religion, Diamant ist gar kein Ausdruck für dieses Kind, Hochwürden August.«

Unten angekommen, nahm Marcel die Fahne ab und rammte die Stange an der mit Quique und dem nervtötenden Protokollchef des Gouverneurs vereinbarten Stelle in den jungfräulichen Schnee, als hätte er soeben den Nordpol erobert, eine männliche Geste, die von Würdenträgern wie Claqueuren beklatscht wurde. Nun setzten sich oben dreißig Skiläufer in Bewegung und zogen slalomfahrend ein zierliches Geflecht von Spuren in den Schnee, was mit erneutem Beifall quittiert wurde. Don Nazario Prats drehte sich halb um, und man präsentierte ihm ein Silbertablett mit einem roten Kissen, auf dem die Einweihungsschere ruhte. Er packte sie heftig, als wollte er eine Dummheit begehen. Onésimo Redondo höchstpersönlich, der Führer der Nationalsyndikalistischen Initiative, hatte ihm eines Abends verraten, daß ein Einfall, um genial zu sein, intuitiv und spontan sein müsse. Jetzt hatte er einen solchen genialen Einfall und reichte, ohne nachzudenken, die Schere an die Witwe Vilabrú weiter.

Da, du Miststück, am liebsten würde ich sie dir in den Hals rammen.

»Wer wäre geeigneter als Sie, Senyora Elisenda, mir bei der Einweihung der Skipiste von Tuca Negra zur Hand zu gehen?«

Senyora Elisenda ließ sich nicht lang bitten. Sie kannte ihre Rechte, und so ging sie ihm nicht nur zur Hand, sondern zerschnitt selbst das zweifarbige Band, das die Würdenträger bisher daran gehindert hatte, zum Sessellift und dem pittoresken Schweizerhaus hinüberzugehen, wo man ihnen einen schönen heißen Kaffee mit Schuß versprochen hatte. Würdenträger und Autobusinsassen beklatschten auch das Zerschneiden des Bands und sahen dann zu, wie Senyora Elisenda von Casa Gravat die Schere wieder auf das Kissen legte und sich in Begleitung des Gouverneurs auf den Weg zum Chalet machte, dem zukünftigen Vereinslokal von Tuca Negra. Nur die Honoratioren übertraten die nicht länger sichtbare Einweihungslinie, denn die Leute aus den Bussen hatten noch nie Skier unter ihren Füßen gehabt, obwohl sie mit dem Schnee vertraut waren. Sie hatten im Winter genug damit zu tun, ihre Geräte auszubessern und instand zu setzen, Sensen zu dengeln, Gewehre und Karrenräder zu reparieren, Maschinen zu ölen, Risse zu stopfen, schadhafte Dachziegel auszutauschen, wenn nicht ganz so viel Schnee lag, ihr Vieh zu versorgen und in die Ferne zu blicken und von einem anderen, unerreichbaren Leben zu träumen. Nur die Honoratioren übertraten also die Linie - und, ungebeten, Senyora Elisendas Chauffeur Jacinto Mas, der seiner Herrin nie von der Seite wich, weniger, weil er fürchtete, jemand könne ihr etwas zuleide tun, sondern vielmehr, weil er fühlte, daß sein Leben, die Narbe in seinem Gesicht und seine Zukunft nur dann einen Sinn hatten, wenn Senyora Elisenda ihn ansah und ihr Blick sagte, sehr gut, Jacinto, du machst das ausgezeichnet.

Hochwürden August Vilabrú segnete das Vereinslokal (Wände aus lasiertem Holz, imitierte Pokale, große Fenster, die auf die Piste hinausgingen), versprengte Weihwasser gegen das Böse und nuschelte »Asperges me« und daß von diesem Ort stets nur Gutes ausgehen möge. Doch schon wenige Jahre später würde sich hier zwischen Quique und Marcel die Szene unter der Dusche abspielen, der Haß, der sich in Quique angestaut hatte, würde sich in Flüchen und Gotteslästerungen entladen, im Vereinslokal von Tuca Negra würde in jeder Skisaison etwa dreißigmal Ehebruch begangen, bei guten Schneeverhältnissen sogar bis zu vierzigmal, und viele der Stammgäste waren zwar äußerst kultiviert, aber völlig skrupellos. Aber wie sollte Hochwürden August Vilabrú das ahnen? Im Gegensatz zu Bibiana kannte er die Zukunft der Dinge und Menschen nicht, und so erteilte er mit der Seelenruhe des Unwissenden großzügig seinen Segen.

Durch die Fenster des Vereinslokals bot sich den Honoratioren ein großartiger Ausblick auf die dreißig Skifahrer, junge, athletische Männer und Frauen mit gebräunter Haut und weißen Zähnen, die betont sorglos plauderten und nur von Zeit zu Zeit zur Kamera der Wochenschau hinüberschielten, in die sie nicht direkt hineinblicken sollten, während sie auf den Sessellift warteten. Die neu eröffneten Anlagen waren wie geschaffen für die distinguierte Klientel, die bald in Massen über die frisch asphaltierte Zufahrtsstraße herbeiströmen würde....
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Kritik
»Lassen Sie sich einfach auf die großartige Geschichte ein, die Begeisterung kommt von ganz allein. Sie werden sich am Ende nach dem kleinen Ort in den Pyrenäen sehnen und danach, dass es doch bitte noch 666 Seiten weitergehen möge. Sex, Crime, Zärtlichkeit, Witz, Ironie, Schärfe, Zeitgeschichte, es ist alles drin, ein Spielfilm als Buch verpackt.«mehr

Autor

Jaume Cabré, geboren 1947 in Barcelona, ist einer der angesehensten katalanischen Autoren. Neben Romanen, Erzählungen und Essays hat er auch fürs Theater geschrieben und Drehbücher verfasst. Seine Romane wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem spanischen Kritikerpreis und dem französischen Prix Méditerranée, und in zahlreiche Sprachen übersetzt.