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Der Seele weißes Blut

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.04.2012
Eine zu Tode gesteinigte Frau im Wald und rätselhafte Zeichen am Tatort. Der Beginn einer alptraumhaften Mordserie
Nach einer durchzechten Nacht wird Hauptkommissarin Lydia Louis im Morgengrauen zum Tatort gerufen: Eine grauenvoll zugerichtete Frauenleiche, halb im Waldboden eingegraben und zu Tode gesteinigt. Schnell scheint klar: Hier handelt es sich um einen Ehrenmord. Doch das Opfer hat keinen muslimischen Hintergrund. Und wie passen die rätselhaften Zeichen dazu, die in den Baumstamm neben der Leiche eingeritzt sind? Louis und ihr neuer Partner Christopher Salomon sind dem Mörder dicht auf den Fersen. Doch der Killer hat sein Werk längst nicht vollendet - und die Kommissarin fällt genau in sein Beuteschema ...

Sabine Klewe, Jahrgang 1966, arbeitet als Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin in Düsseldorf und hat zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane veröffentlicht. »Der Nachtjäger« ist der Auftakt einer neuen Reihe um den Privatermittler Linus Roth.
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Produkt

KlappentextEine zu Tode gesteinigte Frau im Wald und rätselhafte Zeichen am Tatort. Der Beginn einer alptraumhaften Mordserie
Nach einer durchzechten Nacht wird Hauptkommissarin Lydia Louis im Morgengrauen zum Tatort gerufen: Eine grauenvoll zugerichtete Frauenleiche, halb im Waldboden eingegraben und zu Tode gesteinigt. Schnell scheint klar: Hier handelt es sich um einen Ehrenmord. Doch das Opfer hat keinen muslimischen Hintergrund. Und wie passen die rätselhaften Zeichen dazu, die in den Baumstamm neben der Leiche eingeritzt sind? Louis und ihr neuer Partner Christopher Salomon sind dem Mörder dicht auf den Fersen. Doch der Killer hat sein Werk längst nicht vollendet - und die Kommissarin fällt genau in sein Beuteschema ...

Sabine Klewe, Jahrgang 1966, arbeitet als Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin in Düsseldorf und hat zahlreiche erfolgreiche Kriminalromane veröffentlicht. »Der Nachtjäger« ist der Auftakt einer neuen Reihe um den Privatermittler Linus Roth.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641069254
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum17.04.2012
Reihen-Nr.1
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3543 Kbytes
Artikel-Nr.1103772
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Zwei Wochen später

Dienstag, 8. September

Die Morgendämmerung kroch eben erst über die Hügel. Ein feiner Dunstschleier verbarg das Tal mit der langsam erwachenden Stadt. Es roch nach Moder und feuchtem Laub.

Ellen Dankert ließ sich in einen gemächlichen Trab fallen. Mit jedem Schritt, den sie sich von der Haustür entfernte, bröckelte Last von ihren Schultern, so als würde sie kleine Gewichte auf dem Waldweg verstreuen. Tief sog sie die kalte Luft ein, bis ihre Lungen brannten. Sie liebte diese Morgenstunde, die einzige des Tages, die ihr ganz allein gehörte. Und das auch nur, wenn Philipp Frühschicht hatte. Dann konnte sie laufen, bevor sie die Kinder wecken musste. Sobald die Rücklichter seines Wagens um die Straßenecke verschwunden waren, hatte sie sich in aller Eile umgezogen und war aus dem Haus geschlichen. In der Einfahrt hatte noch der Geruch nach Abgasen gehangen wie eine letzte Erinnerung an Philipps Präsenz.

Plötzlich durchzuckte sie der Gedanke, er könne etwas vergessen haben und noch einmal zurückkehren. Ins Haus stürmen, sie überall suchen, die Kinder aus dem Schlaf reißen. Nein, er war noch nie umgekehrt. Sie durfte sich nicht verrückt machen. Vielleicht sollte sie ihm einfach erzählen, dass sie morgens gern eine Runde durch den Wald lief. Womöglich hatte er gar nichts dagegen. Warum sollte er auch? Joggen war schließlich vollkommen harmlos. Andererseits, wenn sie ihm nichts sagte, und er kam ihr auf die Schliche, konnte sie immer noch die Ahnungslose spielen. Ihm versichern, dass sie nicht gewusst habe, dass er es missbillige. Allerdings würde das seine Wut kaum eindämmen.

Ellen erreichte die Gabelung unterhalb der großen Weide und bog nach rechts ab. Inzwischen hatte sich eine angenehme Wärme in ihrem Körper ausgebreitet, ihre Beine liefen wie von allein. Sie ließ ihre Gedanken schweifen, stellte sich vor, wie sie immer weiter rannte, aus der Stadt hinaus, durch mannshohe Maisfelder, dichte Laubwälder, fremde Dörfer und Städte. Weiter und weiter. Wie sie nicht zurückkehrte, ein neues Leben anfing. Einfach so. Sie würde sich Carola nennen. Als Kind hatte sie immer Carola heißen wollen. Carola war die Starke, die Mutige, die alles schaffte, was sie sich vornahm. Carola ließ sich von niemandem herumkommandieren, alle respektierten und achteten sie. Als Nachname wäre ein Allerweltsname am besten. Müller oder Meier. Dahinter konnte man sich gut verstecken. Müller oder Meier, das war wie eine Tarnkappe. Carola Müller. Das klang gut. Sie würde einfach behaupten, sie habe ihre Papiere verloren. Oder besser noch: ihr Gedächtnis. Carola Müller, die Frau ohne Vergangenheit. Die mutige, starke Frau ohne Vergangenheit. Der Gedanke gefiel ihr.

Ellen hatte die kleine Holzbrücke am Bach erreicht. Von hier aus ging es im Bogen nach Hause zurück. Der Weg stieg leicht an, doch sie merkte es kaum. Sie kam in der Nähe der Landstraße vorbei, Autos rauschten heran, nur durch das anschwellende Brüllen des Motors und das umherzuckende Licht der Scheinwerfer zu erkennen, und tauchten zurück ins Dämmerlicht. Endlich führte der Weg von der Straße weg, es wurde stiller, die Geräusche des Waldes, das Knacken der Äste und das leise Stöhnen der mächtigen Baumstämme, übernahmen wieder das Regiment. Ellen hörte ein Rascheln neben sich im Unterholz. Sie zuckte zusammen und beschleunigte ihre Schritte. Ein Reh brach aus dem Dickicht hervor, starrte sie einen Moment lang verschreckt an und verschwand behände zwischen den Stämmen auf der anderen Seite des Weges. Erleichtert drosselte Ellen das Tempo. Ihr war jetzt heiß, Schweiß stand kalt auf ihrer Stirn.

Eine kleine Lichtung tauchte vor ihr auf. In der Mitte lag ein eigenartiges schwarzes Bündel. Ellen warf einen flüchtigen Blick darauf und rannte weiter. Vermutlich ein totes Tier, dachte sie. Aber schwarz? Sie stockte, stolperte und wäre beinahe gestürzt. Die Lichtung lag bereits hinter ihr. Sie zögerte, dann lief sie das kurze Stück zurück. Nur eben nachschauen, sagte sie sich. Sonst würde sie den ganzen Tag herumrätseln, was sie da wohl Merkwürdiges gesehen hatte.

Dort lag es. Ein Tier war es nicht, das erkannte Ellen jetzt. Vielleicht eine Decke, die jemand liegen gelassen hatte, oder eine Jacke. Nein, es sah eher aus wie Fell. Langes dunkles Fell. Behutsam schlich Ellen näher. Eine unerklärliche Furcht lähmte mit einem Mal ihre Glieder und ließ jeden Schritt zu einem ungeheuren Willensakt werden. Unter dem schwarzen Fell schimmerte eine unförmige Masse. Braun. Oder Rot. Sie erinnerte ein wenig an einen Klumpen rohes Fleisch.

Fleisch mit Haaren.

Ellen stockte und presste die Hände vor den Mund. Ein Rauschen, das von überallher zu kommen schien, erstickte alle anderen Laute des Waldes, krabbelte wie ein Bienenschwarm in ihre Ohren, wo es zu einem unerträglich lauten Surren wurde. Sie wankte, stolperte rückwärts und stieß gegen einen Buchenstamm. Mit fahrigen Fingern tastete sie nach der Rinde und krallte sich daran fest.

»Weg hier«, flüsterte eine Stimme tief in ihrem Inneren. »Weg! Nur weg!«

Sie gehorchte mechanisch, löste widerwillig ihre Hände von dem sicheren Stamm und taumelte los. Zurück auf den Weg.

Irgendwo hinter ihr knackte es.

Sie schrie.

Zwischen ihren Schenkeln wurde es nass. Keuchend stürmte sie den Weg hinauf, so schnell, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt war. Die feuchte Hose klebte auf ihrer Haut, ihre Brust stach bei jedem Atemzug wie tausend Nadeln, ein seltsames, lähmendes Kribbeln wand sich ihre Beine hoch. Doch sie blieb nicht stehen.

Erst vor der Haustür brach sie zitternd zusammen.

2

Die Übelkeit überfiel sie, als sie an einer Ampel halten musste. Lydia Louis schluckte, um den Brechreiz zu unterdrücken, und schloss die Augen. Langsam zählte sie rückwärts. Zehn, neun, acht Manchmal half es. Hinter ihren Schläfen pochte es, dafür beruhigte sich ihr Magen vorübergehend. Erleichtert atmete sie durch. Als sie die Augen wieder öffnete, war die Ampel auf Grün gesprungen.

Lydia umklammerte das Lenkrad, gab Gas und versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren. Irgendwo hier musste sie abbiegen. Was hatte der Kollege über Funk gesagt? Nach dem Baumarkt die zweite Kreuzung links und dann auf die Landstraße. Das Pochen in ihrem Schädel verstärkte sich. Verdammt! Warum war sie nicht erst nach Hause gefahren? Sie hätte kurz duschen, sich umziehen und zwei Aspirin nehmen können. Auch wenn ihr Magen ihr Letzteres vermutlich übel genommen hätte.

Schon von Ferne sah sie das blinkende Blaulicht. Sie schlug das Lenkrad ein und rollte langsam auf den holprigen Waldweg. Ein Kollege in Uniform trat auf ihren Wagen zu. Sie ließ die Scheibe herunter und kramte in ihrer Jacke nach dem Dienstausweis, doch das erwies sich als unnötig.

»Guten Morgen, Frau Louis.« Er tippte sich in einer militärischen Geste an die Mütze. »Einfach dem Weg folgen. An der Gabelung links, danach sind es nur noch ein paar Meter. Ist nicht zu verfehlen.«

Sie brummte ein Danke und schloss das Fenster. Hier im Wald war es noch dämmrig, Zweige knisterten unter den Reifen, ein Schatten huschte vor ihr über den Weg. An der Gabelung kam die Übelkeit wieder. Sie fluchte. Das würde ihr gerade noch fehlen, auf die Leiche zu kotzen! Es hatte sie Jahre gekostet, sich bei den männlichen Kollegen Respekt zu verschaffen, ihnen zu beweisen, dass sie eine gute Ermittlerin war, dass sie Instinkt hatte, Ausdauer und starke Nerven. Doch eine kleine Panne, ein winziges Aufblitzen weiblicher Schwäche, und die jahrelange mühevolle Arbeit wäre zunichte gemacht. Von dem Moment an, wo sie an einem Tatort ihr Frühstück ins Gebüsch spuckte, hätte sie ihren Spitznamen weg: »das Sensibelchen«, »unsere Zarte« oder einfach nur »die kotzende Lydia«.

Funkstreifen, Notarzt und Leichenwagen tauchten vor ihr auf. Kreuz und quer parkten die Fahrzeuge auf dem schmalen geschotterten Waldweg. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Ohne allzu große Eile lenkte sie den Toyota hinter den BMW ihres Chefs und stellte den Motor ab.

Bevor sie ausstieg, warf sie einen raschen Blick in den Rückspiegel. Glücklicherweise hatte sie einen Haarschnitt, dem man nicht ansah, ob sie frisch frisiert war oder drei Tage keine Bürste in die Hand genommen hatte. Sie fuhr sich mit den Fingern ein paarmal durch die dunkelblonden, kurzen Strähnen und kniff sich in die Wangen, um nicht so blass auszusehen. Kurz schloss sie die Augen und massierte ihre hämmernden Schläfen. Danach stieß sie mit einem Seufzer die Wagentür auf.

Weynrath löste sich aus dem Gewusel, als sie über den knirschenden Untergrund lief. Er war einen halben Kopf kleiner als Lydia, von behäbiger Statur und wirkte immer ein wenig elektrisiert. Manchmal erinnerte er sie an den Schauspieler Danny de Vito, heute jedoch sah er eher wie einer von diesen Aufziehweihnachtsmännern aus, die Jingle Bells dudelnd über den Wohnzimmerteppich marschierten. Dabei trug er weder Bart noch einen roten Mantel.

»Louis! Da sind Sie ja! Verdammt beschissene Sache.«

Sie straffte die Schultern. »Was ist passiert?«

»Leiche. Vermutlich weiblich. Da vorne auf der Lichtung. Kommen Sie mit!«

»Vermutlich weiblich?«, fragte Lydia, während sie ihrem Chef durch das Unterholz folgte.

»Warten Sie's ab.«

Sie gelangten an den Bereich, der mit Flatterband abgesperrt war. Gestalten in weißen Overalls huschten zwischen den Stämmen umher. Jemand machte Fotos. Überall im Boden steckten kleine Schildchen. Obwohl es inzwischen fast hell war, tauchten zwei riesige...


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