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Die finanziellen Abenteuer des talentierten Poeten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am26.05.2014
Matt Prior hat alles, was der amerikanische Durchschnittsbürger sich wünscht: ein Haus in einer Vorortsiedlung, eine hübsche Frau, zwei Kinder. Doch sein Plan, sich als Lyriker zu etablieren, scheitert.
Und als er auch noch seinen Job als Wirtschaftsjournalist verliert, weiß er plötzlich nicht mehr, wie er seine Schulden bezahlen soll. Seine Gläubiger aber sind ungeduldig, und er muss innerhalb kürzester Zeit 30.000 Dollar auftreiben, um nicht seine gesamte Existenz zu verlieren. Dann trifft er nachts beim Milchholen im Supermarkt um die Ecke auf zwei jugendliche Kiffer, raucht seinen ersten Joint seit Jahren, geht auf eine Party, und plötzlich kommt ihm eine folgenschwere Idee, wie er seine Geldprobleme lösen kann.
Der preisgekrönte Autor Jess Walter präsentiert einen sympathischen Helden des Alltags, der kreativ und tapfer versucht, die nicht endenwollenden Konsumwünsche seiner Familie zu erfüllen - eine ausgelassene Satire auf das zerbröselnde Lebensmodell der Mittelschicht.

Jess Walter arbeitete als Journalist, bevor er Buchautor wurde. Für eine seiner journalistischen Arbeiten war er für den Pulitzer-Preis nominiert, für seine Kriminalromane für mehrere Buchpreise, 2005 erhielt er den Edgar Allan Poe Award. Jess Walter lebt mit seiner Familie in Spokane, Washington. Sein Roman Schöne Ruinen erschien 2013 bei Blessing.
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Produkt

KlappentextMatt Prior hat alles, was der amerikanische Durchschnittsbürger sich wünscht: ein Haus in einer Vorortsiedlung, eine hübsche Frau, zwei Kinder. Doch sein Plan, sich als Lyriker zu etablieren, scheitert.
Und als er auch noch seinen Job als Wirtschaftsjournalist verliert, weiß er plötzlich nicht mehr, wie er seine Schulden bezahlen soll. Seine Gläubiger aber sind ungeduldig, und er muss innerhalb kürzester Zeit 30.000 Dollar auftreiben, um nicht seine gesamte Existenz zu verlieren. Dann trifft er nachts beim Milchholen im Supermarkt um die Ecke auf zwei jugendliche Kiffer, raucht seinen ersten Joint seit Jahren, geht auf eine Party, und plötzlich kommt ihm eine folgenschwere Idee, wie er seine Geldprobleme lösen kann.
Der preisgekrönte Autor Jess Walter präsentiert einen sympathischen Helden des Alltags, der kreativ und tapfer versucht, die nicht endenwollenden Konsumwünsche seiner Familie zu erfüllen - eine ausgelassene Satire auf das zerbröselnde Lebensmodell der Mittelschicht.

Jess Walter arbeitete als Journalist, bevor er Buchautor wurde. Für eine seiner journalistischen Arbeiten war er für den Pulitzer-Preis nominiert, für seine Kriminalromane für mehrere Buchpreise, 2005 erhielt er den Edgar Allan Poe Award. Jess Walter lebt mit seiner Familie in Spokane, Washington. Sein Roman Schöne Ruinen erschien 2013 bei Blessing.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641094157
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum26.05.2014
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2703 Kbytes
Artikel-Nr.1386943
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Noch ein 7/11

Da sind sie wieder - die Kiffer-Kids, kaputte und

bedröhnte Kids, fertig, rote Augen, trockener Mund

breite Kids, durchstöbern enge helle Gänge

so hungrig, wie sie high sind, fahrige

Hände knüllen Scheine, die sie auf

den Tresen werfen, so stoned und so

stolz, als hätten sie das Highsein

persönlich erfunden

Und hinter dem Tresen sucht der stets geduldige Rahjiv mit gesenkten Lidern meinen Blick. Während er den nächsten der kichernden, nach Patschuli müffelnden Kiffer bedient - Reese's-Piece-Riegel, Rubbellose, Red Bull und Tortilla-Chips mit Käse -, denkt Rahjiv vermutlich: Diese Kids, was, Matt? Oder vielleicht auch nicht, weil Rahjiv meinen Namen nicht kennt und ich kein Namensschild trage. Ich bin bloß dieser Typ mittleren Alters, der den Motor seiner bronzefarbenen Familienkutsche laufen lässt, wenn er nach Mitternacht reinschaut. Wenn er nicht schlafen kann und vergessen hat, Milch im Supermarkt zu kaufen. Milch für die Frühstücksflocken der Kinder. Für morgens. Vor der Schule.

Die Milch kostet fast zwei Dollar pro Liter.

Heutige Immigranten wie Rahjiv sind schon seit Jahren ein politischer Rorschach-Test: Siehst du einen Turban und denkst Terrorist, bist du Republikaner. Denkst du indischer Neurochirurg, beherrscht fünf Sprachen fließend, muss nach Mitternacht für einen Niedriglohn Idioten bedienen, bist du Demokrat - wie ich. Natürlich habe ich nicht mehr Beweise dafür, dass Rahjiv mal Arzt in Delhi war, als irgendein texanischer Trucker dafür, dass er ein Bombenleger ist. Nach allem, was wir wissen, könnte Rahjiv auch in Indien in einem 7/11-Minimarkt geschuftet haben - so korrekt ist er mit dem Wechselgeld, so versiert tütet er Hostess-Kokosbällchen und Little-Debbie-Törtchen, Power Bars und Mountain-Dew-Dosen ein. »Nein, Alter … warte mal. Schokomilch! Und Schweinekrustenchips!« Wieder entscheidet sich einer der Kiffer um, nachdem er einen zweiten Blick in die Gänge geworfen hat. »Und ooh, ooh! Cool: Tortilla Chips!«

Ganz egal, wann ich hierher komme, ich muss immer an meine eigenen Jungs denken, zu Hause in ihren Betten, noch ein paar Jahre von solchen Situationen entfernt (oder träumen sie bereits von Nächten vor der Slush-Maschine?).

Zwei tätowierte weiße Jungs in Seiden-Trainingsanzügen stellen sich hinter mir an. Ich werde ein wenig nervös und taste nach meiner Brieftasche. Der Dicke jongliert mit einer halben Palette Starkbierdosen, während sein Kumpel sich - in sein Handy brüllend - Richtung Ausgang trollt. »Chulo! Du machst gar nix, bis wir da sind, klaro?« Die Tür schließt sich hinter dem telefonierenden Möchtegerngangster. Ich stehe mit meiner Milchflasche endlich vorne in der Schlange - »He, Rahjiv« -, als am Getränkespender etwas gewaltig schiefläuft, worauf der Verkäufer und ich uns gleichzeitig dem hydroponischen Kreischen zuwenden, das tief aus der Grotte eines blauen Kapuzenpullis ertönt. Ein gepiercter Skater mit strähnigen Haaren, das Board auf den Rücken geschnallt, hat seine XXL-Sprite verschüttet und hält das nun für … die mit Abstand … lustigste … Sache … der Welt. Rahjiv nickt mir abermals resigniert zu. Zweifellos sehnt er sich danach zurück, im Zentralkrankenhaus von Mumbai Schädeldecken aufzusägen. Mit einer beiläufigen Bewegung zieht er meine Flasche über den Scanner.

Dann reicht er mir die Milch. Für die Jungs. Für ihre Frühstücksflocken. Am Morgen.

Sie kostet fast zwei Dollar pro Liter.

Immer wenn ich hierher komme, muss ich auch an meine Mutter denken. Auf dem Sterbebett war sie wie besessen von den Terroranschlägen in New York. Es war schrecklich mit anzusehen, wie sie von Panikattacken geplagt dahinsiechte und dabei mit dem Daumen auf die Morphiumpumpe einhämmerte, als vermochte diese ihr Leben zu retten - sie konnte es nicht. Ihre Angst vor dem Sterben manifestierte sich als Furcht vor Dingen, die sie gar nicht mehr zu fürchten brauchte: Straßenkriminalität, Erderwärmung … und am meisten Terroristen und Flugzeuge. »Matt?«, fragte sie mich, kurz bevor sie starb. »Glaubst du, es gibt noch ein 7/11?« Ich dachte daran, sie zu korrigieren, sagte aber nur: »Nein, Mom, es wird kein weiteres 7/11 geben.«

»Nette Slipper, yo«, sagt der Möchtegerngangster mit dem Handy, als ich mit der Milch den Laden verlasse. Er ist um die zwanzig, trägt eine durchhängende, haifarbene Jogginghose, das schwarze Haar glatt über die Ohren gekämmt. Am Halsansatz lugt ein aufwendiges Tattoo aus seinem T-Shirt. Und in aller Öffentlichkeit, direkt vor diesem Minimarkt, bietet er mir ganz ungezwungen einen Zug aus seiner gläsernen Kawumm an, einer kleinen, zigarettenförmigen Marihuanapfeife. Ich winke ab, wünsche mir aber fast, ich hätte es nicht getan. Es ist zwar mindestens fünfzehn Jahre her, doch ich stamme nicht aus einer von Martini schlürfenden Fettwänsten bewohnten Vorstadt - ich hatte durchaus auch meine wilde Zeit. Auf dem College nannten sie mich Grasfresser, weil ich diese Acapulco-Gold-Joints förmlich verschlungen habe, während Räucherstäbchen qualmten, das Schwarzlicht auf den Wänden flackerte und Pink Floyd durchs Studentenwohnheim dröhnte.

Oh, und genau genommen sind es gar keine »Slipper«, sondern sportliche Loafer, die ich im Laden von Nordstrom Rack gegen einen Geschenkgutschein eintauschte, als ich eine Strickjacke zurückgab, in der ich wie ein Großvater aussah. Natürlich erzähle ich das dem bekifften Jungen nicht. Ich lächle bloß, sage »Nein danke« und halte dann doch inne, statt einfach weiter zu meinem Wagen zu gehen. Vielleicht bin ich bloß neugierig auf diese ausgebuffte Pfeife … vielleicht ist es der Geruch des Dope … oder vielleicht ist es auch nur dieses wirbelnde Gefühl der Lockerheit, das ich verspüre. Aber ich zögere immer noch, als der fettere der weißen Möchtegerngangster sich zu uns gesellt, die Baseballkappe mit dem kerzengeraden Schirm zur Seite gedreht. So stehen wir zu dritt in einem kleinen Halbkreis zusammen, wie Golfer beim Abschlag.

»He«, sagt der mit dem Halstattoo und der Pfeife, »der Typ hier kann uns zur Party fahren.«

Ich will ihnen gerade erklären, dass ich sie nicht fahren kann, weil ich nach Hause muss (und sie ein wenig gefährlich aussehen), als der Dicke mit der Kappe sagt: »Danke, Mann.« Als wäre er überrascht, wie cool ich bin. Und plötzlich möchte ich gerne cool sein. Dann fällt der Blick des dicken Jungen auf meine Hände, und er lacht.

»Scheiße, Mann. Warum kaufst du die Milch hier? Der Liter kostet fast zwei Dollar.«

Die Wolken hängen tief wie eine Zwischendecke, angestrahlt von den Lichtern der Stadt. Sie ziehen geräuschlos über uns hinweg. Und zwei kiffende Gangster in Trainingsanzügen steigen in meinen Wagen.

Ich habe mal gelesen, dass uns nur zu ängstigen vermag, was wir bereits fürchten. Dass unsere tiefsten Ängste der Erinnerung an irgendeine frühere, unerträgliche Angst entspringen. Wenn das stimmt, dann ist es vielleicht gut, dass meine Mutter nicht mehr lange genug gelebt hat, um ein weiteres 7/11 zu erleben.

»Nette Karre.«

»Danke.«

»Sitzheizung?«

»Mmm.«

»Fühlt sich komisch an. Als hätte ich mir in die Hose gepisst.«

»Yo, Alter, bestimmt hast du dir in die Hose gepisst.«

»Ich drehe sie runter.«

»Was für ein Wagen ist das?«

»Nissan. Maxima.«

»Was hast du dafür hinlegen müssen?«

»Oh. Nicht viel.«

Das stimmt nicht. Mit Winter-Bodenmatten, Kfz-Steuer und einer überflüssigen zweijährigen Wartungsgarantie hat mich der Wagen 31 256 Dollar gekostet. Und wegen verschiedener anderer Nackenschläge - versäumte Raten, sich daraus ergebende Geldbußen, Hypothekenzahlungen, Schuldenkonsolidierungen, diverse Familienkrisen und schließlich, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, der Verlust meines Jobs - bin ich nach zwei Jahren immer noch mit 31 000 Dollar in den Miesen. Für einen Wagen, der 18 000 wert ist. So stehe ich momentan da: knietief im Dispo.

»Mein Bruder hat mal einen Maxima geklaut«, sagt der Junge auf der Rückbank. »Oder einen Altima. Ich kann die nicht auseinanderhalten.«

Autodiebe. Nett.

Die beiden Kriminellen heißen Skeet und Jamie. »Jamie?«, frage ich den, der vorne sitzt.

»Ja, ohne Scheiß. Irre, oder?«, kommentiert Skeet von hinten. »Der Junge hat'n Mädchennamen.«

»Leck mich, Skeet«, erwidert Jamie. Er bietet mir erneut die Kawumm an, und ich bin von mir selbst überrascht, als ich diesmal zugreife. Ich möchte mir nur kurz den süßen Dopegeschmack in Erinnerung rufen. Oder vielleicht will ich mich auch vergewissern, was sie mit dem Zeug inzwischen so angestellt haben …

Oh, offensichtlich einiges!

Ich kämpfe gegen den Hustenreiz an. Meine Nase läuft. Die Augen brennen. Jemand kompostiert Blätter in meiner Kehle. Schürft mit einer Schaufel in meinen Lungen. Wow.

»Gut, hä?«, fragt Jamie.

»Nicht schlecht«, keuche ich.

»Designerstoff, 'n Zehner das Gramm«, sagt Skeet.

Den nächsten Hustenanfall kann ich nicht...


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Autor

Jess Walter arbeitete als Journalist, bevor er Buchautor wurde. Für eine seiner journalistischen Arbeiten war er für den Pulitzer-Preis nominiert, für seine Kriminalromane für mehrere Buchpreise, 2005 erhielt er den Edgar Allan Poe Award. Jess Walter lebt mit seiner Familie in Spokane, Washington. Sein Roman Schöne Ruinen erschien 2013 bei Blessing.