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Bedingungslos

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.08.2014
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Inhalt/Kritik

Leseprobe



M

2

Marissa

Nash lässt von mir ab, bevor ich mich in ihm verlieren kann. Gerade noch rechtzeitig. Alles andere wäre schlimm gewesen.

Oder?

Ich halte den Atem an, als er auf mich herunterschaut. Sogar im trüben Licht kann ich sehen, wie sein Blick sich klärt. Etwas hat ihn gerade in den Fängen gehabt. Und etwas in mir hat es gefallen, was ganz und gar untypisch für mich ist. Aber seit ich entführt wurde, ist ohnehin nichts mehr, wie es einmal war. Wieso sollte dieser Moment hier eine Ausnahme sein?

Nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob mein Leben jemals wieder wie früher sein wird. Und ob ich das überhaupt will.

Ich bin ein bisschen enttäuscht, als Nash sich von mir hebt, sich neben mir wieder auf den Rücken fallen lässt und einen Arm über die Augen legt.

»Du solltest dich am besten von mir fernhalten.« Seine Stimme klingt tief und grollend in der Dunkelheit.

»Ich weiß«, sage ich ehrlich. Und so ist es tatsächlich. Er hat recht. Ich sollte mich unbedingt von ihm fernhalten. Aber ganz tief in meinem Inneren, wo etwas geweckt wurde, von dessen Existenz ich bisher noch nichts wusste, weiß ich ebenso, dass ich es nicht tun werde. Nicht tun kann. Ich fühle mich so stark zu ihm hingezogen, als ginge es um Lebensnotwendiges wie Luft oder Wasser. Ich habe keine Ahnung wieso, und es kommt mir fast lächerlich vor, doch ich bin klug und vernünftig genug, um es mir selbst gegenüber einzugestehen und zu begreifen, dass ich mich damit auseinandersetzen muss. Die Frage ist nur - wie?

Nach ein paar Sekunden Stille nimmt Nash den Arm von seinem Gesicht, dreht den Kopf und starrt mich an. »Was zum Henker hast du dann noch hier zu suchen?«

Ich blicke in seine vor Zorn funkelnden Augen und kann mich einfach nicht dazu durchringen, aufzustehen und zu gehen. Trotz der Gefahr, die er, wie ich genau weiß, mit sich bringt. Ich kann nicht. Noch nicht jetzt, jedenfalls.

»Ich brauche dich«, sage ich schlicht. Und es stimmt. Er beschützt mich. Er gibt mir ein Gefühl der Sicherheit.

Nash macht den Mund auf, als wolle er etwas sagen, tut es aber dann doch nicht. Er schaut mich nur an, und seine eisigen Augen scheinen direkt in mich hineinzusehen. Sie sind denen von Cash - denen von Nash, den ich zu kennen glaubte - so ähnlich und doch vollkommen anders.

Wie alles, was mit Nash zusammenhängt, anders ist, als ich es kenne.

Nach einer langen Weile sagt er: »Dich auf mich einzulassen bedeutet nur Ärger.«

»Ich weiß.«

Wieder entsteht eine lange Pause.

»Und nachher wirst wahrscheinlich du diejenige sein, die darunter leidet.«

Ich schlucke. Mir ist klar, dass er recht hat, aber es ausgesprochen zu hören, ist etwas ganz anderes. »Ich weiß«, gebe ich zu.

»Auf jeden Fall kannst du nicht sagen, ich hätte dich nicht gewarnt.«

»Ich weiß«, wiederhole ich und frage mich unwillkürlich, ob ich außer meinem Verstand auch mein Vokabular verloren habe. Nachdem er mich noch eine Weile wortlos angestarrt hat, rollt er sich vorsichtig auf seine nicht verletzte Seite. »Rutsch rüber«, sagt er barsch.

Keine Ahnung, warum ich tue, was er von mir will. Insgeheim bin ich mir sicher, dass ich tatsächlich den Verstand verloren habe. Anders kann es wohl nicht sein.

Ich liege mit dem Rücken zu ihm auf der Seite und schiebe meine zusammengelegten Hände unter meine Wange. Mein Verstand wird überschüttet von Fragen, auf die ich keine Antworten habe, von Bildern, die aus der Finsternis kommen. Als mir mulmig wird und ich in Panik gerate, legt Nash plötzlich einen Arm über meine Taille, zieht mich zu sich und hält mich an seinem Körper fest. Er tut es grob, fast widerstrebend. Es fühlt sich weniger so an, als wolle er mir ein Gefühl von Geborgenheit geben, sondern als sei er es, der schließlich einknickt und sich den nötigen Trost verschafft. Vermutlich verweigert er sich normalerweise der Gefühle anderer. Er ist ein Einzelgänger, der auf einer einsamen Insel gestrandet ist und dort seinem Zorn und seiner Bitterkeit freien Lauf lässt. Er muss gerettet werden. Er weiß es nur noch nicht.

Doch was immer dahintersteckt, das Ergebnis bleibt gleich. Der Gedanke, dass er mich genauso brauchen könnte, wie ich glaube, ihn zu brauchen, verstärkt die Wirkung sogar noch: Sofort kommt mein Verstand zur Ruhe und die Panik lässt nach. Und das ist der Moment, in dem ich begreife, dass er mir tatsächlich Ärger machen wird. Und dass das kein Grund ist, mich von ihm fernzuhalten. Nichts wird das bewirken.

Keine Ahnung, warum.

Als ich das nächste Mal die Augen aufschlage, blitzt Sonnenlicht unter den Säumen meiner Vorhänge hervor. Ich lausche den Geräuschen um mich herum.

Nashs Atem ist tief und gleichmäßig, und ich spüre ihn an meinem Hals. Ein Schauder rinnt mir das Rückgrat herab, als ich mir seines harten Körpers an meinem Rücken bewusst werde.

Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Noch nie habe ich derart auf einen Mann reagiert, nicht einmal annähernd, und dabei war ich mit seinem Bruder zusammen!

Trotzdem war es nicht … so. Das hier ist mehr. Etwas Ungezähmtes. Etwas … anderes.

Ich höre das Klicken einer zufallenden Tür. Es klang wie Olivias Zimmer. Einer von beiden scheint auf zu sein.

Olivia.

Beim Gedanken an Olivia überkommt mich erneut das schlechte Gewissen. Wieso sie so gut zu mir ist und derart viel riskiert hat, um mich zu retten, nachdem ich sie so mies behandelt habe, kann ich nicht nachvollziehen. Am liebsten würde ich etwas tun, um mir so viel Großherzigkeit zu verdienen, obwohl ich fürchte, dass ich es ohnehin niemals schaffen kann.

Ich habe eine Idee, also rücke ich vorsichtig von Nash ab, schlüpfe aus dem Bett und tappe barfuß in die Küche. Erfreut sehe ich, dass Olivia den Kühlschrank gut bestückt hat, während ich fort war. Ich hole Eier aus dem Fach in der Innentür, dann mache ich die Tiefkühlklappe auf und nehme Hacksteaks und Rösti heraus. Ich lege alles auf die Küchentheke, hole eine Schüssel aus dem Schrank und stelle drei verschieden große Pfannen auf den Herd. Zufrieden krempele ich meine Ärmel hoch und mache mich daran, für uns alle ein Frühstück zuzubereiten.

Ein Räuspern hinter mir lässt mich zusammenfahren.

In der Erwartung, Olivia in der Tür stehen zu sehen, drehe ich mich um. Mein strahlendes Lächeln lässt bedeutend nach, als ich stattdessen Cash dort lehnen sehe.

»Was machst du denn da?«

»Frühstück«, sage ich und gebe mir größte Mühe, meine Stimme von Sarkasmus frei zu halten. »Wonach sieht's denn aus?«

»Du kannst doch nicht kochen«, sagt er ohne Umschweife.

»Tja, es ist nie zu spät, es zu lernen.« Ich wende mich ab und konzentriere mich darauf, die Eier in die Schüssel zu schlagen.

»Spar dir die Show, Marissa. Im Augenblick sind hier nur du und ich, und mir kannst du nichts vormachen. Nicht vergessen - ich kenne dich ziemlich gut.«

»Vielleicht hast du mich mal gut gekannt, sofern zwei Leute wie du und ich sich kennen können. Aber das war in der Vergangenheit. Inzwischen hat sich etwas verändert.«

»Oh, tatsächlich?« Er tut so, als sei das vollkommen unmöglich. Und das macht mich wütend.

Ich fahre zu ihm herum und richte meinen Quirl anschuldigend auf ihn. »Tu bloß nicht so, als seiest du besser als ich. Du hast jeden, den du kanntest - jeden, den du Freund oder Kollege genannt hast - belogen. Du hast mich benutzt, um dir eine Stelle in der Kanzlei meines Vaters zu verschaffen, du hast ohne Skrupel getan, was immer nötig war, um deine Ziele zu erreichen. Kehr jetzt ja nicht den Unbescholtenen raus. Vergiss nicht, dass auch ich dich ziemlich gut kenne.«

Dass er keinesfalls betroffen wirkt, macht mich nur noch wütender. »Vielleicht. Aber das war nicht mein echtes Ich. Das hast du nie kennengelernt. Du hast nur das gesehen, was ich dich sehen lassen wollte. Die Person, die ich für alle Welt gespielt habe.«

»Denk doch, was du willst. Und wenn du meinst, du könntest das, was du getan hast, einfach so rechtfertigen - meinetwegen. Eigentlich ist es mir egal, ob du mich verurteilst. Ich bin nur Olivia etwas schuldig. Solange ich ihr beweisen kann, dass ich nicht nur ein Biest bin, ist es mir vollkommen schnuppe, was du von mir hältst.«

Und damit kehre ich ihm den Rücken zu. Ich ramme den Schneebesen in die Schüssel mit rohen Eiern und quirle, was das Zeug hält.

Was mich aber am wütendsten macht, ist die Tatsache, dass Cash recht hat. Ich habe keine zweite Chance verdient. Ich habe nicht verdient, dass man an mich glaubt oder mir vertraut. Jeder weiß, was für ein Mensch ich war. Ich habe überall einen schlechten Eindruck hinterlassen, und vermutlich habe ich allen für immer ein falsches Bild von mir vermittelt.

Aber ich kann es wenigstens versuchen. Ich gebe nicht einfach auf. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem mir nur noch wenige Meinungen wichtig sind, und auf die werde ich mich konzentrieren.

Ich höre das Tappen von Cashs nackten Füßen, als er die Küche verlässt. Dann bleibt er allerdings noch einmal stehen, und ich höre auf zu quirlen und warte ab.

»Was passiert ist, tut mir leid, Marissa«, sagt er leise. »Diese verdammte Geschichte betrifft nur meine Familie, und du hättest nicht reingezogen werden dürfen. Das hat niemand verdient. Nicht einmal jemand wie du.«

Ich antworte nicht, rege mich nicht, wende mich ihm nicht...


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Autor

Michelle Leighton wurde in Ohio geboren und lebt heute im Süden der USA, wo sie den Sommer über am Meer verbringt und im Winter regelmäßig den Schnee vermisst. Leighton verfügt bereits seit ihrer frühen Kindheit über eine lebendige Fantasie und fand erst im Schreiben einen adäquaten Weg, ihren lebhaften Ideen Ausdruck zu verleihen. Sie hat unzählige Romane geschrieben. Derzeit arbeitet sie an weiteren Folgebänden, wobei ihr ständig neue Ideen, aufregende Inhalte und einmalige Figuren für neue Buchprojekte in den Sinn kommen. Lassen sie sich in die faszinierende Welt von Michelle Leighton entführen - eine Welt voller Überraschungen, ausdrucksstarken Charakteren und trickreichen Wendungen.