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Das Protokoll

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.05.2021
Sie ist tough. Sie ist furchtlos. Sie ist verdammt gut in ihrem Job. Doch dann bricht sie die wichtigste Regel ...
Wo der Kampf gegen das Verbrechen selbst dem Staat zu brenzlig wird, sorgt Geheimagentin Jessie Archer für Gerechtigkeit. Sie arbeitet für Athena, eine internationale Organisation, deren oberste Regel lautet: Rette Leben, ohne zu töten. Als Jessie dagegen verstößt, ist sie ihren Job los. In dem Wissen, dass ihre Kolleginnen bei ihrem nächsten Auftrag ohne sie keine Chance haben, begibt sie sich auf die gefährlichste Mission ihres Lebens. Ihre Zielperson ist der Anführer eines Menschenhändlerrings, dessen Vertrauen sie sich ohne Rückendeckung erschleicht. Doch noch während sie sich in seinen engsten Kreis einschleust, gerät sie in das Visier ihrer Kolleginnen, die schon längst Jagd auf sie machen ...

Shamim Sharif wurde 1969 in London geboren. Sie arbeitet als Autorin, Drehbuchautorin und Regisseurin und ist Inhaberin einer britischen sowie einer kanadischen Filmproduktionsgesellschaft. Ihre Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Shamim Sharif lebt zusammen mit ihrer Partnerin und ihren zwei Söhnen in London.
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Produkt

KlappentextSie ist tough. Sie ist furchtlos. Sie ist verdammt gut in ihrem Job. Doch dann bricht sie die wichtigste Regel ...
Wo der Kampf gegen das Verbrechen selbst dem Staat zu brenzlig wird, sorgt Geheimagentin Jessie Archer für Gerechtigkeit. Sie arbeitet für Athena, eine internationale Organisation, deren oberste Regel lautet: Rette Leben, ohne zu töten. Als Jessie dagegen verstößt, ist sie ihren Job los. In dem Wissen, dass ihre Kolleginnen bei ihrem nächsten Auftrag ohne sie keine Chance haben, begibt sie sich auf die gefährlichste Mission ihres Lebens. Ihre Zielperson ist der Anführer eines Menschenhändlerrings, dessen Vertrauen sie sich ohne Rückendeckung erschleicht. Doch noch während sie sich in seinen engsten Kreis einschleust, gerät sie in das Visier ihrer Kolleginnen, die schon längst Jagd auf sie machen ...

Shamim Sharif wurde 1969 in London geboren. Sie arbeitet als Autorin, Drehbuchautorin und Regisseurin und ist Inhaberin einer britischen sowie einer kanadischen Filmproduktionsgesellschaft. Ihre Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Shamim Sharif lebt zusammen mit ihrer Partnerin und ihren zwei Söhnen in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641236076
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum10.05.2021
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1420 Kbytes
Artikel-Nr.4940593
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Manchmal frage ich mich, ob die Welt durch ein Zielfernrohr nicht besser aussehen würde. Klarer, deutlicher, aufs Wesentliche konzentriert. Weniger chaotisch.

In meinem Fadenkreuz schläft ein Soldat, kaum ein junger Mann, nicht viel jünger als ich. Sein Mund ist leicht geöffnet, und mit der Hand bedeckt er die Augen, um das Glitzern des Morgengrauens auszusperren, das sich langsam über den Himmel ausbreitet. Ich kann sogar die einzelnen abgenutzten Fäden am ausgefransten Kragen seiner fleckigen Tarnjacke erkennen. Ich verlagere mein Gewehr nach links, wo ein Stück weiter hinten einige Gebäude hinter ein paar dornigen Bäumen stehen. Dort schläft Ahmed, der Anführer der Miliz. Dann wende ich mich nach rechts, zu dem eingezäunten Areal, in dem die ungefähr fünfzig Mädchen, die sie vor drei Monaten entführt haben, gefangen gehalten werden. Alle schlafen: die Soldaten, ihre Geiseln, der Anführer. Während ich warte, lausche ich den Geräuschen der Frau an meiner Seite.

Hala liegt so dicht neben mir, dass sich unsere Körper fast berühren. Ich spüre, wie sie sich bewegt, und hinter uns hustet Caitlin leise. Sie unterdrückt das Geräusch, obwohl wir viel zu weit oben hinter dem Camp sind, als dass es irgendjemand hören könnte. Ich muss auch husten. Die Luft ist trocken; so trocken, dass jeder Atemzug die Kehle reizt. Der Geruch nach versengter Erde steigt mir wieder in die Nase: der Duft Westafrikas. Einen Augenblick lang denke ich an den dumpfen metallischen Geruch verregneter Straßen in London, zu Hause. Aber die Erinnerung verflüchtigt sich rasch, und ich huste wieder.

»Minimale Verspätung der eintreffenden Trucks«, meldet Caitlin leise. »Drei, vier Minuten.«

Hala und ich lassen die Gewehrläufe sinken, und ich schaue über die Schulter zu Caitlin, während ich mit der Wasserflasche eine tote Kakerlake neben mir wegschlage. Caitlin lauscht einer Meldung über ihren Ohrempfänger.

»Ich habe Hunger«, sagt Hala. Hala isst ständig, oder sie denkt ans Essen.

Caitlin greift in ihren kleinen Rucksack und wirft jeder von uns einen Eiweißriegel zu. Besonders begeistert bin ich nicht, aber sie hat ja wohl kaum frische Croissants dabei, deswegen sage ich nichts und schnappe mir den Riegel. Hala isst ihren schnell auf, ohne jeden Kommentar. Sie braucht Energie. Ich schlucke meinen mit weniger Begeisterung runter. Der kalte süße Block in meinem Mund ist einfach widerlich. Ich rufe mir in Erinnerung, dass in Afrika Millionen von Kindern verhungern und dass ich nicht das Recht habe, mich zu beschweren. Vor allem, weil wir morgen schon zu Hause sein werden.

»Wir sollten uns wieder bereitmachen«, ordnet Caitlin freundlich an. Etwas an ihrem amerikanischen Akzent, den lang gezogenen Silben, wie aus einem Cowboyfilm, verstärkt in mir das Gefühl, Britin zu sein.

Hala und ich folgen dem Befehl, schauen durch unsere Zielfernrohre, nehmen das Milizcamp unter uns wieder ins Visier. Wir haben dieselbe Position eingenommen wie in unserer ersten Nacht hier, als wir nur alles beobachtet und an unserer Strategie gefeilt haben. Himmel, war diese Nacht furchtbar. Als ich endlich schlafen konnte, war ich richtiggehend froh darüber, von etwas anderem zu träumen.

Mit unseren Spezialkontaktlinsen können wir mittels Blinzeln Dinge ran- und wegzoomen, deswegen hatten wir sogar von hier oben die Soldaten perfekt im Blick. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie so jung sein würden. Man kennt ja diese Videos von Kindersoldaten in Afrika, aber das hier waren keine Kinder - Männer allerdings auch noch nicht. Wahrscheinlich haben sie sich nur zu gern von Ahmed und seiner Terroristenmiliz rekrutieren lassen. Wenn man in einem Dorf festsitzt und dort den ganzen Tag auf dem Feld arbeitet, um Erde zu bewirtschaften, aus der womöglich nie etwas wächst, gibt einem Ahmed vielleicht etwas, woran man glauben kann, und Gewehre zum Rumspielen noch dazu. Wir beobachteten sie in dieser Nacht, wie sie lachten, einander auf typische Jungenart neckten, sich auf kleine Kämpfe einließen, die wie kochendes Wasser aufsprudelten und sich genauso schnell wieder beruhigten. Die blutigen Nasen, das Schreien und Schubsen - damit käme ich schon klar.

Aber was sie den Mädchen angetan hatten ... Diesen fünfzig Mädchen, die sie irgendwo in einem weit entfernten Dorf gefangen genommen hatten, um bei der Regierung Inhaftierte freizupressen ... Was sie da taten, konnte sich keine von uns ansehen, und einander konnten wir auch nicht anschauen. Als ich aus Versehen Caitlins Blick begegnete, sah ich die Tränen in ihren Augen, und dass sie so litt, machte mich noch wütender. Ich wollte sofort etwas unternehmen, runtergehen und mit meiner Waffe alles beenden. Ich glaube, ich hatte mich sogar leicht aufgerichtet, denn Caitlin hatte mir eine Hand auf den Arm gelegt und ließ sie auch eine ganze Weile da, damit ich mich beruhigte. Um zwei Uhr morgens hatte das Ganze von selbst geendet. Das menschliche Bedürfnis nach Schlaf war stärker als alles andere. Und im Camp war es still geworden, genau wie jetzt.

Auf dem Bauch auf der harten, von der Hitze festgebackenen Erde zu liegen, ist nicht leicht. Wir halten uns schon seit fast einer Stunde hier auf, weil Caitlin bei allem gern früh dran ist; sie mag es nicht, wenn man unter Stress gerät, weil die Zeit knapp wird. Mir werden langsam die Beine steif. Ich bewege sie ein wenig und wische mir Schweiß von der Nase. Das Sonnenlicht hat das Tintenblau des Himmels unter der unregelmäßigen Linie der Bäume ein Stück weit entfernt heller werden lassen, und die Hitze ist schon wieder erdrückend. Ich bin angespannt, nervös: Wenn dieser Überfall erst einmal losgeht, dürfen wir uns keinen Fehler erlauben. Ich werde unruhig und merke, wie sich Hala mir gereizt zuwendet.

»Was ist?«, frage ich.

Aber Hala konzentriert sich wieder auf ihr eigenes Gewehr, schaut durchs Zielfernrohr. Sie redet nicht viel, und darüber hinaus spricht sie auch nicht gern Englisch. Dabei kann sie es gut - sogar sehr gut, wenn man sich überlegt, dass sie es erst seit ungefähr zwei Jahren richtig lernt. Aber sie bleibt gern für sich, und ich vermute, dass sie auch auf Arabisch nie viel von sich gegeben hat. Normalerweise schätze ich das an ihr, weil man so nicht dauernd Small Talk machen muss, aber jetzt ärgere ich mich über ihre unerschütterliche Ruhe.

»Verdammt, was für eine Hitze«, sage ich, nur um die Spannung ein wenig zu lösen.

Caitlins sanfter Südstaatenakzent wirkt beruhigend, wie Öl auf Wasser.

»Es ist doch nicht heiß. Irak im August, wenn man fünfzig Kilo Kampfausrüstung mit sich herumschleppt. Dann ist es heiß.«

»Du bist hier nicht die Einzige, die ein militärisches Training hinter sich hat«, gebe ich zurück.

»Und mit dem, was du schon geschafft hast, kann ich sowieso nicht mithalten, Jessica«, erwidert Caitlin lächelnd. »Ich war nur bei der Infanterie. Nichts Besonderes.«

Auf die Gefühle anderer einzugehen, ist Caitlins Lieblingsreaktion auf alles. Das müssen sie ihr im Offizierstraining mal beigebracht haben, und es ist hängen geblieben. Ich habe es in einem Führungskurs in England vor ein paar Jahren gelernt, in einer speziellen Trainingsschule, aber damals war ich sechzehn, und normalerweise konfrontierte ich andere lieber direkt, statt mir Sorgen über die Gefühle meines Gegenübers zu machen.

Aber hier sind wir nicht in der Armee oder in einem Regierungsprogramm, und in unserem kleinen Dreierteam gibt Caitlin den Ton an und erteilt die Befehle. Deshalb belasse ich es dabei. Ich bewege mich ein wenig unruhig hin und her, weil sie immer ganz genau weiß, was in mir vorgeht, weil sie mein Bedürfnis kennt anzugeben, aber jetzt erlischt ihr Lächeln. Sie sieht zum Horizont, wo zwei Trucks erscheinen und auf uns zukommen. Im Camp unter uns ist es immer noch ruhig, und man kann die Silhouetten der auf dem Boden ausgestreckt schlafenden Jungen erkennen, die überall herumliegen.

»Sieben Minuten.« Über ihre Kontaktlinse kann Caitlin die Geschwindigkeit der Trucks einschätzen, ihre Entfernung und wie lange sie noch bis zu uns brauchen werden.

»Bereit?«, fragt sie.

Adrenalin pumpt durch meine Adern.

»Ich war noch nie bereiter.«

Ich höre das Prahlen in meiner Stimme und weiß, dass Hala die Augen verdreht, aber ich kann nicht anders. Hala nickt natürlich einfach nur.

»In Position für den ersten Schuss.«

Wir beugen die Köpfe über unsere Zielfernrohre. Hala nimmt die schlafenden Soldaten rechts ins Visier, ich die links. Wir warten auf Caitlins Befehl. Die Zeit scheint sich zu dehnen, und wir liegen völlig reglos, atmen kaum noch.

»Jetzt«, befiehlt Caitlin.

Das erste Abdrücken ist für meine Finger eine Überraschung, als würde ich immer vergessen, wie viel Druck ich genau ausüben muss. Vielleicht liegt es daran, dass er sich wegen der Anpassungen an diese Gewehre ein wenig verändert hat, sie schießen nämlich Betäubungspfeile ab, keine Kugeln. Trotzdem fällt es mir leicht, Ziele zu treffen. Eins, zwei, drei, vier ... Ich erwische die arglosen Soldaten in einem stetigen Rhythmus. Diese Gleichmäßigkeit ist wichtig. So beeilt man sich nicht zu sehr, denn dann könnte einer von uns ein Fehler unterlaufen, der uns alle Kopf und Kragen kostet.

Ein Auge habe ich am Zielfernrohr, mit dem anderen zoome ich durch meine Kontaktlinse heran, wie die Soldaten den Stich der Pfeile spüren. Sie erheben sich kurz, bevor sie bewusstlos zusammenbrechen. Einer nach dem anderen wird getroffen. Zwanzig, dreißig ... meine Seite ist erledigt. Hala ist noch an ihrer dran. Sie ist langsamer als ich,...
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Autor

Shamim Sharif wurde 1969 in London geboren. Sie arbeitet als Autorin, Drehbuchautorin und Regisseurin und ist Inhaberin einer britischen sowie einer kanadischen Filmproduktionsgesellschaft. Ihre Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Shamim Sharif lebt zusammen mit ihrer Partnerin und ihren zwei Söhnen in London.