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Der perfekte Mann

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.10.2023
Die Kunstwelt ist in Aufregung: ein neuer Rembrandt wurde entdeckt - das Porträt eines unbekannten jungen Mannes. Doch der Konservator Peter Lindke widerspricht dieser Zuschreibung. Als er in einer Fernsehsendung erklärt, warum dieses Gemälde niemals von Rembrandt stammen könne, wird er gefeuert. Als wäre das nicht schon genug, muss er feststellen, dass seine Ehe sich in einer Krise befindet und dass seine Zugehfrau größere Probleme hat. Er nimmt sie unter seine Fittiche und bringt ihr Leben wieder auf eine geordnete Bahn. Als sie dann allerdings mit Ilyas auftaucht, einem Jungen mit dem Gesicht eines gequälten Poeten und 20 000 Euro Schulden, steht Peter vor einem Dilemma: Sollte er auch Ilyas helfen und würde das seinem Leben einen Sinn geben? Oder sollte er doch lieber alles daran setzen, seine Ehe zu retten?

Ernest van der Kwast wurde 1981 in Mumbai geboren und ist halb indischer, halb niederländischer Herkunft. Seine Romane sind internationale Bestseller. In Deutschland erschienen bisher seine Romane »Fünf Viertelstunden bis zum Meer«, »Die Eismacher« und »Mama Tandoori« sowie sein Erzählband »Versteckte Wunder«. Ernest van der Kwast lebt mit seiner Familie in Rotterdam.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Kunstwelt ist in Aufregung: ein neuer Rembrandt wurde entdeckt - das Porträt eines unbekannten jungen Mannes. Doch der Konservator Peter Lindke widerspricht dieser Zuschreibung. Als er in einer Fernsehsendung erklärt, warum dieses Gemälde niemals von Rembrandt stammen könne, wird er gefeuert. Als wäre das nicht schon genug, muss er feststellen, dass seine Ehe sich in einer Krise befindet und dass seine Zugehfrau größere Probleme hat. Er nimmt sie unter seine Fittiche und bringt ihr Leben wieder auf eine geordnete Bahn. Als sie dann allerdings mit Ilyas auftaucht, einem Jungen mit dem Gesicht eines gequälten Poeten und 20 000 Euro Schulden, steht Peter vor einem Dilemma: Sollte er auch Ilyas helfen und würde das seinem Leben einen Sinn geben? Oder sollte er doch lieber alles daran setzen, seine Ehe zu retten?

Ernest van der Kwast wurde 1981 in Mumbai geboren und ist halb indischer, halb niederländischer Herkunft. Seine Romane sind internationale Bestseller. In Deutschland erschienen bisher seine Romane »Fünf Viertelstunden bis zum Meer«, »Die Eismacher« und »Mama Tandoori« sowie sein Erzählband »Versteckte Wunder«. Ernest van der Kwast lebt mit seiner Familie in Rotterdam.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641281649
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum11.10.2023
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1131 Kbytes
Artikel-Nr.11382754
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Bald würde die Dämmerung einsetzen, alles badete in einem unwirklichen, bläulichen Licht. Am Horizont ein Schleier warmer Farben. Peter Lindke war ausgestiegen und betrachtete beim Tanken die weite Wiesenlandschaft.

Vor seinen Augen wurde das Grün des Grases langsam geschluckt. Hätte er nicht im harten, weißen Licht der Tankstelle gestanden, sondern im saftigen Gras voller Klee und Butterblumen, wäre auch er im alles beherrschenden Blau aufgegangen. Ein einsamer Mann, der langsam davontreibt. Er dachte an dicke Pinselstriche, Weiß, das in Rosa übergeht, dann zu Orangegelb changiert und zuletzt ganz zu Rot: ein Horizont in Flammen. Alles andere - die Bäume, die Kühe, die schnurgeraden Gräben - war in einen saphirfarbenen Schimmer gehüllt. In diesem Licht verschwand alles, alles und jeder.

Es hatte mit Staubteilchen und Wasserdampf in der Atmosphäre zu tun, aber auch mit der Wellenlänge der Farben. Während die Sonne hinter dem Horizont versank, verbreitete sich am Himmel das Blau, es streute und kroch in alles hinein, wie Tinte. Als wolle die Natur dieses Bild einfangen und benutze dazu jedes Mittel, doch selbst das größte Himmelsgewölbe war nicht imstande, diesen bezaubernden Moment festzuhalten.

Das Dunkel fraß schon an den Dingen, als Peters Frau Kee an der Zapfsäule stand. Fassungslos schaute sie sich um, völlig perplex. Sie war kurz auf die Toilette gegangen, hatte sich die Hände gewaschen und war dann zurückgekommen, um zu erkennen, dass ihre Familie sich in Luft aufgelöst hatte. Einfach weg. Kein Auto, kein Mann, keine Kinder. Nur der Betrag auf der Zähleruhr erinnerte noch an sie, das heißt: an ihren Mann: 83 Euro, 02 Cent. Nie konnte Peter etwas genau machen, richtig, perfekt. Ihre Hände tasteten in ihren Taschen. Sie fluchte. Ihr Handy lag noch im Auto.

Zwei Kilometer entfernt fuhr jetzt ein Ford Focus auf der Autobahn zurück in die Stadt, wo die Lindkes seit Kurzem in einem sozial gemischten Quartier ein Reihenhaus bewohnten. Ein »chancenreiches Viertel«, wie das im Planersprech der Stadtverwaltung hieß. Neubau in traditionellem Baustil inmitten von Sozialwohnungen aus den achtziger Jahren. Backstein und Holz versus Hartfaser und Aluminium. Der Teil der Familie im Auto bestand aus zwei Söhnen und Peter Lindke, Kurator der Abteilung für niederländische Barockmalerei am örtlichen Museum, Vater und Ehemann. Nicht unbedingt in der Reihenfolge, doch immerhin ziemlich oft. Am Rand der A 12 stand seine Frau.

»Verdammt noch mal, Peter, verdammte Scheiße noch mal!«

Sie waren ins Grüne gefahren. Zwei Tage nachdem der Sturm das Land lahmgelegt hatte. Der Zugverkehr war unterbrochen gewesen, und Lastwagen auf der Autobahn waren umgemäht worden. In manchen Straßen im Osten des Landes hatte es Dachziegel geregnet. Zu viert waren sie in den Wald gefahren und hatten die Sturmschäden besichtigt. Riesige Birken und Eichen hatte der Wind gefällt; ihre Wurzeln baumelten in der Luft wie Eingeweide aus einem Kadaver. Die Wege waren übersät mit Zweigen, dreißig Meter hohe Kiefern standen schief aneinandergedrückt wie Dominosteine.

Auf einer sandigen Lichtung hatte Kee die Thermoskanne aus ihrem Rucksack geholt. Der Tee dampfte im Becher, und abwechselnd nahmen sie kleine Schlucke. Die Sonne schien, unterbrochen von Inseln bleifarbener Wolken. Sie sagten nicht viel und redeten leise, wie das Rascheln von Blättern.

Nach und nach wurden die Schatten länger. Als sie zum Auto zurückgingen, folgten ihnen Riesen, bereit, sich jeden Moment auf sie zu stürzen.

Am Wochenende flohen Peter und Kee gern aus der Stadt, den Kindern jedoch war das ein Graus. Fast alles, was ihr Vater und ihre Mutter vorschlugen, nervte sie tödlich. Selbst ihre eigenen Namen fanden sie megapeinlich.

Tristen und Ewan. Keltische Namen. Ihre Söhne sollten wackere junge Burschen werden, die im Leben nichts umwarf. Davon hatten Kee und Peter geträumt, als sie ihnen die Namen gaben, doch auf diesem Gebiet war wenig zu erhoffen. Tristen und Ewan ähnelten nicht nur einander, sondern auch all ihren Schulkameraden: Sie waren Durchschnitt, in nichts von der Masse verschieden.

Wenn sie sich wieder mal langweilten, hielt Peter seinen Söhnen Tizian als leuchtendes Beispiel vor. Zwölf Jahre war der tapfere Junge aus Pieve di Cadore gewesen, als er nach Venedig ging, um in der Werkstatt von Giovanni Bellini Heilige und Dogen zu malen. Mit vierzehn war Rembrandt van Rijn bei Jacob van Swanenburgh in die Lehre gekommen, Jan Lievens war sogar erst acht Jahre alt, als er der Schüler Joris van Schootens wurde. Wie fühlte es sich wohl an, wenn ein Leben so früh schon festlag, ohne eine Möglichkeit zu entkommen? Manchmal, wenn Peter seine Kinder auf dem Rücksitz betrachtete, überkam ihn leichte Wehmut. Dann sehnte er sich nach der Zeit, als es seine Familie noch nicht gab.

Nachdem sie den Parkplatz im Nationalpark Veluwezoom verlassen hatten, war Kee auf dem Beifahrersitz eingeschlafen. Die Jungs hatten den Laptop aufgeklappt und sich einen Film angesehen. Peter bohrte unbemerkt in der Nase und brauchte zwei Minuten dafür, seinen Zeigefinger von einem kleinen Schleimfaden zu befreien, der zuletzt völlig unbeabsichtigt auf der Windschutzscheibe landete.

Von der zuschlagenden Wagentür war Kee wach geworden. Sie richtete sich auf und schaute nach draußen, Richtung Tankstellenshop. Vor längerer Zeit hatte hier einmal ein Mann mit dem Lieferwagen zwei Fahrzeuge und eine Zapfsäule gerammt, was zu einer Explosion geführt hatte und einem Stau, der zwölf Kilometer Autobahn blockierte. Jetzt waren Würstchen im Schlafrock im Angebot.

Als Peter gerade den Tank zuschraubte, hatte Kee kurz entschlossen die Schuhe angezogen. »Ich geh noch schnell auf die Toilette«, hatte sie gesagt. Tristen und Ewan reagierten nicht, ganz im Bann des leuchtenden Bildschirms vor ihnen. »Hört ihr?«

Ihr Ältester gab ein genervtes »Ja-ha!« von sich.

Sie hatte jetzt keine Lust, lang rumzudiskutieren und zu fragen, was sie gerade gesagt hatte. Sie stieg aus, verschwand im Toilettenhäuschen neben der Tankstelle und leerte ihre Blase über einer brillenlosen Kloschüssel. Das Toilettenpapier war feucht. Auf die weiß beschichtete Spanplatte hatte jemand einen Schwanz gekritzelt - einfache Linien, unnatürliche Proportionen, so wie ein kleines Kind eine Blume malt.

Es war nicht zu fassen. Hatten ihre Männer sie wirklich vergessen? Sie starrte auf den Beschleunigungsstreifen, aber kein blauer Ford kam ihr von dort rückwärts entgegen. Mit hundert Stundenkilometern fuhr das Auto über die A 12 Richtung Rotterdam. Erlaubt waren hundertzwanzig, doch Peter fuhr nicht gerne schnell. Noch etwas, das er nicht gut konnte.

Kee holte tief Luft und hob vor einem heranfahrenden Auto die Hand. Sie war keine Frau, die in Panik geriet. Panik war von allen Emotionen die unergiebigste.

»Hallo«, sagte sie zu dem aussteigenden Fahrer.

»Hallo«, antwortete der erstaunt, vielleicht auch etwas erschrocken.

»Darf ich mir kurz Ihr Handy ausleihen?«, fragte sie und fügte sofort hinzu: »Mein Mann und die Kinder sind ohne mich weitergefahren.« Die beste Art, Peinlichkeit zu vermeiden, ist, ihr zuvorzukommen.

Einen Moment lang schien der Mann ihr nicht zu glauben, doch er entsperrte sein Handy und überreichte es ihr. Sie wählte ihre eigene Nummer und wartete auf den Klingelton am anderen Ende.

»Und?«, fragte der Mann, der inzwischen die Tankklappe geöffnet hatte, aber keine Anstalten machte, Benzin zu zapfen.

»Es geht niemand ran.«

»Ist es vielleicht auf stumm geschaltet?«

»Nein, sie hören es nicht.« Sie klang aufgebrachter, als sie eigentlich wollte.

»Einfach noch mal probieren.«

Das tat sie, doch wieder bekam sie nur ihre Mobilbox. Sie wollte das Handy schon auf den Boden schmeißen, doch gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass es nicht ihr eigenes war. Sie konnte Impulse sehr gut unterdrücken, besser jedenfalls als Peter und die Kinder.

»Wie unangenehm«, sagte der Mann.

»Ja.«

Kee schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er trug ein tailliertes Jackett zu einer Jeans. IT-Fachmann, dachte sie. Oder Unternehmensberater. Nichts Interessantes jedenfalls.

»Aber schon komisch.«

»Was?«

Wollte der Mann damit andeuten, ihre Familie hätte sie mit Absicht hier stehen lassen? Er hatte bestimmt keine Kinder - und keinen Partner, der einmal mit Scheiße an der Brille zur Arbeit gefahren war. »Ist dir die Brille ins Klo gefallen?«, hatte sie Peter gefragt, als der von der Toilette zurückkam. Peter war es ein Rätsel, woher sie das wusste. Er hatte sein Geschäft gemacht und dann mit der Bürste die Schüssel geschrubbt, doch beim Vornüberbeugen war ihm die Brille hinuntergefallen. Ein brauner Fleck klebte an dem Glas, ein Fleck, der am Abend, als er von der Arbeit nach Hause kam, immer noch da war.

Beim dritten Versuch ging endlich jemand ran. Es war Ewan. »Ja?«, sagte er.

»Ihr habt mich vergessen!«, rief Kee. Sie wollte noch mehr rufen, aber sie hielt sich zurück. Der Mann sah sie an, als spiele sie in einem Film. Vielleicht wartete er auf Drama, auf Tränen.

»Papa - Mama am Telefon«, hörte sie Ewan sagen. Aber im Hintergrund hörte sie Peter: »Ich hab jetzt die Hände am Steuer!« Einen Moment lang gab es nur Rauschen, dann kam Tristen ans Handy. »Fuck«, sagte er nach einer Weile. »Fuck. Mama steht noch an der Tankstelle.«

Als sie das Gespräch beendet hatte, gab sie dem Mann das Handy zurück.

»Sie kommen.«

»Schön.«

»Ja.«

»Alles in Ordnung mit...

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