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Die Spur des Maori-Heilers

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
510 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am18.07.20141. Aufl. 2014
Nelson, 1931: Kaum ist Lisa mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Richard in Neuseeland angekommen, verfällt dieser dem Alkohol und wird gewalttätig. Trost findet die junge Deutsche in den starken Armen des Maori Rongo. Doch sie kann ihren Mann nicht verlassen, ohne ihren kleinen Sohn zu verlieren. Achtzig Jahre später finden Lisas Großnichten ihr Tagebuch, das von verbotenen Gefühlen, ungesühnten Verbrechen und einer tödlichen Familienfehde erzählt - und dann einfach abbricht...mehr

Produkt

KlappentextNelson, 1931: Kaum ist Lisa mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Richard in Neuseeland angekommen, verfällt dieser dem Alkohol und wird gewalttätig. Trost findet die junge Deutsche in den starken Armen des Maori Rongo. Doch sie kann ihren Mann nicht verlassen, ohne ihren kleinen Sohn zu verlieren. Achtzig Jahre später finden Lisas Großnichten ihr Tagebuch, das von verbotenen Gefühlen, ungesühnten Verbrechen und einer tödlichen Familienfehde erzählt - und dann einfach abbricht...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838753867
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum18.07.2014
Auflage1. Aufl. 2014
Seiten510 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2188928
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
HAMBURG, NOVEMBER 2012

Das Gästezimmer im Haus ihrer Großmutter sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Marie hatte ihre Mitbringsel aus Indien samt der schmutzigen Wäsche über den gesamten Fußboden verteilt. Ihre eigene Wohnung hatte sie vor der Reise für ein Jahr untervermietet, und das bedauerte sie jetzt, denn sie war bereits nach sechs Monaten zurückgekehrt. Aber nicht, um in Hamburg zu bleiben, sondern nur, um ihre Sachen für die Weiterreise zu packen und einmal kurz nach der Großmutter zu sehen.

Sie hatte nach ihrer Rückkehr aus Indien eigentlich nach Südamerika aufbrechen wollen, aber ihre Großmutter hatte ihr derart in den Ohren gelegen, lieber nach Neuseeland zu gehen, dass sie dem Drängen der alten Dame schließlich nachgegeben hatte. Ihrer Großmutter Anna konnte Marie kaum eine Bitte abschlagen. Sie war ihre wichtigste Bezugsperson seit dem grausamen Unfall, bei dem ihre Mutter gestorben war. Maries Miene verdüsterte sich. Sie konnte kaum an diese Geschichte denken, ohne dass kalte Wut in ihr aufstieg. Wut auf ihre Schwester, die den Unglückswagen gefahren und bei Blitzeis gegen einen Baum geprallt war. Mit der Beifahrerseite ... Ihre Mutter war sofort tot gewesen. Genickbruch, während Amelie das Unglück fast unversehrt überstanden hatte.

Ich hätte Amelie längst anrufen und ihr mitteilen sollen, dass ich aus Indien zurückgekehrt bin und eine Woche in Hamburg bleibe, dachte Marie, aber sie spürte einen tiefen Widerwillen bei dem Gedanken, sich bei ihrer Schwester zu melden. Obwohl die Polizei kein Verschulden Amelies hatte feststellen können, machte Marie ihre Schwester insgeheim für den Tod der Mutter verantwortlich. Sicher, sie war nicht zu schnell gefahren, hatte keinen Alkohol getrunken und war vom Eis überrascht worden, aber hatte sie unbedingt in einer kalten Winternacht die heikle Strecke von Stade nach Hamburg fahren müssen? Nur, um an einem angeblich wichtigen gesellschaftlichen Event teilzunehmen wie diesem Ball? Und das, obwohl Amelie wegen ihrer enormen Arbeitsbelastung mal wieder mit den Nerven am Ende gewesen war?

Marie erinnerte sich noch genau, wie gestresst sie ihre Mutter abgeholt hatte. Sie war gar nicht richtig bei sich gewesen. Nein, ich werde mich nicht bei ihr melden, beschloss Marie und suchte aus einem Stapel bunter Tücher eines heraus, das sie mit nach Neuseeland nehmen würde. Wenn sie allein an ihre hektische Stimme und die Worte, die schneller aus Amelies Mund sprudelten, als Marie denken konnte, dachte ... nein, das würde sich Marie nicht antun.

»Wenn du dich sehen könntest, Kind«, bemerkte Anna, die schon eine Weile im Türrahmen gestanden hatte. »Du bekommst Falten, wenn du die Stirn so kräuselst.«

»Das bleibt nicht aus, wenn man auf die vierzig zugeht«, lachte Marie.

»Ach, du Küken, das sind doch noch drei Jahre hin ...« Anna hielt etwas in der Hand, das sie ihrer Enkelin nun reichte. »Das sind ein paar alte Fotos von Lisa und Richard.«

Marie nahm die Bilder entgegen und musterte das erste kritisch, ein Hochzeitsfoto. »Glücklich sehen die beiden nicht gerade aus.«

»Ich hätte auch nicht gelächelt, wenn ich Richard Bruhns hätte heiraten müssen«, erwiderte Anna.

»Musste deine Schwester denn?«

Anna schüttelte energisch den Kopf. »Natürlich nicht. Sie wäre niemals ausgewandert, wenn sie schwanger gewesen wäre.«

Marie betrachtete den Bräutigam intensiv. »Ich meine, mal abgesehen von seiner grimmigen Miene, sieht er nicht schlecht aus.«

»Ich befürchte, das hat meine Schwester damals letztlich dazu gebracht, seinen Antrag anzunehmen. Ich mochte ihn nicht, aber das war auch kein Wunder. Ich war noch ein Kind, und er wollte mir die geliebte Schwester rauben.«

»Und du meinst, ich könnte wirklich Spuren der beiden in Neuseeland finden?«

»Ja, irgendwo müssen sie abgeblieben sein. Angekommen sind sie jedenfalls. Das schreibt Lisa in einem Brief an unsere Eltern und mich.«

Anna zog einen vergilbten Brief hervor.

»Das war der erste und letzte Brief, den wir von meiner Schwester erhalten haben. Danach brach der Kontakt ab. Und ich verstehe das nicht. Wir waren einander so vertraut wie Schwestern nur sein können und sollten. Obwohl ich mit meinen zwölf Jahren noch ein halbes Kind und sie mit ihren neunzehn schon eine junge Dame war, hat sie mir nie das Gefühl gegeben, ein Dummerchen zu sein. Am letzten Abend vor ihrer Abreise hat sie mir hoch und heilig versprochen, dass sie mir eine Schiffspassage schenkt, wenn ich alt genug bin. Meine Eltern waren nämlich sehr streng. Lisa hat mich stets vor Vaters Schlägen beschützt. Ich habe sie angefleht, mich mitzunehmen. Ich glaube, sie hat es wirklich ernst damit gemeint, mich nachzuholen. Ach, was würde ich darum geben, wenn ich wüsste, welches Schicksal sie erlitten hat.« Anna musterte Marie durchdringend. »Geschwister sollten zusammenhalten«, fügte sie seufzend hinzu.

Maries Miene versteinerte. »Ist das der Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich meiner vielbeschäftigten Workaholic-Schwester einen Besuch abstatten soll?«

Anna runzelte die Stirn. »Ach, es tut mir einfach weh, mitzuerleben, dass ihr beiden euch so gar nicht versteht. Wenn ich daran denke, wie glücklich Karla, eure Mutter, damals war, als sie mit Amelie schwanger geworden ist und dann drei Jahre später mit dir. Deine Eltern hatten doch gar nicht mehr mit Kindersegen gerechnet. Wenn sie mit ansehen müssten, wie ihr beiden euch aus dem Weg geht. Ein Trauerspiel.«

»Du weißt ganz genau, warum mein Verhältnis zu ihr getrübt ist!«, schnaubte Marie. »Musste sie Mutter unbedingt in ein Abendkleid zwängen und mit zu diesem dämlichen Innungsball schleppen? Und das bei klirrender Kälte? Wo Mutter gar keinen Spaß an solchen Repräsentationspflichten hatte. Denk an ihr Rheuma. Amelie hat sie sicherlich in ihrer unnachahmlichen Art so lange überredet, bis sie nicht mehr Nein sagen konnte.«

»Kannst du nicht endlich aufhören damit! Amelie trifft keine Schuld.«

»Ach ja? Die ewig überarbeitete Amelie hätte gar nicht Auto fahren dürfen.«

»Nun mach aber mal einen Punkt! Wer hat denn aus der kleinen Eckbäckerei deines Vaters ein florierendes Unternehmen gemacht? Amelie hat Tag und Nacht geschuftet, um das zu erreichen.«

Marie zuckte die Achseln. »Na und? Mir hätte die kleine Klitsche unserer Eltern völlig gereicht.«

»Kind, du bist sehr ungerecht. Wenn Amelie dich nicht ausgezahlt hätte, könntest du niemals einfach so durch die Welt reisen. Ich gönne es dir, aber mir wäre es langfristig lieber, wenn du deine Schwester im Geschäft unterstützen würdest, sobald du aus Neuseeland zurück bist. Dann hast du dich wirklich genügend selbst verwirklicht. Ihr müsst zusammenhalten!«

Marie rollte mit den Augen. »Ich werde niemals für die Jaspers-Bäckerei arbeiten. Lieber gehe ich zur Konkurrenz.«

»Woher hast du nur diesen Dickschädel? Warum könnt ihr kein Team sein? Ihr habt das Handwerk beide gelernt und Amelie noch zusätzlich als Betriebswirtin ... Das ist ideal.«

»Weil ich niemals so werden will wie meine Schwester, der Statussymbole lieber sind als alle inneren Werte. Und vergiss nicht, dass ich auch studiert habe, nicht Betriebswirtschaft, sondern Ethnologie. Was soll ich wohl in einer solchen Firma? Um mich von ihr herumkommandieren zu lassen und mir Kohle als Ziel auf die Fahnen zu schreiben? Nee, niemals, Amelie ist doch gar kein Mensch mehr, sondern ein Geldautomat! Kein Wunder, dass sie keinen Freund hat.«

Anna drohte ihrer Enkelin spielerisch mit dem Finger. »Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Du hast zwar immer mal wieder einen Lover, wie ihr das heute so schön nennt, aber da war auch noch kein halbwegs vernünftiger Kerl dabei. Also wenigstens in dem Punkt steht ihr euch in nichts nach. Urenkel werde ich wohl nicht mehr erleben.«

»Ach, Großmutter, nicht die Hoffnung aufgeben. Ich tue wirklich mein Bestes«. Grinsend holte Marie das Foto eines braun gebrannten, muskulösen Mannes hervor. »Heiß, oder?«

Anna stöhnte laut auf. »Und? Wann wirst du ihn wiedersehen?«

»Gar nicht, denn er wird demnächst in Kapstadt heiraten. Das war sozusagen seine Junggesellenreise.«

»Marie, Marie, wo soll das enden? Du weißt, ich bin recht fortschrittlich für meine Generation, aber ich finde, es steht dir nicht zu, über Amelie zu richten.«

Marie musterte ihre Großmutter zärtlich. »Du bist ein Phänomen. Kein Mensch, der dich nicht kennt, würde auch nur im Traum darauf kommen, dass du schon dreiundneunzig bist. Höchstens achtundsiebzig! So möchte ich im Alter mal aussehen!«

Anna Tanner war eine hochgewachsene, schlanke Frau mit blond getöntem Haar und für ihr hohes Alter erstaunlich wenig Falten. Sie litt zwar unter diversen Zipperlein, die Sehkraft ließ nach, sie brauchte ein Hörgerät, und die Knie schmerzten immer öfter, aber das sah man ihr nicht an. Als ehemalige Gymnasiallehrerin war sie geistig immer noch auf der Höhe und an allem interessiert, was dort draußen in der Welt geschah.

Marie drückte Anna einen Kuss auf die Wange.

»Du lenkst ab, Marie«, erklärte Anna mit gespielter Strenge.

»Ich verspreche dir, ich komme mit einem neuseeländischen Ehemann zurück. Bist du dann zufrieden?«

Anna lachte. »Das wäre allerdings etwas übertrieben. Ich wünschte mir nur, du könntest über deinen Schatten springen und zusammen mit deiner Schwester die Firma führen.«

»Ich würde dir gern jeden Wunsch erfüllen, aber den nicht. Amelie hat mich ausgezahlt. Schon vergessen? Jaspers gehört ihr samt dem Haupthaus, den Filialen, dem Cateringservice, dem Partydienst ... und ich möchte nicht mehr als unbedingt...
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