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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
576 Seiten
Deutsch
Hannibal Verlagerschienen am12.12.20121. Auflage
Led Zeppelin, Black Sabbath, Deep Purple - die Trinität dieser Bands wird meist genannt, wenn zur Debatte steht, wer den Hardrock oder gar das Genre des Heavy Metal erfunden hat, sofern denn ein Genre erfunden werden kann und sich nicht vielmehr aus einer ziemlich unübersichtlichen Gemengelage zeit- und musikgeschichtlicher und vor allem zufälliger persönlicher Konstellationen entwickelt. Die Bedeutung von Led Zeppelin für die Entfaltung eines neuen musikalischen Stils und einer neuartigen musikalischen Sichtweise auf die Welt ist weithin akzeptiert, unzählige Veröffentlichungen dokumentieren das. Und auch Black Sabbath dürfen sich einer nicht nur in bestimmten Subkulturen verbreiteten, zuweilen kultischen Verehrung sicher sein. Ihre Geschichte ist ordentlich aufgearbeitet. Anders verhält sich das mit Deep Purple, deren Album Deep Purple In Rock (1970) prägender und bedeutender war als das meiste, was wir aus den frühen Siebzigerjahren kennen. Deep Purple wurden in der Folge zu einer der einflussreichsten, innovativsten, erfolgreichsten und interessantesten Bands der Rockgeschichte, und so ist es siebenunddreißig Jahre nach ihrer Gründung endlich an der Zeit, die Geschichte dieser ebenso großen wie zuzeiten scheiternden und selbstzerstörerischen Gruppe zu erzählen. Jürgen Roth und Michael Sailer legen mit Deep Purple - Die Geschichte einer Band die erste deutschsprachige Darstellung über Deep Purple vor - mit dem Anspruch, alles, was wesentlich war und ist, zu berücksichtigen, ohne sich im Meer der Fakten zu verlieren, erzählend, abschweifend, einfühlend und auch distanziert, wo es trotz aller Freude an oder gar Liebe zu dieser Musik geboten erscheint. Und nicht zuletzt dürfen die komischen Irrungen und die Demütigungen, die sich die Mitglieder dieser 'Supergroup' gegenseitig zufügten oder die ihnen die Maschinerie des Rockbusiness zugefügt hat, nicht fehlen. In einem Buch, das die Einzigartigkeit dieser Band aus den musikgeschichtlichen Kontexten heraus verständlich machen will.

Jürgen Roth, freier Schriftsteller, konvertierte zur Rockmusik, als er das erstemal 'Speed King' von Deep Purple In Rock hörte. Seine zweite eigene Platte war Made In Europe (die erste hat er vergessen). Zahlreiche Bücher, unter anderem: Verona Feldbusch - Roman eines Lebens, Unter keinem Wipfel ist Ruh - Eine lange Erzählung vom Land, Die Poesie des Biers und Öde Orte 3 (als Herausgeber zusammen mit Rayk Wieland). Michael Sailer, freier Schriftsteller, Autor der Kolumnenserien 'Schwabinger Krawall' und 'Belästigungen', Musiker und Redakteur des Musikexpress, entdeckte Deep Purple 1973 via Made In Japan in der Plattensammlung seines Vaters. Zuletzt erschienen: Einladung zur Enthirnung - Belästigungen 61-100.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR29,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextLed Zeppelin, Black Sabbath, Deep Purple - die Trinität dieser Bands wird meist genannt, wenn zur Debatte steht, wer den Hardrock oder gar das Genre des Heavy Metal erfunden hat, sofern denn ein Genre erfunden werden kann und sich nicht vielmehr aus einer ziemlich unübersichtlichen Gemengelage zeit- und musikgeschichtlicher und vor allem zufälliger persönlicher Konstellationen entwickelt. Die Bedeutung von Led Zeppelin für die Entfaltung eines neuen musikalischen Stils und einer neuartigen musikalischen Sichtweise auf die Welt ist weithin akzeptiert, unzählige Veröffentlichungen dokumentieren das. Und auch Black Sabbath dürfen sich einer nicht nur in bestimmten Subkulturen verbreiteten, zuweilen kultischen Verehrung sicher sein. Ihre Geschichte ist ordentlich aufgearbeitet. Anders verhält sich das mit Deep Purple, deren Album Deep Purple In Rock (1970) prägender und bedeutender war als das meiste, was wir aus den frühen Siebzigerjahren kennen. Deep Purple wurden in der Folge zu einer der einflussreichsten, innovativsten, erfolgreichsten und interessantesten Bands der Rockgeschichte, und so ist es siebenunddreißig Jahre nach ihrer Gründung endlich an der Zeit, die Geschichte dieser ebenso großen wie zuzeiten scheiternden und selbstzerstörerischen Gruppe zu erzählen. Jürgen Roth und Michael Sailer legen mit Deep Purple - Die Geschichte einer Band die erste deutschsprachige Darstellung über Deep Purple vor - mit dem Anspruch, alles, was wesentlich war und ist, zu berücksichtigen, ohne sich im Meer der Fakten zu verlieren, erzählend, abschweifend, einfühlend und auch distanziert, wo es trotz aller Freude an oder gar Liebe zu dieser Musik geboten erscheint. Und nicht zuletzt dürfen die komischen Irrungen und die Demütigungen, die sich die Mitglieder dieser 'Supergroup' gegenseitig zufügten oder die ihnen die Maschinerie des Rockbusiness zugefügt hat, nicht fehlen. In einem Buch, das die Einzigartigkeit dieser Band aus den musikgeschichtlichen Kontexten heraus verständlich machen will.

Jürgen Roth, freier Schriftsteller, konvertierte zur Rockmusik, als er das erstemal 'Speed King' von Deep Purple In Rock hörte. Seine zweite eigene Platte war Made In Europe (die erste hat er vergessen). Zahlreiche Bücher, unter anderem: Verona Feldbusch - Roman eines Lebens, Unter keinem Wipfel ist Ruh - Eine lange Erzählung vom Land, Die Poesie des Biers und Öde Orte 3 (als Herausgeber zusammen mit Rayk Wieland). Michael Sailer, freier Schriftsteller, Autor der Kolumnenserien 'Schwabinger Krawall' und 'Belästigungen', Musiker und Redakteur des Musikexpress, entdeckte Deep Purple 1973 via Made In Japan in der Plattensammlung seines Vaters. Zuletzt erschienen: Einladung zur Enthirnung - Belästigungen 61-100.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783854454144
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum12.12.2012
Auflage1. Auflage
Seiten576 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4576 Kbytes
Illustrationenzahlr. schw.-w. Abb.
Artikel-Nr.1243003
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Der Hund von Deep Purple (11)
Das Vorwort, in dem wir erfahren, worum es geht, und mit einem Abstecher ins sehr späte Mittelalter eine gewisse Sache von vornherein erledigen
Intermezzo: Tränenton

"Die Band gibt es nur in meinem Kopf" (26)
Das erste Kapitel, in dem viele Leute viele Ideen haben und viel tun, aber nichts sich recht fügen will und in dem wir etwas über Jon Lord erfahren

"Gebt mir eine Gitarre, und ich beweise euch, wie gut ich bin!" (37)
Das zweite Kapitel, in dem immer noch nicht viel passiert, wir aber immerhin etwas über Ritchie Blackmore erfahren

"So verdammt laut, dass es magisch war" (51)
Das dritte Kapitel, in dem plätzlich alles sehr schnell geht
Erster statistisch-kritischer Einschub: SHADES OF DEEP PURPLE
Zweiter statistisch-kritischer Einschub: THE BOOK OF TALIESYN

"Und dann passiert so was" (80)
Das vierte Kapitel, in dem sich alles ändert, aber manches bleibt, wie es ist und immer bleiben wird, und in dem wir noch schnell etwas über Rod Evans und Nick Simper erfahren
Dritter statistisch-kritischer Einschub: DEEP PURPLE

"Sie spielen wie ein Haufen Arschlöcher!" (96)
Das fünfte Kapitel, in dem eine Band zwischen Heavy-Rock-Improvisationen und Orchestergraben ihre Identität sucht und sie dabei (fast) vollständig verliert
Intermezzo: Das schlimmste Rockjahr der Welt
Vierter statistisch-kritischer Einschub: CONCERTO FOR GROUP AND ORCHESTRA

"Was haben wir gelacht, weil der Text so blöd war!" (110)
Das sechste Kapitel, in dem nun endlich der Hard Rock erfunden, die Single abgeschafft und wieder eingeführt wird, Ian Gillan zu viel Geld fordert, um Messias zu werden, und wir über ihn noch einiges erfahren
Fünfter statistisch-kritischer Einschub: DEEP PURPLE IN ROCK
Intermezzo: Eugen Egner - Meine erste Begegnung mit Deep Purple

Ich zerschlage Gitarren, weil ich sie zerschlagen will" (127)
Das siebte Kapitel, in dem erneut ein Orchester antritt, Deutschland die progressive Fahne hochhält und wir etwas mehr über Roger Glover erfahren
Intermezzo: Identifikation - Rezeption - Manipulation - und so
Intermezzo: "Unkommerziell progressiv abfreaken" - der "echte" Rock und sein Publikum 1971

"Wir möchten nicht, dass man uns für eine beschissene Müll-Pop-Band hält" (146)
Das achte Kapitel, in dem ein weiteres Album irgendwie entsteht, einige Leute kränkeln, der Hard Rock aus den Teenagerherzen verschwindet und jemand sehr krank wird
Sechster statistisch-kritischer Einschub: FIREBALL
Intermezzo: Die Glaubwürdigen glitzern nicht

"Wenn wir Glück haben, halten wir noch bis Jahresende durch" (166)
Das neunte Kapitel, in dem Deep Purple mit einer gewaltigen Rauchwolke unsterblich werden und aber scheinbar nicht mehr zu retten sind
Intermezzo: Wer was schreibt und wie
Siebter statistisch-kritischer Einschub: MACHINE HEAD
Achter statistisch-kritischer Einschub: MADE IN JAPAN
Intermezzo: Ian Gillan, der Dichter und sein Werk

"Herr Blackmore spielt heute über Telephon" (202)
Das zehnte Kapitel, in dem noch einmal ein Album erscheint, mehrere Beteiligte unterschiedliche Entscheidungen treffen, die (fast) alle auf dasselbe hinauslaufen, einige Wege sich trennen und wir schon mal etwas über Glenn Hughes erfahren
Intermezzo: Ein paar Worte über Power und über Rock als Fußballspiel
Neunter statistisch-kritischer Einschub: WHO DO WE THINK WE ARE
Intermezzo: Wer wir glauben, dass die sind, und wer wir selber sind

"Den kannst du nicht ersetzen! Er war Jesus Christus!" (227)
Das elfte Kapitel, in dem mal wieder alles von vorn beginnt, dennoch alles einfach so weitergeht und wir etwas über David Coverdale erfahren
Zehnter statistisch-kritischer Einschub: BURN

"Es langweilit mich" (260)
Das zwölfte Kapitel, in dem eine Gefahr heranwächst, von der niemand etwas bemerkt, große Pläne schrumpeln, Deep Purple dahinsiechen, aber nicht sterben dürfen und wir endlich etwas über Ian Paice erfahren
Intermezzo: Im Purpur ersoffen
Elfter statistisch-kritischer Einschub: STORMBRINGER
Intermezzo: Die Kellerkinder kommen
Intermezzo: Daniel Neckien - Das Glück der Spätgeborenen

"Scheiße, wie geht dieses Riff?" (297)
Das dreizehnte Kapitel, in dem ein halbtoter Dinosaurier sich noch einmal aufbäumt, wir etwas über Tommy Bolin erfahren und das dann auch schon das letzte Kapitel wäre, wenn nicht ...
Zwölfter statistisch-kritischer Einschub: COME TASTE THE BAND
Intermezzo: Zufällige Geschmackssicherheit

"Wer meinen guten Namen stiehlt, nimmt mir alles, was ich habe" (325)
Das vierzehnte Kapitel, in dem eine kuriose Episode schnell und übel endet und jemand verschwindet
Dreizehnter statistisch-kritischer Einschub: MADE IN EUROPE
Vierzehnter statistisch-kritischer Einschub: LAST CONCERT IN JAPAN

Reunited (333)
Das fünfzehnte Kapitel, in dem Unerhörtes geschieht und einiges andere aufzuarbeiten ist
Fünfzehnter statistisch-kritischer Einschub: PERFECT STRANGERS
Intermezzo: Communication Breakdown
Intermezzo: Reunion revisited I
Intermezzo: Reunion revisited II

Broken finger, broken band (361)
Das sechzehnte Kapitel. in dem fünf erwachsene Männer in fast jeder Hinsicht an Gewohnheiten und Verhaltensweisen ihrer späten Jugend anknüpfen
Sechzehnter statistisch-kritischer Einschub: THE HOUSE OF BLUE LIGHT
Intermezzo: Thomas Roth - Konzertmitschnitt
Siebzehnter statistisch-kritischer Einschub: NOBODY'S PERFECT

Ein Vorfall in Vermont und die Folgen (386)
Das siebzehnte Kapitel, in dem mit einem neuen Gesicht endlich alles gut werden soll, aber alles immer schlimmer wird
Achtzehnter statistisch-kritischer Einschub: SLAVES AND MASTERS
Intermezzo: Völkerschlacht an der Hard-Rock-Front

In Birmingham brennt der Baum (406)
Das achtzehnte Kapitel, in dem eine Rückkehr zu feiern ist, mit der niemand mehr gerechnet hat, mancherlei Höhepunkte erreicht werden und schließlich ein Becher fliegt, eine Dame auftritt und endgültig nichts mehr so ist und sein wird, wie es war
Neunzehnter statistisch-kritischer Einschub: THE BATTLE RAGES ON
Zwanzigster statistisch-kritischer Einschub: COME HELL OR HIGH WATER
Intermezzo: Das undurchschaubare schwarze Schaf? - Ein Dramolett der Stimmen
Intermezzo: Eat it? Mistreated!

Im Gleichmaß der Zeit (454)
Das neunzehnte Kapitel, in dem mit einem Generationswechsel endlich Ruhe einkehrt und ein Urgestein dem Rock'n'Roll Lebewohl sagt
Einundzwanzigster statistisch-kritischer Einschub: PURPENDICULAR
Zweiundzwanzigster statistisch-kritischer Einschub: ABANDON
Dreiundzwanzigster statistisch-kritischer Einschub: BANANAS
Intermezzo: Fragen eines musikhörenden Arbeiters der Stirn

Deep History (523)
Zum Ausklang

Vorerst letzte Meldung (532)
Vom 14. Januar 2005

Fortsetzung der Renaissance (533)
Was im Jahr 2005 so geschah und wie es weiterging
Vierundzwanzigster statistisch-kritischer Einschub: RAPTURE OF THE DEEP

Vorerst allerletzte Meldung (563)
Vom 27. Februar 2007

Die Besetzungen (565)
Dank (568)
Anmerkungen (570)
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Leseprobe



Der Hund von Deep Purple

Das Vorwort, in dem wir erfahren, worum es geht, und mit einem Abstecher ins sehr späte Mittelalter eine gewisse Sache von ­vornherein erledigen

"Wenn ich mir die Platte heute anhöre", bekannte Greil Marcus 1989, als er wieder mal Anarchy In The U. K. von den Sex Pistols hörte, "wenn ich höre, wie Johnny Rotten an seinem Text zerrt und dann die Teile der Welt ins Gesicht schleudert, wenn mir das alles verzehrende Lächeln einfällt, das er beim Singen aufsetzte, kriege ich eine Gänsehaut." (Lipstick Traces, Hamburg 1992)

Merkwürdig, diese Konfession. Sie leistet den hohen Ansprüchen, die man an Dokumente der Obsession stellt, Genüge und "klingt" streng subjektiv, was das Schlechteste nicht ist, schreibt man über (Rock-)Musik. Zugleich aber bedient Marcus das Konfektionspathos der Subversion, bemüht er jenen Ausdruck, der für "authentisch" gilt, und schiebt eine Gänsehaut aus dem Phrasenofen hinterher.

Die Erzählungen über die rebellische Kraft der Rockmusik sind selbst müde, ja alt geworden (wobei das Altwerden keine Schande ist, auch wenn der Usus des Popjournalismus eine andere Auffassung erzwingt). Sogar einem Pete Townshend, der Woodstock bereits vorbildlich heruntermachte, als das Festival gerade die Pop-Community zu erschüttern schien, möchte man heute kaum trauen, da er Rotten und Co. besang, weil sie den Traum, Kunst könne das Bestehende attackieren, ja verändern, endlich irgendwie wahr werden ließen. "Wenn du dir die Sex Pistols anhörst", gestand er, "merkst du sofort, daß das wirklich passiert. Da steht einer, einer mit 'nem Hirn zwischen den Ohren, und erzählt etwas, von dem er ehrlich glaubt, daß es in der Welt passiert, und das sagt er richtig giftig, richtig leidenschaftlich."

Mal abgesehen davon, wie ungebrochen hier der Katechismus der Avantgarde und ihres idealisierten Produzenten - des leidenschaftlichen Subjekts, das etwas bewirkt - zum Einsatz gelangt, "die Stimme", das Subjekt, das Marcus panegyrisch umgarnt, stellt, seit die Kulturindustrie Opposition als Style, Habitus, Gebaren integriert hat, nicht mehr "etwas Neues im Rock 'n' Roll dar und damit in der populären Nachkriegskultur: eine Stimme, die sämtliche gesellschaftlichen Fakten leugnete und dadurch beteuerte, daß alles möglich war"; sondern nur mehr, daß alles möglich ist, was neu und damit schon gewesen ist.

Marcus, fast zwanzig Jahre später, bleibt dabei. Jener Käfig existiere - partiell - nicht, jene Bühne, auf der symbolische und reale Mehrwerte realisiert werden. Das Realitätsprinzip des Rock hingegen lautet schlicht: Erfolg oder Abmarsch durch den Lieferanteneingang, Anpassung oder Nische. Rottens Stimme indes, beteuert Marcus, bleibe "neu, weil der Rock 'n' Roll sie immer noch nicht eingeholt hat. Eine Zeitlang und wie durch Zauberkraft - die Popzauberkraft, bei der die Koppelung bestimmter gesellschaftlicher Fakten an bestimmte Sounds unwiderstehliche Symbole der Veränderung gesellschaftlicher Realität schafft - funktioniert diese Stimme wie eine neue Redefreiheit. Man konnte kaum das Radio einschalten, ohne überrascht zu werden; man konnte ihr kaum entkommen."

Es konnte einem auch anders ergehen, das Schockerlebnis gänzlich privater Art sein, und sei's, weil man damit geschlagen war, in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufzuwachsen. So konnte einen der ältere Bruder, der Musik­geschmacksbildner par excellence, wie Christian Gasser zu Recht in seinem Buch Mein erster Sanyo - Bekenntnisse eines Pop-Besessenen (Berlin 2000) bemerkt hat, vor bald fünfundzwanzig Jahren zu seiner Stereoanlage beordern, einem den Kopfhörer überstülpen und die Starttaste drücken. Unbeschreiblicher Krawall, ein gewaltiges, befreiendes Dröhnen, Quietschen und Heulen, brach los, und man war verloren für die E-Gitarre und Speed King Ritchie Blackmore. "Black­more zersplitterte in nur fünfzig Sekunden die gängigen Konventionen der Beat-Ära und machte die sechziger Jahre der Popmusik zur Historie", schrieb später Eclipsed. So war es, und es war so, wie es 1980 in konkret zu lesen war: "Die ­Beatles, Stones, Cream, Deep Purple, Roxy Music haben ganz selbstverständlich die deutschen Wohnzimmer infiltriert" - auch wenn es nicht zwingend das elterliche Wohnzimmer sein mußte, in dem man heimlich das 1980 erschienene Doppel-Live-Album Deep Purple In Concert mit zwei BBC-Mitschnitten aus den Jahren 1970 und 1972 und einer ausnehmend schön scheppernden "Lucille"-Version hörte, wenn der familiäre Vorstand mal außer Haus war.

Unterstützung in seiner Begeisterung fand man durch Airplay, sofern die Erinnerung nicht trügt, dazumal kaum, und Deep Purple waren gewiß auch keine, gleich den Sex Pistols, "kulturelle Verschwörung" (Marcus), eher ein Haufen von britischen Musikern, die nicht selten den lichten, verspielten Klängen frönten, gewollt einfache Riffs in die Welt warfen und dabei einen zuweilen inkalkulablen "Schönlärm" (Eugen Egner) veranstalteten. Zumal die Mark-II-Besetzung - zumindest im einst gängigen, ja zwingenden Lagerdenken, das noch heute gewisse "Rockismus"-Experten in der ihnen eigenen Manier wiederaufleben lassen - ein Widerpart zum Doom-Gebaren von Black Sabbath und zur bisweilen ein wenig dick aufgetragenen Ernsthaftigkeit von Led Zeppelin war. Und sie war schon damals alles andere als ein Pionierensemble des Heavy Metal, sondern eine ziemlich einzigartige, mitunter aufgekratzt vergnügte, mitunter überwältigende Band, deren Geschichte bedeutend genug sein dürfte, um sie zu skizzieren, subjektiv, abschweifend, aber auch griffbretthart "faktenorientiert" (Helmut Markwort). "Die Sex Pistols schlugen eine Bresche ins Popmilieu" (Marcus), Deep ­Purple hatten das Jahre vorher nicht nötig gehabt und ebensowenig ein Programm, das womöglich das Programm der minervaschlau hinterherdackelnden Interpreten ist. Dessenungeachtet scheint auch Greil Marcus an einem bestimmten Punkt vor der Entwicklung der jüngeren Popmusikgeschichte zu kapitulieren: "Der von den Ansprüchen der Musik ausgehende Schock wird zu dem Schock, daß etwas scheinbar so Absolutes im Lauf der Ereignisse letztlich fast unbemerkt vergehen konnte. Die Musik strebt danach, das Leben zu verändern; das Leben geht weiter, die Musik bleibt zurück; nur darüber läßt sich noch reden."

Reden wir darüber. Plaudern wir hier zum Beispiel darüber, wie es ist, wenn wir eine Musik, die unsere Jugend - teilweise und zuweilen obsessionsverdächtig - begleitet oder geprägt hat, wiederhören, weil wir sie wieder und wieder hören können, ohne einer ungebrochenen Obsession zu frönen oder irgend etwas zu beschwören - was womöglich dienlich wäre, wollte man Erinnerungen, wenn auch sachte, mystifizieren oder an biographischen Mythen stricken. Dann, vielleicht, erweist sich die Musik von Deep Purple, diesem "größten Kreativpool der Rock­geschichte", wie es in Rock Hard geschrieben stand, heute als seltsam "unverbraucht" (auch so eine speiwürdige Floskel aus dem Fundus der Popskribenten), als neu, als neuer Rock 'n' Roll ohne Anspruch auf Veränderung der gesellschaftlichen Realität. Denn die Gesellschaft verändern zu wollen, das war wohl unter Musikern zumeist wenn nicht Illusion, so doch bei manchem bloß bare Lüge; weshalb, im Umkehrschluß, im Lager der Fortschrittlichen Deep Purple nie auf Wohlwollen hoffen durften. Denn diese fünf (und mehr) Musiker machten Musik, unter ziemlich unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen und mit ziemlich divergenten Vorstellungen und Zielen, mehr nicht. Und das ist viel, und es ist (oder war) der Skandal an Deep Purple. "Wir wollten niemandem irgend etwas predigen, weder Drogen noch Politik, noch Lifestyle" - so hat es Roger Glover ausgedrückt.

Oder erzählen wir statt dessen und jenseits der Deutungsmuster und -zwänge des elaborierten Popdiskurses zum Beispiel davon, was passiert, wenn einen im September 2002 zum erstenmal seit vier oder sechs Jahren der ­Rappel des Spießers packt und man seinen alten Wagen zur Waschanlage fährt.

Man rumpelt in die Einfahrt, tuckert durch die Vorwäsche und hält vor der Waschstraße. Vor dem Wagen lungern zwei blaugewandete Hilfskräfte mit Wasserstrahlern und Bürsten herum. Man dreht die milchige Scheibe runter, der Chef schlurft heran, man reicht ihm das Entgelt.

Auf dem Beifahrersitz liegt zufällig eine CD. Seit Tagen. Seit Wochen vermutlich. Der Wagen hat nicht mal einen CD-Player. Keine Ahnung, was Come Hell Or High Water da verloren hat. Cheffe nimmt siebeneinhalb Euro entgegen, und sein angesichts des vorgerollten ollen Blechs mitleidig-mißmutiger Blick fällt ins Wageninnere. Cheffes Mundwinkel verziehen sich - nach oben.

"Ist das Jan Gillaaan?" Auf der Rückseite von Come Hell Or High Water, einem Live-Mitschnitt von der letzten Tournee, die Deep Purple im Herbst 1993 mit Ritchie Blackmore hinter sich gebracht hatten, ist Ian Gillan zu sehen, wie er ausgesprochen vergnügt und kraftfroh das Mikrophon in die Luft stemmt. Das Photo konnte schon immer gefallen. Es drückt die seltsam angestrengte, aber auch entspannte Stimmung aus, die Deep Purple auf ihren...


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Jürgen Roth, freier Schriftsteller, konvertierte zur Rockmusik, als er das erste Mal "Speed King" von Deep Purple hörte. Seine zweite eigene Platte war "Made In Europe" (die erste hat er vergessen). Zahlreiche Bücher, unter anderem "Verona Feldbusch - Roman eines Lebens", "Unter keinem Wipfel ist Ruh - Eine lange Erzählung vom Land", "Die Poesie des Biers und Öde Orte 3" (als Herausgeber zusammen mit Rayk Wieland).