Produkt
KlappentextLange Zeit wurde die frühneuzeitliche Geschichte der Juden in Stadt und Land Minden in den Hintergrund gedrängt. Daß es seit dem 16. Jahrhundert ein vielgestaltiges jüdisches Leben in der Stadt Minden und beachtliche jüdische Landgemeinden gab, wurde kaum zur Kenntnis genommen. Detailreich und anschaulich schildert das neue Buch den Lebensalltag der jüdischen Bevölkerung. Auf der Basis neu erschlossener Quellen kommen hinter den sozioökonomischen Strukturen und politischen Verhältnissen die konkreten Menschen in ihren kulturellen, religiösen und familiären Bezügen zum Vorschein. Die Geschichte der Juden in Stadt und Fürstentum Minden wird erstmals umfassend in überregionale Entwicklungen eingebunden.https://www.regionalgeschichte.de/detailview?no=0360
ZusatztextHier liegt ein vorbildliches Handbuch vor, das über die Mindener Region hinaus von hoher Bedeutung ist: Die stringente Gliederung ermöglicht eine mühelose Orientierung bei Vergleichen mit anderen Städten und Gebieten; man wird in Zukunft »den Linnemeier« als Steinbruch verwenden, als Vorbild für eine Makrostudie ebenso wie für eine Mikrostudie zu Familienverbindungen und Häusern, Synagogen und Friedhöfen. Man kann »den Linnemeier« aber auch als Reiseführer in die Hand nehmen und mit ihm eine jüdische Landschaft neu entdecken. Von hoher Bedeutung erscheint mir ferner der Nachdruck, den er auf die häufig übersehenen Kleinigkeiten des Alltags liegt. Linnemeier destilliert sie u.a. aus Nachlassinventaren, die trotz fehlender zahlenmäßiger Repräsentativität für manche Überraschungen gut sind, nicht nur für spezifisch Jüdisches wie Sabbatampeln oder das Totenhemd des Joseph Josephson, für Bücherbesitz, über deren Titel man gerne mehr erfahren hätte, sondern auch und gerade für unerwartet Erwartetes: Bei der Zwangsinventarisierung des Hauses des lippischen Hoffaktoren Israel im Dezember 1613 fand sich neben zahlreichen Feuer- und Blankwaffen ein Portrait des Landesherren, Zeichen sowohl für die Stellung Israels am Hof wie für die hohe kulturelle Assimilationsbereitschaft der Juden im 17. Jahrhundert. Sichtbar wird zudem die wichtige Rolle der Juden bei Kulturimporten; so handelte im späten 18. Jahrhundert Bendix Levi mit chinesischem (»ostindischem«) Porzellan. Lesenswert sind schließlich die Selbstaussagen jüdischer Autoren über ihre Region wie die des Jehuda Loeb b. Moses, der in seinen 1695/97 in Amsterdam erschienenen »Shire´Jehudah« über den Verfall der Sitten und die um sich greifende Nachlässigkeit bei der Einhaltung der religiösen Vorschriften klagt â nicht nur ein Topos, wie er in dieser Zeit häufig begegnet, sondern ein weiteres Indiz für die Anpassungsbereitschaft und den Anpassungsdruck innerhalb der jüdischen Gesellschaft lange vor der eigentlichen Phase von Emanzipation und Assimilation im 19. Jahrhundert.Linnemeier hat die jüdische Geschichte einer Region beispielhaft erforscht, eine Forschungslücke geschlossen und eindrücklich unter Beweis gestellt, dass (Kultur-)Geschichtsschreibung erst dann zu konkreten Ergebnissen führt, wenn man alle ihre Faktoren berücksichtigt, und dazu gehören eben auch und vor allem die Juden, die das Kulturprofil von Landschaften (etwa durch die Hofjuden) nachhaltiger prägten, als wir dies bislang zuzugeben bereit sind.Christoph Daxelmüller, in: Rheinisch-Westfälischen Zeitschrift für Volkskunde 48, 2003
Details
ISBN/GTIN978-3-89534-360-5
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
FormatGenäht
ErscheinungsortBielefeld
ErscheinungslandDeutschland
Erscheinungsjahr2002
Erscheinungsdatum26.07.2002
Reihen-Nr.15
SpracheDeutsch
Gewicht1690 g
Artikel-Nr.16191511
Rubriken
GenreGeschichte/Politik