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Des Teufels Advokat

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
288 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am30.09.20131. Auflage
Große Kino-Verfilmung mit John Mills, Stéphane Audran und Raf Vallone! Aus Gemello Minore, einem Dorf in der süditalienischen Provinz Kalabrien, dringen zum Vatikan Gerüchte über einen sonderbaren Kult: Gläubige pilgern zum Grab Giacomo Nerones, eines Mannes, der als Deserteur 1944 von den Partisanen erschossen wurde. Vor seiner Hinrichtung soll Giacomo ein Dorf vor der Verwüstung durch die deutschen Truppen gerettet und wahre Wunder vollbracht haben. Die einheimische Bevölkerung verehrt diesen geheimnisumwitterten Mann seither als Märtyrer und strebt seine Seligsprechung an. Der Bischof der Region bittet den Vatikan, dringend Licht in die rätselhaften Vorgänge zu bringen. Also überträgt man schließlich dem englischen Monsignore Blaise Meredith, der todkrank ist und nur noch wenige Monate zu leben hat, die Aufgabe des Advocatus Diaboli - als des Teufels Anwalt hat er alle Argumente zu sammeln, die gegen eine eventuelle Seligsprechung vorgebracht werden können. Nur zögerlich entschleiert sich die Wahrheit vor Meredith, der in diesen Tagen tiefere Einblicke in die Menschen gewinnt, als er sich das am Ende seines Lebens gewünscht hätte...

Morris Langlo West wurde 1916 in St. Kilda, Australien geboren. Mit 14 Jahren trat er in den Orden der Christian Brothers ein, der Katholizismus beeinflusste West nachhaltig. 1937 schloss er sein Studium an der University of Melbourne ab und unterrichtete anschließend moderne Sprachen und Mathematik an den Klosterschulen des Ordens in New South Wales. 1942 verließ er den Orden und kämpfte etwa zu dieser Zeit auch im Zweiten Weltkrieg, bis er 1943 Sekretät des früheren australischen Premierministers, Billy Hughes, wurde. Während seiner Zeit bei der Armee schrieb er ein Buch über sein Leben im Kloster, das er 1945 unter dem Pseudonym Julian Morris veröffentlichte. Etwa zur Zeit des Kriegsendes arbeitete er für den australischen Rundfunk, nachdem er jedoch wegen eines Zusammenbruchs ein Jahr im Krankenhaus gelegen hatte, verkaufte er sein Unternehmen und arbeitete fortan ausschließlich als Schriftsteller. Sein erster Gedichtband erschien 1955, gefolgt von den erfolgreichen Romanen 'Gallows on the Sand' im selben Jahr und 'Kundu' ein Jahr später. Mit dem Geld, das er mit den Romanen verdiente, reiste er ins Ausland und lebte einige Zeit in Österreich, Italien, England und den USA. Viele seiner Bücher sind von seiner Zeit in Italien inspiriert. Erst 1980 kehrte er nach Australien zurück. Wests Bekanntheit wurde durch einige Verfilmungen seiner Bücher noch gesteigert. Viele seiner Werke behandeln ethisch-religiöse Konflikte oder haben politische Brisanz. Am 9. Oktober 1999 starb Morris West in Sydney.
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Produkt

KlappentextGroße Kino-Verfilmung mit John Mills, Stéphane Audran und Raf Vallone! Aus Gemello Minore, einem Dorf in der süditalienischen Provinz Kalabrien, dringen zum Vatikan Gerüchte über einen sonderbaren Kult: Gläubige pilgern zum Grab Giacomo Nerones, eines Mannes, der als Deserteur 1944 von den Partisanen erschossen wurde. Vor seiner Hinrichtung soll Giacomo ein Dorf vor der Verwüstung durch die deutschen Truppen gerettet und wahre Wunder vollbracht haben. Die einheimische Bevölkerung verehrt diesen geheimnisumwitterten Mann seither als Märtyrer und strebt seine Seligsprechung an. Der Bischof der Region bittet den Vatikan, dringend Licht in die rätselhaften Vorgänge zu bringen. Also überträgt man schließlich dem englischen Monsignore Blaise Meredith, der todkrank ist und nur noch wenige Monate zu leben hat, die Aufgabe des Advocatus Diaboli - als des Teufels Anwalt hat er alle Argumente zu sammeln, die gegen eine eventuelle Seligsprechung vorgebracht werden können. Nur zögerlich entschleiert sich die Wahrheit vor Meredith, der in diesen Tagen tiefere Einblicke in die Menschen gewinnt, als er sich das am Ende seines Lebens gewünscht hätte...

Morris Langlo West wurde 1916 in St. Kilda, Australien geboren. Mit 14 Jahren trat er in den Orden der Christian Brothers ein, der Katholizismus beeinflusste West nachhaltig. 1937 schloss er sein Studium an der University of Melbourne ab und unterrichtete anschließend moderne Sprachen und Mathematik an den Klosterschulen des Ordens in New South Wales. 1942 verließ er den Orden und kämpfte etwa zu dieser Zeit auch im Zweiten Weltkrieg, bis er 1943 Sekretät des früheren australischen Premierministers, Billy Hughes, wurde. Während seiner Zeit bei der Armee schrieb er ein Buch über sein Leben im Kloster, das er 1945 unter dem Pseudonym Julian Morris veröffentlichte. Etwa zur Zeit des Kriegsendes arbeitete er für den australischen Rundfunk, nachdem er jedoch wegen eines Zusammenbruchs ein Jahr im Krankenhaus gelegen hatte, verkaufte er sein Unternehmen und arbeitete fortan ausschließlich als Schriftsteller. Sein erster Gedichtband erschien 1955, gefolgt von den erfolgreichen Romanen 'Gallows on the Sand' im selben Jahr und 'Kundu' ein Jahr später. Mit dem Geld, das er mit den Romanen verdiente, reiste er ins Ausland und lebte einige Zeit in Österreich, Italien, England und den USA. Viele seiner Bücher sind von seiner Zeit in Italien inspiriert. Erst 1980 kehrte er nach Australien zurück. Wests Bekanntheit wurde durch einige Verfilmungen seiner Bücher noch gesteigert. Viele seiner Werke behandeln ethisch-religiöse Konflikte oder haben politische Brisanz. Am 9. Oktober 1999 starb Morris West in Sydney.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783955302467
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum30.09.2013
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1724327
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Es gehörte zu seinem Beruf, andere auf den Tod vorzubereiten. Er war entsetzt, als er merkte, daß er selber so gar nicht auf seinen eigenen Tod vorbereitet war.

Er war ein vernünftiger Mann, und die Vernunft sagte ihm, daß dem Menschen das Todesurteil schon am Tage seiner Geburt in der Hand geschrieben steht. Er war ein kaltsinniger Mann, von Leidenschaften kaum berührt, durch die Gebote der Disziplin in keiner Weise belastet, aber sein erster Impuls war das wilde Verlangen gewesen, sich an die Illusion der Unsterblichkeit zu klammern.

Eigentlich erfordert es die Würde des Todes, daß er unangekündigt, mit verhangenem Antlitz und verborgenen Händen erscheine, zu einer Stunde, da man ihn am allerwenigsten erwartet. Langsam sollte er kommen, auf leisen Sohlen wie sein Bruder, der Schlaf - oder rasch und heftig wie die Erfüllung des Liebesakts -, damit der Augenblick des Untergangs still und gesättigt sei und nicht eine gewaltsame Trennung von Seele und Leib.

Die Würde des Todes. Sie erhofft sich der Mensch in dunkler Ahnung, sie erfleht er vom Himmel, wenn er geneigt ist zu beten, ihr trauert er bitterlich nach, wenn er weiß, daß sie ihm nicht vergönnt sein wird. Diese dumpfe Trauer empfand Blaise Meredith nun, als er in der matten Frühlingssonne saß und den langsamen Zug der Schwäne auf dem Serpentine-Teich betrachtete, die verliebten Paare auf dem Rasen, die an die Leine gelegten Pudel, die geziert hinter den kokett flatternden Röcken ihrer Besitzerinnen dahintänzelten.

Inmitten dieser Lebensfülle - sprießendes Gras, von frischen Säften schwellende Bäume, nickender Krokus und schaukelnde Narzissen, lässige Liebelei der Jugend, kräftiger Schritt der promenierenden alten Herren - schien er allein vom Tode gezeichnet. Das kategorische und unausweichliche Gebot war nicht mißzuverstehen. Man konnte es zwar nicht in den Handlinien lesen, aber wer Augen hatte, sah es auf dem viereckigen fotografischen Negativ, auf dem ein kleiner grauer Fleck das Urteil sprach.

«Karzinom.» Der breite Finger des Chirurgen hatte einen Augenblick lang das Zentrum des grauen Flecks berührt und dann die äußeren Konturen des Tumors umrissen.

«Langsam wachsend, aber ziemlich entwickelt. Ich habe zu viele solche Fälle gesehen, ich irre mich nicht.»

Während er den kleinen, durchsichtigen Schirm und den spatelförmigen, dahingleitenden Finger beobachtete, kam Blaise Meredith die Ironie der Situation zu Bewußtsein. Sein ganzes Leben hatte er damit verbracht, anderen Menschen die Wahrheit über ihre Person vor Augen zu führen, die quälende Schuld, die erniedrigenden Begierden, die lähmenden Torheiten. Nun blickte er in seine eigenen Eingeweide, wo ein kleines, bösartiges Gewächs wie eine Alraunwurzel dem Tag entgegenwucherte, da es ihn vernichten würde.

Er fragte ziemlich gelassen:

«Ist eine Operation möglich?»

Der Chirurg knipste das Licht hinter dem Bildschirm aus, der kleine graue Tod wurde unsichtbar. Dann setzte er sich, rückte die Tischlampe so zurecht, daß sein eigenes Gesicht im Schatten lag und das seines Patienten voll beleuchtet war.

Blaise Meredith bemerkte den kleinen Trick und konnte ihn verstehen. Ihre Berufe ähnelten einander. Jeder hatte es, auf seinem Gebiet, mit menschlichen Wesen zu tun. Jeder mußte eine gewisse klinische Kälte bewahren, um sich nicht selber allzusehr preiszugeben und ebenso schwach und ängstlich zu werden wie die Patienten.

Der Chirurg lehnte sich in seinen Sessel zurück, griff nach einem Papiermesser und balancierte es elegant wie ein Skalpell. Er wartete eine Weile, sammelte seine Worte, wählte dieses, schob jenes beiseite und ordnete sie dann zu einem peinlich genauen Muster.

«Ja, ich kann Sie operieren. Dann sind Sie in drei Monaten tot.»

«Und wenn Sie nicht operieren?»

«Dann werden Sie etwas länger leben und schmerzhafter sterben.»

«Wie lange?»

«Sechs Monate. Im äußersten Fall zwölf.»

«Das ist eine bittere Wahl.»

«Sie bleibt Ihnen überlassen.»

«Das ist mir klar.»

Der Chirurg setzte sich bequemer zurecht. Jetzt war das Schlimmste vorbei. Er hatte sich in diesem Manne nicht getäuscht. Der Mann war klug, gefaßt, ein asketischer Typ. Er wird den Schock überwinden und sich in das Unvermeidliche fügen. Wenn die Agonie beginnt, wird er sie mit einer gewissen Würde ertragen. Seine Kirche wird ihn vor Entbehrungen schützen und ihn nach seinem Tode mit allen Ehren begraben, und wenn niemand ihm nachtrauert, könnte man auch das als den letzten Lohn des Zölibats bezeichnen: sich aus dem Leben wegzuschleichen, ohne seine Freuden vermissen oder unerfüllte Pflichten hinterlassen zu müssen.

Blaise Merediths kalte, trockene Stimme unterbrach seinen Gedankengang. «Ich werde mir überlegen, was Sie mir gesagt haben. Falls ich mich entschließen sollte, mich nicht operieren zu lassen - meine Tätigkeit wiederaufzunehmen -, würden Sie dann so gut sein, mir einen Bericht für meinen Hausarzt mitzugeben? Eine ausführliche Diagnose und vielleicht auch eine Behandlungsvorschrift?»

«Sehr gern, Monsignore Meredith. Wenn ich nicht irre, sind Sie in Rom tätig? Leider beherrsche ich nicht Italienisch.»

Blaise Meredith gestattete sich ein leichtes, eisiges Lächeln. «Ich werde es selber übersetzen. Eine interessante Stilübung.»

«Ich bewundere Ihren Mut, Monsignore. Ich bin kein Anhänger des katholischen Glaubens - ich gehöre überhaupt keiner Kirche an -, aber ich stelle mir vor, daß die Religion in solchen Augenblicken ein großer Trost sein kann.»

«Hoffentlich, Herr Doktor», erwiderte Blaise Meredith ruhig.

«Aber ich trage schon allzu lange das geistliche Gewand, um mich darauf verlassen zu dürfen.»

Nun saß er auf einer Bank im Sonnenschein, die Luft war voller Frühling und die Zukunft eine kurze, leere Perspektive, die in die Ewigkeit mündete. In seiner Studentenzeit hatte er einmal einen alten Missionär über die Auferstehung des Lazarus predigen hören: Wie Christus vor dem versiegelten Grabgewölbe steht und Befehl gibt, es zu öffnen, so daß der Verwesungsgeruch in die stille, trockene Sommerluft herausströmt - wie Lazarus auf seine Aufforderung, in die Leichentücher gehüllt, aus dem Dunkel gestolpert kommt und blinzelnd im Sonnenlicht stehenbleibt. Was, hatte der alte Mann gefragt, empfand Lazarus in diesem Augenblick? Welchen Preis hatte er für die Rückkehr in die Welt der Lebenden gezahlt? War er von nun an ein Krüppel, dem jede Rose nach Verfall duftete und jedes goldhaarige Mädchen als ein schlotterndes Skelett erschien? Oder wandelte er in betäubendem Staunen über das neue Antlitz der Dinge, im Herzen zärtliches Mitleid und Liebe zum Menschengeschlecht?

Jahrelang hatte diese Überlegung Meredith interessiert. Einmal hatte er mit dem Gedanken gespielt, einen Roman darüber zu schreiben. Nun kannte er endlich die Antwort. Nichts ist dem Menschen so köstlich wie das Leben, nichts kostbarer als die Zeit, nichts erquickender als die Berührung von Erde und Gras, das Säuseln wehender Winde, der Duft neuerblühter Blumen, Menschenstimmen und Verkehrslärm und schriller Vogelsang.

Das war es, was ihn stets beunruhigt hatte. Vor zwanzig Jahren war er zum Priester geweiht worden; zwanzig Jahre lang hatte er sich der These verschworen, daß das Leben vergänglich und unvollkommen sei, die Erde ein bläßliches Abbild des Schöpfers, die Seele etwas Unsterbliches in sterblicher Hülle, das bis zur Erschöpfung kämpft, um in die allumfassenden Arme des Allmächtigen zu flüchten. Nun, da ihm seine eigene Befreiung verheißen und der Tag des Heils festgesetzt war, warum konnte er es nicht hinnehmen, wenn auch nicht mit Freuden, so doch mit Zuversicht?

Warum klammerte er sich an etwas, das er noch vor kurzem verworfen hatte? Frau? Kind? Familie? Es gab keine lebende Seele, die ihm angehörte. Besitztümer? Sie waren recht spärlich: eine kleine Wohnung in der Nähe der Porta Angelica, ein paar Schmuckstücke, ein Zimmer voller Bücher, ein bescheidenes Stipendium von der Ritenkongregation, eine Jahresrente, die seine Mutter ihm hinterlassen hatte. Nichts, das einen Menschen von der Schwelle der großen Offenbarung fortlocken könnte. Karriere? Daran mochte etwas sein: Auditor der Congregatio Sacrorum Rituum, persönlicher Assistent des Präfekten Eugenio Kardinal Marotta. Ein einflußreicher Posten, eine schmeichelhafte Vertrauensstellung. Man sitzt im Schatten des Papstes. Man beobachtet das komplizierte, delikate Getriebe einer mächtigen Theokratie. Man lebt in schlichter Bequemlichkeit. Man hat Zeit zu studieren, man kann sich in den Grenzen des Herkommens und Ermessens frei bewegen. Daran konnte einem schon etwas liegen; - aber es genügte nicht - es genügte bei weitem nicht für einen Menschen, der nach der vollendeten Harmonie lechzt, die er sein Leben lang gepredigt hat.

Vielleicht war das die Quintessenz. Er hatte nie nach einem bestimmten Ziel gelechzt. Er hatte immer das besessen, was er sich wünschte, und sich nie mehr gewünscht, als ihm erreichbar war. Er hatte sich der kirchlichen Disziplin unterworfen, und die Kirche hatte ihm Geborgenheit, Behagen und einen Wirkungskreis geschenkt. Er war zufriedener gewesen, als die meisten Menschen es sind - und wenn er nie das Glück begehrt hatte, dann nur deshalb, weil er sich nie unglücklich gefühlt hatte: bis heute - bis zu dieser düsteren Stunde im Sonnenschein, im Frühlingsanfang, im letzten Frühling, der Blaise Meredith noch vergönnt war.

Der letzte Frühling, der letzte Sommer. Der Stummel des Lebens, zerkaut und ausgelutscht wie ein Kaubonbon, das man zuletzt in den Mülleimer...
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