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Mamma Lucia

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
382 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am25.07.20141. Auflage
New York 1928: Die resolute Einwanderin Lucia Santa versucht sich und ihre sechs Kinder im Land der unbegrenzten Möglichkeiten durchzubringen. Streit und tränenreiche Versöhnungen sind an der Tagesordnung. Denn wo Lucia noch die überschäumend temperamentvolle Italienerin ist, sind ihre Kinder bereits gläubige Anhänger des amerikanischen Traums ... Unwiderstehlich lebendig, fesselnd und atmosphärisch dicht - der wohl persönlichste Roman Mario Puzos, Autor des Kultbestsellers 'Der Pate'!

Marion Puzo, geb. 15. Oktober 1920 in New York City. Puzo wuchs in Little Italy, einem New Yorker Stadtteil, in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Jahr 1950 veröffentlichte Puzo seine erste Kurzgeschichte, im Jahr 1955 seinen ersten Roman 'The Dark Arena'. Er schrieb für Magazine und war zeitweise auch Regierungsangestellter. Puzo wurde zu einem weltweit bekannten Krimiautor. Durch seinen 1969 erschienenen Roman 'Der Pate' wurde er bekannt.
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Produkt

KlappentextNew York 1928: Die resolute Einwanderin Lucia Santa versucht sich und ihre sechs Kinder im Land der unbegrenzten Möglichkeiten durchzubringen. Streit und tränenreiche Versöhnungen sind an der Tagesordnung. Denn wo Lucia noch die überschäumend temperamentvolle Italienerin ist, sind ihre Kinder bereits gläubige Anhänger des amerikanischen Traums ... Unwiderstehlich lebendig, fesselnd und atmosphärisch dicht - der wohl persönlichste Roman Mario Puzos, Autor des Kultbestsellers 'Der Pate'!

Marion Puzo, geb. 15. Oktober 1920 in New York City. Puzo wuchs in Little Italy, einem New Yorker Stadtteil, in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Jahr 1950 veröffentlichte Puzo seine erste Kurzgeschichte, im Jahr 1955 seinen ersten Roman 'The Dark Arena'. Er schrieb für Magazine und war zeitweise auch Regierungsangestellter. Puzo wurde zu einem weltweit bekannten Krimiautor. Durch seinen 1969 erschienenen Roman 'Der Pate' wurde er bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783955304751
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.07.2014
Auflage1. Auflage
Seiten382 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1724407
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Larry Angeluzzi gab seinem Rappen die Sporen und trieb ihn durch den Canyon zwischen den hochragenden Wänden der Mietskasernen. Am Fuß der Steilwände unterbrachen die Kinder auf den Gehsteigen ihr Spiel, um ihn mit stummer Bewunderung anzustarren. In weitem Bogen schwenkte er seine rote Laterne; die eisenbeschlagenen Hufe seines Rappen schlugen Funken, wenn sie auf die in das Pflaster der Tenth Avenue eingelassenen Bahngleise trafen, und hinter Roß, Reiter und Laterne zuckelte der lange Güterzug, der von der Endstation St. John's Park gemächlich nach Norden rollte.

Im Jahre 1928 wickelte die New York Central Railroad ihren Nord-Süd-Verkehr noch auf den Straßen der Stadt ab und schickte jedem Zug als Warnung für den Verkehr einen Reiter voraus. Nur wenige Jahre noch, dann sollte es damit zu Ende sein, sollte ein richtiger Bahndamm gebaut werden. Doch Larry Angeluzzi, nicht ahnend, daß er der letzte »Dummy Boy« war, daß er schon bald winziges Teilchen der Stadtgeschichte sein würde, hielt sich kerzengerade und arrogant wie ein echter Westler. Dicke weiße Segeltuchschuhe waren seine Sporen, eine mit Gewerkschaftsabzeichen gespickte Schirmmütze sein Sombrero. Die Beine seiner blauen Drillichhosen wurden von chromglänzenden Klammern zusammengehalten wie bei einem Radfahrer. In leichtem Galopp ritt er durch den heißen Sommerabend, durch seine Wüste, die Stadt aus Stein. Frauen saßen schwatzend auf Holzkisten, Männer standen an den Straßenecken und rauchten De-Nobili-Zigarren, Kinder wagten sich von ihren schieferblauen Inseln und tummelten sich beim lebensgefährlichen Spiel, auf den fahrenden Frachtzug aufzuspringen. Über allem lag der rauchig-gelbe Schein der Straßenlaternen und das grellweiße Licht nackter Glühbirnen in den Schaufenstern der Süßwarenläden. An jeder Kreuzung blies von der Twelfth Avenue, vom Betonufer des Hudsonflusses herauf, eine leichte Brise, erfrischte Roß und Reiter und traf auf das heiße, schwarze Metall der Maschine, die hinter ihnen unermüdlich warnende Pfiffe von sich gab.

An der 27th Street wich die Wand rechts von Larry Angeluzzi für einen ganzen Häuserblock zurück. Auf dem freien Platz lag der Chelsea Park - jetzt, am Abend, voll dunkler, kauernder Silhouetten: Kinder, die auf dem Boden saßen und sich die vom Hudson Guild Settlement House kostenlos gezeigten Freilichtfilme ansahen. Auf der fernen weißen Riesenleinwand sah Larry Angeluzzi ein ungeheures Pferd mit Reiter in künstlichem Sonnenlicht auf sich zujagen und fühlte, wie sein eigenes Pferd angstvoll stieg, als es beim Werfen des Kopfes diese überdimensionalen Spukgestalten entdeckte. Gleich darauf hatten sie die Kreuzung der 28th Street passiert, und die Mauer wuchs neben ihnen wieder empor.

Larry war jetzt fast zu Hause. Vorn, an der 30th Street, spannte sich die Fußgängerbrücke über die Tenth Avenue. Wenn er diese Brücke hinter sich hatte, war er am Ziel, war seine Arbeit getan. Er rückte die Mütze verwegener und straffte den Rücken. Die Leute, die zwischen der 30th und 31st Street auf dem Gehsteig saßen, waren alle Verwandte und Freunde seiner Familie. Larry spornte sein Pferd zum Galopp.

Er jagte unter der Brücke durch und winkte den Kindern zu, die über ihm am Geländer hingen. Für die Leute auf dem rechten Gehsteig ließ er sein Pferd steigen, dann lenkte er es nach links hinüber auf den offenen Rangierbahnhof, der sich, ein weites Feld voll funkenstiebenden Stahls, bis an den Hudson hinunterzog.

Hinter ihm stieß die riesige schwarze Lokomotive keuchend weiße Rauchwolken von sich, in denen Brücke und Kinder verschwanden, sodaß nur noch dünne Entzückensschreie zu hören waren, die zu den bleichen, fast nicht auszunehmenden Sternen aufstiegen. Der Güterzug bog auf das Bahngelände ein, die Brücke tauchte wieder auf, und Schwärme von vom Wasserdampf durchnäßten Kindern sausten über die Stiegen hinunter und liefen davon.

Larry band sein Pferd an einen Pfosten neben dem Häuschen des Weichenstellers und setzte sich auf die Bank an der Wand. Auf der anderen Seite der Avenue wurde das wie auf eine Leinwand gepinselte Bild der vertrauten Welt, die er liebte, Zoll um Zoll lebendig.

An der Ecke der 30th Street lag die hellerleuchtete Bäckerei, deren Eisstand von Kindern umlagert war. Der panettiere persönlich füllte die weißen, gerippten Pappbecher mit kirschroten, blaßgelben und glitzerndweißen Eiskristallen. Er teilte recht großzügige Portionen aus, denn er war reich und ging sogar zum Pferderennen, um dort sein Geld zu verschleudern. Nach der Bäckerei, zur 31st Street hin, kam das Lebensmittelgeschäft mit den gelben, von glänzendem Wachs überzogenen provolone-Stangen und den hängenden Dreiecken der prosciutto in ihrer fröhlich-bunten Verpackung. Das Barbiergeschäft nebenan war für die Kundschaft geschlossen, für Kartenspieler jedoch geöffnet, aber sogar jetzt hielt der Barbier eifersüchtig Ausschau nach jedem frisch gestutzten Haarschopf, ob der nicht die Spuren einer fremden Schere trug. Kinder wimmelten wie Ameisen über das Straßenpflaster, Frauen, fast unsichtbar in ihrem Schwarz, bildeten vor jeder Haustür kleine, dunkle Barrieren. Und von jeder Barriere stieg das Gesumm angeregt schwatzender Stimmen zum sternenbesäten Sommerhimmel empor.

Der zwergenhafte Weichensteller kam von den Gleisanlagen herüber und sagte: »Schluß für heute, mein Junge.« Larry machte sein Pferd los, saß auf, lenkte den Rappen herum und ließ ihn noch einmal steigen.

Als sich das Tier auf die Hinterhand hob, begann die Häuserzeile zu wogen, sich Larry entgegenzuneigen wie eine leichte Segelleinwand. Am offenen Fenster seiner elterlichen Wohnung, im obersten Stockwerk des Hauses direkt gegenüber, sah Larry eine dunkle Gestalt, die nur sein kleiner Bruder Vincent sein konnte. Larry winkte, aber nichts rührte sich, erst als er noch einmal winkte, zeigte sich eine Bewegung. In der Häusermauer strahlten nur vereinzelte Fenster gelbliches Licht in die Nacht. Alle Bewohner waren unten auf der Straße, alle sahen ihm zu. Er gab seinem Pferd einen Klaps auf den Hals und galoppierte über das Kopfsteinpflaster der Tenth Avenue zum Stall an der 35th Street.

Früh am Abend, in der Dämmerung, Larry Angeluzzi sattelte im St. John's Park sein Pferd, hatte sich Lucia Santa Angeluzzi-Corbo, seine Mutter und Mutter von Octavia und Vincenzo Angeluzzi, Witwe von Anthony Angeluzzi, jetzige Ehefrau von Frank Corbo und Mutter seiner drei Kinder namens Gino, Salvatore und Aileen, hatte sich also Lucia Santa angeschickt, ihre leere Wohnung zu verlassen, um der erstickenden Sommerhitze zu entfliehen, den Abend im eifernden Gespräch mit den Nachbarinnen zu verbringen und vor allem ein Auge auf die Kinder zu haben, die unten auf der dunklen Straße spielten.

Lucia Santa fühlte sich wohl heute abend, denn der Sommer war eine gute Zeit: die Kinder ohne Erkältungen und Fieber, keine Sorgen um warme Mäntel, Handschuhe, Stiefel für Winterschnee und Extraausgaben für die Schulausrüstung. Jeder beeilte sich mit dem Abendessen, um endlich der dumpfen Stube zu entfliehen und am wogenden Leben auf der Straße teilhaben zu können; es gab nicht einmal den üblichen abendlichen Streit. Das Haus war leicht sauberzuhalten, denn es war immer leer. Am meisten genoß Lucia Santa jedoch, daß sie den Abend für sich hatte; die Straße war Treffpunkt und der Sommer die Jahreszeit, da die Nachbarinnen zu Freundinnen wurden. Und so nahm sie jetzt, in einem frisch gewaschenen schwarzen Kleid, das pechschwarze Haar zum tiefen Nackenknoten frisiert, den Küchenhocker und stieg die vier Treppen hinab, um sich vor das Haus auf die Avenue zu setzen.

Jeder Block war ein Dorfplatz für sich; jeder hatte seine eigene Gruppe Frauen, die, alle in Schwarz, auf Hockern und Holzkisten saßen und mehr als nur Tratsch von sich gaben. Sie schwelgten in Erinnerungen an die Vergangenheit, stritten über Moral und Sozialgesetzgebung und verglichen damit Fälle, die sich einst in ihrem Bergbauerndorf in Süditalien ereignet hatten, aus dem sie vor so vielen Jahren nach hierher geflohen waren. Und wie genußvoll sie sich ihre Lieblingsbilder ausmalten. Zum Beispiel: Was wäre, wenn ihre gestrengen Väter durch irgendein Wunder herübergeholt würden und sich mit den Problemen herumschlagen müßten, mit denen sie es tagtäglich zu tun hatten? Oder auch ihre Mütter mit den flink zuschlagenden, harten Händen? Welch ein Geschrei, wenn sie als Töchter gewagt hätten, was sich diese amerikanischen Kinder erdreisteten! Wenn sie sich das angemaßt hätten! Wenn sie nur daran gedacht hätten!

Die Frauen sprachen von ihren Kindern, als wären es Fremde. Es war ihr Lieblingsthema: dieses Land und wie es die unschuldigen Kinder verdarb. Zum Beispiel Felicia, die gleich um die Ecke in der 31st Street wohnte. Was für eine Tochter war das nur, die bei der Nachricht von der Erkrankung ihrer Patin nicht ihre Hochzeitsreise unterbrach, obwohl die eigene Mutter sie nach Hause rief! Eine richtige Hure. O nein, sie nahmen kein Blatt vor den Mund. Felicias Mutter persönlich erzählte die Geschichte. Und was für ein Sohn, der Arme, der nicht noch ein einziges Jahr mit dem Heiraten warten konnte, wenn es der Vater verlangte! Ahh, welch eine Respektlosigkeit! Figlio disgraziato. Das könnte in Italien niemals passieren. Dort würde der Vater seinen anmaßenden Sohn umbringen; jawohl, umbringen. Und die Tochter? In Italien - Felicias Mutter schwor es mit einer Stimme, die vor Erregung zitterte, dabei hatte sich das alles vor drei Jahren abgespielt, die Patin war längst...
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