Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Limberlost

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am28.03.2024Auflage
In der Hitze jenes langen Sommers jagt Ned in einem Flusstal Kaninchen, in der Hoffnung mit dem Verkauf der Felle genug Geld für ein kleines Boot zusammenzubekommen. Seine beiden Brüder sind mit unbekanntem Einsatzort im Krieg, sein Vater und seine Schwester versuchen verbissen, Limberlost, die Obst-Farm der Familie, über Wasser zu halten und durch die schwierigen Zeiten zu steuern. Im verzweifelten Wunsch all das zu ignorieren - vielleicht, um der Zukunft, die mit Macht auf ihn einstürzen will, zu entkommen - träumt Ned von der offenen See... Neds Entscheidungen dieses Sommers sollten den Verlauf seines Lebens, das Schicksal seiner Familie und die Zukunft des Tals mit seinen Jahreszeiten von Tod und Wiedergeburt für immer verändern.

Robbie Arnott wurde 1989 in Launceston geboren. 2015 gewann er das Tasmanian Young Writer's Fellowship und 2014 den Scribe Nonfiction Prize for Young writers. Arnott lebt in Hobart, Tasmanien, und arbeitet als Werbetexter. Er hat bislang drei Romane veröffentlicht, »Flames« (2018), »The Rain Heron« (2020) und »Limberlost« (2023).
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextIn der Hitze jenes langen Sommers jagt Ned in einem Flusstal Kaninchen, in der Hoffnung mit dem Verkauf der Felle genug Geld für ein kleines Boot zusammenzubekommen. Seine beiden Brüder sind mit unbekanntem Einsatzort im Krieg, sein Vater und seine Schwester versuchen verbissen, Limberlost, die Obst-Farm der Familie, über Wasser zu halten und durch die schwierigen Zeiten zu steuern. Im verzweifelten Wunsch all das zu ignorieren - vielleicht, um der Zukunft, die mit Macht auf ihn einstürzen will, zu entkommen - träumt Ned von der offenen See... Neds Entscheidungen dieses Sommers sollten den Verlauf seines Lebens, das Schicksal seiner Familie und die Zukunft des Tals mit seinen Jahreszeiten von Tod und Wiedergeburt für immer verändern.

Robbie Arnott wurde 1989 in Launceston geboren. 2015 gewann er das Tasmanian Young Writer's Fellowship und 2014 den Scribe Nonfiction Prize for Young writers. Arnott lebt in Hobart, Tasmanien, und arbeitet als Werbetexter. Er hat bislang drei Romane veröffentlicht, »Flames« (2018), »The Rain Heron« (2020) und »Limberlost« (2023).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827080844
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum28.03.2024
AuflageAuflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8891 Kbytes
Artikel-Nr.12531942
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Zehn Jahre später lag Ned am nassen Ufer und sah einem Kaninchen beim Grasen zu. Morgengrauen. Das frühe Licht brach sich in den Fellfasern des Tieres. Ned legte sein Gewehr an, feuerte, verfehlte das Tier. Beim Knall der Waffe jagte seine Beute davon, und das Tier verschwand im Farngestrüpp unterhalb eines Eukalyptushains. Jenseits der Bäume fiel das Land bis an den Fluss ab, dessen breite seegrüne Oberfläche hier und da von tiefen und wandernden Strudeln aufgerissen wurde.

Ned hatte eine Kugel verschwendet, und der Krach seines Schusses dürfte sämtliche andere Karnickel verscheucht haben. Er starrte auf das ferne Wasser, rang im Gefühl, dass er den Morgen ruiniert hatte, mit seiner Frustration. Seine Stimmung besserte sich auf dem Rückweg zum Haus, als er eine Falle kontrollierte, die er im Durchlauf unter einem der Zäune platziert hatte.

Am Vorabend beim Aufstellen der Falle war seine Befürchtung gewesen, dass ihr Mechanismus zu fein eingestellt sein könnte, sodass jedes vorbeikommende Tier ihn auslösen würde, ehe es den Radius ihrer Fangeisen erreicht hätte. Aber im Durchlauf lag ein fettes Kaninchen am Boden, Eisenzähne hatten sich in sein Genick gebohrt. Abgesehen von den Wunden an den Durchstichstellen war das Fell unversehrt. Ned nahm das Tier heraus und stellte die Falle wieder scharf. Er ließ die Finger über seine Beute gleiten, registrierte das dichte Fell, die Totenstarre. Spürte brennende Hitze im Hals.

Er setzte seinen Weg durch Limberlost fort, die Apfelplantage seines Vaters, schwenkte das steife Kaninchen in der Hand. Rauch qualmte aus dem Schornstein des Hauses. Apfelbäume auf einer nahen Wiese leuchteten in der Morgendämmerung. In Neds Rücken glänzte der Fluss, das Seegrün spielte hinüber in ein Schiefergrau und Himmelblau, offenbarte eine tiefere Wahrheit von Farbe.

*

Es war Sommer, und Ned wollte in den langen hellen Tagen dieser Jahreszeit unbedingt so viele Kaninchen wie möglich erlegen. Ihre Felle konnte man an die Armee verkaufen, wo sie zu Schlapphüten für die Soldaten verarbeitet wurden. Es war seine einzige Möglichkeit, an Geld zu kommen. In früheren Sommern hatte sein Vater ihn manchmal für seine Hilfe auf der Apfelplantage bezahlt, aber jetzt, in Kriegszeiten, war das unmöglich geworden.

Wenn er genug Kaninchen erlegte, würde er vielleicht genug Geld verdienen, um sich ein eigenes Boot zu kaufen - etwas, wovon Ned immer geträumt hatte, seit sein Vater mit ihm und seinen Brüdern in jener klaren Sternennacht hinausgefahren war, um den ausgeflippten Wal zu finden. Nichts Tolles, bloß eine kleine Segeljolle, mit der er auf den Fluss hinausfahren könnte. Draußen auf dem Wasser könnte er segeln, wohin immer er wollte, flussabwärts, wo eine muntere Strömung lief, bis in das breite Mündungsgebiet im Norden. Riffe voller Tintenfische, waldumstandene Buchten, funkelnde Lachsschulen, Schnapperschwärme, einsame Stege, Privatstrände, auf deren kühlem Sand er heimlich Feuer machen könnte - alles wäre für ihn erreichbar, hätte er ein Boot. Wenn er genug Kaninchen tötete.

Es war schon Januar. Keine zehn hatten seine Fallen aufgesucht oder seine Kugeln gefangen - kaum genug, um auch nur einen Riemen zu kaufen, befürchtete Ned. Doch längst waren seine Gedanken nass und salzig, war seine Fantasie von Windbrand angeraut. Immer dachte er an das Boot: wie er es pflegen, wohin er es steuern, wie es sich anfühlen würde, im Bann seiner Planken zu sein, den peitschenden Wind im Gesicht. Vor allem aber fragte er sich, was seine Brüder sagen würden, wenn sie aus dem Krieg zurückkämen und ihn da draußen auf dem Wasser sähen, wie er die Rippströmung aussegelte, mit geübter Hand das Ruder hielt, ohne sich umzuschauen, um nur ja ihre Anwesenheit am Ufer nicht bemerken zu müssen, ehe er so weit war.

*

Als er sich dem Haus näherte, sah Ned seinen Vater auf der Veranda, einen Becher Tee in der Hand. Aus der Tasse stieg Dampf auf. Er schaute hinaus zu den Bäumen, aber als Ned näher kam, wanderte sein Blick zur Hand seines Sohnes. Er sah den Kadaver. Nippte am Dampf.

»Ein Grund zur Freude.«

Ned nickte, hielt ihm das Kaninchen zur Begutachtung hin.

Sein Vater nahm das tote Tier, fasste es an den Hinterläufen und Ohren, zog es straff in die Länge. Er untersuchte das Fell, die Wunden. Zurückhaltende Anerkennung zeigte sich auf seinem Gesicht.

Ned spürte, wie ihm vor Stolz die Wangen glühten. Seinen Vater zu beeindrucken, das war nicht vergleichbar damit, Bill oder sogar Toby zu beeindrucken - der Alte war allzu fremd, allzu distanziert mit seinen schweigsamen Stimmungen und wechselnden Gewohnheiten - aber seine Anerkennung hatte immer noch Gewicht.

Während das Kaninchen in seines Vaters Händen gedreht und gewendet wurde, dachte Ned darüber nach, was er als Nächstes tun würde: wie er ein Messer in das Bauchfell stoßen und die Haut vom Fleisch lösen würde. Er würde das Fell auf einem Drahtbügel im leeren Apfelschuppen aufhängen - jedes Stück Obst, das sein Vater im vergangenen Jahr geerntet hatte, war von der Armee requiriert und in die neue Konservenfabrik in Beaconsfield gebracht worden -, wo es zusammen mit den anderen, die er in dieser Woche einzusammeln plante, trocknen würde. Er überlegte, wie er dieser weiteren Felle habhaft werden würde, seine Gedanken wanderten über die Apfelplantage, und er dachte an Pfade, die jenem ähnelten, auf dem er seine erfolgreiche Falle platziert hatte. Er stellte sich das Farngestrüpp vor, in das sich das von ihm verfehlte Kaninchen geflüchtet hatte, erwog Möglichkeiten, wo er näher beim Unterholz ansitzen könnte. Er malte sich aus, wie er langsam atmete, den Abzug des Gewehrs mit einer Gelassenheit betätigte, die an Langeweile grenzte. Er sah mehr Fallen zuschnappen, mehr Fangeisen. Seine Träume näherten sich ihrem unvermeidlichen Fazit: dem Boot. Das Plätschern dunkler Wellen am Rumpf, das Hissen eines steifen Segels ...

»Das wird mal ein hübscher Hut.«

Die Stimme seines Vaters durchbrach Neds Visionen. Der Alte sah auf ihn herunter, im Gesicht eine neue Falte. Seine Finger waren tief im Fell des Kaninchens vergraben, durchkämmten es in alle Richtungen.

Ned beruhigte sich. »Das hoffe ich.«

Unbehagen erfüllte ihn. Er hatte niemandem erzählt, warum er Kaninchen jagte - nicht seinen Freunden, nicht seinem Vater. Wenn er dann mit dem Boot nach Hause käme, so stellte er sich vor, wäre das Ereignis gleich eine doppelte Überraschung: die bloße Anschaffung eines solchen Teils und dass er seine Mission geheim gehalten hatte. Er hätte sein Boot, und er hätte mit der beiläufigen Größe seiner Kompetenz den Leuten einen Schock versetzt. Zwei Siege.

Doch während sein Vater die Beute sorgfältig inspizierte, wurde Ned klar, dass er nicht bedacht hatte, was der Alte von seinen Jagdambitionen halten würde. Jetzt begriff er: wie die ältesten Söhne seines Vaters in einen fernen Leviathan von einem Krieg hineingezogen worden waren, jenseits aller Reichweite, allen Begriffsvermögens. Just an diesem Morgen - wie jeden Morgen, wo auch immer sie waren - verhärteten sich ihre Gesichter im Schatten von Hüten aus Kaninchenfell zu groben Konturen. Im Schatten solch pfiffiger Hüte, steif und weich zugleich, sehr ähnlich dem Hut, den ihr Vater während seines eigenen Krieges getragen hatte, ein Vierteljahrhundert zuvor, auf seinen eigenen fremden Schlachtfeldern - von Steilküsten gesäumte Buchten, graue Welten aus gefrorenem Matsch -, ein Hut, der seine Augen verdunkelt hatte, als er in Stücke gerissen und wieder zusammengeflickt worden war zu diesem stillen, sonderbaren Mann, der für seine eigenen Söhne stets unerreichbar und unbegreiflich blieb.

Und derweil blieb sein Jüngster daheim, verzichtete während seiner freien Monate uneigennützig auf jegliche Muße, um der Armee Kaninchenfelle für die Produktion ihrer Schlapphüte zu liefern. Ned erkannte, wie das wirkte, wie er seine Intentionen falsch dargestellt hatte. Wie er in den Augen seines Vaters ein edleres Bild von sich gezeichnet hatte, als es jemals der Wahrheit entsprechen würde. Der Teedampf biss ihn in der Nase, bittere Tröpfchen.

Die Hände seines Vaters strichen immer noch über den toten Körper. Er schaute nicht mehr Ned an, schaute nicht mehr zur Apfelplantage, er schaute auf nichts im Speziellen.

Ned spürte sein...
mehr

Autor

Robbie Arnott wurde 1989 in Launceston geboren. 2015 gewann er das Tasmanian Young Writer's Fellowship und 2014 den Scribe Nonfiction Prize for Young writers. Arnott lebt in Hobart, Tasmanien, und arbeitet als Werbetexter. Er hat bislang drei Romane veröffentlicht, »Flames« (2018), »The Rain Heron« (2020) und »Limberlost« (2023).