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Stadt der Verlorenen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
412 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am19.01.20151. Auflage
Ein Thriller in Israels Schattenwelt der Flüchtlinge Tel Aviv: Eine Frau wird ermordet aufgefunden. Sie war Mitarbeiterin einer NGO, die sich um afrikanische Flüchtlinge kümmert. Kurz darauf scheint der Fall schon gelöst - der Eritreer Gabriel meldet sich bei der Polizei und gesteht den Mord. Doch die Ermittlerin Anat Nachmias hat Zweifel an seiner Schuld. Sie wendet sich an den Leiter der NGO und bittet ihn um Hilfe. So taucht sie in die Schattenwelt der Flüchtlinge und illegalen Einwanderer Israels ein und muss sich dem ungeheuren Elend dieser Menschen stellen. Anat findet schließlich heraus, dass Gabriel Geld für sein Geständnis erhalten hat. Er wollte seine Schwester aus den Fängen von Schleppern befreien. Drahtzieher in dieser Sache scheint die Mafia zu sein. Doch die Spuren führen noch weiter - bis in die Reihen von Polizei und Justiz ...

Liad Shoham ist Schriftsteller und praktizierender Anwalt. Er studierte an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an der London School of Economics. Liad Shoham ist einer der führenden Thriller-Autoren Israels, alle bislang veröffentlichten Bücher wurden zu Nr. 1-Bestsellern. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Tel Aviv. Bei DuMont erschienen bislang >Tag der VergeltungStadt der Verlorenen< (2015).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEin Thriller in Israels Schattenwelt der Flüchtlinge Tel Aviv: Eine Frau wird ermordet aufgefunden. Sie war Mitarbeiterin einer NGO, die sich um afrikanische Flüchtlinge kümmert. Kurz darauf scheint der Fall schon gelöst - der Eritreer Gabriel meldet sich bei der Polizei und gesteht den Mord. Doch die Ermittlerin Anat Nachmias hat Zweifel an seiner Schuld. Sie wendet sich an den Leiter der NGO und bittet ihn um Hilfe. So taucht sie in die Schattenwelt der Flüchtlinge und illegalen Einwanderer Israels ein und muss sich dem ungeheuren Elend dieser Menschen stellen. Anat findet schließlich heraus, dass Gabriel Geld für sein Geständnis erhalten hat. Er wollte seine Schwester aus den Fängen von Schleppern befreien. Drahtzieher in dieser Sache scheint die Mafia zu sein. Doch die Spuren führen noch weiter - bis in die Reihen von Polizei und Justiz ...

Liad Shoham ist Schriftsteller und praktizierender Anwalt. Er studierte an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an der London School of Economics. Liad Shoham ist einer der führenden Thriller-Autoren Israels, alle bislang veröffentlichten Bücher wurden zu Nr. 1-Bestsellern. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Tel Aviv. Bei DuMont erschienen bislang >Tag der VergeltungStadt der Verlorenen< (2015).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832188306
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum19.01.2015
Auflage1. Auflage
Seiten412 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1186 Kbytes
Artikel-Nr.1413659
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

â â â

Eine kalte Brise schlug Michal Poleg ins Gesicht, als sie im Norden von Tel Aviv aus dem Sammeltaxi stieg. Sie schlang ihre Windjacke enger um sich. Wie immer hatte sie sich nicht warm genug angezogen und - wie immer - keinen Regenschirm dabei. Zum Glück war der »Sturm«, den der Nachrichtensprecher in dramatischem Ton angekündigt hatte, ausgeblieben und es regnete nicht. So war das hier ja immer, ging es ihr durch den Kopf: Aus ein paar Regentropfen machte man gleich einen Sturm, aber die eigentlichen Stürme, die wirklich wichtigen Dinge, verdrängte man einfach. Vor dem Scherut, das sie gerade verlassen hatte, hielt ein weißer Wagen, aus dem ein Mann in einem schwarzen Ledermantel stieg und sie aus dem Augenwinkel anblickte.

Sie machte sich schnellen Schrittes auf den Weg über den Milano-Platz in Richtung Yehuda Hamaccabi. In fünf Minuten würde sie zu Hause sein. Sie hatte einen harten Tag hinter sich. Seit nunmehr über einem Jahr arbeitete sie als Freiwillige bei ASSAL, einer Flüchtlingsorganisation. Freitags war das Büro normalerweise bis 17 Uhr geöffnet, doch an kalten, regnerischen Tagen wie diesem war der Andrang häufig so groß, dass sie Überstunden einlegten. Bei einer Organisation wie ASSAL gab es keine »normalen« Arbeitstage. Sie mussten für all jene, die kein Dach über den Kopf hatten - und davon gab es viele -, eine Lösung finden, auch wenn ihre Hilfe nur einem Tropfen auf den heißen Stein glich.

Es machte ihr etwas zu schaffen. In letzter Zeit hatte sie das Gefühl, im Krebsgang zu gehen, so wie in ihrer Anfangszeit. Die raue Schale, die sie sich zugelegt hatte, die Barrieren, die sie um sich errichtet hatte, bröckelten. An ihren ersten Arbeitstagen hatten die Schicksale, die ihr zu Ohren kamen, sie mit sperrangelweitem Mund dasitzen lassen, sie hatte nicht gewusst, wie sie darauf reagieren sollte. Sie war nach Hause gegangen, hatte sich auf die Couch gelegt, sich eine Tüte Tiefkühlgemüse auf die Stirn gepackt und an die Decke gestarrt - ohne die geringste Ahnung zu haben, wie sie das Gehörte verarbeiten sollte. Sie schien im Dunkeln zu tappen, an einen fremden Ort, einen anderen Planeten verschlagen worden zu sein, dessen Gesetze sie nicht verstand. Mit der Zeit hatte sie gelernt, die richtigen Worte zu finden, wie und wo sie helfen konnte und wo nicht, und vor allem: zuzuhören. Letzteres verdankte sie Hagos, dem Dolmetscher der Organisation. Er hatte ihr beigebracht, dass im Schweigen eine stille Kraft lag, dass es zuweilen hilfreicher war, den Leuten zuzuhören, als lauthals gen Himmel zu schreien. Obwohl ihr momentan durchaus danach zumute war, lauthals gen Himmel zu schreien, denn Hagos war, seiner Kraft und Stille zum Trotz, des Landes verwiesen und in den verfluchten Staat zurückgeschickt worden, dem er entflohen war. Dort war er hingerichtet worden, genauso, wie sie es befürchtet hatte.

Sie hatte genug. Genug von dieser Ohnmacht, ihrem Unvermögen, die Dinge ändern zu können! Sie wollte mehr tun als einfach nur zuhören. Einen wirklichen Wandel in Gang setzen, statt nur Brände zu löschen. Daher hatte sie vor einigen Tagen beschlossen, bei der Rechtsanwaltskammer Anzeige gegen den Staatsanwalt Jariv Ninio zu erstatten. Die falsche Schlange hatte das Gutachten des Außenministeriums, das Hagos´ Leben hätte retten können, dem Gericht einfach vorenthalten. Sie konnte sich nicht zurücklehnen und tun, als sei nichts geschehen. Sie war zum Handeln gezwungen - auch wenn Itai dagegen war.

Beim Überqueren des Platzes bemerkte sie, dass der Mann im Ledermantel hinter ihr ging. Ihre Schritte hallten auf dem Karree, das wegen des »Sturms« und der späten Stunde wie leergefegt war.

Für die Menschen, die sie betreute, musste sie hundertprozentig bei der Sache sein, sich ihren Anliegen widmen. War sie angespannt, blieb das keinem verborgen. Seit Hagos nicht mehr da war, hatte sie keinen zum Reden. Itai war zu beschäftigt, und in letzter Zeit mündete ohnehin jedes ihrer Gespräche in einer Auseinandersetzung. Mit Aramei, dem zweiten und nun einzigen Dolmetscher, fiel es ihr schwer, zu reden. Sie wusste, dass er sich für die Menschen, die sie aufsuchten, enorm engagierte. Aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart stets schuldig, als wären die Notlagen der Flüchtlinge ihr Werk. In seinen Augen, glaubte sie, diente sie lediglich der Regierung: Sie war wohlhabend, weiß und handelte von oben herab.

Sie warf einen Blick nach hinten. Kaum zwei Meter trennten sie und diesen Mann, der ihr jetzt mit unbewegter Miene in die Augen sah. Ausgerechnet hier, in einem der ältesten und vermeintlich sichersten Viertel von Tel Aviv, bekam sie plötzlich Angst. In den heruntergekommenen Gassen um den alten Busbahnhof herum, wo viele der Flüchtlinge lebten, bewegte sie sich hingegen stets frei, ohne Furcht. Die Leute wollten das einfach nicht kapieren. Rassismus und Vorurteile waren zu tief in den Menschen verwurzelt und wurden vom Staat und diesem grässlichen Knesseth-Abgeordneten, Ehud Regev, mit einer ununterbrochenen Hetzkampagne gegen die »gefährlichen Flüchtlinge«, die »alkoholabhängig« und »gewalttätig« seien und »Seuchen« ins Land bringen würden, noch geschürt. Wie sollte man denen begreiflich machen, dass es sich um Menschen handelte, die von einem normalen, ruhigen Leben träumten, die ihr Zuhause und ihre Heimat nicht zuletzt verlassen hatten, um der Gewalt zu entkommen?

Sie legte noch einen Schritt zu, versuchte, den Mann, der sich an ihre Fersen geheftet hatte, auf Abstand zu bringen. Womöglich war sie paranoid und täuschte sich? Sie bog rechts in eine kleine Straße ein, um der Sache auf den Grund zu gehen. Vor ihr lag das Gebäude der Poliklinik, sämtliche Fenster waren dunkel. Der Kindergarten, wo es vormittags rappelvoll war und die kleinen Kinder des Viertels und ihre Betreuerinnen umherrannten, wirkte verlassen. Der Wind bewegte die Schaukel hin und her, hin und her. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Der Mann verfolgte sie. Sie hörte seine Schritte näherkommen.

In der Welt, in der sie lebte, gab es zwei Sorten von Israelis: die einen versuchten zu helfen und Gutes zu tun, und die anderen trachteten danach, Schaden anzurichten, Leute auszunutzen und zu unterdrücken. In einer extremen Lebenswirklichkeit wie dieser gab es keine Zwischenstufen. Nur Engel und Teufel. Sie hatte keine Zweifel darüber, zu welcher Kategorie ihr Verfolger gehörte.

Sie lief noch schneller. Ihre Bluse klebte auf der Haut, war schweißdurchtränkt. Keine Spur mehr von Kälte. Sie war außer sich - was sollte sie jetzt machen? Es war ein Fehler gewesen, in diese kleine Straße einzubiegen. Wieso war sie auf diesen Unsinn verfallen?

Obwohl sie diesen Mann im Ledermantel noch nie im Leben gesehen hatte, war ihr klar, dass ihn die Leute geschickt hatten, mit denen sie sich vorgestern in der Gegend des alten Busbahnhofs angelegt hatte. Hagos hatte ihr ausdrücklich geraten, sich mit denen nicht einzulassen, doch sie konnte nun mal nicht aus ihrer Haut. Oder, wie ihre Mutter stets mit einem tiefen Seufzer sagte: »Meine Michali hat ein ausgeprägtes Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen.«

Bereits vor zwei Monaten hatte sie sich bei der Polizei an das Dezernat für Wirtschaftskriminalität gewandt. Es war ihre erste Aktion nach Hagos´ Abschiebung gewesen. Sie hatte weitergegeben, was Hagos ihr über den »Banker« berichtet hatte. Es war ihr sogar gelungen, diesen Mann zu fotografieren, als er aus einem der Restaurants in der Fuenn-Straße gekommen war. Dieses Foto hatte sie der Polizei übergeben.

Daraufhin war nichts, absolut gar nichts geschehen. Der »Banker«, dessen Name sie noch nicht herausgefunden hatte, trieb sich weiterhin ungehindert am Busbahnhof herum. Als er ihr dort vorgestern erneut aufgefallen war, hatte sie die Beherrschung verloren. Sie war gerade aus dem Frauenhaus in der Newe Scha´anan gekommen, welches bei ihr immer einen deprimierenden Eindruck hinterließ, und hatte gesehen, wie er sich in seinem Maßanzug vor den Flüchtlingen in Szene setzte, als wäre er Justitia persönlich. Sie war auf ihn zumarschiert und hatte ihn auf offener Straße angeschrien: Er sei ein erpresserisches Miststück, ein widerwärtiger Verbrecher, der mit seinem Geld Vergewaltigungen, Schmuggel, Folter und Sklaverei finanziere. Es hatte sie nicht gekümmert, dass die Frauen aus dem Haus alle verängstigt aus den Fenstern spähten. Er hatte sie mit einem Blick bedacht, in dem Beunruhigung und Erstaunen lagen. Für einen Moment hatte sie sogar geglaubt, er wäre drauf und dran, etwas zu erwidern. Doch bevor es dazu kam, packten zwei Hünengestalten, offenbar seine Bodyguards, sie an den Armen und schafften sie ihm, nicht gerade zärtlich, vom Hals. Der »Banker« verschwand in den Gassen, gab Fersengeld wie ein Feldhase. Seine Hooligans ließen von ihr ab und kehrten ihr den Rücken. Sie gab nicht auf und lief ihnen nach, ging auf sie los: »Ihr Mistkerle, ihr verdammten Scheißkerle, ihr erpresserischen Schweine!« Verblüfft sahen die Passanten sie an. »Für wen arbeitet ihr? Wem liefert ihr das Geld?«, rief sie. Ihr war klar, dass diese beiden und der »Banker« nur kleine Glieder einer Kette waren. Hinter dem Ganzen stand jemand, der über große Macht verfügte, garantiert eine große kriminelle Organisation, die ihre Krakenarme ausstreckte, um zu zerstören, zu vernichten, auszuplündern, auszubeuten. Sie ließen sie schreien, setzten ihr nichts entgegen. An der nächsten Straßenecke hielt neben ihnen ein Wagen, und sie stiegen ein.

So lief das eben. Verweigerte der Staat entscheidende Dienstleistungen, entstand ein Vakuum. Und in diesem Vakuum machte sich jede Menge Abschaum breit. Menschen ohne Arbeit griffen zu...
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Autor

Liad Shoham ist Schriftsteller und praktizierender Anwalt. Er studierte an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an der London School of Economics. Liad Shoham ist einer der führenden Thriller-Autoren Israels, alle bislang veröffentlichten Bücher wurden zu Nr. 1-Bestsellern. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Tel Aviv. Bei DuMont erschienen bislang >Tag der VergeltungStadt der Verlorenen
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Übersetzung