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Die Festung der Einsamkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
717 Seiten
Deutsch
Tropenerschienen am02.03.20191. Auflage 2019
Die 'Festung der Einsamkeit' ist ein großer und bewegender Roman über die Kraft der Freundschaft und das Erwachsen werden im Großstadtdschungel New Yorks. Die New York Times kürte das Buch bei Erscheinen zum 'Besten Roman des Jahres'. Anfang der siebziger Jahre ziehen die ersten weißen Hippiefamilien ins Zentrum Brooklyns, das zu der Zeit überwiegend von Schwarzen und Puerto-Ricanern bewohnt wird. Dylan, der schüchterne Sohn des Malers Abraham Ebdus und dessen Frau Rachel sieht sich mit dem Umzug der Familie in eine bedrohliche Welt versetzt. Jede Zuneigung muss er sich erkämpfen wie das Stück Asphalt beim Spielen auf der Straße. Dennoch versucht seine Mutter ihn mit aller Macht in dem Viertel, in dem sie selbst aufwuchs, zu integrieren. Als sie eines Tages verschwindet und sich der Vater in die abstrakte Welt seiner Malerei flüchtet, ist der achtjährige Dylan auf sich allein gestellt. Beschützt von seinem gleichaltrigen schwarzen Freund Mingus Rude, den selbstbewussten Sohn eines früher berühmten Jazzmusikers aus der Nachbarschaft, und begleitet von einem geheimnisvollen Ring, begibt er sich auf die Suche nach seiner Identität. 'Ein Jahrhundertroman!' Tagesspiegel

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane 'Motherless Brooklyn' und 'Die Festung der Einsamkeit'. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den 'National Book Critics Award', den 'Gold Dagger' und das 'MacArthur Fellowship'. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie 'Festung der Einsamkeit' ist ein großer und bewegender Roman über die Kraft der Freundschaft und das Erwachsen werden im Großstadtdschungel New Yorks. Die New York Times kürte das Buch bei Erscheinen zum 'Besten Roman des Jahres'. Anfang der siebziger Jahre ziehen die ersten weißen Hippiefamilien ins Zentrum Brooklyns, das zu der Zeit überwiegend von Schwarzen und Puerto-Ricanern bewohnt wird. Dylan, der schüchterne Sohn des Malers Abraham Ebdus und dessen Frau Rachel sieht sich mit dem Umzug der Familie in eine bedrohliche Welt versetzt. Jede Zuneigung muss er sich erkämpfen wie das Stück Asphalt beim Spielen auf der Straße. Dennoch versucht seine Mutter ihn mit aller Macht in dem Viertel, in dem sie selbst aufwuchs, zu integrieren. Als sie eines Tages verschwindet und sich der Vater in die abstrakte Welt seiner Malerei flüchtet, ist der achtjährige Dylan auf sich allein gestellt. Beschützt von seinem gleichaltrigen schwarzen Freund Mingus Rude, den selbstbewussten Sohn eines früher berühmten Jazzmusikers aus der Nachbarschaft, und begleitet von einem geheimnisvollen Ring, begibt er sich auf die Suche nach seiner Identität. 'Ein Jahrhundertroman!' Tagesspiegel

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane 'Motherless Brooklyn' und 'Die Festung der Einsamkeit'. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den 'National Book Critics Award', den 'Gold Dagger' und das 'MacArthur Fellowship'. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608110791
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum02.03.2019
Auflage1. Auflage 2019
Seiten717 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3418909
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Eins


Wie ein entzündetes Streichholz in einem dunklen Zimmer:

An einem Juliabend um sieben Uhr zogen zwei weiße Mädchen in Flanellnachthemden auf roten Kunststoffrollschuhen vorsichtig ihre Kreise auf dem geplatzten bläulichen Schiefer des Gehsteigs.

Die Mädchen murmelten Reime, waren gemurmelte Reime, ihr feines, himmelrosa Haar wehte, als wäre es niemals geschnitten worden. Unter der Bedingung, dass sie sich zuvor die Nachthemden anzögen und die Zähne putzten, hatten die Eltern den Mädchen erlaubt, nach dem Abendessen noch einmal auf die Straße zu gehen, noch einmal hinaus in die orangefarbene Dämmerung des wärmenden Sommerabends, in die Luft und das Licht, die über der Straße, über ganz Gowanus lagen wie eine Handfläche oder die Wölbung einer Muschel. Die Puerto Ricaner, die vor der Bodega an der Ecke auf Milchkästen hockten, brummten angesichts dieser Erscheinung, ein wenig unschlüssig, was sie da vor Augen hatten. Sie öffneten leicht die Münder, um einander das Weiß ihrer Zähne zu zeigen, ein Zeichen ihrer Geduld, ihrer wortlosen Ausdauer. Die Straße war übersät mit Kronkorken, die halb in den aufgeweichten Teer gedrückt waren: Yoo-Hoo, Rheingold, Manhattan Special.

Die Mädchen, Thea und Ana Solver, leuchteten wie eine neu entzündete Flamme.

Eine alte Frau, auch eine Weiße, war vor den Solvers hier im Viertel eingetroffen, um eines der verwahrlosten Häuser, ein ehemaliges Logierhaus, für sich zu beanspruchen, und sie hatte fünfzehn Mann allein durch sich selbst und ihre in Kartons verpackten Habseligkeiten ersetzt. Sie war gewissermaßen die Erste. Aber Isabel Vendle lag nur auf der Lauer wie ein Gerücht, wie eine Vorrede eingeschlossen in ihrem Brownstone, wo sie sich in diesem Moment an einem Stock vom Apartment im Untergeschoss zu ihrem Schlafzimmer im alten Salon des Erdgeschosses hinaufschleppte, zu dem Raum, in dem sie unter einer abbröckelnden, unrestaurierten Stuckdecke las und schlief. Isabel Vendle war nur noch ein Knöchel, ihr Körper wand sich um den Knorpel alter Verletzungen. Isabel Vendle erinnerte sich an einen Tag an Bord eines Postschiffs auf dem Lake George, sie kratzte Briefe mit einem in Tinte getauchten Füllfederhalter, drückte Briefmarken auf einen Schwamm in einem Schälchen. Die Schreibunterlage war aus Kork. Isabel Vendle hatte Geld, aber ihre Zimmer im Untergeschoss stanken nach Küchenabfällen, nach feuchten Zeitungen.

Die Mädchen auf Rollen waren das eigentlich Neue, vom Scheinwerferlicht angestrahlt, um die Vorstellung zu eröffnen: Die Weißen kehrten in die Dean Street zurück. Ein paar zumindest.

Mit fünf tötete Dylan Ebdus unter dem Ailanthusbaum im Hinterhof versehentlich ein Kätzchen. Die Mieter der Familie Ebdus im Untergeschoss hatten einen ganzen Wurf, fünf, sechs, sieben. Sie wanden sich dort am Boden, in dem senkrechten Käfig aus Backsteinmauern, zwischen Schotter und neu gepflanztem Efeu und den moschusartigen Ausströmungen des Ailanthus, unter dem Dylan allein spielte und forschte, während seine Mutter mit einer kleinen Harke Erde umgrub oder rauchend dasaß, derweil man das Pärchen von unten gemeinsam singen hörte, begleitet von einer mit Peacezeichen beklebten, ungestimmten Gitarre. Dylan tanzte mit den winzigen, scharfkralligen, insektenäugigen Katzen, jagte sie in den nacktschneckenbesetzten Backsteinhaufen, und am zweiten Tag zerquetschte er eine mit seinem beturnschuhten Fuß, als er armrudernd vor einer anderen zurückwich.

Die Mieter aus dem Untergeschoss nahmen das verletzte, aber noch lebende Kätzchen, während der weinende Dylan von seinen Eltern fortgedrängt wurde. Dylan begriff jedoch, dass das Kätzchen irgendwie ein gnadenvolles Ende fand, erstickt oder ertränkt wurde. Irgendwie. Er fragte nach, doch das Thema wurde ebenfalls erstickt. Die Erwachsenen zeigten nur im Augenblick der Entdeckung, was sie dachten, ließen Dylan ihren empfindlichen Ärger erahnen, bevor sie ihn unterdrückten. Dylan sei zu jung, um zu verstehen, was er getan habe; nur war er das nicht. Sie hofften, er würde vergessen; nur tat er das nicht. Später würde er vorgeben, alles vergessen zu haben, um die Erwachsenen vor dem zu schützen, was sie nicht ertragen konnten: sein vollständiges Erinnern.

Möglicherweise war das tote Kätzchen die unlösliche Pastille der Schuld, die er geschluckt hatte.

Möglicherweise war es auch dies: Seine Mutter sagte ihm, jemand wolle mit ihm spielen, auf dem Gehsteig gegenüber. Vor dem Haus. Es wäre für ihn das erste Mal, dass er rausginge, um vor dem Haus zu spielen, statt im modrigen Hinterhof.

»Wer denn?«

»Ein kleines Mädchen«, antwortete seine Mutter. »Geh schon, Dylan.«

Vielleicht waren es die weißen Mädchen, Ana und Thea, mit ihren Nachthemden und Rollschuhen. Er hatte sie vom Fenster aus gesehen, nun riefen sie nach ihm.

Stattdessen war es ein schwarzes Mädchen, Marilla, das auf dem Gehsteig wartete. Schon mit sechs erkannte Dylan ein fingiertes Szenario, wenn er eines vor sich hatte, bemerkte er die Großstadtschläue seiner Mutter, ihre Vertrautheit mit den Gesetzen der Nachbarschaft. Rachel Ebdus bearbeitete den ganzen Häuserblock, um ihn zu verkuppeln.

Marilla war älter. Marilla besaß einen Hula-Hoop-Reifen und etwas Kreide. Der Gehsteig vor Marillas Tor, ihr Abschnitt des unebenen Schieferbodens, war ihr markiertes Gebiet. Dies war Dylans erste Begegnung mit dem System, das die Aufteilung des Blocks regelte. Er würde nie Marillas Zuhause betreten, auch wenn er das zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste. Der Schiefer war ihr Wohnzimmer. Er hatte sein eigenes, auch wenn er es bisher nicht markiert hatte.

»Seid ihr gerade hergezogen?«, fragte Marilla, als sie sicher sein konnte, dass Dylans Mutter wieder hineingegangen war.

Dylan nickte.

»Wohnt ihr ganz alleine in dem Haus?«

»Unten ist vermietet.«

»Hast du ein eigenes Zimmer?«

Dylan nickte wieder, verwirrt.

»Hast du einen Bruder oder eine Schwester?«

»Nein.«

»Was ist dein Vater von Beruf?«

»Er ist Künstler«, antwortete Dylan. »Er macht einen Film.« Er sagte das mit größtmöglichem Ernst. Auf Marilla machte es jedoch keinen besonderen Eindruck.

»Hast du einen Spaldeen?«, fragte sie weiter. »Das ist ein Ball, falls du es nicht weißt.«

»Nein.«

»Hast du Geld dabei?«

»Nein.«

»Ich möchte was Süßes kaufen. Ich könnte dir einen Spaldeen mitbringen. Kannst du deine Mutter nicht nach Geld fragen?«

»Ich weiß nicht.«

»Kennst du Skully?«

Dylan schüttelte den Kopf. War Skully eine Person oder eine andere Art Ball oder Bonbon? Woher sollte er das wissen? Er hatte das Gefühl, Marilla würde gleich anfangen, ihn zu bemitleiden.

»Wir könnten Skullydeckel machen. Du könntest sie mit Kaugummi oder Wachs füllen. Habt ihr eine Kerze im Haus?«

»Ich weiß nicht.«

»Wir könnten auch eine kaufen, aber du hast ja kein Geld.«

Dylan zuckte abwehrend die Schultern.

»Deine Mutter hat mir gesagt, ich soll zusammen mit dir über die Straße gehen. Du kannst es nicht alleine.« Sie gab dem einen philosophischen Unterton.

»Ich bin sechs.«

»Du bist ein Baby. Was ist Dylan überhaupt für ein Name?«

»Wie Bob Dylan.«

»Wer?«

»Ein Sänger. Meine Eltern mögen ihn.«

»Magst du die Jackson Five? Kannst du tanzen?« Marilla streifte sich den Reifen über, winkelte Knie und Ellbogen gleichzeitig an, ballte die Fäuste, biss die Zähne zusammen und schob den Po raus. Der Reifen begann zu kreisen. Sie grinste und reckte ihr Kinn gleichzeitig mit dem Hüftschwung in Dylans Richtung, als hätte sie noch einen weiteren Reifen um ihren Hals schwingen lassen können.

Als Dylan an der Reihe war, rasselte der Reifen auf den Gehsteig. Er hatte noch immer etwas Babyspeck, einen kleinen Wanst, Zwiddeldei. Es gab keinerlei Kanten an seinem Körper, an denen der Reifen hätte aufliegen können. Er konnte ihn mit seinen kurzen Armen auch kaum umspannen. Und er konnte die Knie nicht beugen, rutschte stattdessen trippelnd seitwärts. Er konnte nicht tanzen.

So spielten sie zusammen. Dylan ließ den Plastikreifen wohl tausendmal zu Boden fallen, und Marilla sang zur Aufmunterung: Oh, baby give me one more chance, I want you back. Dazu streckte sie im Rhythmus die Arme in die Höhe. Und Dylan fragte sich schuldbewusst, warum statt ihr nicht die weißen Mädchen auf Rollschuhen nach ihm gefragt hatten. Das Wissen um diesen ketzerischen Wunsch wurde für ihn zur zweiten Wunde. Es war nicht wie bei...
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Autor

Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane »Motherless Brooklyn« und »Die Festung der Einsamkeit«. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den »National Book Critics Award«, den »Gold Dagger« und das »MacArthur Fellowship«. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.