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Stein und Flöte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
944 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am09.10.2012Auflage
Der gefeierte Klassiker in komplett überarbeiteter Neuausgabe: Lauscher ist ein Mensch, der stets in die Irre geht und dennoch immer ans Ziel gelangt. Als er einen geheimnisvollen Stein und eine Flöte erbt und dazu ein wundersames Holzstück geschenkt bekommt, setzt er alles daran, mit diesen magischen Gaben die Welt seinen Wünschen gemäß zu unterwerfen - und scheitert. Doch das Schicksal beschert ihm so manches phantastische Abenteuer, um ihn letztendlich auf seinen ganz persönlichen Weg zu führen ... »Ein zauberhaftes Buch.« General-Anzeiger

Hans Bemmann (1922-2003) studierte Musikwissenschaft und Germanistik. 1983 schuf er mit dem Märchenroman »Stein und Flöte« eines der Kultbücher der phantastischen Literatur, das in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurde. Auch seine weiteren Romane, in denen er Märchen und Mythen mit der Bewußtwerdung des Menschen verknüpft, sind erfolgreich und in viele Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextDer gefeierte Klassiker in komplett überarbeiteter Neuausgabe: Lauscher ist ein Mensch, der stets in die Irre geht und dennoch immer ans Ziel gelangt. Als er einen geheimnisvollen Stein und eine Flöte erbt und dazu ein wundersames Holzstück geschenkt bekommt, setzt er alles daran, mit diesen magischen Gaben die Welt seinen Wünschen gemäß zu unterwerfen - und scheitert. Doch das Schicksal beschert ihm so manches phantastische Abenteuer, um ihn letztendlich auf seinen ganz persönlichen Weg zu führen ... »Ein zauberhaftes Buch.« General-Anzeiger

Hans Bemmann (1922-2003) studierte Musikwissenschaft und Germanistik. 1983 schuf er mit dem Märchenroman »Stein und Flöte« eines der Kultbücher der phantastischen Literatur, das in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurde. Auch seine weiteren Romane, in denen er Märchen und Mythen mit der Bewußtwerdung des Menschen verknüpft, sind erfolgreich und in viele Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492957304
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum09.10.2012
AuflageAuflage
Seiten944 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse6859 Kbytes
Artikel-Nr.1191242
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Die Geschichte von Arni mit dem Stein

Diese Ereignisse liegen viele Jahre zurück. Arni war damals nicht viel älter als du heute, Lauscher. Ich trieb mich zu dieser Zeit fern im Osten herum, zog auf meinem Maultier von Dorf zu Dorf und probierte die Kraft meiner Flöte aus. Als ich eines Tages irgendwo in der Steppe saß und mir ein Süppchen kochte, tauchten am Horizont zwei Reiter auf und jagten auf ihren struppigen Pferdchen in rasendem Galopp geradewegs auf den Platz zu, den ich mir zum Lagern ausgesucht hatte. Der eine schien den anderen zu verfolgen und holte ihn genau an der Stelle ein, wo ich saß. Da riß der andere seinen Gaul herum, beide zogen ihre Gürtelmesser aus der Scheide und fingen an, auf Leben und Tod miteinander zu kämpfen.

Das störte meine Mittagsruhe empfindlich, und so holte ich meine Flöte aus der Tasche und blies ihnen ein Liedchen vor. Da ließen sie ihre Messer sinken, stiegen ab und kamen zu mir herüber. Ich sah sofort, daß sie Zwillinge waren; denn man konnte sie kaum auseinanderhalten: die gleichen flachnasigen, kühnen Gesichter, die gleichen dunkelbraunen Augen, die gleichen strähnigen schwarzen Zöpfe an den Schläfen, die gleiche breitschultrige, etwas kurzbeinige Gestalt, sogar ihre Kleidung unterschied sich nicht, und es waren auch die gleichen Gürtelmesser, mit denen sie aufeinander losgestochen hatten.

»Wollt ihr mitessen?« fragte ich. »Ich habe da ein kräftiges Süppchen gekocht. Seid meine Gäste!«

Eine solche Einladung auszuschlagen, ist dortzulande die schlimmste Beleidigung, und so nickten die beiden und setzten sich ans Feuer. Wir aßen meine Suppe, und sie schmeckte ihnen, denn ich hatte sie mit frischen Kräutern gewürzt. Dann wischten sie sich die Lippen und schauten mich erwartungsvoll an; denn in den Steppen des Ostens ist es üblich, daß der Gastgeber das Gespräch eröffnet, und während des Essens gehört es sich nicht, von belangvollen Dingen zu reden.

»Ich danke euch«, sagte ich also, »daß ihr mein bescheidenes Mahl mit mir geteilt habt. Und nun würde ich gern erfahren, was zwei Brüder dazu treibt, mit den Messern aufeinander loszugehen.«

Die beiden warfen einander einen finsteren Blick zu, starrten eine Zeitlang vor sich hin und fingen dann gleichzeitig an zu sprechen.

»Halt«, sagte ich, »immer einer nach dem anderen. Und wenn ihr euch nicht einigen könnt, wollen wir würfeln, wer zuerst sprechen soll.«

Ich kramte einen Ziegenknöchel aus der Tasche und sagte zu dem, der rechts von mir saß: »Für dich gilt die gelochte Seite«, und zum linken sagte ich: »Du hast die glatte.« Dann warf ich den Knöchel, und der rechte hatte das Wort.

»Du kennst unsere Bräuche gut, Fremder«, sagte er.

»Ein wenig«, sagte ich. »Nur von dem Brauch, daß Brüder einander ans Leben wollen, wußte ich noch nichts. Wer seid ihr überhaupt?«

»Wir sind die beiden Söhne des Khans der Beutereiter«, sagte der Rechte. »Ich bin Hunli, und er ist Arni, Zwillinge, wie du siehst, und keiner kann uns sagen, wer von uns als erster aus dem Mutterleib gekrochen ist. Darauf hat wohl niemand geachtet. Nun streiten wir uns darum, wer von uns als Nachfolger des Khans gelten soll. Nur einer kann herrschen, und der andere muß dienen. Ich bin der bessere Reiter, und da wir auf dem Rücken unserer Pferde leben, verlange ich das Recht der Nachfolge.«

»Ich bin der bessere Bogenschütze«, fiel ihm Arni ins Wort, »und da wir von der Jagd auf Beute leben, verlange ich das Recht der Nachfolge.«

»Ich bin der bessere Tänzer«, sagte Hunli, und »ich bin der bessere Schachspieler«, entgegnete Arni.

»Und im Streiten seid ihr beide gleich gut«, sagte ich. »So werdet ihr euch nie einigen. Ich selbst bin weder alt noch weise genug, um euch zu raten«, denn damals war auch ich erst einige zwanzig Jahre alt.

»Wozu reden wir dann?« sagte Arni, und beide griffen schon wieder nach ihren Messern.

»Wartet«, sagte ich. »Ich habe erfahren, daß in den Bergen am Rande der Steppe eine weise Frau mit Namen Urla wohnen soll, die dergleichen Fragen zu entscheiden weiß. Ich meine, wir sollten zu ihr reiten und ihr die Sache vortragen.«

»Auch wir haben von der weisen Urla gehört«, sagte Hunli. »Aber nur dem Khan selbst ist es erlaubt, sie zu befragen.«

»Dann wollen wir zu eurem Vater reiten und ihn bitten, die Sache in die Hand zu nehmen«, schlug ich vor. Da nickten die beiden, standen auf und fingen ihre Pferde ein. Ich sattelte mein Maultier, und wir ritten zusammen in das Lager der Beutereiter.

Wenn ich ehrlich sein soll, so muß ich sagen, daß mein Vorschlag nicht ganz uneigennützig war. Ich hatte von der weisen Urla nicht nur gehört, sondern war außerordentlich begierig, ihre Bekanntschaft zu machen. Weisheit ist jeden Umweg wert. Unter den Leuten in der Steppe erzählte man sich fabelhafte Dinge von ihr, und manche hielten sie gar für eine mächtige Zauberin.

Der Khan nahm mich freundlich auf, und nachdem wir gemeinsam ein zartes Zicklein verspeist hatten, wobei er mir mit eigener Hand die leckersten Bissen in den Mund schob, brachten die Brüder ihre Sache vor. Der Khan hörte sie aufmerksam an, und als sie zu Ende gesprochen hatten, sagte er: »Diesen Streit kann und will ich nicht selbst schlichten. Denn nur einer kann herrschen, und jener, den ich zum Dienen bestimme, wird mich hassen. Daran will ich keine Schuld haben. Ich werde also mit euch zu Urla reiten, und der Fremde soll uns begleiten, weil er euch diesen guten Rat gegeben hat. Weise wird sein, wer auf Weise hört.«

Am nächsten Tag schon ritten wir zu viert durch die Steppe auf die fernen Berge zu, die sich blau am Horizont abzeichneten. Jeden Tag rückten sie ein Stück näher, und nach einer Woche erreichten wir die Wälder am Fuß des Gebirges. Am Waldrand ließen wir unsere Reittiere zurück und gingen zu Fuß auf einem schmalen, steinigen Pfad lange Zeit bergauf durch niedriges Gehölz, bis der Weg wieder ins Freie auf eine Bergwiese führte. Am Hang weidete eine kleine Schafherde, und weiter oben stand zwischen zwei riesigen Felsen eine aus roh zugehauenen Stämmen errichtete Blockhütte.

»Wartet hier«, sagte der Khan, »ich will Urla erst fragen, ob sie euch empfangen will.« Dann stieg er allein hinauf zur Hütte und verschwand in der Tür. Nach kurzer Zeit trat er wieder heraus und gab uns ein Zeichen, daß wir nachkommen sollten.

Urla stand in der Mitte des niedrigen Raumes, als wir eintraten, und blickte uns entgegen. Sie war eine mittelgroße Frau von schmaler Gestalt mit weißem Haar. Trotz ihres Alters war ihr Gesicht noch immer glatt und schön wie das eines jungen Mädchens. Ihre Augen werde ich nie vergessen, obwohl ich ihre Farbe nicht beschreiben könnte. Wenn sie einen ansahen, wußte man, daß ihnen wenig verborgen bleiben konnte.

»Seid mir willkommen, Hunli und Arni«, sagte sie, »und auch du, Fremder, von dem man sagt, daß er sich aufs Flötenspielen versteht. Ihr werdet hungrig sein von dem weiten Weg. Seid also meine Gäste.«

Sie ließ uns an einem runden Tisch Platz nehmen, bot uns Milch, Brot und Schafkäse an und nötigte uns so lange, bis wir satt waren. Dann forderte sie den Khan auf, den Grund unseres Besuches zu nennen. Er legte ihr dar, wie es sich mit den Zwillingen verhielt, und erwähnte auch, daß sie schon drauf und dran gewesen seien, einander umzubringen. »Entscheide du zwischen ihnen«, schloß er seine Rede. »Ich kann es nicht, ohne einen von ihnen zu kränken; denn ich liebe sie beide auf die gleiche Weise. Doch nur einer von ihnen kann die Herrschaft erhalten.«

»Und was bekommt der andere?« fragte Urla.

»Was soll er bekommen?« sagte der Khan verständnislos. »Nichts. Er wird dem ersten dienen müssen.«

»Wundert es dich, daß sie darüber in Streit geraten?« fragte Urla. »Du stellst die Entscheidung falsch. Für beide muß ein Ziel gezeigt werden, damit sie den Pfeil ihrer Wünsche nicht auf das gleiche richten.«

»Ich kenne nur ein Ziel«, sagte der Khan, »und das ist die Herrschaft über das Volk der Beutereiter.«

»Du kennst kein anderes, weil es immer dein eigenes Ziel gewesen ist«, erwiderte Urla. »Meinst du, es gäbe nichts anderes außer dem, was du dir vorstellen kannst? Das ist noch lange nicht alles.«

»Du bist also bereit, die Entscheidung zwischen ihnen zu treffen?« fragte der Khan gespannt.

»Nein«, sagte sie. »Hunli und Arni sollen selbst entscheiden.« Sie stand auf, öffnete eine Truhe und holte zwei Gegenstände heraus, die sie vor den Zwillingen auf den Tisch legte. Der eine war ein glatter, rund abgeschliffener Stein, unter dessen durchsichtiger Oberfläche ein farbiger Strahlenring schimmerte. Du kennst ihn, Lauscher, denn du trägst ihn auf der Brust. Der andere war eine goldene Fibel von der Gestalt eines Reiters, der ein Krummschwert über dem Kopf schwang.

»Nun wählt, ihr Zwillinge«, sagte sie, »den Reiter oder den Stein. Beides ist eine gute Wahl, aber nur eins davon bringt die Herrschaft. Laßt euch Zeit und überlegt gut. Aber vorher müßt ihr mir schwören, daß ihr die Entscheidung, die ihr jetzt fällt, für alle Zeiten annehmen werdet und euren Streit begrabt. Gebt euch die Hand darauf.«

Die Brüder taten, wie sie geheißen hatte, und blickten dann lange Zeit auf die beiden Dinge, die vor ihnen lagen. »Ich habe gewählt«, sagte Hunli schließlich.

»Dann komm zu mir und sage mir leise ins Ohr, was du haben willst«, sagte sie.

Hunli tat dies, und dann stand auch Arni auf und flüsterte ihr seine Entscheidung ins Ohr. Als er sich wieder gesetzt hatte, blickte Urla die beiden Brüder lächelnd an und sagte: »Nun ist es entschieden. Warum hast du den Reiter...
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Hans Bemmann (1922-2003) studierte Musikwissenschaft und Germanistik. 1983 schuf er mit dem Märchenroman "Stein und Flöte" eines der Kultbücher der phantastischen Literatur, das in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurde. Auch seine weiteren Romane, in denen er Märchen und Mythen mit der Bewußtwerdung des Menschen verknüpft, sind erfolgreich und in viele Sprachen übersetzt.