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Die schwarzen Ränder der Glut

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.12.2012
Es ist ein heißer Sommer, als Kommissar Berndorf sein Rentnerdasein beginnt. Doch der Brief eines Selbstmörders zwingt ihn nicht nur, Ermittlungen in einem weit zurückliegenden Todesfall aufzunehmen, sondern sich auch der eigenen Vergangenheit zu stellen. Widerwillig erinnert sich Berndorf an das Jahr 1972, als die RAF-Hysterie nicht nur die Polizei elektrisierte und zu überstürzten Handlungen trieb. Schließlich greift er die Lebensfäden einer Hand voll Menschen auf, die sich in jener Zeit unter dramatischen Umständen mit Berndorfs Biographie verknüpften. Dabei gerät er in eine lebensgefährliche politische Intrige.

Ulrich Ritzel, geboren 1940, aufgewachsen auf der Schwäbischen Alb, arbeitete mehr als drei Jahrzehnte als Journalist und wurde 1980 mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. Mit dem Roman 'Der Schatten des Schwans' debütierte er 1999 als freier Autor. Aus der Reihe seiner Romane um den Kommissar Berndorf erhielten 'Schwemmholz' und 'Beifang' den Deutschen Krimi-Preis, 'Der Hund des Propheten' den Preis der Burgdorfer Krimi-Tage. Ulrich Ritzel lebt mit seiner Ehefrau Susanne und seinen beiden Hunden seit 2008 in der Schweiz.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextEs ist ein heißer Sommer, als Kommissar Berndorf sein Rentnerdasein beginnt. Doch der Brief eines Selbstmörders zwingt ihn nicht nur, Ermittlungen in einem weit zurückliegenden Todesfall aufzunehmen, sondern sich auch der eigenen Vergangenheit zu stellen. Widerwillig erinnert sich Berndorf an das Jahr 1972, als die RAF-Hysterie nicht nur die Polizei elektrisierte und zu überstürzten Handlungen trieb. Schließlich greift er die Lebensfäden einer Hand voll Menschen auf, die sich in jener Zeit unter dramatischen Umständen mit Berndorfs Biographie verknüpften. Dabei gerät er in eine lebensgefährliche politische Intrige.

Ulrich Ritzel, geboren 1940, aufgewachsen auf der Schwäbischen Alb, arbeitete mehr als drei Jahrzehnte als Journalist und wurde 1980 mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. Mit dem Roman 'Der Schatten des Schwans' debütierte er 1999 als freier Autor. Aus der Reihe seiner Romane um den Kommissar Berndorf erhielten 'Schwemmholz' und 'Beifang' den Deutschen Krimi-Preis, 'Der Hund des Propheten' den Preis der Burgdorfer Krimi-Tage. Ulrich Ritzel lebt mit seiner Ehefrau Susanne und seinen beiden Hunden seit 2008 in der Schweiz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641104764
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum21.12.2012
Reihen-Nr.3
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2986 Kbytes
Artikel-Nr.1231743
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Heidelberg, Mittwoch, 28. Juni

Die Sonne, schon über den Ausläufern des Odenwalds, wirft lange blauschwarze Schatten auf den am Vortag gemähten Rasen. In der Luft hängt der Geruch nach Heu und Sommer, später am Tag wird es heiß werden. Schrappend dreht sich der Sprenger und regnet eine fein sprühende Fontäne über Brombeerhecken und Rosenbeet, die Wassertropfen spritzen hoch und fallen funkelnd durchs Sonnenlicht, bis die Fontäne kehrtmacht und wieder zu den beiden Apfelbäumchen wandert. Im Rasen, jenseits der Reichweite des Sprengers und unterhalb der marmorgefliesten Terrasse, kauert ein fuchsroter Kater und frisst mit bedächtiger Aufmerksamkeit von einem Teller. Die Frau, die barfuß auf die Terrasse tritt, ist schlank und dunkelhaarig und trägt ein kurzes, braun-grün geflammtes Leinenkleid. Behutsam nähert sie sich dem Kater, bleibt aber sofort stehen, als das Tier zu fressen aufhört und wachsam aus grünblauen Augen zu ihr hochsieht.

»Du brauchst doch keine Angst zu haben«, sagt sie mit leiser lockender Stimme. »Ich bin es doch nur, die Birgit. Die bescheuerte Birgit, die extra in den Supermarkt fährt, um das Katzenfutter aus der bescheuerten Fernseh-Werbung zu holen.«

Der Kater verharrt ungerührt.

»Wir werden uns schon noch kennen lernen«, fährt sie beschwörend fort. »Wir haben jede Menge Zeit. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...«

Die Gartentür öffnet sich. Der Kater witscht zur Seite und Birgit bekommt nur noch den buschigen Schwanz zu sehen, der hinter Nachbars Holzzaun abtaucht.

»Jetzt hast du meine Katze vertrieben«, sagt sie zu ihrem Mann, der verschwitzt auf die Terrasse tritt. Hubert Höge steckt in einem Sportdress mit kurzen Hosen, die den Blick auf muskulöse, behaarte Beine freigeben.

Es sind keine Hosen, denkt Birgit. Es sind Höschen. Sie sitzen zu knapp. Ich will nicht, dass ihn die Nachbarinnen so sehen. Oder was für Weiber er sonst trifft.

»Das ist erstens nicht deine und zweitens überhaupt keine Katze«, antwortet er kurzatmig. »Das ist ein herrenloser Fritzthe-cat, und wenn du ihn ins Haus bringst, müssen wir ihn kastrieren lassen. Der Gestank ist sonst nicht auszuhalten. Da hilft auch kein Rilke.«

»Das war nicht Rilke, mein Lieber. Auch als Musikerzieher solltest du etwas an deiner Allgemeinbildung arbeiten«, bemerkt Birgit honigsüß. »Außerdem bin ich durchaus nicht damit einverstanden, dass hier kastriert wird, was nach Mann riecht.« Plötzlich ist ihre Stimme ins Rauchige umgeschlagen. »Ich geh ja schon unter die Dusche«, antwortet Hubert. »Aber mit dem Kater wird das nicht so einfach. Das Duschen von Katern zählt unter Kennern zu den ausgesprochen heftigen Events. Außerdem hat das Vieh Flöhe. Sonst kann man dich mit so etwas doch jagen . . .«

»Flöhe?« Birgit ist empört. »Hunde haben Flöhe. Meine Katze nicht. Du müsstest mal sehen, wie die sich putzt . . .«

»Das stört die Flöhe nicht. Aber du wirst es schon noch merken. Du erkennst Flohstiche übrigens daran, dass sie immer hübsch in einer Reihe sind.« Hubert Höge - im Jargon des Droste-Hülshoff-Gymnasiums Piano-Bertie genannt - geht mit schwingenden Hüften am gedeckten Frühstückstisch vorbei und verschwindet im Wohnzimmer. Birgit sieht ihm nach. Flöhe? Plötzlich spürt sie einen Schauder. Sie geht auf die Toilette im Erdgeschoss und untersucht ihre Beine. Kein Stich. Nirgends. Hubert, du Lügner. Wie immer, bevor sie sich auf die Klobrille setzt, wischt sie sie vorher mit Sagrotan ab.

Eine gute halbe Stunde später sind sie auf dem Weg zur Schule, vor dem Fußgängerüberweg an der Kußmaulstraße springt die Ampel auf Rot, fluchend bremst Hubert den Peugeot ab, und ein kleiner krummbeiniger Mann in kurzen Sporthosen rennt watschelnd über den Zebrastreifen.

Birgit lächelt und streckt die Hand aus dem offenen Wagenfenster, um dem Mann zuzuwinken.

»Wieso kennst du den?«, will Hubert wissen.

»Hast du gesehen, er hat auch so schicke Shorts wie du«, sagt Birgit. »Ich hätte ihn fast nicht darin erkannt. Es ist der Kaplan von Maria Immaculata.« Der Gedanke zuckt durch ihren Kopf, dass die Neuenheimer katholische Kirche so wahrscheinlich doch nicht heißt. »Ein sehr einfühlsamer Mann.«

»Einfühlsam? In seine Ministranten, wie?«

Volltreffer. Hubert hat einige Schuljahre in einem katholischen Internat verbracht. »Ach Gott, das wollen wir nicht so eng sehen«, antwortet sie heiter. »Jedenfalls hat er in unserem Dienstagskreis ein sehr schönes Referat über Julien Green gehalten.«

Noch ein Treffer. Der Literarische Dienstagskreis steht auf Huberts Hassliste ganz weit oben und kommt gleich nach dem Oberschulamt, der Schulleiterin Bohde-Riss, dem Hausmeister des Droste-Hülshoff-Gymnasiums und allem, was mit der katholischen Kirche zu tun hat.

»Ein Grund mehr, warum ich da nicht hingeh«, bemerkt Hubert dunkel. »Im Übrigen trag ich keine solchen Shorts. Solche nicht. Das weise ich zurück. Mit Abscheu und Empörung.«

Birgit setzt das silberhelle Lachen auf. »Aber ganz gewiss tust du das, mein Lieber. Nur ahnst du wahrscheinlich gar nicht, wie du von hinten aussiehst. Ich meine, wenn du diese Höschen anhast. Die Ministranten von dieser Kirche da würden ganz feuchte Augen bekommen.«

Hubert schweigt. Vor der Theodor-Heuss-Brücke staut sich der Verkehr. Sie würden zwei oder drei Phasen brauchen.

»Du hast doch heute die 12b?«, fragt er unvermittelt.

Abweisend sieht Birgit durch die Frontscheibe. »Ja. Leider. Eine blasierte Bande unmotivierter und überernährter Professorenkinder. Gottes Strafe für die 68er.«

»Bist doch selber eine davon.«

»Aber ich habe mich nicht fortgepflanzt«, erwidert Birgit nicht ohne Schärfe. »Was interessieren dich eigentlich meine halslosen Ungeheuer? Reichen dir die deinen nicht?«

»Bettina ist doch in der 12b?«

Unwillkürlich zieht Birgit die Augenbrauen zusammen. Was heißt hier Bettina? Das Bild eines grünäugigen Mädchens taucht vor ihr auf, mit Grübchen im Babyspeck und einem zu knappen T-Shirt oder einem zu dicken Busen darin. »Und was soll mit dieser Bettina sein?«

»Sie hat einen recht schönen Alt, brawny, vibrating«, erklärt Hubert. »Ich hab ihr diesen Schmachtfetzen gegeben, den die Zarah Leander im Repertoire gehabt hat.« Er hebt die Stimme und beginnt, tuntig die Windschutzscheibe anzusingen: »Kann denn Liebe Sünde sein ...«

»Bitte nicht«, unterbricht ihn Birgit. »Der Morgen ist mir zu früh für so etwas.« Bettina also. Recht schöne Altstimme. Genug Holz vor der Hütte für einen Resonanzboden. Kann denn Liebe Sünde sein. Glauben Sie das? Tiefer grüner Blick in Lehrers Augen. Und dann nach Schulschluss von hinten auf dem Flügel im Musikzimmer, oder wie?

»Eigentlich sollte ich noch den Hit von dieser neuen kanadischen Band einbauen«, fährt Hubert fort, die Stimme wieder normal. »Die wird Kult, ganz bestimmt wird die das.« Seine Stimme bekommt einen hämmernden Klang:

»Nothing is like it seems to be . . . Sehr schön gerappt ist das. Und passt doch wie bestellt fürs Droste und für Heidelberg.«

Vibrating, ja. Die dümmste Kuh war wohl wieder einmal sie selbst. Dass das Droste zum Schuljahresschluss eine Herz-und-Schmerz-Travestie aufführen sollte, im Stil des neuen französischen Kino-Singsangs, ist schließlich ihre Idee gewesen, niemand sonst war darauf gekommen, Hubert schon gar nicht, von alleine kommt er auf nichts. Höchstens auf diese Bettina drauf. Verhüten sie wenigstens?

»Bettinen hab ich übrigens zwei in der Klasse.« Ihre Stimme klingt heiser. Sie schluckt. Nur keine Wirkung zeigen. »Aber ich weiß, wen du meinst. Nettes Mädchen. Schade, dass sie dieses Problem mit ihrer Figur hat.«

Hubert schüttelt den Kopf. »Was für ein Problem? Reden wir wirklich vom selben Mädchen?«

»Sicher doch. Angenehmer Alt, auffallend grüne Augen. Ich vermute allerdings, dass sie zu früh mit der Pille angefangen hat. Oder mit der falschen. Manche Mädchen gehen davon auf wie ein Hefekuchen.«

Sie wirft einen kurzen prüfenden Blick auf Hubert. Ihr Mann starrt auf die Ampel, als sei er von dem Gedanken an Bettinas Vorkehrungen unangenehm berührt. So etwas sind Frauengeschichten für ihn, und sie stehen auch ziemlich weit oben auf seiner Liste. Aber vielleicht weiß er wirklich, wie sie verhütet. Was tu ich, wenn er sagt: nöh, wir nehmen Gummis?

»Redet ihr mit den Girlies nicht über solche Sachen?« Seine Stimme klingt harmlos, unbeteiligt.

»Von uns lassen die sich noch weniger sagen als von ihren Müttern.« Welches Stück führen wir eigentlich gerade auf? Das vom leicht trotteligen, aber väterlichen Lehrer? Oder bilde ich mir das alles nur ein? Wieso erzählt er mir von dieser Bettina, wenn er etwas mit ihr hat? So blöd ist er doch nicht.

Doch, denkt sie dann. Der ist so blöd, und kommt sich dabei noch schlau vor. Ich erzähl ihr von der Bettina, dann meint sie, es kann nichts dahinter sein, weil ich es ihr sonst nicht erzählt hätte.

Der Peugeot rollt an, wird aber wieder jäh abgebremst. Hubert flucht. Birgit blickt hoch. Die Kreuzung ist blockiert, der Wagen steht mitten auf dem Zebrastreifen, Passanten zwängen sich an der Motorhaube vorbei, mit ärgerlichen, manchmal auch höhnischen oder verächtlichen Blicken auf Hubert Höge und auf sie selbst, junge Leute sind es, ältere Leute, Birgit sieht durch die Passanten hindurch, als ob sie Luft seien, ich will jetzt von niemandem gesehen werden, und niemanden will ich sehen, diese Frau mit den Staubfängern um den Kopf sieht aus wie . . . ich will gar nicht wissen wie, außerdem bin ich...

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Kritik
"Ein literarischer Genuss weit über dem Durchschnitt des Genres - und nebenbei auch ein intelligenter Zeitroman."mehr

Autor

Ulrich Ritzel, geboren 1940, aufgewachsen auf der Schwäbischen Alb, arbeitete mehr als drei Jahrzehnte als Journalist und wurde 1980 mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. Mit dem Roman "Der Schatten des Schwans" debütierte er 1999 als freier Autor. Aus der Reihe seiner Romane um den Kommissar Berndorf erhielten "Schwemmholz" und "Beifang" den Deutschen Krimi-Preis, "Der Hund des Propheten" den Preis der Burgdorfer Krimi-Tage. Ulrich Ritzel lebt mit seiner Ehefrau Susanne und seinen beiden Hunden seit 2008 in der Schweiz.