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Wetterleuchten im Roussillon

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am08.06.2015Auflage
Inspecteur Gilles Sebag ist gerade aus den Sommerferien zurück, als die Leiche eines Rentners gefunden wird. Offenbar wurde er vom Mitglied einer aus dem Algerienkrieg bekannten Geheimarmee ermordet. Es stellt sich schnell heraus, dass eine 50 Jahre alte Rechnung beglichen wurde. Dann gibt es einen weiteren Toten, der auch in den Algerienkrieg involviert war, und die Sache wird so politisch, dass Gilles aufpassen muss, mit wem er spricht. Als schließlich seine Tochter in den Fall verwickelt wird, muss Gilles sich entscheiden: Karriere oder der heißgeliebte Familienfrieden?

Philippe Georget wurde 1963 geboren. Nach mehreren Jahren als Journalist für Rundfunk und Fernsehen hat er 2001 seine Familie in einen Campingbus gepackt, um einmal mit ihr das Mittelmeer zu umrunden. Seit seiner Rückkehr lebt er als Autor mit Frau und Kindern in der Nähe von Perpignan und läuft leidenschaftlich gern Marathon. Für seine Krimis hat er in Frankreich mehrere Preise gewonnen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextInspecteur Gilles Sebag ist gerade aus den Sommerferien zurück, als die Leiche eines Rentners gefunden wird. Offenbar wurde er vom Mitglied einer aus dem Algerienkrieg bekannten Geheimarmee ermordet. Es stellt sich schnell heraus, dass eine 50 Jahre alte Rechnung beglichen wurde. Dann gibt es einen weiteren Toten, der auch in den Algerienkrieg involviert war, und die Sache wird so politisch, dass Gilles aufpassen muss, mit wem er spricht. Als schließlich seine Tochter in den Fall verwickelt wird, muss Gilles sich entscheiden: Karriere oder der heißgeliebte Familienfrieden?

Philippe Georget wurde 1963 geboren. Nach mehreren Jahren als Journalist für Rundfunk und Fernsehen hat er 2001 seine Familie in einen Campingbus gepackt, um einmal mit ihr das Mittelmeer zu umrunden. Seit seiner Rückkehr lebt er als Autor mit Frau und Kindern in der Nähe von Perpignan und läuft leidenschaftlich gern Marathon. Für seine Krimis hat er in Frankreich mehrere Preise gewonnen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843710978
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum08.06.2015
AuflageAuflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2483 Kbytes
Artikel-Nr.1547303
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1 Wie ein heftiger elektrischer Schlag durchfuhr ihn der Schmerz, als er mit seinem von Arthritis verformten Daumen den Hahn seiner Waffe zurückzog. Mit seiner freien Hand rückte er sich die Brille auf der Nase zurecht. Der Mann, auf den er zielte, riss verängstigt die Augen auf.

Seine geschwollenen Finger umschlossen die Waffe wieder fest.

Es war richtig gewesen, sich als Erstes das schwächste Glied der Gruppe vorzunehmen. Angst machte redselig. Jetzt wusste er alles. Die Dreckskerle würden bezahlen. Einer nach dem anderen.

Unter Schmerzen legte er seinen gekrümmten Zeigefinger auf den Abzug.

Sein Gegenüber bewegte sich verzweifelt auf seinem Stuhl hin und her, trotz der Fesseln, die ihm die Arme hinter der Rückenlehne zusammenhielten. Er hätte wohl geschrien, gebrüllt oder geheult, wäre da nicht der Knebel in seinem Mund gewesen, der ihn nur unter Anstrengung einige gurgelnde unnütze Laute von sich geben ließ.

Wozu diese vergebliche Aufregung? Wenn die Stunde gekommen war, musste man sich damit abfinden können. Es gab nur sie beide hier in dieser verschlossenen Wohnung. Einer von ihnen gefesselt, der andere mit einer Beretta 34 in der Hand. Da gab es keinen Ausweg, kein Happy End, keine überraschende Wendung in letzter Sekunde. Das hier war kein Kinofilm, das war das Leben. Das echte, harte, unbarmherzige Leben.

El mektoub ... Das Schicksal würde zuschlagen.

Er fand den Alten vor sich erbärmlich und hässlich. Seine Gesichtszüge wurden von der Angst noch mehr verzerrt als von den vergangenen Jahren. Er erkannte ihn kaum noch.

Die Erinnerungen brachen wie Wellen über ihn ein. Damals, als wäre es gestern gewesen. Die Jahre konnten Brücken schlagen, Mauern errichten oder nur ein kleines Intermezzo sein. Nichts hatte er vergessen. Absolut nichts. Die grelle Sonne und wie sie auf der Haut brannte, wenn er aus einer noch kühlen Gasse trat. Blau, überall Blau, das blaue Meer, der blaue Himmel. Das Rauschen der Wellen, das Schaukeln der Boote, der Duft von Anis, Jod und Gewürzen. Stimmengewirr, unbekümmertes Lachen, diese unvergleichliche Lebensfreude.

Er durfte sich nicht von der Nostalgie überwältigen lassen. Das wusste er. Sie war stärker als er. Mehrere Jahrzehnte lang hatte er alles verdrängt, bis es wieder von seinem Herz und seinem Verstand Besitz ergriffen hatte. Er zwang sich, an die letzten Monate seiner Jugend zu denken, daran, wie das Paradies sich in die Hölle verwandelt hatte, an das Klappern von Töpfen, die Schreie, die Tränen und das Blut. Und an den Geruch von Schießpulver, der über allem hing, dieser schwere, berauschende Geruch, so wuchtig und wild.

Er verzog das Gesicht. Es bereitete ihm Schmerzen, wie er mit seiner kranken Hand die Waffe umklammert hielt.

Der Mann vor ihm war sein Spiegelbild. Er war selbst alt und hässlich. Auch wenn Gabriella ihm glücklicherweise das Gegenteil gelobte.

Er war alt, und er hatte Schmerzen.

Durch starke rheumatoide Arthritis hatten sich seine Gelenke schmerzhaft entzündet. Zunächst hatten sich seine Finger verformt und die letzten Fingerglieder in unmögliche Winkel gebracht. Dann waren seine Hände wund geworden. Im Laufe der Jahre und der schlaflosen Nächte waren hier und dort Beulen aufgetaucht. Beim Gedanken an Gabriella, die gern mit ihren Feenhänden über seine Buckel strich, musste er lächeln.

Buckel ... Der Begriff kam ihm überholt vor. Vielleicht, weil sein Französisch Anfang der sechziger Jahre stehengeblieben war. Seitdem redete er nicht mehr in seiner Muttersprache.

Sein Gefangener auf dem Stuhl schien sich beruhigt zu haben. Hatte er sich nun damit abgefunden? Vielleicht ... Oder aber er hatte sein flüchtiges Lächeln eben für mögliche Gnade gehalten. Die Hoffnung ist ein nicht zu bändigender Phönix, sie braucht nur ein Zeichen, einen Lufthauch, und schon ist sie wieder auferstanden. Doch genauso kann sie durch einen einzigen Blick jäh ersterben.

Ihre Blicke trafen sich, und sie sahen einander wenige Sekunden an, bevor sie gleichzeitig auf die drei mit schwarzer Farbe an die Wohnzimmertür gemalten Buchstaben schauten.

Drei verfluchte Buchstaben.

Drei magische Buchstaben.

Es würde keine Vergebung geben. Auf keinen Fall. Er hatte nicht umsonst seinen Kummer wieder erweckt, war nicht umsonst so weit gereist und hatte das Meer überquert, nur um jetzt einen Rückzieher zu machen. Er würde seinen sich selbst auferlegten Auftrag bis zum Ende durchführen.

Seine letzte Mission.

Seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Er hatte Durst. Langsam stand er auf. Seine Knochen ächzten, und er unterdrückte ein Stöhnen. Die Krankheit hatte sich von seinen Händen über seinen gesamten Körper ausgebreitet. An manchen Tagen war es ein einziges Leid, einfach nur zu existieren. Er musste an seine Großmutter denken. Auch sie hatte Höllenqualen erlitten. »Wenn ich keine Schmerzen mehr habe«, hatte sie oft zu ihm gesagt, »dann weil ich gestorben bin.«

Er nahm ein sauberes Glas von der Arbeitsplatte neben der Spüle und füllte es mit Wasser aus dem Hahn. Er trank ein paar Schlucke und stellte es dann wieder ab. Als er zu dem alten, an den Stuhl gefesselten Mann zurückging, nahm er das Kissen, das er vorhin aus dem Schlafzimmer geholt und auf den Tisch gelegt hatte.

Nicht mehr lange und aus dem Mann würde sein Opfer.

Ihn überkam ein seltsames, längst vergessenes Gefühl. Diese unerwartete Ruhe, die seine Bewegungen begleitete, der merkwürdige Eindruck, seinen eigenen Körper verlassen zu haben und sich selbst zuzusehen.

Die Geräusche vom Fernseher der Nachbarn drangen durch die Wand. Man erahnte die eingeblendeten Lacheinlagen einer amerikanischen Sitcom. Er hätte gern auch hier im Wohnzimmer den Fernseher eingeschaltet, um den Schuss zu übertönen, der gleich erschallen würde, überlegte es sich aber angesichts der komplizierten Fernbedienung schnell anders.

Sein Gegenüber riss die verklebten Augen auf. Wie in einem Buch konnte man die Verzweiflung und Angst darin lesen. Doch der alte Mörder sah und hörte nichts mehr; er war woanders. Dort. Fünfzig Jahre zuvor.

»Es ist so weit«, sagte er.

Dann ging er um den Stuhl herum und drückte seinem Gefangenen das Kissen in den Nacken. Er zielte mit der Beretta 34 auf den verblichenen Stoff. Mit seinem verformten Zeigefinger strich er über den Abzug. Er zählte bis drei, und dann drückte er ab. Die Druckwelle fuhr durch seine geschundenen Knochen, und er schrie vor Schmerzen auf.

2 Ein paar Tage lang hatte die Tramontana gewütet, doch jetzt hatte sie sich wieder beruhigt. Sie hatte die letzten Wolken vom Himmel gefegt, und die noch intensive Herbstsonne trocknete die Pfützen auf dem Asphalt ebenso wie die Tränen auf den Wangen.

Es war ein schöner Tag für die Beerdigung eines Kindes.

Die ganz in Schwarz gekleidete Menschenmenge hatte sich um die kleine Kirche von Passa versammelt. An die hundert Gäste hatten keinen Platz mehr gefunden und verfolgten die Trauerfeier stehend vom Dorfplatz aus. Obwohl Gilles Sebag als einer der Ersten angekommen war, war er doch lieber draußen geblieben. In der Kirche selbst war die Verzweiflung zu groß, der Schmerz zu privat.

Er stand an eine Hauswand gelehnt, seine Tochter an sich gezogen. Er spürte, wie sie von Schluchzern geschüttelt wurde. Wie gern wäre er ihr eine größere Stütze gewesen, hätte ihre Qualen auf sich genommen und so ihre Unbekümmertheit bewahrt. Ihre Unschuld. Aber Séverine war dreizehn und hatte gerade auf brutale Art und Weise gelernt, dass der Tod endgültig war. Das Leben war kein Computerspiel. Es gab keinen Neustart, wenn es »game over« hieß. Mathieu würde nicht noch einmal von vorn anfangen können.

Claire strich Séverine sanft über die Haare. Gilles drehte sich zu seiner Frau um und lächelte sie an. Es tat gut, sie neben sich zu wissen, nachdem er solche Angst gehabt hatte, sie letzten Sommer zu verlieren. Doch das hier war nicht der richtige Zeitpunkt, um an all das zurückzudenken, und er vertrieb diese schlechten Erinnerungen schnell wieder. Claire erwiderte sein Lächeln. Ihre sonst leuchtenden grünen Augen blickten ihn traurig an.

Aus der dichtgedrängten Menge ertönten hier und dort herzzerreißende Laute der Trauer. Wie im Kanon stimmten die Jugendlichen eine Totenklage aus Schluchzern, Rufen und Wimmern an. Einige von ihnen waren mit Sicherheit schon mit dem Tod in Berührung gekommen, vermutlich dem ihrer Großeltern. Sie hatten getrauert, aufrichtig Tränen vergossen, waren aber durch diesen Abschied nicht in den Grundfesten ihres Seins erschüttert worden. Der Tod eines Klassenkameraden aber führte ihnen ihre eigene Sterblichkeit vor Augen. Zur Trauer gesellte sich jetzt eine dumpfe Angst.

Um sich nicht von der Trauer der Jugendlichen überwältigen zu lassen, betrachtete Gilles Sebag die Gebäude um ihn herum. Die Kirche von Passa hatte leider keinen besonderen Charme. Die Fassade war betonfarben verputzt und hatte zur einzigen Verzierung einen marmornen Torbogen, zu dem eine halbkreisförmige Treppe hinaufführte. Die Kirche selbst war eingepfercht zwischen einer Reihe reizloser Dorfhäuser. Immerhin war das Postgebäude auf der linken Seite mit seinem Mauerwerk aus Kieseln, die typisch für das Roussillon waren, ganz ansehnlich, ohne dass sie den Betrachter aber in Begeisterung versetzten.

Die Fensterläden waren geschlossen, denn die Post hatte an diesem Samstagvormittag wegen der Beerdigung nicht geöffnet.

Mathieu war drei Tage zuvor bei einem Unfall auf einer...


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Philippe Georget wurde 1963 geboren. Nach mehreren Jahren als Journalist für Rundfunk und Fernsehen hat er 2001 seine Familie in einen Campingbus gepackt, um einmal mit ihr das Mittelmeer zu umrunden. Seit seiner Rückkehr lebt er als Autor mit Frau und Kindern in der Nähe von Perpignan und läuft leidenschaftlich gern Marathon. Für seine Krimis hat er in Frankreich mehrere Preise gewonnen.