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Die Herzensgabe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.03.2015
Ein gefährlicher Schritt in die Unabhängigkeit: Die 28-jährige Mary Jago hat sich ihrem dominanten Verlobten Alistair lange untergeordnet - bis sie eines Tages aufbegehrt. Gegen Alistairs Willen spendet sie Knochenmark für einen unbekannten Leukämiekranken. Aber Alistair wacht weiterhin eifersüchtig über jeden ihrer Schritte, erst recht, als ganz in der Nähe Obdachlose brutal ermordet werden. Doch dann lernt Mary jenen jungen Mann kennen, dem sie mit ihrer Spende helfen konnte ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
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Produkt

KlappentextEin gefährlicher Schritt in die Unabhängigkeit: Die 28-jährige Mary Jago hat sich ihrem dominanten Verlobten Alistair lange untergeordnet - bis sie eines Tages aufbegehrt. Gegen Alistairs Willen spendet sie Knochenmark für einen unbekannten Leukämiekranken. Aber Alistair wacht weiterhin eifersüchtig über jeden ihrer Schritte, erst recht, als ganz in der Nähe Obdachlose brutal ermordet werden. Doch dann lernt Mary jenen jungen Mann kennen, dem sie mit ihrer Spende helfen konnte ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151386
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum31.03.2015
SpracheDeutsch
Dateigrösse964 Kbytes
Artikel-Nr.1597492
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

_____

Jedes Tor zum Park wird von Eisenspitzen gekrönt, an manchen Toren sind es bis zu siebenundzwanzig, an anderen nur achtzehn oder elf. Der Park selbst ist zum größten Teil von Dornenhecken umgeben, doch daneben gibt es Hunderte von Metern dieser schmiedeeisernen, lanzenartig geformten Gitterstäbe. An einigen sind die Spitzen stumpf, wie an dem Gitter um die Gartenanlage am Gloucester Gate, andere sind reich verziert und wieder andere in der Mitte gebogen. Vor einer der Villen haben die Spitzen an den hohen Eisengittern je sechs klauenförmige Auswüchse, gebogen und scharf wie Krallen. In einer bestimmten Zeile von Stadthäusern tragen die Säulen gespreizte Spitzen, die wie blühende Dornenbäume wirken. Würde man alle Eisengitterspitzen im Park und in seiner Umgebung zusammenzählen, käme man auf einige Millionen. Die Spitzen passen gut zu der Architektur des 18. Jahrhunderts.

Nachts ist der Park für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Lebewesen, die bleiben dürfen, sind hauptsächlich Zootiere und Wasservögel. Das ganze Jahr über öffnen sich die Gittertore allmorgendlich um sechs und schließen abends bei Sonnenuntergang, im Winter also um halb fünf, im Mai jedoch nicht vor halb zehn. Der Park erstreckt sich kreisförmig über eine Fläche von vierhundertvierundsechzig Acre Land. Parallel zum umgebenden Straßenring verläuft ein zweiter Ring, der Outer Circle. Darin liegen, weit voneinander abgesetzt, das gleichschenklige Dreieck des Londoner Zoos, der See mit seinen drei Armen und vier Inseln und um die Ziergärten herum eine weitere Straße, die auf dem Stadtplan wie ein Rad mit zwei vorspringenden Speichen aussieht, der Inner Circle.

Der Park ist bei Nacht wie ausgestorben. Jedenfalls wird dies angestrebt. Bei ihren Patrouillen zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen wirft die Parkpolizei ein besonders wachsames Auge auf die Restaurantzugänge - potentielle Unterkünfte -, auf die parknahen Wohnhäuser, Villen und teuren Anwesen sowie auf Winfield House, die Residenz des amerikanischen Botschafters. Kein Obdachloser könnte unbehelligt auf der windgeschützten Seite eines Pavillons oder des Musikpodiums schlafen, aber da es unmöglich ist, jede Nacht die ganze Gegend abzusuchen, bleiben als Versteck immer noch das Kanalufer, die weitläufigen Rasenflächen und im Sommer das hohe Gras unter den Bäumen.

An der Nordseite des Parks, hinter dem Zoo und der Prince Albert Road, liegen die Viertel Primrose Hill und St. John´s Wood; dort befinden sich die Kirche von St. John´s Wood, Lord´s Cricket Ground und südöstlich davon die Londoner Moschee. Die Park Road verläuft in Richtung Baker Street und Sherlock Holmes Street an der Londoner Wirtschaftshochschule und der anglokatholischen Kirche St. Cyprian vorbei, in deren weißgoldenem Inneren es nach Weihrauch duftet. Weiter geht es über die Marylebone Road, das Planetarium und Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett - diese beliebteste aller Londoner Touristenattraktionen zählt mehr Besucher als der Tower oder Buckingham Palace - zur Königlichen Musikakademie, zum Park Crescent und Park Square mit der abgeschiedenen Gartenanlage und dem unterirdischen Tunnel, der den halbmondförmigen Straßenzug mit dem Garten verbindet. Hier grenzt der Park an die Albany Street, die von der U-Bahnstation Great Portland Street schnurgerade wie eine römische Heeresstraße in nördlicher Richtung verläuft und weiter oben auf die Albert Road und die Gloucester Avenue stößt. In Primrose Hill bilden die Straßenzüge die Form eines Tennisschlägers, wobei Gloucester Avenue den Griff darstellt. Und überall ragen die Eisengitter mit ihren geraden und scharfen, rechtwinklig gebogenen oder verzierten und stumpfen Spitzen empor.

Albany Street ist nicht so begrünt und abgeschieden wie die meisten anderen Straßen in unmittelbarer Nachbarschaft des Parks, sondern breit, grau und baumlos. Auf der einen Seite der Straße stehen Mietskasernen, auf der anderen, etwas zurückversetzt, die hochherrschaftlichen, großzügig angelegten Häuserzeilen von Cambridge, Chester und Cumberland Terrace mit ihren Kolonnaden, Ziergiebeln und Statuen - und ihren wohlhabenden Bewohnern. Hinter den Mietskasernen auf der anderen Seite wirkt die Gegend plötzlich weniger respektabel, wenngleich noch lange nicht so heruntergekommen wie Somers Town zwischen den Bahnhöfen Euston und St. Pancras. Aus einer dieser Straßen - in der Nähe von St. James´ Gardens - kam ein junger Mann und überquerte den Munster Square in Richtung Albany Street.

Er wurde allgemein mit Hob angesprochen, den Anfangsbuchstaben seiner beiden Vornamen und seines Familiennamens. Ansonsten unterschied er sich von seinen Mitmenschen hauptsächlich durch die Größe seines Kopfes. Sein Körper war zwar kräftig, trotzdem wirkte sein Kopf im Verhältnis zu groß. Falls er, was fraglich schien, einmal die Fünfzig erreichen sollte, würden ihm seine Hängebacken bis auf die Schultern reichen. Das helle, etwa zwei Zentimeter kurz geschorene Haar auf seinem riesigen Schädel glänzte im gelblichen Licht der Neonlampen. Die Mischung aus hellem Haar und braunen Augen war ungewöhnlich. In seinen Augen, die eine seltsame Maserung hatten, wie Schokoladenmousse, weiteten sich die Pupillen manchmal wie bei einer Katze und zogen sich dann wieder auf die Größe eines Punktzeichens auf der Schreibmaschine zusammen.

Hob hatte einen Job zu erledigen, für den er soeben die Hälfte des Honorars von fünfzig Pfund erhalten hatte, also fünfundzwanzig. Diese Summe wollte er mit seinen übrigen Ersparnissen zusammenlegen, um sich den Stoff zu kaufen, ohne den er überhaupt nichts zuwege brachte. Oft wünschte er sich, eine Frau zu sein, denn Frauen konnten schnell und - soweit er es beurteilen konnte - leicht Geld verdienen. Er dachte an eine der ersten Bemerkungen, die er von einem Erwachsenen - einem dieser Onkel, ein Freund seiner Mutter - gehört hatte: Jede Frau sitzt auf einem Geldsack.

Hob hatte einen Affen. Mit diesem Ausdruck bezeichnete er seinen gegenwärtigen Zustand. Als ihm eine seiner Stiefschwestern einmal ihre Panikanfälle beschrieb, erkannte er darin seinen eigenen Zustand wieder. Nur dass er bei ihm länger dauerte und schlimmer verlief. Dieser Zustand war allumfassend und ging so weit, dass er sich vor allem fürchtete, was er sah oder hörte, aber auch vor dem, was er nicht sehen konnte, und vor der Stille. Wenn dieser Zustand sich verstärkte, fühlte er sich in einer riesigen Blase aus Angst wie in einer gläsernen Kugel eingeschlossen und wollte auf sie einschlagen und ihre gekrümmten Wände zertrümmern. Manchmal tat er es auch, sogar auf offener Straße wie jetzt. Dann wechselten die Leute auf die andere Straßenseite hinüber, um dem Verrückten aus dem Weg zu gehen, der in die leere Luft boxte.

Noch hatte er dieses Stadium nicht erreicht. Er hatte weder Schmerzen noch Ekelgefühle. Doch mehr als zielstrebig diese breite, graue Straße entlangzugehen, auf der sich momentan keine herüberglotzenden oder ausweichenden Leute aufhielten, hätte er nicht zuwege gebracht, und schon gar nicht den Job, für den er das halbe Honorar bekommen hatte. Seine Füße bewegten sich wie von selbst. Sogar auf Entzug glaubte er manchmal, ewig weiterlaufen zu können, immer weiter, über die dunklen Rasenflächen, die grüne Anhöhe, die Hügel im Norden der Stadt bis zu den weit dahinterliegenden Feldern und Wäldern.

Doch so weit zu laufen war gar nicht nötig. Gupta oder Carl oder Lew standen bestimmt schon auf der anderen Seite der Cumberland Gate bei den Ginkgobäumen. Er ging weiter über die Bodensenken und Durchgänge den Abhang hinauf auf die Häuserzeile von Cumberland Terrace zu. Sein Schatten schleppte sich schwerfällig dahin, ein Scherenschnitt auf dem verwitterten Kopfsteinpflaster. An Außenwänden und hinter üppigen Laubkaskaden leuchteten Lichter auf.

Die ringförmige, tagsüber dichtbevölkerte Straße am äußeren Parkrand, der sogenannte Outer Circle, war nachts völlig ausgestorben. Kein einziger Wagen parkte auf der glänzenden Fläche. Die herrschaftlichen Stadthäuser, eigentlich eher von Bäumen umstandene Paläste, schlummerten tief hinter dem dichten Blattwerk, und obwohl die meisten ihrer Fenster hinter Rollläden verschwunden waren, leuchtete allenthalben noch orangegelbes Licht. An den Gehwegen brannten auf jeder Seite Straßenlampen, so weit das Auge reichte. Dazwischen schimmerte die Dunkelheit. Er überquerte die Straße. Das Cumberland Gate war schon seit fast drei Stunden abgesperrt.

Oben auf dem Gittertor saßen Eisenspitzen, achtzehn auf jedem Torflügel. Wenn er gut drauf war - so nannte er es, wenn er keinen Affen hatte -, wäre er mühelos über das Tor geklettert. Nun aber kämpfte er sich wie ein Greis auf die andere Seite hinüber, mit der gleichen Behutsamkeit und Angst vor Fleischwunden und Knochenbrüchen wie ein alter Mann. Jenseits des Tores erstreckte sich im Halbdunkel eine freie Fläche aus grauem Rasen, blass erleuchteten Fußwegen und schwarzen Bäumen, den dünngliedrigen Ginkgobäumen, bei deren Anblick er an Skorpione denken musste.

Die Polizei patrouillierte in Streifenwagen, zu Fuß, auf Fahrrädern, und manchmal auch mit Hunden. Einer von Hobs - und Carls - Leitsätzen besagte, dass die Polizei nicht überall gleichzeitig sein konnte, und meistens war sie tatsächlich nicht da, wo Carl oder er sich gerade aufhielt. Er ging auf die Bäume zu. Eigentlich wollte er kein Geräusch verursachen, doch als ein junger Skorpion sich vom elterlichen Rücken löste, Flügel bekam und sich in einen Flugsaurier verwandelte - eine Taube hatte sich aus einer Baumkrone erhoben -, schrie er erschrocken auf.

Eine Hand legte sich von hinten...

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Autor

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.