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Das verschwundene Mädchen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.10.2013
Vor der 12-jährigen Emma Graham ist kein Mörder sicher ...
Die 12-jährige Emma Graham lässt sich durch nichts so leicht erschüttern, nicht einmal durch die Verbrechen, die sich in ihrem Heimatort La Porte ereignet haben - wie die Entführung eines erst wenige Monate alten Babys. Vielmehr ist dadurch erst die Neugier der Hobby-Detektivin geweckt. Sie will unbedingt herausfinden, was vor zwanzig Jahren tatsächlich im Luxushotel 'Belle Rouen' geschehen ist, als das Baby verschwand. Dass ausgerechnet jetzt der Vater des Kindes nach La Porte zurückkehrt, erscheint ihr sehr merkwürdig. Emma wird der Sache auf den Grund gehen, auch wenn sie sich dabei selbst in Gefahr bringt ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
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Produkt

KlappentextVor der 12-jährigen Emma Graham ist kein Mörder sicher ...
Die 12-jährige Emma Graham lässt sich durch nichts so leicht erschüttern, nicht einmal durch die Verbrechen, die sich in ihrem Heimatort La Porte ereignet haben - wie die Entführung eines erst wenige Monate alten Babys. Vielmehr ist dadurch erst die Neugier der Hobby-Detektivin geweckt. Sie will unbedingt herausfinden, was vor zwanzig Jahren tatsächlich im Luxushotel 'Belle Rouen' geschehen ist, als das Baby verschwand. Dass ausgerechnet jetzt der Vater des Kindes nach La Porte zurückkehrt, erscheint ihr sehr merkwürdig. Emma wird der Sache auf den Grund gehen, auch wenn sie sich dabei selbst in Gefahr bringt ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641093358
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum21.10.2013
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1624 Kbytes
Artikel-Nr.1303149
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



3. KAPITEL

Statt eine Begegnung mit Ree-Jane Davidow zu riskieren, die ich zuletzt in der Hotelhalle gesehen hatte, ging ich über die Hintertreppe den Gang hinunter ins vordere Büro, von wo aus ich Axels Taxiunternehmen anrufen konnte.

Es gab mal eine Dichterin namens Emily Dickinson, die, wie ich erfuhr, die Schöne von Amherst genannt wurde. Ree-Jane Davidow glaubte, sie sei die Schöne von Überall - von Spirit Lake, La Porte und Lake Noir. Von jedem Ort im Umkreis von ungefähr fünfundzwanzig Meilen war Ree-Jane die Schöne.

Sie war sechzehn, beinahe siebzehn. Eigentlich hieß sie Regina Jane, beschloss aber eines Tages, dass sie es so ausgesprochen haben wollte wie bei einer berühmten französischen Schauspielerin, Réjane. Ständig bekniete sie mich, ich sollte es kehlig aussprechen, aber ich konnte oder wollte nicht. Heraus kam bei mir »Ree-Jane«, was sie natürlich in eine Stinkwut versetzte. Seither nenne ich sie so und ein Haufen andere Leute auch, die glauben, das sei ihr richtiger Name. Ich korrigiere sie nicht.

Weil im hinteren Büro keiner war (obwohl ich Ree-Jane draußen in der Hotelhalle deklamieren hörte), rief ich bei Axel an und bat die Vermittlung, ein Taxi zum Hotel Paradise zu schicken. »Und sorg bitte dafür, dass Axel kommt, Wilma.« Axel kam nie.

»Klar, Süße. Er ist gleich wieder da, muss bloß noch einen Fahrgast nach Lake Noir bringen.«

Ich sagte ihr, dass ich unten an der ersten Auffahrt abgeholt werden wollte - das Hotel hat drei Auffahrten - und nicht vor dem Hotel.

Während des Telefonats betrachtete ich eingehend das Regal mit Mrs Davidows Alkoholika. Es befand sich gleich neben dem großen Rolltop-Sekretär, wo sie gewöhnlich um fünf immer ihre Drinks zu sich nahm. Ich bemerkte die leere Flasche Myer´s Rum und überlegte, ob Lola die auch bemerken würde. Da stand auch eine Flasche mit einem sogenannten Pyrat, von dem Mrs Davidow gesagt hatte, wehe, sie erwische einen damit, der sei nämlich richtig gut und richtig teuer. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ein bisschen von dem Pyrat in die Flasche mit dem Rum zu gießen (den ich für die Rumbas aufgebraucht hatte), fand das dann aber doch riskant. Womöglich hatte sie den Pyrat ja genau abgemessen.

Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, stand ich unschlüssig da und überlegte, was wohl am ehesten nach Rum schmeckte. Ob ich etwas von dem Jim Beam in die Myer´s-Flasche schütten sollte? Aber Mrs Davidow würde merken, dass es komisch schmeckte. Ich beschloss, dass es besser war, die Flasche einfach unauffällig zu entsorgen.

Ich verließ das Hotel durch die Hintertür und ging den Pflasterweg entlang zum Cocktailgarten, in der Absicht, die Flasche dort auf dem Tisch stehen zu lassen. Aber dann dachte ich, nein, dann würde man bloß merken, dass sie leer war.

Will sagte, Mrs Davidow sei definitiv Alkoholikerin. Dass man Alkoholiker ist, merkt man unter anderem daran, dass man verrückte Sachen mit Flaschen anstellt. Wie in Das verlorene Wochenende, einem Film, den ich mir nicht anschauen durfte, was bloß hieß, dass ich, sobald er im Orion kam, schnurstracks reinging. (Der Besitzer, Mr McComas, mochte nämlich alte Filme.) Jedenfalls versteckte Ray Millard, der Typ, der die Hauptrolle spielte, überall in seiner Wohnung Flaschen, eine sogar im Kronleuchter.

Hier schleppte ich nun also eine leere Flasche Myer´s Rum herum und hoffte, bloß keinem zu begegnen, außer es war ein Filmproduzent, der in der Situation womöglich Potenzial erkannte. Ich musste aufhören mit dem Quatsch. Also kletterte ich unten an der Auffahrt, wo neben dem Federballplatz dichte Rhododendronhecken standen, die Böschung hoch und steckte die Flasche in den Rhododendron. Ich kam mir vor wie Ray Milland.

Ich stand an der Kiesauffahrt, wartete auf Axel und starrte wie gebannt auf die Stelle, wo unser Hund Rufus von einem Auto angefahren und getötet worden war. Damals, als es passierte, hatte ich genauso dagestanden wie jetzt. Rufus war auf die Straße gelaufen, der Fahrer war also vermutlich nicht schuld, aber das war egal. An das Auto oder den Fahrer konnte ich mich nicht mehr erinnern. Während ich die Stelle betrachtete, geriet sie immer weiter weg und wurde immer kleiner, so wie auf einer Filmleinwand beim Ausblenden im Dunkeln ein heller Kreis ist, der immer kleiner und kleiner wird. Und darin war der sterbende Rufus und wurde winziger und immer winziger, bis er ganz verschwunden war und nur noch die schwarze Leinwand übrig war.

Ich musste blinzeln.

Ich konnte ihn mit diesem Blinzelzauber immer wieder heraufbeschwören. Blinzeln, und da war er - wieder blinzeln, und weg.

Das Problem war, dass ich dachte, ich könnte Rufus wieder zurückholen, wenn ich bloß auf die richtige Art und Weise blinzelte. Damals war ich klein, erst fünf, es überraschte mich also nicht, dass es mir so vorkam. Ein kleines Mädchen mag glauben, dass ihr Hund immer noch irgendwo ist. Wenn man älter wird, weiß man, dass der Tod bloß der Tod ist, und damit hat sich´s.

Blinzeln tat ich aber trotzdem.

In dem Moment kam Axels Taxi angefahren. Am Steuer saß aber nicht Axel, sondern Delbert. Ich wusste, es wäre Delbert, dem war es nämlich immer, ganz egal, wie sehr die Frau in der Zentrale beteuerte, Axel würde kommen. Ich hatte schon geglaubt, Axel gäbe es gar nicht, wenn ich ihn nicht schon oft irgendwohin hätte fahren sehen. Bloß hatte er nie einen Fahrgast dabei.

»Willst du den ganzen Tag da rumstehen?« Delbert steckte den Kopf aus dem Fenster auf der Fahrerseite. »Taxiuhr läuft.« Das fand er nun sehr witzig und patschte aufs Lenkrad.

»Du hast doch gar keine Taxiuhr«, sagte ich, schlüpfte rein und rutschte auf dem Rücksitz ganz runter, damit er mich im Rückspiegel nicht sehen konnte.

Das Taxi machte einen Satz vorwärts. »Nein, haben wir nicht, aber wenn wir eine hätten, würde sie laufen.« Sein Gelächter hörte sich eher nach Schweinegrunzen an. »Also, wo willst du hin? Als ob ich´s nich wüsste.« Er lachte wieder.

Das machte mich richtig fuchsig. »Ach, tatsächlich? Und wohin?«

»Na, entweder zum Rainbow oder zum Gerichtsgebäude. Obwohl, is ja ziemlich egal, wo ich halte, nachdem die gegenüber liegen.«

Wir kamen an Brittens Laden vorbei, wo die Brüder Woods und Mr Root auf der Holzbank saßen. Oder vielmehr, zwei davon saßen - Ubub und Mr Root. Ulub stand mit einem Buch in der Hand da. Ich kurbelte das Fenster herunter und rief, und alle drehten sich her und winkten.

Dann bat ich Delbert, mich an der Bank rauszulassen.

»An der Bank? Da gehst du doch nie hin.«

»Alles weißt du ja wohl auch nicht, was?«

Zehn Minuten später fuhren wir an der First National vor, und ich stieg aus und gab ihm das Fahrgeld. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ihm kein Trinkgeld zu geben, gab ihm dann aber fünfzehn Cents.

Es war lästig, den ganzen Weg von der Bank an der Second Street bis zurück zum Rainbow Café laufen zu müssen, mehr als fünf Straßen rauf und dann hinüber, obwohl ich unterwegs an Läden vorbeikam, die ich mochte. Ich fand sie alle irgendwie mysteriös, zum Beispiel Sincells Posamentierwarenhandlung. Schon allein der Ausdruck wirkte wie aus einer Vergangenheit voller rotbejackter Männer und Frauen, voller Pferde und Füchse.

In Sincells hohen, schmalen Räumen war es passenderweise dunkel und kühl. Im hinteren Raum wurden Schuhe und (stellte ich mir vor) sattbraune Jägerstiefel verkauft. Der vordere Raum war üppig bestückt mit dunklen Seidenkleidern und Dreiteilern für den Herrn. Zwischen den in hohen Glasvitrinen ruhenden Hüten waren bestimmt auch Reiterkappen aus dunklem Samt. Und bei den Spazierstöcken drüben waren Reitgerten. Ich stellte mir das alles gern vor.

Gleich neben der Posamentierwarenhandlung war McCrorys Kramladen, wo Miss Isabel Barnett ihrer Kleptomanie frönte. Um die Ecke befand sich Souders Apotheke mit der immer gleichen Schaufensterauslage: Eau de Toilette Marke »Abend in Paris« sowie heller Gesichtspuder, der offensichtlich von der unbekannten Trägerin der langen Abendhandschuhe aus blauem Satin benutzt worden war und sich zart aus einer silbernen Puderdose ergoss. Was für eine Geschichte! Aus dem Stegreif fielen mir ein halbes Dutzend Szenen ein, die auf das Parfum und die blauen Handschuhe passten. Die Vorstellung, ich könnte mir all die Geschichten ausdenken und sie niederschreiben, hatte etwas Tröstliches. Es fühlte sich an, als wäre immer ein zweites Ich in der Nähe, eine helfende Freundin.

An der nächsten Straße etwas dichter beim Rainbow gelegen war der winzige Oak Tree Geschenkladen von Miss Flagler. Gleich daneben, nur getrennt durch einen schmalen Durchgang, befand sich der Kerzenladen, geführt von Miss Flyte, die eine Neigung zum Mysteriösen hatte. Von allen Geschäften war ihres das mysteriöseste, denn das Geflacker der brennenden Kerzen zog sich vom Schaufenster bis ganz nach hinten durch.

Über jedes dieser Geschäfte gab es etwas zu erzählen, und ich hatte die Idee, dass unsere Zeitung zu jedem einen Beitrag bringen könnte. Wenn ich schon nicht zu jedem eine eigene Geschichte ausgraben konnte, so könnte ich doch meine Eindrücke von ihnen schildern.

Ich war die jüngste Reporterin, die der Conservative je gehabt hatte. Den Job hatte ich natürlich aufgrund der Tatsache bekommen, dass ich am Spirit Lake beinahe umgebracht worden wäre, und jetzt war ich dabei, das ganze Erlebnis aufzuschreiben. Aber mit »Impressionen von Souders Drugstore«, »Impressionen von der Posamentierwarenhandlung« und so fort könnte ich weiter Redaktionsmitglied sein und noch monatelang berühmt bleiben.

Ree-Jane wies mit Vorliebe...


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Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.