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Lauf, Lilly, lauf!

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
320 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am08.11.20131. Auflage
'Ein wunderbares Buch über das Erwachsenwerden in schwieriger Zeit.' (Focus) Plötzlich sind die Flugzeuge über ihnen, offenbar hat niemand sie kommen sehen. Es knallt und kracht. Ruckartig kommt der Wagen zum Stehen. Die Insassen springen heraus. 'Lauf, Lilly, lauf, so schnell du kannst!' Und das tut sie. Kein einziges Mal dreht sie sich um. Sie rennt und rennt, quer durch den Wald, sie denkt nichts, sie weiß nicht einmal, dass sie rennt, sie ist wie ein Fahrzeug ohne Fahrer, immer gerade aus, immer weiter... Krieg und trügerischer Friede, Jahre des Erwachsenwerdens in Zeiten politischer Umorientierung, das Niemandsland zwischen Naivität und Wissen, erste Liebe, Vertrauen und Verrat - und am Ende ein neuer Anfang.

Helga Hegewisch, geb. 2. Februar 1931, in Hamburg, ist eine deutsche Schriftstellerin und Kunstsammlerin. Helga Hegewisch studierte Theologie und Germanistik an den Universität Lausanne und der Universität Hamburg. Sie schrieb Fernsehspiele und Kinderbücher und baute ab 1954 mit ihrem ersten Ehemann Klaus-Bernt Hegewisch eine Kunstsammlung auf. 1976 verließ sie Deutschland und fing als Journalistin ein neues Leben an. Von 1977 bis 1985 war sie mit ihrem Ehemann Melvin Lasky Mitherausgeberin der Zeitschrift Der Monat. Von 1999 bis 2006 veröffentlichte sie Historische Romane.
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Produkt

Klappentext'Ein wunderbares Buch über das Erwachsenwerden in schwieriger Zeit.' (Focus) Plötzlich sind die Flugzeuge über ihnen, offenbar hat niemand sie kommen sehen. Es knallt und kracht. Ruckartig kommt der Wagen zum Stehen. Die Insassen springen heraus. 'Lauf, Lilly, lauf, so schnell du kannst!' Und das tut sie. Kein einziges Mal dreht sie sich um. Sie rennt und rennt, quer durch den Wald, sie denkt nichts, sie weiß nicht einmal, dass sie rennt, sie ist wie ein Fahrzeug ohne Fahrer, immer gerade aus, immer weiter... Krieg und trügerischer Friede, Jahre des Erwachsenwerdens in Zeiten politischer Umorientierung, das Niemandsland zwischen Naivität und Wissen, erste Liebe, Vertrauen und Verrat - und am Ende ein neuer Anfang.

Helga Hegewisch, geb. 2. Februar 1931, in Hamburg, ist eine deutsche Schriftstellerin und Kunstsammlerin. Helga Hegewisch studierte Theologie und Germanistik an den Universität Lausanne und der Universität Hamburg. Sie schrieb Fernsehspiele und Kinderbücher und baute ab 1954 mit ihrem ersten Ehemann Klaus-Bernt Hegewisch eine Kunstsammlung auf. 1976 verließ sie Deutschland und fing als Journalistin ein neues Leben an. Von 1977 bis 1985 war sie mit ihrem Ehemann Melvin Lasky Mitherausgeberin der Zeitschrift Der Monat. Von 1999 bis 2006 veröffentlichte sie Historische Romane.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783955302832
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum08.11.2013
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1724323
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Wendepunkt

Oktober neunzehnhundertvierundvierzig. Seit ein Großteil von Lillys Heimatstadt Hamburg zerstört ist, wohnt sie mit ihrer Familie in Mecklenburg auf der Domäne Staaken außerhalb des Dorfes Galitz. Irgendwo, sehr weit weg, tobt der Krieg.

»Gar nicht mehr so weit weg«, sagt die Mutter, »und er kommt näher, jeden Tag.«

Lilly weiß, dass ihre Mutter, wenn sie so etwas sagt, Angstaugen kriegt. Angst jedoch hilft überhaupt nichts, die macht alles nur noch schlimmer. Darum versucht Lilly, nicht hinzuschauen und nicht hinzuhören und ganz schnell an etwas anderes zu denken. Lilly ist sehr gut im Wegdenken.

»Möchte nur mal wissen, wo du jetzt grad wieder bist«, sagt dann die Mutter.

Lilly zuckt die Schultern. Sie hat keine Lust zu antworten. Lilly ist fast fünfzehn Jahre alt und davon überzeugt, dass die Erwachsenen sie nicht verstehen. Zwar ist man von ihnen abhängig und man kann sie sogar gerne haben und vielleicht auch lieben und ihnen zuhören und sich von ihnen beschützen lassen, aber man sollte nie auf Verständnis hoffen. Ebenso wie die Erwachsenen nicht erwarten können, dass ihre Kinder sie verstehen. Daran scheint ihnen allerdings auch kaum gelegen zu sein, denn meistens geben sie sich nicht die geringste Mühe, ihr Verhalten zu erklären. Obgleich das, was sie tun und beschließen, oft auch ihre Kinder betrifft, erwarten sie keine Rückfragen.

Und wo ist Lilly, wenn sie weghört und wegschaut und wegdenkt? Ziemlich oft bei ihrer Freundin Isa oder auch bei dem Buch, in dem sie gerade liest (momentan »Die Barrings«, wo alles so schön vornehm und so schrecklich traurig ist), oder irgendwo in ihrer Phantasie.

»Im Krieg braucht man sehr viel Phantasie«, sagt Onkel Jupp, Vaters jüngerer Bruder, der seit seiner Verwundung meist bei ihnen ist. Man hat ihm an der Ostfront einen Fuß weggeschossen, deshalb arbeitet er jetzt in der Verwaltung, wie er das nennt, und diese »Verwaltung« befindet sich nur eine Autostunde entfernt von Galitz. Für Lilly gehört er in die Abteilung »Gern haben und sich beschützen lassen«, und er ist ihr inzwischen vertrauter als der Vater, der vor über zwei Jahren während des Afrika-Feldzugs vermisst gemeldet wurde und von dem die Familie seither nichts gehört hat. Mama und Onkel Jupp sind der Meinung, dass Lillys Vater tot ist. Lilly selbst will sich damit nicht abfinden und wartet immer noch auf eine Nachricht.

Montagmittag. Die müde träge Stunde nach Schule und Mittagessen. Im Hause ist es sehr still. Lilly liegt auf dem Bett und hat zu nichts Lust, schon gar nicht zu den Hausarbeiten. Außerdem hat sie Bauchweh, vermutlich kriegt sie ihre Tage. Eine schrecklich überflüssige Angelegenheit, findet Lilly, daran ändern auch die schlauen Erklärungen der Erwachsenen nichts. Lilly beschließt, ein Stündchen zu schlafen. Sie legt sich auf die rechte Seite und schiebt den linken Arm über ihre Augen.

Schön, das Wegrutschen in den Schlaf, die Wirklichkeit stellt keine Ansprüche mehr, alles wird möglich.

Und plötzlich bricht aus der Mittagsstille das Chaos hervor, es knallt und kracht und detoniert, die Welt ist verrückt geworden.

Lilly springt vom Bett und rennt nach unten in die Diele. Da sind auch schon die anderen. »Hinlegen, verdammt noch mal, legt euch hin«, schreit Onkel Jupp.

Im Niederwerfen schlägt Lilly sich die Stirn an der Heizung auf. Das ist der Krieg, denkt sie, nun ist der Krieg auch zu uns gekommen. Platt auf den Boden gedrückt bedeckt sie ihren Kopf mit den Händen, obgleich das kaum etwas nützen dürfte, wenn eine Bombe das Haus trifft. Wieso Bombe, wir sind hier auf dem Lande, weit und breit kein lohnendes Ziel. Krieg, Krieg, Krieg. Lilly denkt immer nur dies eine Wort, dabei erklärt es überhaupt nichts. Die Angst ist wie eine große nasse Pferdedecke, die auf Lilly heruntergefallen ist und sie zu ersticken droht.

Und ebenso plötzlich, wie es begonnen hat, ist es vorüber; ein schnell leiser werdendes Brummen, das war's dann. Tatsächlich, war's das?

Onkel Jupp fasst sich als Erster. »Vielleicht kommen sie wieder«, ruft er, »alle runter in den Keller.«

Auf die Idee ist Lillys Bruder Joachim auch schon gekommen, aber der Keller ist abgeschlossen. Wieso denn das? Natürlich, ja, wegen der Vorräte! Wo ist der Schlüssel? Sie drängeln sich allesamt vor der Kellertür und der Schlüssel ist nicht da.

»Irene, gib den Schlüssel her«, schreit Onkel Jupp.

Mit hastigen Bewegungen greift sich Mama in die Tasche, fährt über den Fenstersims, sucht hinter dem Blumentopf. Mama kann den Schlüssel nicht finden. Lilly starrt sie an. Angstaugen, was denn sonst, Keuchen und Schluchzen.

»Tut mir Leid, ich … ich weiß nicht … heute Morgen war der Schlüssel noch …«

»Oma Elli«, ruft Onkel Jupp, »hast du den Schlüssel gesehen?«

»Ich weiß genau, dass ich ihn Irene gegeben habe. Nimm dich zusammen, Tochter, gib jetzt sofort den Schlüssel her!«

Und da sind die Flugzeuge auch schon zurückgekommen und donnern erneut über sie hinweg. Die Familie auf dem Boden vor der Kellertür eng aneinander gedrückt. Mama schreit, die anderen sind ganz still.

»Ruhig, Irene«, sagt Onkel Jupp, »ganz ruhig, die meinen nicht uns.«

»Aber wen meinen sie denn?«

»Hör auf zu schreien, du machst die Kinder verrückt.«

»Es ist meine Schuld«, jammert Mama, »immer verlier ich die Schlüssel.«

Onkel Jupp legt seinen Arm um die Mama. »Hör doch, sie ziehen wieder ab.«

Alle lauschen. So seltsam, die plötzliche Stille, niemand rührt sich vom Fleck. Es war ja auch wieder nur eine Schleife. Diesmal schreit Mama nicht. Onkel Jupp hält sie ganz fest, kann sein, dass er ihr die Hand auf den Mund gelegt hat. Die schwere Angstdecke drückt Lilly das Herz zusammen, sie würde gern ohnmächtig werden, aber das passiert ja nur in Büchern.

Noch zweimal kommen die Flugzeuge zurück, dann endlich machen sie sich davon. Was war das nur, was haben sie hier gewollt? Das Haus jedenfalls ist nicht getroffen.

»Ich weiß«, sagt Joachim zu Onkel Jupp, »dein Lastwagen, der steht vor der Scheune. Den wollten sie treffen. Ich hab schon immer gesagt, dass das unvorsichtig ist!«

»Na klar«, reagiert Onkel Jupp ärgerlich, »unser Joachim hat es schon immer gesagt!«

Aber es war nicht der Lastwagen, der steht an seinem üblichen Platz, heil und unberührt, man kann ihn durch das Fenster sehen. Onkel Jupp reicht zuerst Oma Elli die Hand und dann Mama und zieht sie beide vom Boden hoch. Er kann schon wieder lachen. »Da sieht man mal, wohin eure Sparsamkeit führt!«, sagt er. »Eher lasst ihr uns alle zu Grunde gehen, als dass ihr uns Zugang zu euren Vorräten gestattet!«

»Ich werd den Schlüssel schon finden«, schluchzt Mama, »bestimmt finde ich ihn!«

»Aber sicher.« Er schiebt Mama ins Wohnzimmer und drückt sie in den großen Lehnsessel. »Ich geh jetzt und seh nach, was passiert ist.«

»Werden sie wiederkommen?«, fragt Mama.

»Das glaube ich nicht. Aber ich will auf keinen Fall, dass einer von euch das Haus verlässt, jedenfalls nicht, bis ich zurück bin. Das ist ein Befehl!«

Nie zuvor hat Onkel Jupp gesagt, dass irgendetwas ein Befehl ist. Lilly hätte das auch ziemlich blöd gefunden. Heute allerdings erscheint es ihr vollkommen richtig.

Kaum ist Onkel Jupp gegangen, verzieht sich Oma Elli ins Badezimmer. Das tut sie immer, wenn sie sich aufregt. Mama sitzt mit geschlossenen Augen im Sessel und atmet schwer. Der kleine Felix drückt sich an ihre Knie. Obgleich sie sich am meisten von allen aufgeregt hat, ist sie doch der Mittelpunkt der Familie, dem sie alle nahe sein wollen. So sitzen und stehen die drei Kinder und die beiden polnischen Mädchen Magda und Danuta um die Mutter herum und schauen sie an und erwarten von ihr irgendwelche Anweisungen.

Die kommen dann auch bald. Mama nimmt sich zusammen. »Ich weiß jetzt, wo der Schlüssel ist«, sagt sie zu Lilly. »Oben im Schlafzimmer, hinter Papas Foto. Geh bitte und hol ihn mir.«

Lilly läuft die Treppe hinauf, greift sich den Schlüssel und rennt, so schnell sie kann, wieder hinunter, sie will jetzt nicht allein sein. Der sechzehnjährige Joachim hat sich hinter Mamas Stuhl aufgebaut und ihr die Hände auf die Schultern gelegt. Lilly findet, dass er aussieht wie der Hitlerjunge auf diesem Reklameplakat mit der Inschrift »Die deutsche Jugend kennt ihre Verantwortung«. Eigentlich hat ihr das Plakat immer ganz gut gefallen, aber dass Joachim jetzt so tut, als wäre er ein jungdeutscher Held, der seine arme alte Mutter beschützen muss, das erscheint ihr albern und unpassend. Erstens zweifelt sie stark an der Heldenhaftigkeit ihres Bruders und zweitens hat Mama nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Frau auf dem Plakat, an der alles grau ist, Haare, Gesicht, Kleid und Strümpfe. Lillys Mutter jedoch hat eine weiße Haut und dunkellockige Haare und ihre Lieblingsfarbe ist Rot. Schutzbedürftig ist sie allerdings sehr.

Lilly hat ihrer Freundin Isa erzählt, dass seit einiger Zeit die Angst in ihrer Mutter drinhockt wie eine Krankheit. »Manchmal sitzt sie nur so da mit einem Buch in der Hand, am Abend, wenn alles still und friedlich ist, und plötzlich kann ich es ganz deutlich spüren: Mama zittert vor Angst und ist nahe daran, laut aufzuschreien.«

»Und was dann?«, hat Isa gefragt.

»Nicht viel. Sie blättert schnell ein paar Seiten um. Oder sie sieht zu mir hin und sagt: >Ich mag nicht, wenn du mich so anstarrst.< Oder sie geht in die Küche und macht sich einen Kamillentee.«

»Wovor hat sie denn Angst?«

»Ich...
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