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Weiblichkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
280 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.01.20171. Auflage
Brillante Analyse der »neuen Weiblichkeit«, die sich in der Rückkehr zu vorfeministischen Verhaltensweisen manifestiert. In Streifzügen durch Zeiten und Kulturen sammelt die bekannte amerikanische Feministin Susan Brownmiller Elemente und Attribute des jeweils als weiblich verstandenen Verhaltens und sucht die gesellschaftlichen Hintergründe auszuleuchten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Susan Brownmiller ist eine amerikanische Journalistin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin. Bekannt geworden ist sie durch ihr Buch zum Thema Vergewaltigung: ?Gegen unseren Willen?.
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Produkt

KlappentextBrillante Analyse der »neuen Weiblichkeit«, die sich in der Rückkehr zu vorfeministischen Verhaltensweisen manifestiert. In Streifzügen durch Zeiten und Kulturen sammelt die bekannte amerikanische Feministin Susan Brownmiller Elemente und Attribute des jeweils als weiblich verstandenen Verhaltens und sucht die gesellschaftlichen Hintergründe auszuleuchten. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Susan Brownmiller ist eine amerikanische Journalistin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin. Bekannt geworden ist sie durch ihr Buch zum Thema Vergewaltigung: ?Gegen unseren Willen?.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105615096
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum27.01.2017
Auflage1. Auflage
Seiten280 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1115 Kbytes
Artikel-Nr.2206709
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Bei uns zu Hause gab es ein Spiel, das »Tischdecken« hieß, und ich durfte Mutter dabei helfen. Die Gabeln lagen links vom Teller, Messer und Löffel rechts. Wie ich mich erinnere, gehörte es zu meinen ersten Pflichten, das Besteck richtig anzuordnen. Und alles daran steckte voller Bedeutung. Wenn ein Messer oder eine Gabel zu Boden fiel, hieß das, ein Mann kam unerwartet zum Abendessen; bei einem gefallenen Löffel war mit einer Frau zu rechnen. Es spielte keine Rolle, daß sich auf diese Zeichen hin nie Gäste einstellten; ich hatte jedenfalls eine Regel gelernt, um die Geschlechter zu unterscheiden. Männer waren scharfkantig, mit spitzen Zinken ausgestattet und gefährlich; Frauen hatten sanfte Kurven und nahmen die Nahrung in einer weichen Rundung auf. Es leuchtete ein wie die Zuordnung von Rosa und Blau, die ich bei den Babys beobachtete. Daraus sprach eine wohlgeordnete Welt. Daddy war tagsüber nicht da, weil er arbeiten mußte. Zu Hause beschäftigte er sich am liebsten mit Pfeife, Tabak und der Werkzeugkiste. Er war Messer und Gabel. Mami und Großmutter mit ihren stattlichen Figuren, ihren Töpfen und Pfannen waren ausgewachsene Suppenlöffel mit einem beachtlichen Fassungsvermögen. Und ich war ein kleiner und zierlicher Kaffeelöffel - leicht zu halten und gerade richtig für Pudding, mein liebster Nachtisch.

Es gehörte zu meinen ersten Absichten, brav zu sein, wie man es von mir erwartete, denn wie die meisten Kinder wurde ich nicht nur belohnt, wenn ich etwas richtig gemacht hatte, eine gute Leistung machte mich stolz und gab mir Sicherheit. Mädchen unterschieden sich von Jungen, und es schien meine Aufgabe zu sein, diesen Unterschied deutlich zu machen. Erteilte meine Mutter mir die ersten Lektionen, wenn sie mir weiße Organdyschürzchen und Kniestrümpfe anzog und bittere Tränen weinte, weil ich sie schmutzig machte? Natürlich! Trugen meine liebevollen Tanten und Onkel, die mir hübsche Puppen und niedliches Puppengeschirr schenkten, zu meiner Erziehung bei? Natürlich! Aber selbst ohne das entsprechende Spielzeug und die passenden Kleider lehrte mich alles in meiner Umgebung die Kunst der Weiblichkeit. Und ich verinnerlichte jede dieser Lektionen: Märchen, die man mir abends vorlas; bunte Anzeigen, die ich in den Zeitschriften bestaunte, noch ehe ich den Text entziffern konnte; Filme, die ich sah, Comics, die ich sammelte; schnulzige Hörspiele, die ich begeistert anhörte, wenn ich mit einer Erkältung im Bett lag. Ich war gern ein kleines Mädchen oder vielmehr eine Märchenprinzessin, denn dafür hielt ich mich.

Im Verlauf meiner stürmischen Jugend, der ein turbulentes Leben als erwachsene Frau folgte, wurde die Weiblichkeit immer mehr zu einem Ärgernis. Sie hüllte sich in eine strahlende, subtile, jedoch verblüffend unbeständige Ästhetik, war jedoch gleichzeitig etwas genau Definierbares und Forderndes, kurz gesagt ein strenger Kodex, der Erscheinung und Verhalten durch Dinge festlegte, die das Etikett »Du darfst« oder »Du darfst nicht« trugen, und dagegen lehnte sich etwas in mir auf. Weiblichkeit war eine Herausforderung, die dem weiblichen Geschlecht auferlegt wurde. Keine stolze, selbstbewußte Frau konnte es sich leisten, sie zu ignorieren, besonders dann nicht, wenn sie insgeheim äußerst ehrgeizig war und ihre keimenden Ambitionen in völliger Verwirrung abwechselnd erstickte oder nährte.

»Verlier deine Weiblichkeit nicht« und »Ist es nicht großartig, wie sie es schafft, sich ihre Weiblichkeit zu bewahren?« Solche Sätze hatten ein erschreckendes Gewicht. Sie sprachen von einem so grundsätzlichen, endgültigen Versagen, daß alles andere nicht zählte. Der Flipperautomat registrierte »Tilt«, das Spiel war zu Ende. Der Frau, die ihre Weiblichkeit verloren hatte, stand die Disqualifikation auf die Stirn geschrieben. Unter ihrem Namen sammelten sich keine Punkte mehr an, denn mit ihrem unglückseligen, unschicklichen Bemühen, einen Mann zu imitieren, hatte sie sich um ihr Geburtsrecht gebracht. Ein solches bedauernswertes Wesen lebte in der Vorhölle, und ich hatte die Vorstellung, ich würde es eines Tages vielleicht sehen, wenn ich in den Spiegel blickte. Offenbar lag die Gefahr so nahe, daß überall Warntafeln standen. War es dann nicht möglich, daß das kleine Päckchen Unmut aufbrach, das ich insgeheim mit mir herumtrug, und das Zeichen auf meiner Stirn erschien? Gleichgültig, welche Probleme ich mit der Weiblichkeit auch hatte, ich behielt sie für mich; ich mußte mit den Hindernissen allein fertig werden, die die Weiblichkeit mir in den Weg stellte, denn es gab keine Frauenbewegung, die entscheidende Fragen stellte oder schamlos die Regeln mißachtete.

Im wesentlichen ist Weiblichkeit eine romantische Empfindung, die sentimental auferlegte Beschränkungen tradiert. Selbst während sie in den achtziger Jahren vorwärtsstürmt, Lippenstift anlegt und hohe Absätze trägt, um gut gekleidet zu wirken, stolpert sie über die Rüschen und Unterröcke einer längst vergangenen Zeit. Die Weiblichkeit ist unweigerlich und unveränderlich etwas, das Frauen in der Vergangenheit in größerem Maß besaßen - nicht nur in der historischen Vergangenheit früherer Generationen, sondern auch im persönlichen Leben jeder Frau. Sie lebt in der jungfräulichen Unschuld, auf die das Wissen folgt, in der samtigen Wange, die das Alter rauh werden läßt, im »angeborenen Wesen«, das eine Frau zu vergessen und mißachten scheint, wenn sie ihre Fesseln abwirft. Warum ist das so? Die Informationen der XX-Chromosomen sind nicht durcheinandergeraten, das vom Östrogen bestimmte hormonelle Gleichgewicht besteht im allgemeinen immer noch, wie die Natur es vorsieht; die Fortpflanzungsorgane sind üblicherweise dort, wo sie hingehören, gleich wie man sie benutzt, und die Brüste, ob groß, ob klein, sind meist an der richtigen Stelle. Aber biologische Weiblichkeit genügt eindeutig nicht.

Weiblichkeit verlangt immer mehr. Sie muß ihren Verehrerkreis ständig mit einer bereitwilligen Demonstration des Unterschieds beruhigen, selbst wenn er eigentlich nicht besteht, oder sie muß eine natürliche Variante aufgreifen, betonen und in dieser Tonart eine atemberaubende Symphonie komponieren. Man stelle sich vor, es liegt einem nichts daran, man hat anderes im Kopf und ist trotz bester Anleitung und Ausbildung taub und bleibt von dieser Musik ungerührt? Den weiblichen Unterschied zu mißachten bedeutet soviel, als läge einem nichts an Männern. Damit riskiert man den Verlust ihrer Aufmerksamkeit und Verehrung. Mangelnde Weiblichkeit gilt als elementares Versagen sexueller Identität oder als Nachlässigkeit gegenüber sich selbst, denn eine solche Frau hält man (und sie hält sich selbst) für unfraulich, für ein Neutrum oder schlicht für unattraktiv - das sind jedenfalls die Worte der Männer dafür.

Zugegeben, wir sprechen über eine raffinierte Ästhetik. Weibliche Neigungen können großen Genuß verschaffen, sei es als kreatives Betätigungsfeld oder lediglich als Mittel der Entspannung. Solchen Regungen nachzugeben, weil es Spaß macht, Aufmerksamkeit erweckt oder um sie zur Kunst zu erheben, gehört zu den großen Freuden der Frauen. Doch die größte Attraktion (und gleichzeitig das zentrale Paradox) ist der Aspekt der Konkurrenz, den Weiblichkeit beim unaufhörlichen Kampf, zu überleben und vielleicht sogar zu siegen, zu verheißen scheint. Die Welt schenkt der weiblichen Frau ein freundliches Lächeln; sie kommt ihr mit kleinen höflichen Gesten und unbedeutenden Privilegien entgegen. Doch die Wettbewerbssituation ist bestenfalls eine Ironie, denn Weiblichkeit erreicht man nur, indem man Einschränkungen hinnimmt, seine eigene Meinung auf gewisse Themen beschränkt, sich für indirektes Vorgehen entscheidet, sich auf alle möglichen Dinge konzentriert und sich seinen Interessen nicht mit der Ausschließlichkeit widmet, wie ein Mann seinen eindeutig männlichen. Eine Frau muß kein allzu großes Vorstellungsvermögen besitzen, um zu begreifen, daß das Prinzip Weiblichkeit eine einzige Ansammlung großer und kleiner Kompromisse ist, auf die sie sich einlassen muß, um eine erfolgreiche Frau zu sein. Eine Frau, die Schwierigkeiten hat, die Anforderungen der Weiblichkeit zu erfüllen, die sich von ihren Trugbildern nicht täuschen läßt, oder die vielleicht wegen ihrer Fehler und Unvollkommenheiten kritisiert wird, sieht in der Weiblichkeit eher eine verzweifelte Beschwichtigungsstrategie. Und sie hat vielleicht weder den Wunsch noch den Mut, diese Strategie aufzugeben, denn die Niederlage droht ihr so oder so.

In gewissen Kreisen ist es gerade modern, das weibliche und das männliche Prinzip als Gegenpole des menschlichen Spektrums zu sehen und klugerweise zu erklären, beide Pole seien in jedem Menschen zu finden. Sonne und Mond, Yin und Yang, weich und hart, aktiv und passiv usw. mögen in der Tat Gegensätze sein, aber ein linearer Verlauf erhellt das Problem nicht. (Die Weiblichkeit in all ihren Facetten ist ein sehr aktives Unterfangen.) Wo liegt also der grundsätzliche Unterschied? Das männliche Prinzip läßt sich als treibende ethische Kraft der Überlegenheit erklären, die direkten und sicheren Erfolg verheißt, während das weibliche Prinzip sich aus Verletzlichkeit, Schutzbedürfnis, den Ritualen der Fügsamkeit und der Konfliktvermeidung zusammensetzt - kurz, ein Ausdruck der Abhängigkeit und des guten Willens ist, der dem maskulinen Prinzip seine romantische Gültigkeit verleiht und ihm bewundernd Beifall zollt.

Männer schätzen Weiblichkeit, denn durch den Gegensatz wirken sie männlicher; und das besondere Geschenk der Weiblichkeit an sie ist das Einräumen einer Extraportion unverdienten Geschlechtsunterschiedes, der den Männern einen unangefochtenen Raum zubilligt, in dem sie frei atmen,...
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Autor

Susan Brownmiller ist eine amerikanische Journalistin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin. Bekannt geworden ist sie durch ihr Buch zum Thema Vergewaltigung: >Gegen unseren Willen