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Im Haifischbecken

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
242 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am13.04.20171. Auflage
Zwangsräumungen, Stromausfälle, plötzliche Brände. Im Zuge geplanter Luxussanierungen steht der Streit zwischen Maklern, Wohnungsbesitzern und Mietern kurz vor der Eskalation. Dann stürzt aus dem fünften Stock eines Kreuzberger Altbaus ein Rollstuhl Richtung Spreeufer. Der Mann darin ist tot. Wenig später wird ein Angesteller des Senats für Bau und Wohnen erdrosselt aufgefunden. Hauptkommissarin Sunja Löwel und ihr Team tauchen ein in die mörderische Realität des Kampfes um Wohnraum in Berlin. Doch je näher die Ermittler der Lösung des Falles kommen, umso mehr schleicht sich die Gewalt des für viele längst vergessenen Jugoslawienkrieges in das Geschehen. Es wird klar: Wir sind in einer Zeit angekommen, in der die weltweiten Brände unsere Wohnzimmer erreicht haben ...mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextZwangsräumungen, Stromausfälle, plötzliche Brände. Im Zuge geplanter Luxussanierungen steht der Streit zwischen Maklern, Wohnungsbesitzern und Mietern kurz vor der Eskalation. Dann stürzt aus dem fünften Stock eines Kreuzberger Altbaus ein Rollstuhl Richtung Spreeufer. Der Mann darin ist tot. Wenig später wird ein Angesteller des Senats für Bau und Wohnen erdrosselt aufgefunden. Hauptkommissarin Sunja Löwel und ihr Team tauchen ein in die mörderische Realität des Kampfes um Wohnraum in Berlin. Doch je näher die Ermittler der Lösung des Falles kommen, umso mehr schleicht sich die Gewalt des für viele längst vergessenen Jugoslawienkrieges in das Geschehen. Es wird klar: Wir sind in einer Zeit angekommen, in der die weltweiten Brände unsere Wohnzimmer erreicht haben ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783955309237
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum13.04.2017
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten242 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2356069
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Kapitel 1
Absturz


Wohnraum ist umbauter Raum, der
tatsächlich und rechtlich zur dauernden
Wohnnutzung geeignet und bestimmt ist.

- § 17 Wohnraumförderungsgesetz -


Hauptkommissarin Sunja Löwel lief auf der Stelle, ihre braunen Locken federten im Rhythmus der Schritte. Zwei Meter entfernt rauschte die Autolawine um den Bersarinplatz. Ein Nieselregen hatte eingesetzt und Sunja fluchte. Kein Wetter für sportliche Aktivitäten. Viel zu kalt, dabei war Mai!

Vor vierzehn Tagen hatte sie mit dem Rauchen aufgehört und dafür zu joggen begonnen. Fit genug war sie und für ihre Einssechzig ziemlich schlank. Dann würde sie auch nicht dauernd an eine Zigarette denken. Hatte sie gehofft. Aber von wegen. Die Gedanken kreisten unaufhörlich. Um eine Camel ohne Filter. Und um gestern. Den Albtraum in dieser Stasi-Unterlagenbehörde. Der dazu geführt hatte, dass nun eine Flasche Merlot weniger in der Speisekammer stand.

Immer wieder ihr Vater! Wie konnte man sein Kind so im Stich lassen! Seit Jahren suchte sie ihn. Die Zeit lief ihr davon. Er musste sechsundsiebzig sein, falls er noch lebte.

Eine Lücke tat sich in der Autoschlange auf, Sunja wechselte auf die andere Seite der Petersburger Straße. Und weiter. Vorbei an den Blocks mit den Eidechsen an den Fassaden, am Bio-Supermarkt, dann links, durch die Mühsamstraße. Die letzten beiden Baulücken waren nun geschlossen. Häuser ohne Gesicht, aus Stahl und Glas ... Sunja war froh, dass sie in einem Altbau aus dem 19. Jahrhundert wohnte.

Hier in den Nebenstraßen war die Luft besser. Die Richard-Sorge-Straße mit dem Namen eines sowjetischen Spions. Alles saniert, Altbauten wie aus einer Hochglanzbroschüre: rosa, hellgrün, zitronengelb. Das Areal der alten Aktienbrauerei Friedrichshöhe, bis 1990 Teil des VEB-Getränkekombinats Berlin. Zwei Drittel des Gebäudes waren abgerissen worden, jetzt gab es hier großzügige, lichtdurchflutete Wohnungen. Aber Mieten von bis zu zweitausend Euro im Monat. Wer die wohl bezahlen konnte?

Die Ampel an der Landsberger Allee schaltete auf Rot. Sunja stoppte. Eine Straßenbahn rauschte knapp vor ihr vorbei. Da drüben lag schon der Park. Eine junge Frau überholte sie mit elastischen Schritten. Pulsuhr, Schweißband und Laufschuhe in Pink. Immer langsam, mit sechsundvierzig durfte man es schonender angehen.

Hier im Stadtbezirk Friedrichshain war Sunja zu DDR-Zeiten aufgewachsen. Doch die Gegend hatte sich verändert. Vom verschlafenen Ostberliner Künstlerbezirk zur schrägen Punk- und Hausbesetzergegend der Nachwendezeit. Und dann zur hippen Kneipen- und Bioszene, die Leute mit Geld von überallher anlockte.

Sie hechelte am Vivantes-Klinikum vorüber, dessen Fassade in knalligen Tönen leuchtete. Sanierungsmäßig war dieser Stadtbezirk so gut wie abgegrast. Die Investoren schlugen sich nun woanders die Bäuche voll.

Genüsslich strich die Maklerin Gabriele Stadlmayer über das Deckblatt aus Hochglanzpapier, öffnete das dünne Heft, schnupperte kurz am frisch bedruckten Papier und begann wahllos zu lesen:

Köpenicker Straße 16/17: Ehemalige Heeresbäckerei des Königlich Preußischen Proviantamtes. Erbaut 1805, umbaute Fläche 9300 m². Sechs Stockwerke, Sichtmauerwerk aus gelblichem Klinker. Innen gusseiserne Stützen und preußische Kappendecken. Office- und Gewerbelofts möglich. Kaufpreis 14.000.000 â¬

Schlesische Straße 174-180: Neuer Spreespeicher. Erbaut 1900. Grundstück rund 10.000 m². Zuletzt als Flohmarkt genutzt. Nutzung für Officelofts, kleinteiligen Einzelhandel und Gastronomie. Baurecht vorhanden. Kaufpreis 16.000.000 â¬

Köpenicker Straße 20a-29: Viktoria-Speicher, erbaut 1910, moderne Industriearchitektur. Umbaute Fläche ca. 15.000 m². Grundstück von rund 4,2 Hektar. Wird von der Schillingbrücke im Westen, der Spree im Norden, der ehem. Velvet-Fabrik im Osten und der Köpenicker Straße im Süden begrenzt. Denkmalschutz. Nutzung für Geschäfte und Kultureinrichtungen. Kaufpreis 25.000.000 â¬

Gabriele Stadlmayer legte das Exposé beiseite und schaute auf das Hochzeitsbild neben dem Bildschirm. Sanft streichelte sie sich mit der Hasenpfote über ihren Unterarm. Irgendwann in vergangenen Jugendtagen hatte Alois ihr dieses Andenken als Erinnerung an seinen ersten erlegten Hasen im Lechgrießer Wald mitgebracht. Damals, als sie noch eine fesche Maid im Dirndl gewesen war, der Schwarm manches Buben in Garmisch-Partenkirchen. Wobei - wenn sie es genau überlegte, hatte sie nur zweimal ein Dirndl getragen, bei der Einschulung und bei ihrer Hochzeit. Und die Burschen ... na ja. Eigentlich gab es da nur den Vojtek, und das hatte der Vater schnell unterbunden. Einen Polacken bringst du mir nicht nach Haus, Mädel.

Sie blickte ihre Hand an. Faltig. An den Händen einer Frau erkennt man das Alter, hatte die Mutter immer gesagt.

Wann war sie überhaupt jung gewesen? Sicher 1988, bei der Trauung mit dem zehn Jahre älteren Alois, Sohn des Bürgermeisters und Kugellagerfabrikanten. Aber auch noch bei der Geburt von Alexander oder bei der von Sabine? Bestimmt nicht mehr, als sie das Kindermädchen engagierten und sie täglich zwölf Stunden am Stück arbeitete.

So ein Familienbetrieb ist kein Zuckerschlecken. Wenn du als Weib einem Baubetrieb vorstehen willst, musst du Haare auf den Zähnen haben. Auf Bayerisch rumschreien, auf Hochdeutsch verhandeln können und auch mal einen heben mit den Kerlen. Lernen, die Drähte zu ziehen. Sie hatte es gelernt. Wie froh war sie, dass sie nicht mehr das dumme Ding von damals war. Mitglied im bayerischen Unternehmerverband, dem Rotary-Club und dem Vorstand der örtlichen Bauunternehmer, das wurde man nicht, weil man Hasen streichelte. Dennoch, diese weiche Pfote rührte sie immer wieder. Sie würde ihr weiterhin Glück bringen.

Gabriele riss sich von den Erinnerungen los und rief nach ihrem Sohn, der sofort aus dem Nachbarzimmer herbeikam.

Alex, der Termin mit doam Immobilien-Professor, diesem Leibrecht, moang um zehne. Do gehst hi, gell? I hob ma de Objekte gestern olle ogschaut, der hod mi rumgfahrn ...

Hier im Büro sprach sie Mundart. Wer das nicht verstand, sollte sich einen Dolmetscher holen!

Sie würden am Spreeufer im großen Maßstab investieren, bei den Grundstückspreisen konnte man nichts verkehrt machen. Zum Beispiel das Gebäude der Heeresbäckerei, ein wundervoller alter Industriebau. Büros und Wohnungen da einzubauen, bedeutete einen vergleichsweise geringen Aufwand. Und in ein paar Jahren gingen die Mieten durch die Decke. Gerade für Bürohengste und Sesselfurzer war das Umfeld reizvoll. Zur Oberbaumbrücke ein Katzensprung, nach Feierabend lag die Partymeile vor der Haustür.

Eine Nase für Geschäfte hatte sie immer noch! Hauptsache, der Bausenat machte mit, Bürgerinitiativen und Mieterverbände sollten protestieren, solange sie wollten. So was lief sich irgendwann tot. Ein bisschen Geduld musste man freilich haben. Berlin. Der Zukunftsmarkt, im internationalen Vergleich, und die Firma Stadlmayer spielte bald ganz vorn mit! Gut, dass es nun auch im Senat einen Verbündeten gab, ab übermorgen konnten sie ...

Geh, Alex, schau da des Exposé o. Moang is ja a scho der Dreizehnte. I schreib da mei Frogn auf, mia bleim telefonisch in Kontakt und dann steing ma ins Bietn ei! Du muasst da ois dazua drauf schaffa bis dahin, und dann schlong ma zua.

Gabriele hing am Gesicht ihres Ältesten. Der überflog die Unterlagen, lächelte und ging davon. Jammerschade, dachte sie, der Junge wäre der geborene Geschäftsmann. Aber wenn er sein Jurastudium fertig hätte, wäre er fürs Unternehmen genauso viel wert. Wo unter diesem Aktenberg war nur das Smartphone? In den nächsten Monaten würden die Arbeitsstunden explodieren, dann mussten sie schnell sein. Das Beste war, dass durch die vorgeschobenen Kaufinteressenten und unterschiedlichen Konten der Name der Firma nirgends auftauchen würde, sie konnten riesige Flächen zu guten Preisen erwerben. Sie mussten bald mehr Büros anmieten, die kleine Wohnung hier im Lindencorso in Berlin-Mitte war ja nur ein Behelf. Sie fröstelte und wünschte sich nach Garmisch, da war jetzt richtig hochsommerliches Wetter. Nicht solcher Nieselregen wie hier. Sie mochte Berlin nicht, aber es war gut zum Geschäftemachen.

Caro Leisebrinck zog an einer Selbstgedrehten, die Mundwinkel angewidert nach unten verzerrt. Glaubt hier immer noch jemand, dass wir mit Verhandlungen weiterkommen? Leidet ihr unter Alzheimer, oder was? Hä? War da was? Das abgedrehte Wasser in Gerds Wohnung, der ungeklärte Brand? Reicht das nicht? Diese Immobilienschweine stecken doch mit dem Senat unter einer Decke, und die Bullen gucken zu! Frau Freyer haben sie die Scheiben demoliert, drei Mal hat die schon von ihrem bisschen Rente den Glaser kommen lassen. Ganz zu schweigen von dem Dreck seit einem halben Jahr!

In der leeren Parterrewohnung hatten die Mieter einen ausgedienten Tisch und ein Sammelsurium alter Stühle zusammengetragen. Wie von einem Kommandoposten aus blickte Caro auf ihre beiden Nachbarn herab. Die Harte nannten die anderen Mieter sie heimlich. In Caros Augen verursachten Männer das meiste Elend auf der Welt, sie regierten mit Geld, Gewalt und Gesetzen und blieben dennoch verweichlichte Machos. Wenn sie mal einen Vertreter dieses Geschlechts abschleppte, achtete sie streng darauf, dass er am nächsten Morgen wieder verschwunden war. Ohnehin war sie selten zu Hause, seit sie ihr Studium der Politikwissenschaft an den Nagel gehängt und eine Anstellung im Frauenzentrum Rosa gefunden hatte. Caro...
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