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Die toten Mädchen vom Cilento

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
423 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am08.05.20171. Auflage
Saisonende in Pioppica, die abreisenden Sommerfrischler nehmen die Ausgelassenheit des Strandlebens mit sich fort. Nur ein kleiner Wanderzirkus verweilt noch ein paar Tage in dem verwaisten Örtchen. Da wird ein Mädchen tot in der Nähe des Zirkus aufgefunden, kurz darauf ein weiteres. Die Zahl der möglichen Verdächtigen ist unüberschaubar, und während Maresciallo Santomauro und seine treuen Brigadieri Manfredi und Gnarra sich verzweifelt im Kreis drehen, machen sich die aufgebrachten Dorfbewohner ihren eigenen Reim: Wer nicht gleich die Schausteller oder den Dorfdeppen Minuccio verurteilt, erzählt hinter vorgehaltener Hand die uralte Legende der Gevatterin Perna, welche Kinder raubt, um sie ihrem nimmersatten Sohn Mao zu fressen zu geben ...

Unerbittlich hält die Autorin ihr Brennglas über das malerische Örtchen zwischen Bergen und Meer, bis Angst und Aberglaube zu brodeln beginnen und unter der bröckelnden Oberfläche der dörflichen Normalität ein uraltes Drama ans Licht drängt.


Diana Fiammetta Lama, geb. 1960 in Neapel, von Haus aus Herzchirurgin, muss nach eigener Aussage über Blut schreiben, seit sie nicht mehr täglich mit echtem in Berührung kommt. Für ihren ersten Roman 'Rossi come lei' erhielt sie den Premio Tedeschi, seitdem hat sie zahlreiche Kurzgeschichten und Kriminalromane veröffentlicht sowie die Krimi-Plattform www.napolinoir.it mitbegründet.
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Produkt

KlappentextSaisonende in Pioppica, die abreisenden Sommerfrischler nehmen die Ausgelassenheit des Strandlebens mit sich fort. Nur ein kleiner Wanderzirkus verweilt noch ein paar Tage in dem verwaisten Örtchen. Da wird ein Mädchen tot in der Nähe des Zirkus aufgefunden, kurz darauf ein weiteres. Die Zahl der möglichen Verdächtigen ist unüberschaubar, und während Maresciallo Santomauro und seine treuen Brigadieri Manfredi und Gnarra sich verzweifelt im Kreis drehen, machen sich die aufgebrachten Dorfbewohner ihren eigenen Reim: Wer nicht gleich die Schausteller oder den Dorfdeppen Minuccio verurteilt, erzählt hinter vorgehaltener Hand die uralte Legende der Gevatterin Perna, welche Kinder raubt, um sie ihrem nimmersatten Sohn Mao zu fressen zu geben ...

Unerbittlich hält die Autorin ihr Brennglas über das malerische Örtchen zwischen Bergen und Meer, bis Angst und Aberglaube zu brodeln beginnen und unter der bröckelnden Oberfläche der dörflichen Normalität ein uraltes Drama ans Licht drängt.


Diana Fiammetta Lama, geb. 1960 in Neapel, von Haus aus Herzchirurgin, muss nach eigener Aussage über Blut schreiben, seit sie nicht mehr täglich mit echtem in Berührung kommt. Für ihren ersten Roman 'Rossi come lei' erhielt sie den Premio Tedeschi, seitdem hat sie zahlreiche Kurzgeschichten und Kriminalromane veröffentlicht sowie die Krimi-Plattform www.napolinoir.it mitbegründet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841214379
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum08.05.2017
Auflage1. Auflage
Seiten423 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2352 Kbytes
Artikel-Nr.2362595
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Davor und danach: Das Schwein wird geschlachtet

Vom Schwein wird nichts weggeworfen: diese Volksweisheit hatte Maresciallo Santomauro schon oft gehört, doch was sie in der Realität bedeutete, begriff er erst, als er selbst einmal der Schlachtung eines Schweins zusehen konnte. Die Sache hatte sich rein zufällig ergeben, ungeplant, sonst hätte er wahrscheinlich gezögert aus Angst, nie wieder Schweinefleisch essen zu können. Dem war nicht so, abgesehen von einem kleinen, schuldbewussten Schauer, der ihm seitdem immer über den Rücken lief, wenn er in ein Würstchen oder ein Kotelett biss.

Brigadiere Totò Manfredi hatte ihn mitgenommen, der für seinen eigenen Bedarf und den wachsenden Hunger seiner vielköpfigen Familie kurzerhand ein halbes Schwein erstanden hatte und nun an Ort und Stelle seinen Teil abholen wollte. Schon als sie auf Mazzolas Hof ankamen, wo das Blutopfer dargebracht werden sollte, schwante Santomauro, dass die Sache alles andere als ein Spaß werden würde.

Das Schwein, wahrscheinlich getrieben von bösen Vorahnungen, weigerte sich kategorisch, den Stall zu verlassen, und fünf Männer mussten es an zwei Stricken hinauszerren, den einen um den Vorderlauf gebunden, den anderen an einen durch die Nüstern getriebenen Ring. Im Kampfgetümmel brach sich das arme Tier einen Zeh am Hinterlauf, und seine Angst- und Schmerzensschreie hallten grauenerregend durch den frostklaren Morgen.

Insgesamt hatten sich zehn Leute zu der Schlachtung eingefunden, sieben Männer inklusive dem Schlachter und drei Frauen, die etwas abseits standen und auf ihren Einsatz warteten. Manfredi und Santomauro zählten nicht, sie waren nur Zuschauer.

Als das Schwein endlich draußen war, vollzog sich sein Schicksal rasch: Eine schwere Kette wurde ihm um den Hinterlauf gelegt, dann hievten sie es langsam mit einem Flaschenzug kopfüber in die Höhe, wobei es schrie wie - wie ein Schwein auf der Schlachtbank eben. Noch vor dem tödlichen Schlag wurden die Schreie leiser, und nach und nach, sei es durch den Blutzufluss im Kopf, sei es aus Resignation, hörte das arme Tier auf, sich zu wehren. Mazzola entdeckte den gebrochenen, blutenden Zeh am Huf und entfernte ihn fluchend. Er war ein gutherziger Mensch und hasste es, die Tiere unnötig leiden zu sehen.

Der Schlachter, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte und die Drecksarbeit seinem Stand entsprechend den Handlangern überließ, kam nun schnell heran und stach ihm mit einem scharfen und spitzen Werkzeug zielgenau in den Hals, so dass sich ein walnussgroßes Loch öffnete, aus dem in dunklen Schüben das Blut quoll. Ein Helfer schob flink einen Plastikbottich darunter, in dem man schon die zukünftigen süßen und herzhaften Spezialitäten aus Schweineblut schwimmen sah, und eine Frau begann mit einem großen Holzlöffel stetig darin herumzurühren, damit es nicht klumpte.

Das Tier zuckte noch etliche Minuten, während es von der Kette genommen und auf eine breite Arbeitsplatte gelegt wurde. Daneben köchelte in zwei großen Kesseln Wasser auf einem Reisigfeuer. Die jüngeren Männer begannen mit mächtigen Kellen kochendes Wasser daraus zu schöpfen und über das Schwein zu gießen. Die anderen kratzten mit Schabmessern das Fell ab, so dass das Tier allmählich immer mehr einem rosigen Riesenbaby glich.

Der Erdboden war eine einzige Matsche aus Blut, Wasser und Borsten, die die Männer in hohen Gummistiefeln durchwateten. Peppe ´o Mbriacos Stiefel waren jungfräulich neu, und er musste einige Witzeleien seiner Freunde über sich ergehen lassen.

Manfredi stampfte mit den Füßen und blies warme Atemwölkchen in die Luft, Santomauro beobachtete neugierig und unfreiwillig teilnahmsvoll das Geschehen. Er mochte Schweine eigentlich nicht, seitdem er auf dem Markt von Cannalonga einmal zugesehen hatte, wie ein paar dieser Tiere widerspenstig und unter bestialischem Geschrei auf einen Lieferwagen getrieben worden waren, doch nun empfand er Mitleid mit dieser Kreatur, die so grausam und brutal aus glückseliger Ahnungslosigkeit in die Hände des Schlachters geraten war. Andererseits war allgemein bekannt, dass das Fleisch durch Erschießen an Qualität verlor. Pech für das Schwein.

Von den Männern und Frauen trug niemand Handschuhe, und die Hände des Schlachters waren bis weit über die Gelenke rot gefärbt, als er nun in millimetergenauer Präzisionsarbeit das an den Hinterläufen hängende Tier aufschlitzte. Manfredi trat mit Kennermiene vor, denn wer einen Teil des Schweins erworben hatte, musste hier besonders gut aufpassen, um zu bekommen, was ihm zustand. Schnell wurden die Innereien entfernt und der Block aus Herz, Lungen und Leber gesondert an einem Ast aufgehängt, während die dampfenden Gedärme in einem Eimer zusammen mit dem großen und kleinen Netz landeten. Mit wenigen raschen Schnitten trennte der Schlachter den Kopf vom Rumpf, jemand spießte einen Haken durch das Ohr und hängte ihn an einen anderen Baum. Mazzolas Frau legte eine unaufgeschnittene Orange hinein. Dies diente dazu, das wusste Santomauro, den Kopf in Balance zu halten, während er entzweigeschlagen wurde.

Der Schlachter trat mit seiner scharfen Klinge von hinten an das Tier: Ein paar entschlossene Hiebe und die zwei Hälften hingen jede an einem Haken, vollkommen symmetrisch. Der Kopf, aus dem etwas Blut geflossen war, wurde auf ein Brett gelegt, und mit einer kleinen Axt schlug ihn der Schlachter in zwei Teile.

In der klaren Morgenluft dieses kalten Wintertages hatte Santomauro bisher noch keine unangenehmen Gerüche wahrgenommen, wie er befürchtet hatte: nichts, kein Gestank nach Gedärmen, auch nicht nach Blut oder Kot. Das Opferschwein schien so rein wie ein Babypopo. Jetzt aber, als der Kopf wie eine reife Frucht aufsprang und das gehälftete, zerquetschte Stück Obst zu Boden rollte, stieg dem Maresciallo ein intensiver Orangenduft in die Nase.

Die Frauen hatten inzwischen mit dem Entwirren der Gedärme begonnen, eilig und mit bloßen Händen, bevor sie auskühlten. Wie sie Santomauro erklärten, ließ sich das Fett, wenn es erst einmal fest geworden war, nur noch schwer abziehen. Während die Männer die zwei Hälften wogen und Manfredi neben ihnen stand und aufpasste, beobachtete der Maresciallo fasziniert die drei Frauen, zwei von ihnen mittleren Alters und eine jüngere, die, ebenfalls in Gummistiefeln, die undankbare Aufgabe hatten, die Därme zu reinigen und auf links zu drehen. Auch der Schweinekot stank nicht, doch die Hände der Frauen waren vom eisigen Wasser rot geschwollen. Eine von ihnen schöpfte einen Eimer dampfendes Wasser aus der Tonne über dem Feuer und tauchte ihre Unterarme bis zu den Ellbogen ohne einen Laut hinein, dann kehrte sie zur Arbeit zurück, leeren, füllen, ausspülen. Ein junger Mann blies mit einem Röhrchen die Blase auf und hängte sie wie einen Ballon an den Baum.

Das Schweineschlachten war zu Ende, ein für alle Anwesenden wenig bedeutsames Ereignis außer für den Protagonisten.

Santomauro hingegen fiel es viele Monate später wieder ein, als er an einem sonnigen Septembernachmittag gegen vier Uhr in die Contrada Scacella gerufen wurde.

Der Gefreite Pasquale Cozzone war schon vor Ort, er kam ihm und dem Kollegen Pietro Gnarra durch das dichte Gestrüpp entgegen. Pedros wohlgeformtes Gesicht war zu einer düsteren Miene verzogen, auf seinem Kinn schimmerte ein Bartschatten, und der oberste Knopf seiner Uniform stand halb offen.

Santomauro wunderte sich: Von seinen zwei Brigadieri war eigentlich Gnarra derjenige, der weit mehr auf sein Äußeres achtete. Andererseits boten die Ereignisse dieses Tages wahrlich Anlass genug für solche Nachlässigkeiten. Dies hier war nichts als ein weiteres der unzähligen Puzzleteilchen, davon war der Maresciallo überzeugt und wusste doch zumindest, dass diesmal nicht der unsägliche Horror einer gemarterten Kinderleiche auf sie wartete.

Die Herbstsonne wärmte die Luft, und ein paar Fliegen brummten geschäftig umher. Der Maresciallo ging zu den zwei Bauern hinüber, die seelenruhig dasaßen, rauchten und ihm entspannt entgegensahen.

»Sie haben ihn gefunden«, murmelte ihm Cozzone in seiner gewohnt überflüssigen Pedanterie ins Ohr.

Ein Kessel lag umgestürzt neben einem Berg verkohlter Äste. In Santomauro blitzte eine Erinnerung auf, dann erblickte er die an den Baum gehängten Eingeweide, eine blutige Masse, die noch nicht lange aufgehört hatte zu tropfen, wie man an der ekelerregenden Pfütze zu Füßen der Kastanie sehen konnte, wo sich eine ganze Ameisenarmee tummelte.

Ein Stück daneben der Eimer mit den Gedärmen. Da der Maresciallo schon ahnte, was darin lag, warf er nur einen kurzen Blick hinein, doch der Gestank nach Fäkalien und geronnenem Blut sprang ihn förmlich an und hatte wenig gemein mit den fast aseptischen Innereien des geschlachteten Schweins von vor einigen Monaten.

Die Leiche war etwas abseits mit zwei Haken kopfüber an einer knotigen Kastanie befestigt. Der Schnitt war präzise gesetzt, die zwei Hälften hingen reglos und rosig, als warteten die Käufer schon darauf, sie abzuholen.

Das Blut war nicht aufgefangen worden, sondern aus der klaffenden Wunde am Hals auf den Boden geflossen, der jetzt blutgetränkt war. Niemand würde daraus Blutwurst machen, schoss es dem Maresciallo unpassenderweise durch den Kopf, während er schweigend um die rosige Masse aus Fleisch und Muskeln herumging, von der jegliche Körperbehaarung sorgfältig entfernt worden war.

»Maresciallo, sehen Sie nur!«

Cozzone zeigte auf einen weißen Ballon, der in einem Baum hing. Als Santomauro merkte, dass der Gefreite nichts damit anzufangen wusste,...
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Diana Fiammetta Lama, geb. 1960 in Neapel, von Haus aus Herzchirurgin, muss nach eigener Aussage über Blut schreiben, seit sie nicht mehr täglich mit echtem in Berührung kommt. Für ihren ersten Roman "Rossi come lei" erhielt sie den Premio Tedeschi, seitdem hat sie zahlreiche Kurzgeschichten und Kriminalromane veröffentlicht sowie die Krimi-Plattform www.napolinoir.it mitbegründet.