Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Gezeitenspiel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am04.08.20171. Auflage
BODYGUARD Dieses Wort versucht ein Sterbender an der windumtosten Küste der Normandie mit letzter Kraft in den Boden zu ritzen. Die Buchstaben sind eine Botschaft und führen zu Nicolas Guerlain, Personenschützer der französischen Regierung. Zur gleichen Zeit erfährt Nicolas, dass ein Anschlag auf die Feierlichkeiten in der Normandie am 6. Juni droht, dem Jahrestag der Alliierten-Landung. Ein mörderisches Spiel beginnt, das Nicolas um jeden Preis gewinnen muss, denn der Einsatz ist so hoch wie nie.

Benjamin Cors ist politischer Fernsehjournalist und hat viele Jahre für die >ARD TagesschauARD TagesthemenWeltspiegelSWR<. Er ist Deutsch-Franzose und hat die Sommer seiner Kindheit in der Normandie verbracht. Seine Krimireihe um den charismatischen Personenschützer Nicolas Guerlain hat eine große Fangemeinde, seine Bücher landen regelmäßig auf der Bestsellerliste.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBODYGUARD Dieses Wort versucht ein Sterbender an der windumtosten Küste der Normandie mit letzter Kraft in den Boden zu ritzen. Die Buchstaben sind eine Botschaft und führen zu Nicolas Guerlain, Personenschützer der französischen Regierung. Zur gleichen Zeit erfährt Nicolas, dass ein Anschlag auf die Feierlichkeiten in der Normandie am 6. Juni droht, dem Jahrestag der Alliierten-Landung. Ein mörderisches Spiel beginnt, das Nicolas um jeden Preis gewinnen muss, denn der Einsatz ist so hoch wie nie.

Benjamin Cors ist politischer Fernsehjournalist und hat viele Jahre für die >ARD TagesschauARD TagesthemenWeltspiegelSWR<. Er ist Deutsch-Franzose und hat die Sommer seiner Kindheit in der Normandie verbracht. Seine Krimireihe um den charismatischen Personenschützer Nicolas Guerlain hat eine große Fangemeinde, seine Bücher landen regelmäßig auf der Bestsellerliste.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423431224
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum04.08.2017
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1595 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.2390503
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Vorspann
Der Vorhang der Nacht




Arromanches-les-Bains, Normandie

Am Vorabend des 6. Juni


Hallo, Vater.«

Der blasse Schein einer Straßenlaterne fiel durch das schmale Fenster in den Raum, der Schatten des Holzrahmens legte sich wie ein dunkles Kruzifix auf die gegenüberliegende Wand.

Sie war kahl. Keine Bücher, keine Bilder. Keine Erinnerungen. Nur ein Schattenkreuz auf einer leeren Wand.

Der Mann, der in der Tür stand, sah die tanzenden Staubpartikel, er roch die abgestandene Luft und runzelte darüber kurz die Stirn. Dann blickte er hinab auf das Bett, das im Zimmer fast den ganzen Platz einnahm. Ein Zimmer, das so eng und staubig war wie sein eigenes Leben.

Er lächelte, es war ein warmes Lächeln an einem kalten Ort.

»Wie geht es dir heute Abend, Vater?«

Der alte Mann antwortete nicht, sein leerer Blick ging zum Fenster. Ein heftiger Sturm hatte vor einer halben Stunde die Küste erreicht, ohne jede Vorwarnung. Schwere Regentropfen klatschten gegen die Fensterscheiben und die Außenwand des alten Hauses. Klamme Feuchtigkeit kroch durch das Mauerwerk, und während er am Bett seines Vaters stand, überlegte Jean Prudhomme, warum er nicht einfach das Fenster weit öffnete und das Zimmer verließ. Der Sturm würde alles fortspülen, der unablässige Regen würde diesen Raum reinwaschen.

Sein Vater hätte nichts dagegen.

 

Das schwankende Licht der Straßenlaterne legte sich auf die hohen Wangenknochen des alten Mannes, beleuchtete seine glänzende Haut und ließ für einen kurzen Augenblick seine matten Augen glitzern.

»Hast du Durst? Soll ich dir vielleicht ein Glas Wasser holen?«

Jean zupfte mit einer behutsamen Geste das Bettlaken zurecht. Die Decke war etwas verrutscht, so dass der nackte Fuß seines Vaters herausschaute. Er deckte ihn wieder ordentlich zu und schüttelte die beiden Kopfkissen im Rücken des alten Mannes auf.

»So ist es besser, nicht wahr?«

Draußen jagte ein Windstoß durch den Hafen, Jean Prudhomme konnte das Klappern der Schiffstakelagen hören.

Ihr Haus lag direkt am Wasser, das in diesem Augenblick von einer weiteren Böe aufgewirbelt wurde. Wellen aus Gischt und Kälte prallten gegen die Kaimauer. Jean blickte aus dem Fenster, hinüber zu dem Museum, das sich auf der anderen Seite des Platzes mit breitem Kreuz gegen den Sturm stemmte. Als wollte es die unmittelbar dahinterliegenden Häuser und Geschäfte vor dem Schlimmsten bewahren.

Er zog die Vorhänge zu. Das Schattenkreuz an der Wand löste sich auf, der Herrgott verließ den Raum.

 

Jean setzte sich neben seinen Vater auf die Bettkante, aus einer Steinkaraffe goss er etwas Wasser in einen Zinnbecher und führte ihn dem alten Mann behutsam an den Mund.

»Du musst trinken, Vater.«

Aber sein Vater wollte nicht.

Jean blickte ihn nachdenklich an.

»Weißt du, Vater ... ich habe heute Nacht wieder geträumt. Von all dem, was passiert ist.«

Sein Flüstern war das Einzige, das in der beengten Stille des Raumes zu hören war.

»Ich will nur, dass alles so bleibt, wie es ist. Das verstehst du doch, oder?«

Das Gesicht des alten Mannes blieb ausdruckslos, und einen Moment überlegte Jean Prudhomme, ob sein Vater ihm überhaupt zuhörte. Doch, er tat es. Ganz sicher. Er lauschte den Worten seines Sohnes und blickte dabei aus dem Fenster, vor dem der Wind zu hören war und das Rauschen der Brandung.

 

Er klatschte in die Hände.

»Genug trübe Gedanken! Du musst mir einen Gefallen tun. Und lach mich nicht wieder aus, versprochen?«

Er holte einen zusammengefalteten Zettel aus der Brusttasche seines Hemdes und setzte seine Lesebrille auf.

»Also, ich hab dir doch erzählt, dass sie mich gefragt haben, ob ich eine kurze Ansprache halten kann, morgen, am großen Tag. Morgen ist der 6. Juni, das weißt du doch, oder? Ja, verzeih, ich weiß, das würdest du nie vergessen. Nicht du, Vater, ich weiß.«

Jean räusperte sich und stand auf. Schließlich würde er morgen auch im Stehen seine Rede halten, mit durchgestrecktem Rücken und stolzgeschwellter Brust. Sein linkes Bein, das immer zuckte, wenn er allzu aufgeregt war, würde er hinter dem hölzernen Rednerpult verstecken, das er eigens in der Tischlerei vom alten Enzo hatte anfertigen lassen. Der hatte ihn angelächelt mit seinem zahnlosen Mund und dem Bleistiftstummel hinter dem linken Ohr.

»Ah, ist es für die Rede, mein kleiner Jean Petit?«

»Nenn mich nicht so, Enzo. Ich brauche ein Pult, ich zahle auch.«

»Alle nennen dich so, warum sollte ich es also nicht tun? Jean Petit qui danse, so geht doch das Kinderlied, nicht wahr, Jean? Jean Petit, der tanzt. Und du tanzt doch gerne, dort drüben in deinem Museum, wenn die Touristen weg sind und du deine Runde drehst. Ich finde, Jean Petit passt ganz hervorragend zu dir. Bis wann brauchst du denn das Pult?«

»Bis zum 6. Juni natürlich. Spätestens.«

Der alte Enzo hatte ganze Arbeit geleistet, es war ein gutes Gefühl, an dem Pult zu stehen. Es gab ihm Sicherheit, und die würde er brauchen, mehr als alles andere.

Sicherheit und Mut.

Um das zu tun, was er tun musste. Um zu retten, was ihm heilig war.

»So, ich fange an, in Ordnung, Vater? Keine Sorge, es sind nur ein paar Zeilen, der Bürgermeister meinte, dass die meisten Gäste doch sehr betagt seien. Als ob ich das nicht wüsste, also wirklich!«

Nervös kratzte er sich am Kopf und blickte auf seinen Zettel.

»Also gut, ich habe es mir so gedacht ... Ach so, der Minister, von dem ich dir erzählt habe, er wird nun doch nicht kommen. François Faure. Es ist viel passiert, also haben sie das Programm geändert ... Ja, es ist schade, nicht wahr. Das finde ich auch.«

Er schwitzte, aber das störte ihn ebenso wenig wie das leichte Zittern seines Beines. Er hatte einmal irgendwo gelesen, dass innere Anspannung sich oft ihren Weg bahnte, dass sie hinausdrängte, als wollte der Körper sich der aufgestauten Energie entledigen. Das Zucken eines Augenlids, die unkontrollierten Bewegungen einer Hand. Nervöses Räuspern, Schwitzen, schnelle Atmung.

Oder eben das leichte Zittern eines linken Beines.

 

Draußen im Wind schlug ein Fensterladen gegen die Hausfassade, er konnte das rostige Quietschen des Schildes hören, das im Wind schaukelte und auf dem der Name des kleinen Bistros stand, das sich im Erdgeschoss befand. Das Mulberry hatte noch geöffnet, aber viele Gäste würden an diesem stürmischen Abend nicht kommen.

Los jetzt.

 

»Guten Abend ... Ich begrüße Sie alle sehr herzlich an diesem wunderbaren Ort.«

 

Zu zögerlich. Seine Stimme war zu schrill, sie prallte gegen die kahlen Wände seines alten Kinderzimmers, in dem jetzt sein Vater lag. Sein Vater, der sich einen Sturm wünschte und eine Rede bekam.

Jean meinte, ein Lachen zu hören. Es kam von unten, aus dem Gastraum.

Weiter, er durfte sich nicht ablenken lassen.

»An diesem Ort, der nicht mir gehört und auch nicht dieser Stadt. Er gehört nicht dieser Region, nein, er gehört auch nicht Frankreich. Dieser Ort ...«

So war es besser, das Zittern in seinem linken Bein ebbte ab, sein Atem wurde ruhiger. Sein Vater wartete auf die nächsten Worte.

»... dieser Ort gehört einzig und alleine Ihnen. Denn ohne Sie, ohne Ihren Mut und ohne Ihre Bereitschaft, Ihr Leben zu riskieren, wären wir nicht hier. Nicht ich. Und auch nicht die Staatsgäste, die heute unsere Strände besucht haben, um der Soldaten zu gedenken, die hier für uns gestorben sind. Und vielleicht auch, um einfach eine gute Muschelsuppe zu bekommen.«

Jean Prudhomme blickte seinen Vater an. Er freute sich noch immer, dass ihm der Satz mit der Suppe eingefallen war.

»Wie findest du das mit den Muscheln, Vater? Ich dachte mir, das Ganze kann eine kleine Auflockerung gebrauchen. Und Maman macht wirklich eine köstliche Suppe, deswegen ist unser Bistro ja auch ausgesucht worden, nicht wahr? Wegen der Suppe.«

Sein Vater hatte keine Einwände, warum sollte er auch. Er hatte immer schon Sinn für Humor gehabt.

Jean blickte wieder auf seinen Zettel, er war fast fertig.

»Das Landungsmuseum von Arromanches möchte Ihnen mit diesem neuen Film, den wir Ihnen vorführen werden, danken. Und Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die Sie selbst geschrieben haben, vor vielen Jahren. Eine Geschichte über das Leben. Und den Tod. Vor allem aber eine Geschichte darüber, wie das Leben den Tod besiegt. Wie Sie alle, die Sie hier sitzen, den Tod besiegt haben. Und wie Sie uns das Leben schenkten.«

 

Womöglich waren diese Worte etwas zu pathetisch, aber Jean fand, dass es Momente im Leben gab, die eine gewisse Größe in der Wortwahl verdienten. Und der morgige Tag war sicherlich ein solcher Moment. Er war stolz, dass sie ihn gefragt hatten. Und gerade deshalb hatte er lange nach einem passenden Schlusswort für seine kurze Ansprache gesucht. Er hatte lange überlegt, lange Nächte wachgelegen.

Dann hatte er aufgeschrieben, was ihm der Wind zugeraunt hatte.

 

Jean Prudhomme blickte zu seinem Vater, so wie er morgen in den kleinen, abgedunkelten Kinosaal des Museums blicken würde. Niemand würde etwas sagen.

Nur er.

Mit klopfendem Herzen und stolzgeschwellter Brust.

 

»Der Vorhang der Nacht erhebt sich. Und was wir sehen, ist das Ende des Bösen. Und der Beginn alles Guten....

mehr