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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
1030 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am01.07.20151. Auflage
Diese Zusammenstellung hat es in sich! Hannah ist schwanger und muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Psychologin Rosa durchlebt etliche Katastrophen, ehe sie mit ihrer selbstkreierten Weintherapie Furore macht, während Schneiderin Rosa, die eigentlich nicht an Glückskekse glaubt, einen Höhenflug nach dem anderen erlebt. Hingegen muss Tomke sich mit ihrem Singlestatus abfinden und findet Ablenkung in ihrer Frühstückspension und den bunt gemischten Gästen.mehr

Produkt

KlappentextDiese Zusammenstellung hat es in sich! Hannah ist schwanger und muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Psychologin Rosa durchlebt etliche Katastrophen, ehe sie mit ihrer selbstkreierten Weintherapie Furore macht, während Schneiderin Rosa, die eigentlich nicht an Glückskekse glaubt, einen Höhenflug nach dem anderen erlebt. Hingegen muss Tomke sich mit ihrem Singlestatus abfinden und findet Ablenkung in ihrer Frühstückspension und den bunt gemischten Gästen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783734993428
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum01.07.2015
Auflage1. Auflage
Seiten1030 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430849
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ich bin ein böser Alien

Die Lautsprecher knistern und die Stimme des Kapitäns ertönt. Als betriebe er ein Fahrgeschäft auf dem Rummelplatz und kündige eine Runde rückwärts an, macht er die Passagiere auf Turbulenzen aufmerksam, von denen das Flugzeug seit etwa einer Minute durchgerüttelt wird.

Ich halte meinen Tee fest und finde ich es schade, keinen Martini bestellt zu haben, der nun praktisch von allein geschüttelt statt gerührt werden würde. Mein Blick fällt auf die Makkaroni, die in der Aluminiumschale ebenso heftig vibrieren wie meine Sitznachbarin. Unser beider Besteck scheppert lautstark vor sich hin. Als das Flugzeug in ein Luftloch fällt und geschätzte 500 Meter an Höhe verliert, krallt die Amerikanerin neben mir die Finger in die Armlehnen, als seien diese aus Plüsch, versteift sich weiter, presst sich tiefer in den Sitz und stellt die Atmung ein. Wenngleich das Sprechen bei dem Gerüttel ziemlich riskant ist und ich mir die Zunge dabei abbeißen könnte, versuche ich, sie zu beruhigen und sage ihr, dass solche Turbulenzen über dem Atlantik etwas völlig Normales sind.

Ich spreche aus Erfahrung. Leider.

Ein Witz aus Kindertagen fällt mir ein: Mami, ich will nicht nach Amerika! - Sei still und schwimm weiter! Ich beiße mir auf die Lippen, um meine Gedanken für mich zu behalten, denn meine Nachbarin würde das wahrscheinlich nicht lustig finden. Schließlich will so ziemlich jeder gern nach Amerika. Nur ich, ich will nicht! Und ich habe viele gute Gründe.

Erstens: In weniger als einer Woche ist Weihnachten, und eigentlich hatte ich etwas ganz anderes vor. Eigentlich sollte ich mich auf dem Weg in die Heimat befinden. Statt Stille und Gemütlichkeit in meinem schläfrigen Mühlhausen erwarten mich Getöse und Hektik in New York City. Statt mit meinen Freundinnen über die mittelalterlichen Weihnachtsmärkte auf der Eisenacher Wartburg und dem Erfurter Domplatz zu tingeln, hetze ich in den kommenden Tagen an der Seite von Fremden von einem Meeting zum nächsten. Statt Thüringer Rostbratwurst werde ich Hamburger essen, statt des wohlverdienten Glühweins gibt es stilles Wasser, das nach Chlor schmeckt.

Zweitens: Das war so nicht ausgemacht! Als Produktmanagerin im Export hat mich die Berliner Firma Winterfeld & Scharff vor anderthalb Jahren zur Betreuung Österreichs und der slawischen Länder eingestellt, was für mich ein purer Glücksgriff war, denn die Mentalitäten dieser Länder liegen mir sehr. 14 Monate lang war ich in diesen schönen Landen unterwegs und verkaufte unsere Messer so erfolgreich, dass die Firma es für angebracht hielt, mir eine größere Verantwortung zu übertragen und mich in die Metropolen des Mittleren Ostens der USA zu schicken. Einst war ich mir sicher, den Boden zwischen Pazifik und Atlantik niemals zu betreten - und nun fliege ich ständig dorthin. Sicher war ich mir deshalb, weil die amerikanische Mentalität und meine eigene zwei Welten sind, völlig unvereinbar, und ich nicht im Traum daran dachte, jemals eine Ausnahme zu machen, die zur Regel werden würde.

Drittens: Mein Magen braucht Urlaub. Seit einigen Tagen rebelliert er gegen meinen Dauerstress mit einer nahezu konstanten, leisen, aber nervigen Übelkeit. Bei meinem Wegzug aus Thüringen habe ich mir ein buntes, ausgefülltes Leben in Berlin vorgestellt. Doch das Einzige, was ich in Berlin mache - wenn ich mal da bin -, ist arbeiten. Leben, das ist bisher nur was für den Schimmel auf dem Käse in meinem Kühlschrank.

Viertens: Gruselpost in meinem Briefkasten. Ich will gar nicht daran denken, dennoch krame ich den Umschlag aus meiner Handtasche. Unfrankiert und nicht beschriftet ist er, was bedeutet, dass er vom Verfasser persönlich eingeworfen wurde. Ein einzelnes Blatt Papier ist enthalten, und zum x-ten Mal falte ich es auf, starre auf das Bild, das beinahe die gesamte Seite einnimmt. Es ist Gustav Klimts Danaë. Darunter stehen vier Zeilen:

Süße Danaë, schlaf ein!

Sei brav für mich!

Mach die Augen zu

und wieg dich in Ruh!

Da die Danaë ein Rotschopf ist wie ich, wäre ein Irrläufer ein merkwürdiger Zufall. Um die in der Lyrik versteckte Drohung zu erkennen, muss man kein Interpretationsgenie sein, und die Ahnung, wer sich solche Mühe beim Reimen gegeben hat, macht mich stinksauer: Dagmar Dapperheld-Dängeli, meine Kollegin und der eigentliche Grund für die Änderung meiner Zuständigkeiten. Die einstige Verantwortliche für die Ostküste und den Mittleren Westen der USA entwickelte eine Faszination für einen Mitarbeiter des New Yorker Großhändlers Williams Ltd., ein langjähriger Geschäftspartner. Das war meinem Chef Dr. Winterfeld offenbar ein Dorn im Auge, insbesondere weil Frau Dapperheld-Dängeli verheiratet ist. Der Angebetete selbst weiß wohl bis heute nichts von der Verehrung. Diese wurde lediglich innerhalb unseres Unternehmens in allen Abteilungen thematisiert - ein weiterer Dorn in Dr. Winterfelds Auge. Damit sich wieder jeder auf seine eigentliche Tätigkeit konzentriert, wurden die Zuständigkeitsbereiche kurzerhand getauscht und ich verlor meine schönen Lande. Statt eines schlechten Gewissens bekam meine Kollegin einen Tobsuchtsanfall und meinte, ich würde mein intrigantes Verhalten bitter bereuen. Dabei war ich die Einzige, die nicht über sie tratschte. Ich machte ihr nicht einmal einen Vorwurf und ertrug alle folgenden Sticheleien, ohne den erwünschten Zank zu beginnen. Ich bin nämlich ein friedliebender Mensch, der das Beste auch aus Situationen zu machen versucht, in die man mich eher schiebt, als dass ich freiwillig oder gar unbedacht hineinlaufe. Aber irgendwann ist selbst bei mir das Fass voll, bei Drohbriefen läuft es über, und denke ich nur daran, wie sich diese Frau gestern von mir verabschiedet hat â¦ Nach einem Schnäuzen ins Taschentuch und mit Tränen in den Augen hat sie mir einen guten Flug gewünscht und viel Vergnügen in New York mit â¦ Der Name ging in ihrem Schluchzen unter.

Samuel Klingenberg heißt er, der Ahnungslose, der mich in wenigen Stunden auf dem JFK in Empfang nehmen wird. Der Name genügt, um meine Fantasie auf Hochtouren zu bringen. Samuel? Das klingt nach einem langweiligen, schmächtigen Männlein. Und Klingenberg? Ein Nachkömmling von Einwanderern? Jüdisch vielleicht? Irgendwie macht der Name einen hochtrabenden und spießigen Eindruck. Er hört sich an wie grüner Wollpullover und khakifarbene Cordhosen von Bloomingdale s.

Nach den Flugturbulenzen erwarten mich die Einreiseturbulenzen als Konsequenz des 11. Septembers. Als USA-Vielfliegerin sollte das Folgende eine meiner leichtesten Übungen sein, aber das wird es nie werden. Chicago und Washington waren unvergessliche Erfahrungen, doch New York besitzt den Ruf, in puncto Einreise der schlimmste aller amerikanischen Flughäfen zu sein.

Kaum setze ich einen Fuß auf amerikanisches Territorium, erspähe ich die erste düster dreinblickende, bewaffnete Gestalt in Uniform. Der Mann bellt los und brüllt zwei vor mir gehende Jungs an, die ihre Reisepässe nicht wie vorgeschrieben in der linken Hand halten, sondern in der Brusttasche stecken haben. Die beiden erschrecken und jede freudige Erwartung fällt aus ihren Gesichtern. Weiter hinten lauert eine Frau, deren Aufgabe es ist, ununterbrochen zu schreien, um den näher rückenden Massen begreiflich zu machen, an welchem Schalter sie sich anstellen sollen. Ähnlich wie auf einer feinen Party: Herren links, Damen rechts. Allerdings sind wir hier nicht auf einer feinen Party, sondern offenbar im Land der weltweit einzigen Menschen, die lesen können - und zwar große Buchstaben auf zwei Schildern: US Citizens sowie Non-US Citizens . Auf Letzteres hätten sie ebenso gut Other Crap , sinngemäß mit Anderer Krempel zu übersetzen, schreiben können. Uns anderen Krempel im Auge behaltend, steht die Uniformierte zum Sprung bereit wie ein Cowboy, darauf gefasst, das aus der Spur brechende Vieh zusammenzutreiben. Bewegt sich eines davon in die Nähe der Warteschlangen, an denen sich ausschließlich US-Bürger anstellen dürfen, ertönt doppelt so lautes Gebrüll. Die Jungs vor mir murren.

Normalerweise reagieren Europäer empfindlich auf genau diese respektlose Art und den Tonfall, der vermittelt, ein unerwünschter Gast zu sein. Nicht bei der Einreise in die USA. Da schweigen alle betroffen, ziehen die Köpfe ein und hoffen, bloß reingelassen zu werden. Egal, ob man dafür als Angehöriger einer minderwertigen Rasse oder gar als potenzieller Terrorist abgestempelt wird. Oder als ein böser Alien wie im Lied von Sting gern verstanden wird. Um mir die Zeit zu vertreiben singe ich in Gedanken: Oooh-oooh, I m an alien, I m an evil alien â¦

Die Schlange der privilegierten Amerikaner an den Schaltern der US-Bürger ist lange verschwunden, da trete ich in der Reihe des Other Crap von einem Fuß auf den anderen und beobachte die arbeitslosen Beamten links von mir. Die einen kauen Fingernägel, andere sind in dumpfes Brüten verfallen, der Rest popelt. Meine Beine fühlen sich an wie Blei, mein Magen ist noch immer gestresst, meine Geduld am Ende und mein Ärger über die Dapperheld-Dängeli, der ich dies alles zu verdanken habe, ist so groß, dass ich sie mit einem Anruf am liebsten aus dem Bett klingeln und anschreien möchte. Schluss mit freundlich und verständnisvoll!

Endlich fasst einer der Sicherheitsbeamten die mutige Entscheidung, ein paar definitiv ungefährliche Deutsche zu den Schaltern der Amerikaner durchzulassen. Ich bin dabei! Wenig später trete ich an den Schalter. Der Mensch dahinter leidet an einer Überdosis Coolness. Er liegt...

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