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E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
320 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am31.08.20181. Aufl. 2018
Wehe, wenn sie losgelassen!

Obwohl er eigentlich längst in Rente ist, bietet Helmut seine Dienste gleich mehreren Arbeitgebern an: Madame Lambert, für die er täglich kocht, einer Teleshopping-Hotline, deren Kunden er Küchenzubehör anpreist, und einer Tarot-Hotline, für die er in die Zukunft schaut. Helmut ist mit seinem Leben zufrieden. Bis ihn eine Anruferin in Alarmzustand versetzt, indem sie behauptet, dass ihr Mann sterben wird - 'so sicher wie das Amen in der Kirche'. Gut, dass Helmut in Hildchen eine loyale Freundin hat, die bereit ist, mit ihm an den Ort zu reisen, an dem der Mord stattfinden soll. Und auch Madame Lambert ist sofort Feuer und Flamme ...



Ellen Jacobi, 1960 am Niederrhein geboren, entdeckte als Tochter einer Bibliothekarin und Märchenbuchsammlerin früh ihre Liebe zu Büchern und zum Geschichtenerzählen. Nach einem Literatur- und Anglistikstudium arbeitete sie als Reiseleiterin und Lehrerin in England. In Deutschland war sie als Redakteurin für Tageszeitungen und Magazine tätig. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Köln.
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Produkt

KlappentextWehe, wenn sie losgelassen!

Obwohl er eigentlich längst in Rente ist, bietet Helmut seine Dienste gleich mehreren Arbeitgebern an: Madame Lambert, für die er täglich kocht, einer Teleshopping-Hotline, deren Kunden er Küchenzubehör anpreist, und einer Tarot-Hotline, für die er in die Zukunft schaut. Helmut ist mit seinem Leben zufrieden. Bis ihn eine Anruferin in Alarmzustand versetzt, indem sie behauptet, dass ihr Mann sterben wird - 'so sicher wie das Amen in der Kirche'. Gut, dass Helmut in Hildchen eine loyale Freundin hat, die bereit ist, mit ihm an den Ort zu reisen, an dem der Mord stattfinden soll. Und auch Madame Lambert ist sofort Feuer und Flamme ...



Ellen Jacobi, 1960 am Niederrhein geboren, entdeckte als Tochter einer Bibliothekarin und Märchenbuchsammlerin früh ihre Liebe zu Büchern und zum Geschichtenerzählen. Nach einem Literatur- und Anglistikstudium arbeitete sie als Reiseleiterin und Lehrerin in England. In Deutschland war sie als Redakteurin für Tageszeitungen und Magazine tätig. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Köln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732556489
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum31.08.2018
Auflage1. Aufl. 2018
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2510013
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Helmut gießt die Brühe ab. Goldbraun strömt Flüssigkeit durchs Sieb in die Schüssel, die in einer alterskrummen Spüle steht. Immerhin ist es dank des runden Fensters über dem Wasserkran eine Spüle mit Ausblick. Es erinnert an ein Bullauge und erfreut Helmut als ehemaligen Kombüsenchef doppelt. Lang ist s her, aber unvergesslich. Zwar geht das Glasrund nicht aufs Meer, aber zumindest auf ein Kirchenschiff - das von St.Bruno in Köln-Klettenberg samt kupferspangrünem Glockenstuhl.

Der Herr ist sozusagen jetzt sein Lotse. Bislang haben sie einander höflich ignoriert. Na, es gibt miesere Aussichten als die auf eine Kirche und schlechtere Schlafplätze als seine Mansarde. Bis vor sechs Monaten war ein verbeulter Sprinter Helmuts Zuhause. Tagsüber klapperte er mit der Rostlaube als Entrümpler und Trödler Haushaltsauflösungen und Flohmärkte ab. Nächtens parkte er den Transporter unter Rheinbrücken und schlief zwischen Gerümpel, Gaskocher und Waschgelegenheit. Als Strandgut eines rastlosen Weltenbummlerlebens. Das ist dank Madame Lambert vorbei und gut so.

Mit bald 66 Jahren ist es an der Zeit, vor Anker zu gehen und sesshaft zu werden. Er hat genug Abenteuer für drei Leben gehabt. Ist endlos rumgestromert zu Wasser und zu Lande. Was er jetzt anstrebt ist Ruhe. Endlich Ruhe. Nicht die ewige, versteht sich, und - so Gott will - Nicoletta.

Helmut schüttet die abgeseihte Brühe zurück in den Topf, sein Blick streift die Turmuhr. Die Zeiger glänzen in vollkommenem Septemberlicht. Gleich elf. Jetzt aber fix, die Bügelwäsche für die Witwe Käsmacher von nebenan wartet, und zum Mittwochsmarkt will er auch noch. Für den Abend benötigt er noch eine Seezunge für seine Vermieterin Madame Lambert drei Stockwerke tiefer, und mit der reizenden Polin vom Reibekuchenstand lässt es sich nett schäkern. Er muss in dieser Hinsicht wieder in Übung kommen. Jahrelang war er als Charmeur und Gentleman völlig eingerostet.

Aus gutem Grund.

Ein Grund, an den er nicht mehr denken will. Nie mehr. Zwei Jahre Trauer und Erstarrung auf Kreta waren genug. Trostloser als Knast - und er weiß, was Knast ist - war diese Zeit. Helmuts Gesicht verschattet sich trotzdem, seine Seele flaggt reflexhaft Trauer. Das hat er nun davon, dass er sich wieder auf die Liebe einlassen will.

Der Geruch von Bleichmittel will ihm in die Nase steigen, in seinen Erinnerungen flackert Neonlicht, quietschen Gummisohlen auf Krankenhauslinoleum.

Nichts da, wehrt sich Helmut gegen die ohnmächtige Wut, anbrandende Schuldgefühle und alten Schmerz, die ihn anspringen wollen wie ein scharf gemachter Kettenhund. Er schüttelt energisch den Kopf. Das Ganze ist über zwanzig Jahre her. Er hat endlich eine Chance, wieder richtig Tritt zu fassen, und wird sie nutzen. Denn jetzt gibt es Nicoletta. Er wird das Ruder noch mal rumreißen, sein Leben endlich in ruhiges Fahrwasser lenken.

Hoppla, nautische Metaphern sind ihm gewöhnlich zuwider, und er klingt wie ein komplett vernarrter Trottel. Fehlt nur noch der Hafen der Ehe. Nun, warum nicht?, denkt Helmut kampflustig. Diesmal wird er alles richtig machen, wird »auf jeden Regentropfen achten«, der seine Liebste erschlagen könnte, wie es sehr frei nach Brecht heißt.

Sein Herz wagt einen zaghaften Freudenhüpfer. So was, dass es das noch kann! Helmut erlaubt sich ein krumm-seliges Griemeln. Wunder gibt es immer wieder, summt Katja Ebstein in ihm und nimmt vor seinem inneren Auge Gestalt an - in ultraknappem Minirock, wallendem Maximantel und silbernen Glamrockstiefeln. Ganz wie weiland 1970, als sie beim Grand Prix in Amsterdam zumindest optisch die höchste Punktzahl erreichte.

Nicht, dass er Katja Ebsteins Schlager sonderlich schätzt, aber ungefähr so wie die Ebstein hat Nicoletta früher ausgesehen. Ein Mädchen wie ein Blitzeinschlag. Sie schien nur aus Haaren und Beinen zu bestehen, ein Rotschopf mit großen grasgrünen Augen war sie ebenfalls. Die dürften ihr geblieben sein - oder?

Hoffentlich postet sie bald ein Bild. Er will da nicht drängeln, Frauen sind in Fragen des Alterns bekanntlich heikel, aber sein Foto hat sie schon. Mit gestutztem Vollbart, schlohweißer Mähne, Schlips, Kragen, Sonntagslächeln und überreichlich Wetterfalten hat er im Drogeriemarkt zwischen Tiernahrung und Gesundheitstee Porträt gesessen. Der Kodak-Automat hat die zerfurchte Wahrheit biometrietauglich ausgespuckt. Sie hat Nicoletta nicht abgeschreckt. Im Gegenteil mailt sie nun fast täglich, und es gibt niemanden mehr, der ihre Post an ihn und seine an sie abfangen kann - wie damals im fromm vermuckten Wermelskirchen.

Egal und vorbei. Alte Liebe rostet nicht. Nicht seine und vor allem nicht so eine. Er war sein Leben lang ein rastloser Streuner, aber auch ein treuer Hund. Wenn es um das größte aller Gefühle geht, war er immer schrecklich unmodern. Von Jugend an. Häufig ist er der großen Liebe freilich nicht begegnet, streng genommen nur zweimal.

Zum letzten Mal auf Kreta. Helmut blendet die Sonnenbilder der ersten Begegnung mit Penelope aus, bevor deren jäher Tod sie wieder eintrübt, und zoomt alte Schulhofszenen von erstaunlicher Schärfe heran. Er sieht sich als Teenager und Milchbart neben Hildchen Trautwetter, seiner besten Freundin, auf einer Bank sitzen, um Geheimnisse, Albernheiten und Brote zu tauschen. Dabei hat ihn die Liebe zum ersten Mal erwischt! In Gestalt von Nicoletta, dem Blitzschlag, dem Schulschwarm. Das vergisst man nicht. Noch weniger die heimlichen Küsse hinter dem Hausmeisterkiosk. Seine ersten Küsse überhaupt.

Sentimentaler Hund!, ruft Helmut sich zur Ordnung. Vor der Liebe kommt die Pflicht. Und das Geldverdienen. Dank Finesse, Facebook und ein paar Kleinanzeigen hat er nicht nur Nicoletta und alte Seekameraden wieder aufgespürt oder ist - wie im Fall vom guten alten Hildchen Trautwetter - gefunden worden, er hat sich auch reichlich Minijobs an Land gezogen.

Schließlich will er Nicoletta, die finanziell in Bedrängnis geraten zu sein scheint, mehr als seine karge Seemannspension bieten, wenn er sie demnächst, hoffentlich bald, trifft. Zum ersten Mal nach fast fünfzig Jahren!

Sein Neffe Alexander hatte ausnahmsweise recht: Das Internet schafft in jedem Alter grenzenlose Möglichkeiten. Gut, dass er dem nassforschen Spund gestattet hat, den Computer-Kladderadatsch hier oben in der Mansarde für ihn einrichten zu lassen. Samt Smartphonegedöns, Laptop, Freisprechanlage und Headset für die telefonische Logistik und seine Heimarbeiten.

»Homeoffice-Jobs per Inboundcalls«, nennt Alexander das. Der Junge kennt sich aus in Sachen Web und hat Helmuts virtuelle Angebote im Google-Ranking geschickt nach oben manipuliert. Alexander macht richtig dickes Geld mit irgendwelchem Softwarequatsch und damit ihrem gemeinsamen Familiennamen - Gier - alle Ehre. So wie schon sein Vater, Helmuts Bruder, und davor sein Großvater, also Helmuts Vater. Kaltherzige Geldscheffler und Raffzähne vom Stamme Nimm waren das. Leider kommt Alexander - obwohl früher ein reizender Bengel - inzwischen ganz nach denen.

Nur er, Helmut Gier, ist aus der Art geschlagen. Ist auch besser so, findet Helmut und hebt das Sieb aufs Abtropfblech. In seiner kurzen Phase als erfolgreicher Gastronom und Clubkönig auf Kreta hat er nur schlechte Erfahrungen gemacht. Nichts zerstört den Charakter mehr als Geld. Gier ist nichts anderes als fehlgeleitete Sehnsucht, wie seine Familie immer wieder aufs Schönste bewiesen hat.

Helmut greift zu einem Löffel, schmeckt kurz die Suppe ab. Donnerlittchen, Schweinerippchen! Hat schon richtig Wumms, seine Brühe. Das kommt vom Ochsenschwanz, der nun im Sieb ausdampft. Madame Lambert legt heute wieder Wert darauf, un peu malade zu sein und nur Schonkost in Form von Kraftbrühe zu vertragen. »Und abends Seezungenröllchen in Zitronenbutter.«

Pünktlich um halb zehn wie jeden Morgen hat sie telefonisch ihre Essensbestellung bei ihm aufgegeben. Mit einer Stimme fragil wie Glas.

Angesichts der halben Flasche Lillet mit Kirschwasser, die sie gestern Abend nach eigenem Bekunden mit einer Freundin verkümmelt hat, und ihres Alters von fast 86 Jahren muss man sich über eine gewisse Zerbrechlichkeit am Morgen danach nicht wundern. Madame Lambert, verarmt geborene Freiin Anike zu Polwitz und Diva aus Leidenschaft, zwitschert sich gern einen und macht hernach das Meiste und Beste aus jedem Anflug von Unwohlsein - ob eingebildet oder echt. Als geschiedene Gattin eines französischen Botschafters, die in der ganzen Welt zu Gast war und an dienstbare Boys, Chauffeure, Haushälterinnen und Kindermädchen gewöhnt ist, lässt sie sich völlig schamfrei betüddeln.

Ihren Hang zu Schnaps und Likör und das Talent zum genüsslichen Krankfeiern hat sie sich - so mutmaßt Helmut - nach ihrer unschönen Scheidung vor zwanzig Jahren angeeignet. Neben der halben französischen Diplomatenpension ihres Ehemaligen und einem Jugendstil-Mietshaus in Klettenberg. Einem Viertel, in dem es von betuchten älteren Damen zu wimmeln scheint und wo sie einst das Licht der Welt erblickte.

Aller Malaisen zum Trotz ist Madame zäh wie Ziegenleder und eine unverwüstliche Kämpferin, die kein Scharmützel scheut - was Helmut imponiert, auch wenn er dem Gefecht oft zum Opfer fällt. Madame Lambert wird ihn gewiss um Jahre oder gar ein Jahrzehnt überleben.

Na, noch lebt er und hat gut zu tun. Das Bügelbrett wartet, und die Brühe muss zum Reduzieren auf den Herd. Helmut streift sich Backhandschuhe über, hievt den heißen...

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Autor

Ellen Jacobi, 1960 am Niederrhein geboren, entdeckte als Tochter einer Bibliothekarin und Märchenbuchsammlerin früh ihre Liebe zu Büchern und zum Geschichtenerzählen. Nach einem Literatur- und Anglistikstudium arbeitete sie als Reiseleiterin und Lehrerin in England. In Deutschland war sie als Redakteurin für Tageszeitungen und Magazine tätig. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Köln.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt