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Der Herr der Nussknacker

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Verlag Freies Geisteslebenerschienen am13.08.20141. Auflage
Hass, Angst, Grauen, Verzweiflung und Sehnsucht nach Frieden - das sind Gefühle, wie sie in jedem Krieg viele Menschen durchmachen. Johnny erlebt sie besonders intensiv, als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht. Denn er merkt nicht nur, wie sich die Atmosphäre bei ihm zu Hause in England verändert. Und er erfährt auch nicht nur durch die Briefe seines Vaters, des Spielzeugmachers, von den Ereignissen an der Front. Er spielt sie mit seinen kleinen, aus Holz geschnitzten Soldaten nach und mit. - Was wäre, wenn er sie durch sein Spiel auch vorausbestimmen könnte?

Iain Lawrence, geboren in Sault Ste. Marie, Ontario, studierte Publizistik und arbeitete für verschiedene kleinere Zeitungen. Er ist begeisterter Segler, Kenner einsamer Inseln, Journalist und Jugendbuchautor und lebt auf den Gulf Islands in British Columbia. Zunächst verfasste er zwei Reisebücher, bevor er sich dem Schreiben von Jugendromanen zuwandte.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextHass, Angst, Grauen, Verzweiflung und Sehnsucht nach Frieden - das sind Gefühle, wie sie in jedem Krieg viele Menschen durchmachen. Johnny erlebt sie besonders intensiv, als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht. Denn er merkt nicht nur, wie sich die Atmosphäre bei ihm zu Hause in England verändert. Und er erfährt auch nicht nur durch die Briefe seines Vaters, des Spielzeugmachers, von den Ereignissen an der Front. Er spielt sie mit seinen kleinen, aus Holz geschnitzten Soldaten nach und mit. - Was wäre, wenn er sie durch sein Spiel auch vorausbestimmen könnte?

Iain Lawrence, geboren in Sault Ste. Marie, Ontario, studierte Publizistik und arbeitete für verschiedene kleinere Zeitungen. Er ist begeisterter Segler, Kenner einsamer Inseln, Journalist und Jugendbuchautor und lebt auf den Gulf Islands in British Columbia. Zunächst verfasste er zwei Reisebücher, bevor er sich dem Schreiben von Jugendromanen zuwandte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783772540417
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum13.08.2014
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1509 Kbytes
Artikel-Nr.3129775
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1. KAPITEL

Mein Vater war Spielzeugmacher, der beste von ganz London. Miniaturschlösser und Marionetten, Straßenbahnen, Eisenbahnzüge und Kutschen entstanden unter seinen Händen. Er hatte für Prinzessin Mary ein Steckenpferd geschnitzt, auf dem sie durch den Ballsaal im Buckingham Palace ritt. Das Schönste jedoch, was mein Vater je gemacht hat, war eine Armee von Nussknackersoldaten.

Er schenkte sie mir zu meinem neunten Geburtstag: dreißig aus Holz geschnitzte Soldaten. Jeder Einzelne trug einen Helm, hohe schwarze Stiefel und ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett, und aus jedem Mund grinste eine Reihe schneeweißer Zähne, die in der Sonne blitzten.

Sie waren so schön, dass sich jeder Junge selbst welche wünschte, wenn er sie einmal gesehen hatte. Doch mein Vater schnitzte keine anderen. «Sie sind einzigartig», sagte er. «Das sind nämlich ganz besondere Soldaten.»

Da ich keine feindliche Armee hatte, gegen die meine Nussknacker kämpfen konnten, ließ ich sie über den Küchenboden marschieren und Kartenhäuser niederwalzen. Ich ging davon aus, dass keine andere Armee es auch nur wagen würde, meine grimmig dreinblickenden Soldaten herauszufordern.

Als ich zehn Jahre alt war, brach in Europa der Krieg aus - der Krieg, der angeblich allen Kriegen ein Ende setzen sollte. Das Kaiserheer marschierte in Luxemburg ein, und schon bald war ganz Europa auf der Flucht.

Doch für mich begann der Krieg erst richtig an dem Tag, als der Fleischer in unserer Straße verschwand und seine Ladentür unerklärlicherweise plötzlich verschlossen war. Drinnen hingen die riesigen Fleischrümpfe an den Haken, und auf dem Tresen lag das rosafarbene Fleisch aufgeschichtet zum Verkauf bereit. Doch von Fatty Dienst, der mich noch am Vortag - wie immer - mit breitem Grinsen und herzhaftem Lachen begrüßt hatte, fehlte jede Spur. Er hatte - wie immer - ein Stück leckere Wurst mit seiner daumenlosen Hand aus der Schürzentasche geholt und - wie immer - gesagt: «Schau, was ich gefunden habe, Johnny.» In seiner Aussprache klang mein Name wie Tschonny. «Das ist eine gute deutsche Wurst, Tschonny», hatte er gesagt.

An jenem Abend fragte ich meinen Vater: «Was ist mit Fatty Dienst passiert?»

«Du meinst den Fleischer?», sagte mein Vater. «Ich denke, der ist nach Hause gegangen, zu all den anderen Fleischern. Hat sich wohl auch dieser Fleischerarmee angeschlossen.»

Das konnte ich nicht verstehen. Die beiden waren immer gute Freunde gewesen. Oft hatte ich gesehen, wie mein Vater über Fattys Witze gelacht oder der Deutsche ihm augenzwinkernd eine Scheibe mehr zu seinem Schinken gelegt hatte.

«Dieser Mann war mir immer schon verdächtig», sagte Vater.

Dann verschwanden die anderen. Mr. Hoffman, der Friseur, Henrik, der Schuhmacher, Willi Kempf, der Hausmeister. Einer nach dem anderen verschwand, und bald blieb von allen Deutschen, die ich gekannt hatte, nur Siegfried übrig: der arme kleine Kellner Siegfried. Ich ging mit einem seiner Söhne zur Schule.

Doch es dauerte nicht lange, da verschwand auch er, zusammen mit Frau und Kindern; alle mit einem Pappkoffer in der Hand. Eine Gruppe von Burschen und bellenden Männern trieb sie wie eine Schafherde durch die Straßen. Einige meiner Freunde tanzten um den bedauernswerten Mann herum, der sich so langsam und so traurig fortbewegte, dass es mir zum Weinen zumute war.

Mein Vater hatte die Szene mit mir aus dem Fenster unserer Wohnung beobachtet. Er war außer sich. «Weißt du, was der Kerl gemacht hat?»

«Er war Kellner», sagte ich.

«Hat den Leuten weisgemacht, er sei Schweizer», sagte Vater mit geballten Fäusten. «Als ich seinen Pass gesehen habe, wurde mir klar, was für ein Halunke er war.»

Und so gingen sie mit ihren kleinen Pappkoffern die Straße lang zum Bahnhof an der Victoria Street. Mein Vater riss das Fenster auf und rief ihnen hinterher: «Macht, dass ihr fortkommt, nach Hause mit euch!» Auch das konnte ich nicht verstehen. Ihr Zuhause lag doch gleich um die Ecke, und noch vor einer Woche hatte ich gesehen, wie mein Vater dem kleinen Siegfried nach unserem Mittagessen im Bahnhofsrestaurant der Paddington Station einen Sixpence zugesteckt hatte. Heute war er voller Hass auf ihn, und ich konnte nicht verstehen, wie jemand, der gestern noch sein Freund gewesen war, heute plötzlich sein Feind war.

Dann eroberte das Kaiserheer Belgien. Im Lichtspielhaus sah ich hunderte von Soldaten marschieren, die mit ihren schwarzen Stiefeln und silbernen Pickelhauben genau wie meine Nussknacker aussahen. Sie flimmerten mit steifen, am Körper anliegenden Armen und in die Höhe schwingenden Beinen über die Leinwand. Sie marschierten unentwegt, als könne sie niemand aufhalten. Damals fragte ich meinen Vater erstmals: «Kannst du mir ein paar Franzosen schnitzen? Und ein paar Tommys?»

Mein Vater konnte mir keinen Wunsch abschlagen. Und so ging er in seinen Laden und schnitzte, bis er mir einen winzig kleinen Franzosen nach Hause brachte. Der Soldat marschierte mit ausladendem Schritt und trug einen blauen Waffenrock mit zurückgeknöpften Aufschlägen. Ich nannte ihn Pierre. Am nächsten Tag brachte Vater mir einen Tommy mit. Auf seinem Ärmel war der kleinste Union Jack aufgemalt, den ich je gesehen hatte. Ich stellte den Tommy am 5. August 1914 aufs Schlachtfeld, dem Tag, an dem Großbritannien in den Krieg zog.

Ganz London schien zu feiern. Hunderte, ja tausende von Männern zogen in endlosen Jubelparaden durch die Stadt. Singend marschierten sie im Gleichschritt am Spielzeuggeschäft meines Vaters vorbei, Frauen jubelten ihnen zu, während Kinder geduckt durch die Reihen der Marschierenden huschten. In schier endloser Zahl paradierten sie durch einen Regen von Rosenblättern, und ihre Stiefel prallten so hart auf den Asphalt, dass die kleineren Spielsachen auf den Regalen im Geschäft meines Vaters erzitterten. Doch mein Vater marschierte nicht mit.

«Meldest du dich nicht?», fragte ich ihn. «Ziehst du nicht in den Krieg?»

«Johnny», sagte er, «ich glaube, der König kann mich jetzt nicht gebrauchen.»

Wir sahen zu, wie sie an uns vorbeimarschierten, die neuen Soldaten. Sie waren so sauber und fein, als kämen sie gerade aus der Werkstatt eines Spielzeugmachers.

«Willst du denn nicht in den Krieg?», fragte ich.

«Und was sollte dann mit dir werden? Und mit deiner Mutter?» Er schüttelte den Kopf. «Nein, Johnny. Ich glaube, ich bin hier besser aufgehoben. Es gibt Leute, die müssen ihre Pflicht zu Hause erfüllen.»

«Was für eine Pflicht?», fragte ich. Die Soldaten marschierten immer noch an uns vorbei.

«Nun», sagte er. «Muss ich nicht deine kleine Armee aufbauen? Jemand muss doch deine Nussknacker aufhalten.»

Die Nussknacker hatten beinahe schon die ganze Küche erobert. Sie drangen bereits ins Wohnzimmer vor, wo sich mein einsamer Pierre tapfer wehrte. Dann trat meine Mutter aus Versehen auf meine Armee und brach einem meiner Nussknackersoldaten die Hand ab.

«Schau nur, was du getan hast!», rief ich.

«Oh, Johnny, das tut mir wirklich Leid», sagte sie. «Aber müssen deine Soldaten einem denn vor den Füßen herumlaufen? Kannst du nicht woanders spielen?»

Also ließ ich sie ins Wohnzimmer vorpreschen, angeführt von dem Mann ohne Hand. Ich stellte mir vor, es sei Fatty Dienst. «Vorwärts!», rief er, während sich der Franzose immer weiter zurückzog. «Vorwärts für Deutschland!»

Ein paar Häuser weiter, in der Fleischerei, wurde das Fleisch erst grau, dann braun. Ein furchtbarer Gestank drang durch die Tür auf die Straße hinaus. Jemand hatte das Glas eingeschlagen, doch ein Bobby kam und machte es mit Brettern wieder dicht. Und die Deutschen marschierten weiter Richtung Westen, durch Flandern, und trieben - ebenso mühelos wie meine Nussknacker - den Feind vor sich her.

Ambulanzen mit verletzten Frontsoldaten ratterten am Laden meines Vaters vorbei. Die Leute auf der Straße wandten sich um und jubelten ihnen ebenso lautstark zu wie den Soldaten, die in die andere Richtung marschiert waren. Überall wurden große Plakatwände aufgestellt, auf denen zu lesen war: Dein Land braucht dich. Und immer mehr Soldaten marschierten durch die Straßen der Stadt. Doch mein Vater blieb zu Hause. Mann für Mann rüstete er meine kleine französische Armee auf.

«Ist Papa ein Feigling?», fragte ich meine Mutter.

«Natürlich nicht», sagte sie.

«Und warum nimmt er nicht am Krieg teil?»

«Nun, er mag nicht darüber reden, aber er ist nicht groß genug, Johnny.»

«Nicht groß...
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Autor

Iain Lawrence, geboren in Sault Ste. Marie, Ontario, studierte Publizistik und arbeitete für verschiedene kleinere Zeitungen. Er ist begeisterter Segler, Kenner einsamer Inseln, Journalist und Jugendbuchautor und lebt auf den Gulf Islands in British Columbia. Zunächst verfasste er zwei Reisebücher, bevor er sich dem Schreiben von Jugendromanen zuwandte.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt