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Der Geist

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
328 Seiten
Deutsch
Verlag Freies Geisteslebenerschienen am25.11.20141. Auflage
Er war mager, weiß wie Kreide, ein Gipsjunge in weiten, ausgebeulten Kleidern ... An mehr als hundert Samstagen hatte er keinen einzigen Zug verpasst. Wunderbar erzählt ist diese Geschichte eines Jungen, der als Albino für immer ausgestoßen zu sein meint, bis er von überraschender Seite Zuneigung findet und eine ganz andere Seite des Lebens kennen lernt.

Iain Lawrence war nach dem Publizistikstudium in Vancouver für verschiedene Zeitungen tätig. Dann ließ er sich in der Küstenregion nieder, wo er zuerst in der Hafenstadt Prince Rupert lebte und später als Wärter eines abgelegenen Sendeturms arbeitete. Heute lebt Iain Lawrence auf den Gulf Islands in British Columbia.
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Produkt

KlappentextEr war mager, weiß wie Kreide, ein Gipsjunge in weiten, ausgebeulten Kleidern ... An mehr als hundert Samstagen hatte er keinen einzigen Zug verpasst. Wunderbar erzählt ist diese Geschichte eines Jungen, der als Albino für immer ausgestoßen zu sein meint, bis er von überraschender Seite Zuneigung findet und eine ganz andere Seite des Lebens kennen lernt.

Iain Lawrence war nach dem Publizistikstudium in Vancouver für verschiedene Zeitungen tätig. Dann ließ er sich in der Küstenregion nieder, wo er zuerst in der Hafenstadt Prince Rupert lebte und später als Wärter eines abgelegenen Sendeturms arbeitete. Heute lebt Iain Lawrence auf den Gulf Islands in British Columbia.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783772540615
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.11.2014
Auflage1. Auflage
Seiten328 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1421 Kbytes
Artikel-Nr.3157699
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
Danksagung
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Leseprobe
1. Kapitel

Es war der heißeste Tag des Jahres. Nur der Geist war draußen an der Sonne, nur der Geist und seine Hündin. Sie schlurften über die Hauptstraße von Liberty und wirbelten Staubschwaden auf. Es war, als glühte der Boden unter ihren Füßen.

Noch war es nicht Mittag und schon beinahe vierzig Grad. Doch der Geist trug seinen Helm aus Leder und Fell, einen Pilotenhelm aus dem Krieg, der seit zwei Jahren vorüber war. Er berührte seine Augenbrauen und bedeckte seine Ohren. Die Riemen baumelten gegen seinen Hals.

Er war mager, weiß wie Kreide, ein Gipsjunge in weiten, ausgebeulten Kleidern. Er trug eine Brille mit kleinen, runden Gläsern, die aussahen wie vor seinen Augen aufgemalte Münzen. Durch die trüben Gläser blickte er in eine Welt, die stets verschwommen war und oft hin und her schwankte. Seine Haut war weiß von Kopf bis Fuß - weiße Schokolade ohne eine einzige Sommersprosse. Und seine Augen waren von einem so blassen Blau, dass sie beinahe durchsichtig schienen wie Regentropfen oder frischer Tau.

Er blickte nur kurz auf. Im Westen sah er die ersten Rauchzeichen über die Prärie kriechen. Doch der Geist beeilte sich nicht. Er war nie in Eile. An mehr als hundert Samstagen hatte er keinen einzigen Zug verpasst.

Beim Drugstore bog er um die Ecke, seine honigfarbene Hündin im Schlepptau. Sie gingen hinunter zu den Gleisen und der kleinen Bahnstation, die früher einmal grellrot gewesen, mittlerweile aber von der Sonne abgeschossen und fleckig war. Um drei vor zwölf setzte er sich auf die Bank auf dem leeren Bahnsteig. Die Hündin verkroch sich im Schatten darunter.

Der Geist legte Stock und Büchse nieder und tupfte sich den Schweiß ab, der unter seinem Helm hervortroff. Die Kuppe seines Helms war schwarz vor Schweiß wie ein kreisrundes Käppchen.

Nun kamen die Rauchzeichen näher und verwandelten sich in cremefarbene Wolken. Bei Batsfords Feld vor der lang gezogenen Kurve, die nach Liberty und hinüber zum Klapperschlangenfluss führte, stieß die Lokomotive einen Pfiff aus. Der Geist hob den Kopf und presste seine blassen, dünnen Lippen zu einer Linie zusammen, die weder Unmut noch Freude verriet.

«Er wird anhalten», sagte er zu seiner Hündin. «Darauf kannst du Gift nehmen.»

Schwarz und kraftvoll legte sich die Lokomotive in die Kurve, Dampf zischte aus ihren Kolben. Donnernd und schnaubend zog sie hinter sich auf kreischenden Rädern einen Postwagen und einen einzigen Passagierwagen. Der Zug ließ die Fenster des geschindelten Stationshäuschens erzittern und fegte den Staub von den Planken. Die Bank wackelte auf ihren dünnen Metallbeinen.

«Ich weiß, dass er anhalten wird», sagte der Geist.

Doch er hielt nicht an. Der Zug brauste in einer Dampfwolke an ihm vorbei, und der heiße Fahrtwind schlug ihm die Helmriemen gegen die Wangen. Und an diesem Samstag im Juli, wie an jedem anderen Samstag, an den er sich erinnern konnte, blinzelte Harold der Geist dem davonfahrenden Zug nach und stieß den traurigsten leisen Seufzer aus, den man sich überhaupt vorstellen kann. Dann ergriff er Stock und Büchse und machte sich auf zum Klapperschlangenfluss.

Er hatte den Stock, seine Angelrute, über die Schulter geworfen. Daran hing eine Schnur, an deren Ende auf Kniehöhe ein hölzerner Schwimmer baumelte. Die alte Hündin kroch aus dem Schatten und ging ganz dicht an seiner Seite, sodass der Schwimmer mit hohlem Laut gegen ihren Kopf schlug. Doch die Hündin schien dies nicht zu stören. Sie ertrug alles, wenn sie nur bei ihrem Herrchen sein konnte.

Nun kletterten sie wieder auf die Hauptstraße zurück und stapften weiter ostwärts, vorbei an Häusern mit aufgesetzten Fassaden, auf denen sich Staub niedergelassen hatte. Kinder hatten Strichmännchen, unförmige Herzen und Namen auf die Fensterscheiben gekritzelt: Bobby liebt Betty, Betty liebt George, Niemand liebt Harold. Und auf der Frontscheibe von May s Café prangte in schrägen Lettern ein Gedicht:

Wer ist hässlich und dumm?

Schneeweiß und blickt krumm?

Mit Köter zumeist?

Es ist Harold der Geist!

Im Schatten unter dem Fenster saß eine Frau mit spindeldürren Beinen auf einem Stuhl und neben ihr in einem Schaukelstuhl ein halb blinder, alter Mann mit spindeldürren Beinen. Harold blickte über die Straße zu ihnen hinüber und hörte die Frau laut und deutlich sagen: «Da ist er wieder. Was für ein trauriger Anblick.»

Er konnte die Frage des Alten nicht verstehen, nur die Antwort der Frau: «Der arme Albinojunge natürlich.»

Der Mann brummte etwas vor sich hin, und die Frau sagte: «Zum Fluss, wie immer. Dort, wo die Baptisten hingehen. Am Teich, wo sie ins Wasser tauchen.»

Mit gesenktem Kopf schlurfte Harold aus der Stadt in die offene Prärie. Hinter ihm wurden die Häuser immer kleiner, bis nichts mehr zu sehen war als ein bräunlich-silberner Haufen. Und auf dem endlosen, flachen Land war der Junge bald nur noch ein kleiner Fleck, gefolgt von einem noch kleineren Fleck, seiner Hündin. Er ging so langsam, dass ihn ein Steppenläufer überholte, obwohl es beinahe windstill war. In einer Stunde würde er am Klapperschlangenfluss sein.

Eigentlich war der Klapperschlangenfluss ebenso wenig ein Fluss wie Liberty eine Stadt. Der Klapperschlangenfluss floss nicht, er kroch durch die Prärie. Wie ein alter Hund auf einem gewundenen Weg, immer darauf bedacht, den Schatten nicht zu verlassen. Aber es war der einzige Fluss, den Harold Kline je gesehen hatte, und er fand ihn recht groß. Er watete etwa 500 Meter am Ufer stromabwärts bis zu seiner Lieblingsstelle, wo die Böschung sanft abfiel und mit Gras bewachsen war. Dort setzte er sich hin, die Hündin legte sich zu seiner Seite. Er spießte einen Wurm auf den Haken und warf den Schwimmer ins Wasser, wo er untertauchte, um gleich wieder aufzutauchen, zur Seite zu kippen und sich schließlich aufzurichten wie ein kleiner Taucher, dem der Fluss zu kalt war. Zwei Wasserläufer flitzten herbei, begutachteten den Schwimmer und machten sich wieder davon.

Die Hündin schlief sofort ein. Obwohl sie seit mehr als einem Jahr kaum einen Meter gerannt war, träumte sie jetzt mit zuckenden Beinen davon.

«Wohin soll s denn gehen?», fragte Harold der Geist. Seine Stimme war samtweich. «Bestimmt nach Oregon. Jetzt läufst du durch die Wälder und genießt den kühlen Schatten, armes, altes Mädchen.» Er blickte zur Sonne auf, die er durch seine verschmierten Brillengläser als heißen, weißen Fleck wahrnahm.

Die Hündin wich nie von Harolds Seite. Deshalb schien es ihm auch selbstverständlich, dass sie von denselben Orten träumte wie er selbst.

«Eines Tages werden wir es bis nach Oregon schaffen», sagte er und lehnte sich zurück. Das Gras, das Wasser und der blaue Himmel verschwammen um ihn zu einer beruhigenden Farbmischung. «Vielleicht ist David im nächsten Zug. Oder im übernächsten. Er wird uns mitnehmen. Ganz bestimmt.»

Die Sonne schwamm auf dem Teich des Klapperschlangenflusses wie eine kleine, weiße Glaskugel mit Sprüngen - von den Ästen und Zweigen herrührend, die sich im Wasser spiegelten. Harold kniff die Augen zusammen, als der Schwimmer plötzlich untertauchte. Doch als er an der Schnur zog, spürte er keinen Widerstand. Und als er sie einzog, war der Wurm weg.

Er kramte einen neuen Wurm aus der Büchse, voller Abscheu darüber, wie sich dieser beim Aufspießen wand und wild ausschlug. Sein Bruder hatte ihm gesagt, dass Würmer keinen Schmerz spürten. «Mach dir nichts draus, Harold», hatte er ihm gesagt, «die haben weder Hirn noch Herz oder so.»

Dennoch zuckte der Geist zusammen, als er den Haken zischend ins Fleisch des Wurms fahren hörte. «Tut mir Leid», sagte er zum Wurm. Dann ließ er ihn nochmals Luft holen, bevor er ihn ins Wasser hinabsenkte.

Als er wieder in den Fluss blickte, meinte er für einen Augenblick, zwei Sonnen auf dem Wasser schwimmen zu sehen, bis er merkte, dass ihm sein Gesicht entgegenblickte, über das die vom Schwimmer ausgehenden Wellen weiße Streifen warfen.

Sein Anblick erschreckte ihn. Er blickte nie in Spiegel, ebenso wenig in Fensterscheiben oder glänzende Kochtöpfe. Er vermied alles, was ihm vor Augen führte, wie weiß er war.

Er seufzte und wandte sich ruckartig ab. Sein Spiegelbild huschte über den Teich. Er ließ den Schwimmer los und tauchte seine Hände in den Fluss.

Das von der Prärieerde braune Wasser färbte seine Haut golden. Die Brechung ließ seine Finger anschwellen. Sie erstrahlten in der schönsten Farbe, die er je gesehen hatte. Er wünschte, sie würden in Wirklichkeit so aussehen. Er tauchte seine Arme tiefer und tiefer ins Wasser, bis sich...
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Autor

Iain Lawrence war nach dem Publizistikstudium in Vancouver für verschiedene Zeitungen tätig. Dann ließ er sich in der Küstenregion nieder, wo er zuerst in der Hafenstadt Prince Rupert lebte und später als Wärter eines abgelegenen Sendeturms arbeitete. Heute lebt Iain Lawrence auf den Gulf Islands in British Columbia.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt