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Selbst ist der Mörder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
284 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am05.09.2018
Der 42-jährige Simon Kesseling will als Politiker in der Partei Deutschlands Glück (DG) Karriere machen. Der studierte Politologe verdient sein Geld als Geschäftsführer einer Cateringfirma in der Nähe der Schönhauser Allee. Um bundesweit bekannt zu werden (»Alle kennen Kesseling!«), beschließt er, Thorben Lucka, einen Schulfreund mit krimineller Vergangenheit, anzuheuern, der zum Schein ein Attentat auf ihn verüben soll. Doch dabei stirbt Kesseling wirklich ...

Dr. Horst Bosetzky (ky) wurde 1938 in Berlin geboren. Der emeritierte Professor für Soziologie veröffentlichte neben etlichen belletristischen und wissenschaftlichen Arbeiten zahlreiche, zum Teil verfilmte und preisgekrönte Kriminalromane. 1992 erhielt der Altmeister des neuen deutschen Krimis den Ehren-Glauser des SYNDIKATS für das Gesamtwerk und die Verdienste um den deutschsprachigen Kriminalroman. 2005 wurde ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Zehn Jahre lang war Horst Bosetzky Sprecher des SYNDIKATS und Gründungsmitglied von QUO VADIS. Neueste Veröffentlichungen: »Teufelssee« (2017), »Die Gebrüder Sass - geliebte Genoven« (2017), »Abgerechnet wird zum Schluss« (2018). Besuchen Sie: www.horstbosetzky.de
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KlappentextDer 42-jährige Simon Kesseling will als Politiker in der Partei Deutschlands Glück (DG) Karriere machen. Der studierte Politologe verdient sein Geld als Geschäftsführer einer Cateringfirma in der Nähe der Schönhauser Allee. Um bundesweit bekannt zu werden (»Alle kennen Kesseling!«), beschließt er, Thorben Lucka, einen Schulfreund mit krimineller Vergangenheit, anzuheuern, der zum Schein ein Attentat auf ihn verüben soll. Doch dabei stirbt Kesseling wirklich ...

Dr. Horst Bosetzky (ky) wurde 1938 in Berlin geboren. Der emeritierte Professor für Soziologie veröffentlichte neben etlichen belletristischen und wissenschaftlichen Arbeiten zahlreiche, zum Teil verfilmte und preisgekrönte Kriminalromane. 1992 erhielt der Altmeister des neuen deutschen Krimis den Ehren-Glauser des SYNDIKATS für das Gesamtwerk und die Verdienste um den deutschsprachigen Kriminalroman. 2005 wurde ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Zehn Jahre lang war Horst Bosetzky Sprecher des SYNDIKATS und Gründungsmitglied von QUO VADIS. Neueste Veröffentlichungen: »Teufelssee« (2017), »Die Gebrüder Sass - geliebte Genoven« (2017), »Abgerechnet wird zum Schluss« (2018). Besuchen Sie: www.horstbosetzky.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839258361
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum05.09.2018
Reihen-Nr.7
Seiten284 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3429303
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINS

Die Kugel sollte zwei Zentimeter über der Nasenwurzel in die Stirn gehen. Thorben Luckas ausgestreckte rechte Hand bewegte sich beim Zielen keinen Millimeter nach oben oder unten, nach links oder rechts. Er stellte sich vor, sie sei aus Bronze, ebenso wie sein ganzer Körper. Das funktionierte immer. Entschlossen drückte er ab.

*

Seit der 42-jährige Simon Kesseling, studierter Politologe und Volkswirtschaftler, die Partei »Glückliches Deutschland« (GD) gegründet hatte, trat er irgendwie auf der Stelle.

»Keiner kennt Kesseling«, klagte er seinem Freund Doktor Rainer Rietzel gegenüber, der Topmanager bei einer großen Aktiengesellschaft war und seiner Partei als Public Relations-Berater diente. »Keiner hat von meiner Partei etwas gehört.«

Rietzel lachte. »Gott, Simon, kein Wunder. Du musst unbedingt mehr tun, um in die Schlagzeilen zu kommen.«

Kesseling nahm sich das sehr zu Herzen, und bei der nächsten Mitgliederversammlung der GD in der Max-Schmeling-Halle legte er ungebremst los.

»Wir wollen, dass die Deutschen glücklich sind, und das können sie nur, wenn unser Land nicht länger mit Krimis überschwemmt wird. Mord und Totschlag überall, egal ob im Kino, im Fernsehen, im Radio oder in den Buchhandlungen. Schluss damit! Lasst uns lachen und glücklich sein! Und noch etwas: Wir wollen, dass die Deutschen glücklich sind, und das können sie nur in einem geeinten Europa sein. Darum sollten wir gemeinsam Front machen gegen alle Nationalisten, ob sie nun Boris Johnson, Marie Le Pen oder Viktor Orbán heißen. Ach ja, Verzeihung, dieses Manneken PiS in Polen habe ich ganz vergessen.«

Das gab die ersten Lacher, ja Brüller, und Kesseling konnte hoffen, dass die anwesenden Journalisten anbeißen würden und erst recht seinen nächsten Kracher beachteten.

»Wir alle wollen, dass die größtmögliche Zahl an Deutschen glücklich ist, und darum fordern wir die Einrichtung von Bordellen für Asylanten. Wo sollen denn die armen arabischen und afrikanischen Männer mit ihrem riesigen Testosteron-Überschuss hin? Sollen sie weiterhin unsere Frauen und Mädchen betatschen, vergewaltigen oder gar ermorden?! Nein! Und darum sollen wir ihnen ebenso Bordelle hinstellen wie früher unseren Soldaten. Wenn ihr das so seht wie ich, dann spendet jetzt zweimal: einmal mir Beifall und zum anderen Geld zur Eröffnung des ersten Asylantenbordells in der Nähe des Flughafens Tempelhof.«

Das funktionierte ganz gut, aber er war längst noch nicht da, wo er hinwollte. Seit seinem zehnten Lebensjahr identifizierte sich Simon Kesseling mit jenem Herostratos, der im Jahre 356 vor Christus den 200 Jahre alten Tempel der Artemis in Ephesos in Brand gesteckt hatte, um mit dieser Tat unsterblich zu werden. Was ihm ja auch gelungen war. In seiner Fantasie hatte sich Kesseling in der Zeit seiner Pubertät immer wieder vorgestellt, in Berlin ein Gebäude in Brand zu stecken, das für die Stadt von hohem Wert war. Aber welches? Der Reichstag ging nicht, weil mit dem schon der Name Marinus van der Lubbe verbunden war. Und Funkturm und Brandenburger Tor ließen sich nicht niederbrennen. War ihm nur die Gedächtniskirche geblieben, was ja auch irgendwie logisch war, weil Tempel und Kirche in etwa dasselbe waren. Befeuert hatte ihn damals auch ein Gedicht Georg Heyms »Der Wahnsinn des Herostrat«, von dem er viele Zeilen auswendig hersagen konnte, etwa:

Wer ist der Größte! Ich â¦

(â¦)

Ich, Herostrat von Ephesus genannt,

Ein armer Goldschmied, doch vom Ruhm gekrönt.

Und die Geschlechter, die der Schoß der Zeit

Zum Lichte »häuft«, sie werden meinen Namen

Mit Ehrfurcht nennen â¦

Er strahlt dem Sirius gleich.

Nun, Simon Kesseling hatte die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nicht in Brand gesteckt, denn er kam aus gutbürgerlichem Hause, und seine Eltern hatten ihm ein starkes Über-Ich mitgegeben, das seine asozialen Triebkräfte doch noch zu zügeln verstand, doch der Herostratos steckte auch 20 Jahre später noch immer in ihm, auch wenn er sein Studium der Volkswirtschaftslehre und der Politologie mit Supernoten abgeschlossen hatte und Eigentümer einer Cateringfirma in der Greifenhagener Straße geworden war. Aber was war das schon, wenn er an all die prominenten Politiker, Sportler, Schauspieler und Fernsehgrößen dachte. An denen gemessen war er ein Nichts. Und das schmerzte ihn fürchterlich, das fraß ihn innerlich auf. Also hatte er eine Partei mit dem Namen »Deutschlands Glück« (DG) gegründet und träumte von einem Aufstieg, wie ihn Donald Trump der Welt vorgemacht hatte. Er sah sich als den Bundeskanzler, der in Deutschland nach Ende der Merkel-Ära die Macht übernahm. Bernhard Haslinger, der Leiter für beginnende Psychosen an der Berliner Charité, hätte im Fall Simon Kesseling seine Hypothese bestätigt gefunden: Der pathologische Narzisst versucht unbewusst durch übersteigerte Größenfantasien sein eigentlich tief empfundenes Minderwertigkeitserleben, seine innere Verlorenheit abzumildern.

*

Die Greifenhagener Straße lag ganz in der Nähe des S- und U-Bahnhofs Schönhauser Allee und reichte von der Gneiststraße im Süden bis zur Wisbyer Straße im Norden. Zweigeteilt wurde sie vom Graben der Ringbahn, über den keine richtige Brücke hinweg führte, sondern nur ein Steg für Fußgänger und Radfahrer. Überquerte man den, sah man zur Linken die Türme der Gethsemanekirche in den Himmel ragen, und nicht wenige Berlintouristen erinnerten sich bei deren Anblick daran, dass die Gethsemanegemeinde vor der Wende 1989 ein Sammelpunkt der Opposition in der DDR und der Friedensbewegung gewesen war.

Überquerte man hinter dem Platz mit der Kirche die Stargarder Straße, kam man zum Ladenlokal der Cateringfirma PHS, dem Partyservice »High Society« (Catering & Events). Finger- und Gabelfood hatte man im Angebot, auch Minibrötchen, rustikale und fürstliche Buffets, dazu exzellente Weine und Live Cooking. Man befand sich hier inmitten der angesagten Wohngegend Prenzlauer Berg, auf berlinisch Prenzlberg, und folglich liefen die Geschäfte mehr als gut.

Über den Werbeslogan »Glückliche Stunden mit uns« war Simon Kesseling auf den Namen seiner Partei gekommen: »Glückliches Deutschland«. Und je mehr Zeit er für die Partei aufbringen musste, desto weniger hatte er für seine Firma, sodass er nur noch als eine Art Einmann-Aufsichtsrat fungierte und die Geschäfte seine Freundin führen ließ, Simona Nawrocki, die nicht nur einige Semester Betriebswirtschaftslehre studiert hatte, sondern auch als Model hervorgetreten war und den großen Hingucker abgab, wenn sie das Live Cooking besorgte. Das Kochen, die Patisserie, das Liefern der Speisen und das Herrichten der Tische und alles Kaufmännische besorgten bewährte Stammkräfte wie auch stundenweise angeheuerte Leute.

Der erste Kunde heute war gar keiner, sondern ein Journalist, dem Kesseling kostenlos ein Geburtstagsmenü für zehn Gäste geliefert hatte, und der dafür etwas über ihn und die GD schreiben wollte, Überschrift »Partei statt Party«.

Als das Interview abgehakt war, kam Simona Nawrocki ins Geschäft und begrüßte ihn mit einer filmreifen Umarmung. Wer ihnen öfter begegnete, fragte sich automatisch, ob sie ein Paar waren. Ja und nein. Sie arbeiteten zwar gemeinsam in der Firma in idealer Weise und schliefen hin und wieder zusammen, aber die große Liebe war es nicht, und vom Traum einer gemeinsamen Zukunft waren sie weit entfernt. Er brauchte sie, um Partei und Publikum zu zeigen, wie Glück in der Partnerschaft aussah, und sie brauchte ihn, um beim Live Cooking, das von einem privaten TV-Sender übertragen wurde, ihre große Bühne zu haben.

»Gehen wir heute Abend ins Kino?«, fragte sie ihn, als alles Geschäftliche besprochen war,

Er lächelte. »Tut mir leid, Süße, ich muss zum Klassentreffen. Die alte 6a trifft sich in einem Restaurant in der Grunewaldstraße. Vor 30 Jahren sind wir alle weg von unserer Grundschule am Barbarossaplatz, und jetzt hat Martina, unsere damalige Klassensprecherin, alle zusammengetrommelt, die sie irgendwie mithilfe des Internets aufspüren konnte.«

»Oh my God, ist das aufregend!«, spottete sie.

»Egal, ich bin gespannt, was aus denen so alles geworden ist.«

»Na, was soll schon sein: Glücklich sind sie geworden, schließlich leben sie in Deutschland. Alles deine Wähler.«

»Okay, das reicht.«

Er ließ sich seine gute Laune nicht verderben und stieg pünktlich in die S-Bahn, um nach Schöneberg zu kommen, in seine alte Heimat. Zur Hauptverkehrszeit mit der Taxe durch die Innenstadt zu fahren, wäre idiotisch gewesen, sie hätten doch nur im Stau gesteckt, und beim eigenen Wagen wäre noch am Ziel die ewige Suche nach einem Parkplatz dazu gekommen. Und noch etwas sprach für Bahn und Bus: Hier konnte er dem Volk aufs Maul schauen und seine potenziellen Wähler kennenlernen. »Einen Tag mit den Öffentlichen durch Berlin erspart mir ein mehrjähriges Soziologiestudium«, hatte er einmal ausgerufen.

Am S- und U-Bahnhof Schönhauser Allee angekommen, bereute er seine Entscheidung schon, denn so dicht das Berliner Netz des öffentlichen Personennahverkehrs auch war, die Fahrt zum U-Bahnhof Eisenacher Straße war nur mit ziemlich umständlich zu bezeichnen.

Für einen Augenblick stand er da und wusste nicht weiter. Er...

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Dr. Horst Bosetzky (ky) wurde 1938 in Berlin geboren. Der emeritierte Professor für Soziologie veröffentlichte neben etlichen belletristischen und wissenschaftlichen Arbeiten zahlreiche, zum Teil verfilmte und preisgekrönte Kriminalromane. 1992 erhielt der Altmeister des neuen deutschen Krimis den Ehren-Glauser des SYNDIKATS für das Gesamtwerk und die Verdienste um den deutschsprachigen Kriminalroman. 2005 wurde ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Zehn Jahre lang war Horst Bosetzky Sprecher des SYNDIKATS und Gründungsmitglied von QUO VADIS. Neueste Veröffentlichungen: »Teufelssee« (2017), »Die Gebrüder Sass - geliebte Genoven« (2017), »Abgerechnet wird zum Schluss« (2018). Besuchen Sie: www.horstbosetzky.de