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Rapunzel, mein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am27.09.2019Auflage
Er quält. Er mordet. Wie im grausamsten Märchen. Profilerin Rabea Wyler steht unter Schock: In der Nähe eines stillgelegten Märchenparks wurde ein totes Mädchen ohne Hände gefunden. Erdrosselt mit den eigenen langen blonden Haaren. Wyler ahnt, dass die Vergangenheit sie eingeholt hat. Denn eine Hand war das Einzige, was vor zwanzig Jahren von ihrer vermissten Schwester gefunden wurde. Jan Grall, ihr suspendierter Partner, will davon nichts wissen. Wyler kann den Mörder auch ohne seine Hilfe überführen. Doch schnell wird klar, dass der Täter nur eine Marionette in einem perfiden Spiel ist. Und das hat gerade erst begonnen ...

Lars Schütz wurde 1992 geboren. Er arbeitet als Texter für eine große Düsseldorfer Werbeagentur. Mit seinen Thrillern rund um Profiler Jan Grall und Rabea Wyler fesselt und begeistert er seine Leser*innen.
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Produkt

KlappentextEr quält. Er mordet. Wie im grausamsten Märchen. Profilerin Rabea Wyler steht unter Schock: In der Nähe eines stillgelegten Märchenparks wurde ein totes Mädchen ohne Hände gefunden. Erdrosselt mit den eigenen langen blonden Haaren. Wyler ahnt, dass die Vergangenheit sie eingeholt hat. Denn eine Hand war das Einzige, was vor zwanzig Jahren von ihrer vermissten Schwester gefunden wurde. Jan Grall, ihr suspendierter Partner, will davon nichts wissen. Wyler kann den Mörder auch ohne seine Hilfe überführen. Doch schnell wird klar, dass der Täter nur eine Marionette in einem perfiden Spiel ist. Und das hat gerade erst begonnen ...

Lars Schütz wurde 1992 geboren. Er arbeitet als Texter für eine große Düsseldorfer Werbeagentur. Mit seinen Thrillern rund um Profiler Jan Grall und Rabea Wyler fesselt und begeistert er seine Leser*innen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843721264
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum27.09.2019
AuflageAuflage
Reihen-Nr.2
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3516 Kbytes
Artikel-Nr.4887806
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Sieben

Essen

Von der internationalen Raumstation ISS aus fiele dem Betrachter bei einem Blick auf das nächtliche Europa als Erstes ein Dreigestirn aus Lichtflecken auf: London. Paris. Und das Ruhrgebiet.

Der einstige Kohlenpott war nicht einfach nur eine Ansammlung von Städten, sondern eine einzige Metropole. Ein riesiger Moloch, durch den sich die A40 wie eine rußende Hauptschlagader zog, und in der Mitte pumpte Essen als sein Herz aus Stahl und Beton.

Das wenige, was Rabea über den Pott wusste, vermengte sich mit ihren Eindrücken auf der Fahrt zu einem düsteren Bild. Warum haben sie dich hierhergebracht, Marie?, dachte sie. Warum an diesen Ort, so weit weg von zu Hause?

Ihr Navigationsgerät führte sie vom Ruhrschnellweg herunter und leitete sie durch die Straßen der Essener Innenstadt. Sie stellte ihren Mini Cooper in einem Parkhaus in der Nähe des Kennedyplatzes ab. Als sie ihren Rucksack vom Beifahrersitz nahm, blieb ihr Blick an der Sporttasche auf der Rückbank hängen.

Eigentlich wäre sie heute Abend zum Basketballtraining gegangen. Vor ungefähr einem halben Jahr hatte sie sich wieder bei einem Verein in Mainz angemeldet. Die Abwechslung tat ihr gut. Manchmal fragte sie sich dabei, wem von beiden sie damit den größeren Gefallen tat: ihrem Körper oder ihrem Geist.

Aber heute Abend würde für sie das Training ausfallen. Sie konnte noch immer nicht so recht glauben, wie schnell alles gegangen war. Wie schnell sie eine Entscheidung getroffen hatte.

Und das alles nur wegen eines Zeitungsartikels und einer vagen Vermutung. Jagte sie einem Hirngespinst hinterher? Hatte sie zu übereilt reagiert?

Gopferdammi noch mal, Rabea! Für Zweifel ist es jetzt längst zu spät.

Sie musste das hier durchziehen. Sie musste Gewissheit haben. Ihren Vorgesetzten beim LKA hatte sie ohnehin schon angelogen: »Ich fühl mich nicht gut. Vielleicht Migräne. Nach der Vorlesung fahre ich direkt nach Hause, tut mir leid«, hatte sie gesagt.

Obwohl man vom Kennedyplatz aus nur wenige Meter bis zum Grillo-Theater brauchte, kam Rabea der Weg viel weiter vor. Es war früher Nachmittag, die Terrassen der Eiscafés und Restaurants quollen über vor Gästen. Irgendwo sang ein Straßenmusiker zu ein paar Gitarrenakkorden eine furchtbar schiefe Version von Knocking On Heaven´s Door. Laut gackernde Mädchengruppen mit voll beladenen Einkaufstüten liefen an ihr vorbei, Händchen haltende Pärchen, ein Anzugträger, der in sein Handy sprach.

Die Passanten gingen so unbeschwert ihren Leben nach, als gäbe es die Tote inmitten ihrer Stadt überhaupt nicht. Als kämen all die Meldungen und Radioberichte über sie aus einer anderen Stadt, vielleicht sogar einem anderen Land. Aber was hatte sie auch erwartet?

Für Rabea konnte dieser Tag das Ende von zwanzig Jahren Ungewissheit sein. Für alle anderen war es nur ein ganz normaler Mittwoch - abgesehen natürlich von der Essener Polizei.

Als sie die Nordseite des Grillo-Theaters erreichte, umfing sie bereits die Vorhölle aus Flatterband, Spurensicherung und Hektik, die es an jedem Leichenfundort gab. Ein Bestattungswagen, zwei Transporter der kriminaltechnischen Untersuchung und mehrere Streifenwagen standen direkt vor der lehmroten Fassadenfront.

Ein paar einzelne Fernsehteams und Fotografen lungerten noch vor den Absperrungen herum, aber die Speerspitze des Tragödienjournalismus war wohl schon weitergezogen.

Sie steuerte auf eine gedrungene Beamtin der Schutzpolizei zu. Auf der Autofahrt hierher hatte sie diese Situation schon mehrmals durchgespielt.

»Bitte, gehen Sie weiter! Das Theater hat heute keine Vorstellung«, sagte die Polizistin unwirsch. Wahrscheinlich stand sie schon den ganzen Tag hier und wimmelte Schaulustige ab.

Rabea hielt ihren Ausweis hoch und versuchte, möglichst autoritär zu klingen: »Wyler, LKA. Operative Fallanalyse. Ich bin hier, um mit dem leitenden Ermittler zu sprechen.«

Ihre genau zurechtgelegte Wortwahl täuschte hoffentlich darüber hinweg, dass sie hier eigentlich überhaupt nichts zu suchen hatte.

Zum Glück widmete die Beamtin dem Ausweis nur einen flüchtigen Blick. Sie musterte Rabea mit gerunzelter Stirn. »Fallanalyse?«

»Vielleicht ist Ihnen der Begriff Profiling geläufiger.«

Die Miene ihres Gegenübers hellte sich auf. »Ah, natürlich! Dieses ganze Psychologie-Zeug. Da bringe ich Sie am besten mal schnell zu Herrn Masebo.«

Einladend hielt ihr die Polizistin das Flatterband hoch. Rabea duckte sich darunter hindurch und folgte ihr in Richtung Theater.

»Bei dieser Sauerei da drin werden wir jemanden wie Sie dringend brauchen«, meinte die Uniformierte. »Ah, ich glaube, da sehe ich auch schon den Herrn Hauptkommissar. Er spricht gerade mit einem der Bühnenmeister.«

Vor einer kleinen Seitentür - wahrscheinlich dem Bühneneingang - unterhielten sich ein hochgewachsener, ernst dreinschauender Farbiger und ein schlaksiger Mann mit grauem Pferdeschwanz.

»Ich sagte Ihnen doch gerade schon, die Unterbühne ist ...«, setzte der Grauhaarige an, als die Beamtin das Gespräch unterbrach:

»Entschuldigen Sie die Störung, aber, Herr Masebo, hier ist Frau ... ähm ...«

»Wyler«, half Rabea ihr auf die Sprünge.

»Genau, Frau Wyler vom LKA. Die Profilerin.«

Hauptkommissar Masebo sah sie aus aufmerksamen dunklen Augen an. Sein Kopfhaar trug er kurz geschoren, den Vollbart akkurat gestutzt. Seine Ohrläppchen zierten silberne Stecker. Unter dem dunkelblauen Sakko und dem weißen, bis zum Adamsapfel zugeknöpften Hemd spannten sich imposante Muskeln.

»Entschuldigen Sie mich einen Moment«, sagte er zu dem Bühnenmeister und trat auf Rabea zu. »Können Sie mir bitte erklären, was Sie hier machen?«, fragte er unumwunden. »Ich kann mich nicht daran erinnern, irgendwas von Profiling gehört zu haben.«

Alles klar, mit diesem Mann würde sie nicht so leichtes Spiel haben wie mit der Beamtin. Wie einen winzigen Schutzschild hielt sie den Ausweis hoch.

Masebo musterte ihn deutlich aufmerksamer als seine Kollegin. »LKA Rheinland-Pfalz? Sie sind ja noch nicht einmal im richtigen Bundesland!«

»Ich ... ich kann alles erklären. Ich habe von der Sache in den Nachrichten gelesen und ...« Sie riss sich zusammen. Wenn sie jetzt die hauchdünne Verbindung zu ihrer Schwester erwähnte, würde er sie vollends für wahnsinnig halten.

»Und? Und was?« In Masebos rauchiger Stimme lag keinerlei Feindseligkeit, nur ernste Entschlossenheit. »Hören Sie, hat irgendwer Sie geschickt? Sind Sie offiziell hier?«

Mit gesenktem Blick schüttelte Rabea den Kopf.

»Das hier ist der seltsamste Mordfall, zu dem ich jemals gerufen wurde«, sagte er. »Jemanden wie Sie könnten wir hier sicher gebrauchen. Aber wir haben unsere eigenen Leute, ich hoffe, Sie verstehen das. Diese Ermittlungen werden anstrengend genug. Ich möchte sie nicht auch noch dadurch erschweren, dass wir durch Ihr Einmischen in irgendeinem Dienststellen-Wirrwarr enden.«

»Ein einziger Blick auf die Leiche, das ist alles!«, sagte sie, fast schon flehend.

»Nein! Das ist mein letztes Wort. Was auch immer Sie hier wollen, vergessen Sie es! Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe zu tun.« Er wandte sich ab. »Frau Stanczak, führen Sie Frau Wyler bitte vom Tatort.«

Hinterher konnte sich Rabea kaum noch erinnern, wie sie mit der Polizistin wieder zurück hinter die Absperrung gekommen war. Tief in ihrer Magengrube brodelte die Wut, vor allem auf sich selbst. Wie hatte sie sich nur so anstellen können? Was hatte sie sich überhaupt dabei gedacht?

Sie wanderte zur Vorderseite des Theaters und setzte sich auf die Stufen vor dem Haupteingang. Was jetzt? Vielleicht brachte es etwas, sich gleich mit dem Kriminaldirektor der Essener Polizei oder sogar der Staatsanwaltschaft in Verbindung zu setzen. In Deutschland gab es weit weniger als hundert operative Fallanalytiker. Und hatte Masebo nicht sogar gesagt, dass er die Hilfe von jemandem wie ihr gebrauchen konnte? Aber so, wie sie die Dienststellen und vor allem ihre Kommunikation untereinander kannte, würden Tage vergehen, bis es dazu eine Entscheidung gab.

Zeit, die sie definitiv nicht hatte.

Sie überlegte noch, ob sie trotzdem die obersten Chefs involvieren sollte, als sich auf einmal jemand neben sie setzte. Der Geruch von einfacher, aber harter Arbeit haftete an der Person, eine Mischung aus Schweiß, Sägespänen und Zigarettenrauch.

Ehe Rabea aufschauen konnte, brummte eine Stimme: »Ich habe gerade Ihr Gespräch mit dem Kommissar mitgehört.«

Es war der Bühnenmeister, den Masebo befragt hatte. Was wollte er von ihr?

Das T-Shirt mit dem Bandnamen Dream Theater klebte schweißdurchtränkt an seinem drahtigen Körper. Silbergraue Bartstoppeln überzogen seine Wangen wie Drahtgeflecht. Aus seinen tief liegenden Augen sah er Rabea mit einem fast väterlichen Ausdruck an. Sie vertraute ihm sofort.

»Ich kann Ihnen helfen, die Leiche zu sehen.« Einer seiner Mundwinkel zuckte kurz hoch. »Ich hoffe nur, Sie sind...
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