Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Zionoco

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am22.04.20201. Auflage
De Winter beschreibt mitreißend und ergreifend die tragikomische Suche nach dem unerreichbaren Vater. Rabbi Sol Mayer verkauft in New York absolute Wahrheiten und zweifelt dennoch: an Gott, an seiner Ehe und am selbst erlebten Wunder, das den Lebemann und Taugenichts bewogen hatte, Rabbi zu werden wie sein Vater. Als er sich in eine junge Sängerin verliebt, bringt das nicht nur seine Hormone durcheinander.

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher und lebt in den Niederlanden. 2002 erhielt er den ?Welt?-Literaturpreis, 2006 die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Kampf gegen Antisemitismus, und 2009 wurde er mit dem Literaturpreis der Provinz Brabant für Das Recht auf Rückkehr ausgezeichnet. Seine Romane wurden in 20 Sprachen übersetzt, zuletzt erschienen bei Diogenes ?Ein gutes Herz? (2013) und ?Geronimo? (2016).
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDe Winter beschreibt mitreißend und ergreifend die tragikomische Suche nach dem unerreichbaren Vater. Rabbi Sol Mayer verkauft in New York absolute Wahrheiten und zweifelt dennoch: an Gott, an seiner Ehe und am selbst erlebten Wunder, das den Lebemann und Taugenichts bewogen hatte, Rabbi zu werden wie sein Vater. Als er sich in eine junge Sängerin verliebt, bringt das nicht nur seine Hormone durcheinander.

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher und lebt in den Niederlanden. 2002 erhielt er den ?Welt?-Literaturpreis, 2006 die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Kampf gegen Antisemitismus, und 2009 wurde er mit dem Literaturpreis der Provinz Brabant für Das Recht auf Rückkehr ausgezeichnet. Seine Romane wurden in 20 Sprachen übersetzt, zuletzt erschienen bei Diogenes ?Ein gutes Herz? (2013) und ?Geronimo? (2016).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257610321
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum22.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1042 Kbytes
Artikel-Nr.5152494
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2

Sols Taxi bog vor dem Plaza Hotel in die Central Park South ein. An der Ecke des Parks warteten naßgeregnete Kutschen hinter Pferden mit Regenschutz auf japanische Touristen, und Obdachlose nutzten eine Pause zwischen zwei Schauern dazu, sich ein paar Münzen zusammenzubetteln. Die großen, eckigen Taxis holperten über den schadhaften Asphalt an den Hotels gegenüber dem Südrand des Parks entlang, und Sol wies den Fahrer an, die Auffahrt von 210 CPS zu nehmen.

Der uniformierte schwarze Chefportier, der seit der Anschaffung seines Anzugs bestimmt fünfzig Pfund zugenommen hatte, hob den Koffer aus dem Kofferraum, während Sol bezahlte. Noch immer hatte er die Neigung, dem Mann zuzurufen, daß er das selber machen könne, auch wenn er mittlerweile gelernt hatte, daß er damit dessen Existenzberechtigung in Frage stellte. Nie würde er sich die Selbstverständlichkeit aneignen, mit der reiche Amerikaner ihr Personal behandelten. Niederländischer Calvinismus.

»Gute Reise gehabt, Rabbi?«

»Ja, prima, Donnie. Hat es stark geregnet?«

»Wie aus Kübeln, Rabbi. Der liebe Herrgott wollte wohl den Abschaum von den Straßen spülen.« Der Portier spielte auf die Obdachlosen an, die am Parkrand biwakierten.

»War´s denn so schlimm? Auch diese Menschen haben ein Daseinsrecht, Donnie.«

»Sie sind zu tolerant, Rabbi. Jeder muß sich sein Brot verdienen.«

Sol begegnete in Donnies Kommentaren häufig dem paradoxen Konservatismus jener Gruppen, die mit dem Liberalismus eigentlich besser fahren würden, doch aus Wissensmangel und Angst vor Veränderung die Uhr zurückdrehen wollten, was für viele Republikaner gleichbedeutend war mit einer Rückkehr zu den guten alten fünfziger Jahren. Über den Dreck schimpfend, den die Obdachlosen hinterließen, trug Donnie den Koffer durch die marmorne Empfangshalle und wartete, bis Sol den Fahrstuhl betrat. Der Koffer hatte Rollen, aber Donnie wünschte ihn zu tragen. Heute wurde der Fahrstuhl von Alfredo bedient, einem düster dreinblickenden, kurzgeschorenen Puertoricaner mit dem Körperbau eines Gewichthebers. Im Gegensatz zu Donnie trug er keine Uniform, sondern ein schlichtes weißes Hemd, schwarze Hosen und stets blinkende Schuhe.

Sol bedankte sich bei Donnie und ließ sich in den zwanzigsten Stock hinauffahren.

»Geht´s gut, Alfredo?«

»Sehr gut, Rabbi.«

»Auch mit Helena?«

»Sie ist wieder ganz in Ordnung, Rabbi.«

»Ein Glück. Und die Kinder?«

»Die sind richtig gut in der Schule.«

»Schön. Irgendwas vorgefallen?«

»Ihre Schwiegermutter ist oben.«

»Schön. Sonst noch was?«

»Und die Schwester Ihrer Frau.«

»Tamar? Die mit den kurzen Haaren?«

»Ja, Rabbi. Sie weinte.«

»Ach.«

Er steckte Alfredo einen Fünfdollarschein zu. »Schöne Schuhe, Alfredo.«

»Danke, Rabbi.«

Die Tür öffnete sich, und Sol betrat die Eingangshalle seines Penthouse, vierhundert Quadratmeter, rundum Terrassen, Sauna, fünf Badezimmer, zwei Küchen, Eigentum seiner Schwiegermutter, das sie ihrer Tochter kostenlos zur Verfügung gestellt hatte. Manuela, von Donnie instruiert, erwartete ihn bereits und nahm Alfredo den Koffer ab.

»Fein, daß Sie wieder zu Hause sind.«

»Danke. Ist Besuch da?«

»Ja. Im Zimmer der gnädigen Frau.«

Bedächtig zog sie seinen mobilen Koffer in sein Ankleidezimmer. Sie wurde zu alt für diese Arbeit, aber mit Naomi zusammen hatte er beschlossen, sie zu behalten. Manuela hatte die breiten Hüften einer Frau, die viele Kinder zur Welt gebracht hat (elf, von denen sechs gestorben waren: zwei infolge von Krankheiten, vier durch Gewalteinwirkung), und die Schwielen an ihren Händen zeugten davon, daß sie seit ihrem zehnten Lebensjahr gearbeitet hatte. In den vergangenen zwanzig Jahren hatte Manuela so gut wie täglich in Harlem den Bus bestiegen, um dieses Apartment sauberzuhalten.

Sol betrat das glänzende Parkett, das den Boden des gesamten Apartments bedeckte, und klopfte an die Tür von Naomis Arbeitszimmer.

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er hinein und stellte fest, daß er in ein Familientreffen hineinplatzte. Auf dem roten Chesterfield am Fenster, den Rücken der Aussicht auf die nassen Dächer der West Side, den farblosen Hudson und das Grün von New Jersey zugewandt, saßen Naomi und Tamar und blickten zu ihrer Mutter auf, die in der Mitte des Zimmers einen Vortrag hielt. Jenny rauchte eine Zigarette und gestikulierte mit ihrer dicht beringten Hand.

»... denn ich hab ihm, ehrlich gesagt, nie getraut, da bin ich jetzt ganz offen, auch wenn das für dich schwer zu verkraften ist.«

Sie drehte sich um, als sie merkte, daß die Aufmerksamkeit ihrer Töchter abgelenkt war.

»Ha, Sol«, sagte sie, »du bist genau der Mann, den wir jetzt brauchen.«

Naomi kam ihm auf halbem Wege entgegen und begrüßte ihn mit einem Kuß, der einzigen Intimität, zu der sie in den letzten dreizehn Monaten imstande waren.

»Tag, Schatz«, sagte sie, »alles in Ordnung?«

»Natürlich. Und hier?«

»Ach ...« Sie wollte es ihm unter vier Augen erzählen.

»Tag, Jenny.«

Er versuchte seine Schwiegermutter auf beide Wangen zu küssen, aber er spürte, daß sie sich das Make-up nicht lädieren lassen wollte. Er berührte ihre Schultern und fühlte ihre Knochen unter dem haarigen Kaschmirpullover. Sie litt nicht etwa an einer tödlichen Krankheit, sondern war von einem Schlankheitsideal besessen und wog höchstens hundert Pfund; dafür ernährte sie sich ausschließlich von Salat und fettfrei gedünstetem, salzlosem Gemüse. Vor zwei Jahren hatte sie sich die Falten entfernen lassen, wodurch ihre Augen etwas Mongoloides bekommen hatten und ihr Mund zu einem ewigen Grinsen verzogen worden war.

»Tag, Schatz. Zum Glück gibt es noch anständige Männer. Einer davon bist du.«

»Wenn Übertreibung eine Kunst wäre, würdest du den Nobelpreis dafür bekommen.«

»Du schmeichelst mir, aber ich wünschte, es wäre so.«

Er wollte Tamar begrüßen, doch sie schlug die Hände vors Gesicht und begann leise zu schluchzen.

»Kommst du mal eben, Sol?«

Er folgte Naomi auf den Flur hinaus. Ihr dickes, krauses Haar hing ihr offen über die Schultern, und er sah ihre fruchtbaren Hüften und Beine. Während er sich an den Körperformen einer Sängerin weidete, nahm sich seine Ehefrau in aller Unschuld der Sorgen und Nöte ihrer Schwester an.

Sie schloß die Tür hinter ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Noch immer hatte sie volle, faltenlose Wangen, wodurch sie viel jünger aussah, und ihre weisen Augen unter vollendet geschwungenen Brauen suchten sorgenvoll sein Verständnis. Ihre Oberlippe war frisch epiliert. Sie hatte schwer mit Körperbehaarung zu kämpfen, der Kehrseite ihrer verschwenderischen schwarzen Haarpracht auf dem Kopf. Er legte die Hände auf ihre lieben Hüften.

»Ist etwas passiert?«

»Tom hat eine Affäre mit Maria.«

»Maria? Wer ist Maria?«

»Die Tochter von Victoria.«

»Victoria? Ihrer Haushälterin?«

»Ja, der Victoria. Maria ist ihre Tochter.«

Er wußte, wer Victoria war. Eine kleine Jamaikanerin, deren Gesicht keinerlei Erinnerung hinterließ.

»Was ist das da auf deiner Hose und auf deinem Ärmel?«

»Im Flugzeug hat jemand ein Glas umgestoßen. Tomatensaft.«

»Wäscherei. Hör zu. Tamar hatte eine Verabredung, aber die wurde unterwegs per Autotelefon abgesagt, und sie fuhr nach Hause zurück. Und weißt du, was sie in der Küche vorfand?«

»In der Küche?«

»Sie trieben es auf dem Butcherblock!«

»Was ist denn ein Butcherblock?«

»Ein Holztisch, auf dem man Gemüse schneidet, Fleisch entbeint, na, einfach ein separater Tisch zum Schneiden. Bist du unterwegs begriffsstutzig geworden?«

»Ein bißchen müde. Und weiter?«

»Na, was denkst du? Tom hatte die Hose auf den Knöcheln hängen, und sie schaute direkt auf seinen nackten Hintern, und Maria lag da mit den Füßen auf seinen Pobacken, und sie waren ... heftig miteinander zugange.«

Dumm von seinem Schwager, dachte Sol. Zu Hause in der Küche.

»Auf dem Butcherblock«, wiederholte er.

»Ist das das einzige, was du dazu zu sagen hast?«

»Nein, natürlich nicht. Ich finde es fürchterlich für Tamar. Aber das klingt schon ziemlich extrem, auf dem Butcherblock. Als wollte er damit etwas demonstrieren.«

»Sol, du redest Unsinn.«

»Ja? Na gut, vielleicht. Und weiter?«

»Sie ist dann gleich zu mir gekommen. Wir haben Jenny angerufen, und die Hölle ist losgebrochen. Tamar will sich scheiden lassen.«

»Scheiden? Sie sollte erst mal ein wenig Abstand gewinnen und die ganze Sache abkühlen lassen.«

»Es ist gerade erst passiert, sie ist völlig außer sich. Sie bekommt nachher gleich ein Beruhigungsmittel.«

»Soll ich mit ihr reden?«

»Ja, wenn du möchtest. Sie waren so glücklich zusammen.«

Das behaupten andere auch von uns, dachte er.

Sie zog seinen Kopf zu sich heran und küßte ihn auf die Lippen.

»Sol, so etwas tust du doch nicht? Sag mir, daß du so etwas nicht tust.«

Er überspielte sein Unbehagen: »Sobald du aus der Tür gehst, falle ich über Manuela her. Ich bin verrückt auf Sechzigjährige mit Hüften aus Beton.«

Sie lächelte und schien sich fürs erste mit seiner Ausflucht zu begnügen.

Auch Jenny kam jetzt aus dem Zimmer heraus. Von ihrem straffen Gesicht war seit dem Facelifting kaum eine Gefühlsregung abzulesen, aber ihre Bestürzung war so groß, daß sie sogar ohne den Einsatz ihrer hohen, messerscharfen...
mehr