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Der Himmel von Hollywood

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am22.04.20201. Auflage
Der einst vielversprechende Schauspieler Tom Green kehrt nach einem Knastaufenthalt nach Hollywood zurück mit zweihundert Dollar in der Tasche und kaum einer Perspektive. Zufällig trifft er auf zwei Schauspielerkollegen, die wie er schon bessere Tage gesehen haben. Auf einer nächtlichen Sauftour finden die drei sympathischen Loser einen Toten Æ und planen den Coup ihres Lebens.

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher und lebt in den Niederlanden. 2002 erhielt er den ?Welt?-Literaturpreis, 2006 die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Kampf gegen Antisemitismus, und 2009 wurde er mit dem Literaturpreis der Provinz Brabant für Das Recht auf Rückkehr ausgezeichnet. Seine Romane wurden in 20 Sprachen übersetzt, zuletzt erschienen bei Diogenes ?Ein gutes Herz? (2013) und ?Geronimo? (2016).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer einst vielversprechende Schauspieler Tom Green kehrt nach einem Knastaufenthalt nach Hollywood zurück mit zweihundert Dollar in der Tasche und kaum einer Perspektive. Zufällig trifft er auf zwei Schauspielerkollegen, die wie er schon bessere Tage gesehen haben. Auf einer nächtlichen Sauftour finden die drei sympathischen Loser einen Toten Æ und planen den Coup ihres Lebens.

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher und lebt in den Niederlanden. 2002 erhielt er den ?Welt?-Literaturpreis, 2006 die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Kampf gegen Antisemitismus, und 2009 wurde er mit dem Literaturpreis der Provinz Brabant für Das Recht auf Rückkehr ausgezeichnet. Seine Romane wurden in 20 Sprachen übersetzt, zuletzt erschienen bei Diogenes ?Ein gutes Herz? (2013) und ?Geronimo? (2016).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257610260
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum22.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse963 Kbytes
Artikel-Nr.5152497
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Wenn dies ein Film wäre, zeigte die erste Einstellung einen hellbeigen, betagten Oldsmobile, der über die Whitley Avenue zu den Whitley Heights hinaufkriecht, tuckernd und qualmend, weil der Motor schon zu abgenutzt ist für die stark ansteigende Straße. Palmen und heruntergekommene Apartmentgebäude, scharfe Konturen durch die dicht über den Dächern einfallende kalifornische Sonne; es ist bereits Nachmittag.

Schnitt auf den Innenraum des Olds: die drei männlichen Insassen werden ins Bild gerückt.

Zwei von ihnen sind sichtlich in die Jahre gekommen - der Mann auf der Rückbank dürfte in den Sechzigern, der Mann neben dem Fahrer sicherlich in den Siebzigern sein. Der Olds wird vom jüngsten der drei gefahren, jemandem um die Vierzig. Sie sagen nichts, jeder sitzt auf seine Art schweigend im Wageninnern, das dieselbe Cremefarbe hat wie die ausladende Karosserie - ein Paradebeispiel für amerikanische Geschmacklosigkeit. Der Älteste, der massige Mann neben dem Fahrer, fummelt an der Klimaanlage herum. Er hat einen vollen, grauen Lockenkopf und unschuldige, dunkelbraune Augen. Ein stattliches Doppelkinn hat seinen Hals verschwinden lassen, und seine Hände sind rührend klein, glatt und weich wie die eines Kindes.

Er könnte so etwas fragen wie: »Ist es so kalt genug?«

Eine knarrende Bauchstimme, die Worte kommen aus seinen Eingeweiden, ein wenig prononciert, als übe er einen Beruf aus, der mit seiner Stimme zu tun hat.

Der Sechzigjährige auf der Rückbank ist ein Mann, der sich gut pflegt. Sein rotes Haar (das Rot sieht ein wenig zu knallig aus, als sei es gefärbt) ist dicht und sorgfältig frisiert, sein Gebiß ist lückenlos. Er hat grünblaue Augen, ein abgehärtetes Gesicht, ein markantes Kinn - der ideale Chefarzt in einer soap. Demonstrativ wischt er sich den Schweiß von der Stirn.

»Ich komm um vor Hitze«, sagt er. Auch er hat eine tiefe Stimme, aber rauher, kehlig, eine Stimme, die durch Tausende von Zigaretten und unzählige Nächte on the rocks unkontrollierbare Vibrationen bekommen hat.

»Höher läßt sie sich nicht stellen, tut mir leid«, erwidert der dicke Mann bescheiden.

»Konzentration, bitte«, ruft der Fahrer.

Weil er am Lenkrad sitzt, unverkennbar der Jüngste ist und die Autorität besitzt, diese Ermahnung auszusprechen, muß das Publikum den Eindruck gewinnen, daß es um ihn geht. Daß er derjenige ist, dessen Geheimnisse gelüftet werden.

Die drei Männer blicken jetzt in dieselbe Richtung, zur linken Wagenseite hinaus, wo irgend etwas ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht, und der Olds kommt zum Stehen.

Schnitt auf die Straße, in der der Wagen vor einer Artdéco-Villa hält, einem verspielten Hollywood-Bau mit stuckverzierten weißen Wänden und verschnörkeltem Schmiedeeisen vor den Fenstern - den Schmuckelementen des alten Hollywood. Auch hier Palmen und blühende tropische Sträucher Diesem Haus gilt ihr Interesse.

Schnitt auf einen black-and-white, einen Streifenwagen des Los Angeles Police Department, der direkt vor dem Olds parkt. Ein Polizist in Uniform steht neben dem black-and-white und raucht eine Zigarette. Er winkt den Insassen des Olds zu.

Cut back auf die drei Männer, die zu dem Haus hinüberstarren und dem Polizisten keine Beachtung schenken.

»Machen wir´s?« fragt der Fahrer.

»Machen wir´s«, sagt der dicke Mann.

»Gut«, sagt der Schwitzende.

Schnitt auf den Olds von außen. Sie steigen aus und gehen zur Rückseite des Wagens. Ohne Eile. Alle drei tragen dunklen Anzug, weißes Oberhemd, neutrale Krawatte, aber sie sehen nicht wie Gangster aus; sie könnten Kriminalbeamte (darauf läßt diese Begrüßung schließen) oder Privatdetektive sein. Einer der drei, der Schwitzer, ruft dem Polizisten zu: »Hör auf mit dem Gewinke, Charlie. Du hältst hier Wache, wir gehen rein.«

»Wie du willst, Chef.«

Also Polizei.

Obwohl sich sein Rücken unter seinem Gewicht und der Last der Jahre gekrümmt hat, überragt der dicke Mann die beiden anderen. Sein Körperumfang nimmt bis zu seiner Mitte hinunter beständig zu, und von der Mitte abwärts wieder ab: schmale Knie und schlanke Waden haben sich der Verfettung entzogen, und die Beine stützen den Rest seines Leibs wie stockartige Fremdkörper. Die Gestalt einer wandelnden Birne.

Die Männer heben drei Koffer aus dem Kofferraum des Wagens und spazieren gemächlich zur Rückseite der Villa, auf einem mit hellroten Natursteinplatten gepflasterten Weg rechts um die Garagen herum.

Der Älteste geht voran, er scheint sich hier auszukennen. Er öffnet eine schmiedeeiserne Zierpforte, führt die beiden anderen am Swimmingpool entlang (ein shot von oben, so daß der rotgekachelte Boden zu sehen ist) und bleibt vor einem Fenster des Hauses stehen.

Von den Nachbarn werden die Männer durch eine dichte Wand aus Strohmatten abgeschirmt, an denen sich die Tentakel von Efeu und anderen Gewächsen emporgehangelt haben. Keiner kann sie dort sehen.

Das Fenster hat Schieberahmen und ist in sechs kleinere Scheiben unterteilt.

»Das schlage ich jetzt ein«, kündigt der dicke Mann keuchend an. Der kurze Gang hierher hat ihn erschöpft. Sein Alter und seine schlechte Kondition erlauben eigentlich nicht, daß er vorangeht.

Mit heiserer Stimme fährt er fort: »Im Haushaltsraum ist keine Alarmanlage. Danach gehe ich in die Küche, und da wird dann die Sirene losheulen. Die habe ich binnen fünf Sekunden abgeschaltet. Also: nicht wegrennen, der Lärm gehört dazu.«

Darf die Polizei einfach irgendwo einbrechen? muß sich das Publikum fragen.

»Ich mach mir gleich in die Hose«, sagt der Schwitzende. »Für so was bin ich nicht zu gebrauchen.«

»Du kannst jetzt keinen Rückzieher mehr machen«, ermahnt ihn der Fahrer.

Ist er der Anführer der drei? Wie der Älteste hat er große braune Augen, aber bei ihm strahlen sie etwas Melancholisches oder Trauriges aus und keine Unschuld. Man könnte sich vorstellen, daß er immer so dreinblickt, auch wenn er abgespannt oder verärgert ist. Er hat vermutlich die Art von Stoffwechsel, die einen gleich aufgeschwemmt aussehen läßt, wenn man mal ein, zwei Kilo zunimmt. Sein dunkles Haar beginnt sich zu lichten, er hat schwarze Augenbrauen und lange, feminine Wimpern. Wenn er Schauspieler wäre, ließe sich jede Rolle mit ihm besetzen, doch vermutlich würden Casting Directors in ihm einen osteuropäischen Halunken oder einen verkommenen Juden sehen.

Der dicke alte Mann zieht schmutzige Arbeitshandschuhe aus Leder an, deren Fingerspitzen von jahrelangem Gebrauch speckig glänzen. Er drückt eine der kleinen Scheiben aus ihrem Rahmen.

Das Geräusch von splitterndem Glas, kaum mehr als das Klirren eines Weinkelchs oder eines Frühstückstellers, geht in dem Verkehrslärm unter, der vom Hollywood Freeway ungehindert an der Nordseite des Hauses emporquillt. (Um zu verdeutlichen, woher dieser Lärm kommt, vielleicht zuvor einen shot auf den Freeway einblenden, der vom Olds aus sichtbar wird, wenn sie den Hügel hinauffahren?) Der Dicke greift mit einer Hand durch die Öffnung, entriegelt das Fenster und schiebt es hoch.

Er braucht Hilfe, als er über den Fenstersims ins Haus hineinsteigt. Denn immerhin ist er ein dicker alter Mann mit steifen Gliedern, und vielleicht muß er in irgendeiner Weise eine Schwäche zu erkennen geben, die auf ein ernsteres Leiden hindeutet.

Vom point of view des Fahrers sieht man den alten Mann zur Küchentür gehen.

Unmittelbar darauf heult die durchdringende Sirene der Alarmanlage los. Der Schwitzende blickt sich, vom gellenden Lärm überrascht, verschreckt um, und der Fahrer macht eine beruhigende Gebärde.

Nach fünf Sekunden geht die Sirene aus, wie der alte Mann versprochen hat, und erstirbt mit einem langgezogenen, klagenden Seufzer. Die Welt scheint sich an diesem Einbruch in die Ordnung der Dinge nicht zu stören.

Die Kamera bleibt draußen, bis der alte Mann von innen her die Küchentür öffnet.

»Kommt rein«, sagt er. »Nichts anfassen. Wir gehen gleich nach unten.«

Schnitt auf das Innere der Villa. Die drei Männer durchqueren, die leeren Koffer schwenkend, die Küche. Die Küche sieht noch wie bei ihrer Einrichtung in den roaring twenties aus, bis hin zu dem riesigen gußeisernen Herd und den Art-déco-Wandfliesen, aber auch eine Mikrowelle, ein Mixer und eine moderne Espressomaschine sind vorhanden.

Der alte Mann öffnet eine Tür, und sie sehen eine Treppe, die in einen Keller führt.

»Vor einer Woche hab ich noch von nichts gewußt«, seufzt der Schwitzende.

»Halt doch den Mund«, gebietet der Fahrer.

Sie stolpern die Treppe hinunter und gelangen in einen dunklen Gang. Der alte Mann macht das Licht an.

Die Decke ist im Stil romanischer Bögen gewölbt, der Fußboden ist mit braunen Klosterfliesen ausgelegt, die Wände sind unverputzt. Dieser Teil des Gebäudes stellt einen Stilbruch zum Art déco des Erdgeschosses dar, das offen, hell und elegant ist. Dem Kellergeschoß dagegen haftet eine schwere, ernste Atmosphäre an - fast so etwas wie eine germanische Unterwelt, die die verspielte Oberwelt stützt.

Der alte Mann öffnet eine weitere Tür, knipst auch dort das Licht an, und dann folgt der Enthüllungs-shot: ein eingemauerter Tresor, eine schwere, grün gespritzte Tür von anderthalb Meter Höhe, eingehängt in zwei Scharniere, die an der Außenseite des breiten Metallrahmens angebracht sind.

»Mister Green, walten Sie Ihres Amtes«, sagt der alte...
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