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Dinge, an die wir nicht glauben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am17.08.20211. Auflage, neue Ausgabe
In Bens und Mikes hitzigen Streitereien fliegen schon mal Handys durch die Gegend. Ihre Konflikte löst das junge Paar mit Sex. Ben, ein schwarzer Kindergärtner, und Mike, ein Koch mit japanischen Wurzeln, leben seit vier Jahren zusammen in Houston. So richtig glauben beide nicht mehr an ihre Liebe. Als Mikes schroffe Mutter Mitsuko aus Japan zu Besuch kommt, reist Mike überstürzt ab, um seinen todkranken Vater zu pflegen, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ben bleibt zurück mit einer fremden Frau, die auf Distanz geht und erst mal wortlos die ganze Küche umräumt. Aber mit der Zeit merken Ben und Mitsuko, dass sie Mike durch den jeweils anderen neu kennenlernen. Seine Abwesenheit wird zum verbindenden Glied. Doch dann kehrt Mike zurück, und das fragile Gebilde gerät ins Wanken.

Bryan Washingtons Prosatexte und Essays erschienen bisher u. a. in der New York Times, dem New York Magazine, Buzz Feed und One Story. Sein Schreiben wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein Debüt Lot, eine Kurzgeschichtensammlung, erhielt er den Dylan Thomas Prize, er war einer der Gewinner des National Book Award in der Kategorie '5 Under 35' und Preisträger des Ernest J. Gaines Award for Literary Excellence. Sein Romandebüt Dinge, an die wir nicht glauben ist in den USA ein Bestseller und wird als TV-Serie verfilmt. An einem Tisch ist sein zweiter Roman. Bryan Washington lebt in Houston, Texas.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextIn Bens und Mikes hitzigen Streitereien fliegen schon mal Handys durch die Gegend. Ihre Konflikte löst das junge Paar mit Sex. Ben, ein schwarzer Kindergärtner, und Mike, ein Koch mit japanischen Wurzeln, leben seit vier Jahren zusammen in Houston. So richtig glauben beide nicht mehr an ihre Liebe. Als Mikes schroffe Mutter Mitsuko aus Japan zu Besuch kommt, reist Mike überstürzt ab, um seinen todkranken Vater zu pflegen, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ben bleibt zurück mit einer fremden Frau, die auf Distanz geht und erst mal wortlos die ganze Küche umräumt. Aber mit der Zeit merken Ben und Mitsuko, dass sie Mike durch den jeweils anderen neu kennenlernen. Seine Abwesenheit wird zum verbindenden Glied. Doch dann kehrt Mike zurück, und das fragile Gebilde gerät ins Wanken.

Bryan Washingtons Prosatexte und Essays erschienen bisher u. a. in der New York Times, dem New York Magazine, Buzz Feed und One Story. Sein Schreiben wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein Debüt Lot, eine Kurzgeschichtensammlung, erhielt er den Dylan Thomas Prize, er war einer der Gewinner des National Book Award in der Kategorie '5 Under 35' und Preisträger des Ernest J. Gaines Award for Literary Excellence. Sein Romandebüt Dinge, an die wir nicht glauben ist in den USA ein Bestseller und wird als TV-Serie verfilmt. An einem Tisch ist sein zweiter Roman. Bryan Washington lebt in Houston, Texas.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036994765
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.08.2021
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4255 Kbytes
Artikel-Nr.5806122
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1.

Mike fliegt nach Osaka, aber seine Mutter kommt nach Houston.

Nur für ein paar Wochen, sagt er.

Oder vielleicht auch ein paar Monate, sagt er. Aber ich muss hin.

Das Erste, was ich denke, ist: Fuck.

Das Zweite, dass wir kein Geld dafür haben.

Dann wird mir bewusst, dass wir überhaupt nichts gespart haben. Aber Mike war schon immer gut mit Finanzen, immer gut darin, eine eigene Kasse zu führen. Das ist einfach so bei ihm. War schon immer so.

Jetzt sagt er, dass er zu seinem Vater will. Der Mann ist krank. Mike will ihn noch einmal sehen, bevor er abdankt. Und ich sitze auf dem Sofa, höre ihm halb zu und lade mein Telefon.

Du hast deine Mom seit Jahren nicht gesehen, sage ich. Sie kommt dich besuchen. Ich kenne sie nicht - habe sie noch nie getroffen.

Ich sage: Du magst deinen verdammten Vater nicht mal.

Stimmt, sagt Mike. Aber ich hab das Ticket schon.

Und Ma ist noch hier, wenn ich zurückkomme, sagt Mike. Du leistest ihr super Gesellschaft. Sie wirds überleben.

Er steht am Herd, schlägt Eier auf und gibt die Dotter in zwei Pfannen. Als sie sich gesetzt haben, salzt er sie, träufelt Mayonnaise darüber und gibt ein paar Oreganozweige dazu. Früher konnte Mike Srirachasoße nicht ausstehen, bekam Anfälle, wann immer ich danach griff. Jetzt drückt er den Rest aus der verblichenen Flasche über mein Omelett und reibt das Zeugs mit einem Bratenwender rein.

Ich frage nicht, wo er in Japan wohnen wird. Ich frage nicht, bei wem er wohnen wird und wo seine Mutter hier schlafen soll, in unserem Zwei-Zimmer-Apartment. Wie genau das gehen soll. Die Sache mit einem fahrenden Zug ist, dass du ihn manchmal noch erwischen kannst. Die Familien einiger Kids, mit denen ich arbeite, haben es so in dieses Land geschafft. Stürzt du, bist du tot. Bist du zu langsam, bist du tot. Aber wenn du mit ausreichend Schwung kommst, besteht eine Chance.

Ich trete den Couchtisch also nicht um. Auch keinen der Stühle. Weder zerkratze ich sein Auto noch ramme ich damit durch die Wand ins Wohnzimmer. Nach dem blauen Auge haben wir aufgehört, uns zu schlagen - haben uns beide gedacht, jeder still für sich, dass das das Mindeste ist.

Was ich heute mache, ist lächeln.

Ich danke Mike, dass er mich informiert hat.

Ich frage ihn, wann er fliegt, und bemerke sofort meinen Fehler. Ich greife bereits nach meinem Ladegerät, um damit zu werfen, als er es sagt: Morgen.

â

Es geht uns gut. Danke der Nachfrage.

â

Wir sind seit, Moment, vier Jahren zusammen? Das hängt davon ab, wie man rechnet. Wir waren seit Monaten auf keiner Party mehr, und als wir noch auf Partys gingen, wusste zuerst keiner, dass wir vögeln. Mike stand einfach nur da, während sich irgendein Whitegirl zu mir durchredete, dann reckte er den Arm über meine Schulter und steckte einen Finger in mein Bier.

Oder er nieste, beugte sich vor und wischte sich die Nase an meinem Ärmel ab.

Streichelte mein Portemonnaie, langsam, und schob es in meiner Tasche herum.

Einmal, bei einem Abendessen, legte er eine Hand in meinen Schoß und fuhr mir mit dem Daumen über den Schwanz. Hin und wieder sah einer hin, und als sie es endlich kapierten, drückten sie den Rücken durch, und ihr Lächeln wurde etwas zu breit. Mike fragte, ob was wäre, aber sie sagten, nein, überhaupt nicht, und er machte weiter, ohne auch nur einen Blick zu mir.

Wir wussten beide, wie wir aussahen. Und wie wir nicht aussahen. An einem Abend vor ein paar Wochen, auf einer Kneipentour mit Mikes Kollegen, genügte ein Blick auf uns. Er arbeitet in einem Coffeeshop in Montrose, so einer Fusions-Geschichte, wo sie Reisschüsseln mit Frühlingsrollen vermanschen - wobei, wenn Mike nicht da ist, kochen sie rein mexikanisch.

Sie hatten seit einem Jahr geöffnet, und es war ihre Jubiläumsfeier. Mike hatte uns dafür eingetragen, eine Stunde lang Tortillas zu wenden gleich beim DJ-Pult.

Ich fühlte mich elend. Mike fühlte sich elend. Alle, die bei uns vorbeikamen, sahen uns auf diese Weise an, die besagte: Hmm. Sie legten uns die Hände auf die Schultern und fragten, wie lange wir schon zusammen seien. Sie wollten wissen, wo wir uns kennengelernt hätten und wie wir mit Harvey zurechtgekommen wären, und die Musik war so scheißlaut, dass Mike und ich nur irgendwie nickten.

â

Ich sage kein Wort, als wir zum Flughafen fahren, um seine Mutter abzuholen. Auch nicht, als Mike schließlich hält. Der IAH liegt außerhalb der Houstoner Ringautobahnen, aber auf dem Highway dorthin ist ständig Verkehr. Als Mike beim Ankunftsbereich rechts ranfährt und den Schlüssel abzieht, schimmert eine Lichterlinie hinter uns, ein winziges Sternbild aus Reisenden.

Mike hat mittlerweile einen Schnäuzer. Er weht ihm übers Gesicht. Bisher hat er ihn immer gestutzt, doch jetzt denke ich, dass er wie seine eigene Karikatur aussieht. Wir sitzen vorm Terminal, und es kann nicht sein, dass unsere Situation abgefuckter ist als die anderer, aber trotzdem. Manchmal fragt man sich schon.

Ich frage mich.

Ich frage mich, ob er sich fragt.

Wir sind in letzter Zeit nicht gut darin, uns zu entschuldigen. Das wäre jetzt eine nette Gelegenheit.

Der Flughafen hat täglich etwa 111500 Besucher, und wir zwei gehören zu den absolut lächerlichsten.

Hey, sagt Mike.

Er seufzt. Gibt mir den Schlüssel. Sagt, er ist gleich mit seiner Mutter wieder da.

Wenn du abhaust, sagt Mike, werden wir dich schon finden.

â

Er brauchte ganze zwei Dates, um auf das Thema Hautfarbe zu kommen. Wir saßen in einer irischen Kneipe direkt hinterm Hyde Park. Alle im Innenhof waren weiß. Ich war ein bisschen betrunken, und als ich Mike sagte, er sei etwas kleiner als optimal, schnalzte er mit der Zunge, als wolle er sagen: Warum hast du dafür so lange gebraucht?

Was, wenn ich dir sage, dass du zu höflich bist?, fragte Mike.

Okay, sagte ich.

Oder dass du dich so gut ausdrückst.

Kapiert. Tut mir leid.

Entschuldige dich nicht, sagte Mike und boxte mir gegen die Schulter.

Es war das erste Mal, dass wir uns an dem Abend berührten. Der Barmann sah in unsere Richtung und zwinkerte uns zu.

Ich hoffe nur, du siehst einen vollwertigen Menschen in mir, sagte Mike. Mal abgesehen von deinem Sex-Appeal.

Halts Maul, sagte ich.

Ernsthaft, sagte Mike. Kein Scheiß.

Ich Mifune, sagte er, du Yasuke.

Hör schon auf, sagte ich.

Oder vielleicht sind wir auch fucking Bonnie und Clyde, sagte er.

â

Drei verschiedene Cops linsen in den Wagen, während Mike in der Gepäckausgabe ist. Den ersten beiden lächle ich zu. Der dritte erntet einen düsteren Blick. Worauf zum Teufel wartest du, klopft er an mein Fenster, und als ich auf den Halleneingang deute, runzelt er die Stirn.

Dann sehe ich, wie sie nach draußen kommen. Das Erste, was ich denke, ist, dass sie wie meine Familie aussehen. Mikes Mutter geht ein bisschen gebückt, und er zieht ihren Koffer hinter sich her. Eine Weile lang haben sie sich einmal im Jahr gesehen - sie flog hierher, nur um ihn zu besuchen - aber die letzten paar Jahre waren schwierig. Seit ich bei Mike wohne, gab es keine Besuche mehr.

Ich öffne den Kofferraum. Ich wäre gern der Typ, der das nicht tut, mach es aber.

Mike hilft seiner Mutter den Sitz hinten richtig einstellen, und sie sieht mich nicht mal an. Ihr Haar ist zu einem Knoten gebunden. Sie trägt eine hellblaue Windjacke, eine Atemschutzmaske und einen Hauch Make-up.

Ma, sagt Mike. Hast du Hunger?

Sie murmelt etwas Japanisches. Zuckt mit den Schultern.

Ma, sagt Mike.

Er wirft mir einen Blick zu. Fragt noch einmal. Dann wechselt er die Sprache.

Sie sagt etwas, er sagt etwas, und dann kommt ein Typ, der den Verkehr regelt, an mein Fenster. Ein kräftiger Latino mit Weste. Den Kopf rasiert, als wär er in der Army. Er sagt etwas, was wir nicht hören können, und ich lasse das Fenster herunter. Er fragt, ob was nicht stimmt.

Ich sage, wir fahren.

Dann fahrt!

Die nächsten Worte verlassen meinen Mund, noch bevor ich sie abschmecken kann. Es ist so, als kämen sie von selbst. Ich sage: Okay, Arschloch, wir sind schon weg.

Und der Latino-Typ sieht mich düster an. Aber bevor er was sagen kann, fangen sie hinter uns an zu hupen. Er sieht mich wieder an und geht dann weg, kratzt sich die Brust und zuckt noch mal kurz zu unserem Auto hin.

Während ich das Fenster hochkurble, starrt mich Mike an. Seine Mutter auch. Sie sagt etwas, schüttelt den Kopf, und ich fädele mich in den Verkehr ein.

Ich drehe das Radio lauter, sie spielen Meek Mill.

Ich wechsle den Sender, und es kommt Migos. Ich schalte das verdammte Ding aus.

Endlich erreichen wir den Highway.

Plötzlich sind wir bloß eine weitere Soap Opera von viel zu vielen, doch dann lacht Mikes Mutter los und schüttelt den Kopf.

Sie sagt etwas auf Japanisch.

Mike schlägt gegen das Handschuhfach und sagt: Ma.

â

Meine Eltern tun so, als wäre ich nicht schwul. Das ist leichter für sie, als es klingt. Mein Vater wohnt in Katy, westlich von Houston. Meine Mutter ist in Bellaire geblieben, auch nachdem sie wieder geheiratet hat. Vorher haben wir mit der Familie meist auswärts in der Stadt gegessen. Mein Vater war Meteorologe. Es war so ein Statusding. Er holte meine Schwester, meine Mutter und mich von zu Hause ab und fuhr uns die I-45...

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Bryan Washingtons Prosatexte und Essays erschienen bisher u. a. in der New York Times, dem New York Magazine, Buzz Feed und One Story. Sein Schreiben wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein Debüt Lot, eine Kurzgeschichtensammlung, erhielt er den Dylan Thomas Prize, er war einer der Gewinner des National Book Award in der Kategorie »5 Under 35« und Preisträger des Ernest J. Gaines Award for Literary Excellence. Sein Romandebüt Dinge, an die wir nicht glauben ist in den USA ein Bestseller und wird als TV-Serie verfilmt. An einem Tisch ist sein zweiter Roman. Bryan Washington lebt in Houston, Texas.

Werner Löcher-Lawrence ist u. a. der Übersetzer von John Boyne und Hilary Mantel und übersetzte für Kein & Aber Gabriel Krauze und Lisa McInerney.