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»Töte mich!«

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.01.20221. Auflage
Eine Frau kauft sich ein paar knallbunte Sommersachen und fliegt in den Süden. Schon auf dem Flug beginnt sie zielstrebig nach einem ganz bestimmten Typ Mann zu suchen: ihrem Mörder. Das Drehbuch für den Mord ist geschrieben, die Tatwaffe besorgt. Die junge Frau lernt eine interessante Dame kennen, gerät in eine Demonstration, läßt sich in Makrobiotik unterweisen ­ und sucht nur den einen ­ ihren Mörder.

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
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Produkt

KlappentextEine Frau kauft sich ein paar knallbunte Sommersachen und fliegt in den Süden. Schon auf dem Flug beginnt sie zielstrebig nach einem ganz bestimmten Typ Mann zu suchen: ihrem Mörder. Das Drehbuch für den Mord ist geschrieben, die Tatwaffe besorgt. Die junge Frau lernt eine interessante Dame kennen, gerät in eine Demonstration, läßt sich in Makrobiotik unterweisen ­ und sucht nur den einen ­ ihren Mörder.

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257611106
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum26.01.2022
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse529 Kbytes
Artikel-Nr.8733377
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Lise ist dünn. Sie ist etwa einssiebzig groß. Ihre Haare sind hellbraun, wahrscheinlich gefärbt, wobei sich eine besonders helle Strähne von der Mitte ihres Haaransatzes bis zum höchsten Punkt ihres Kopfes zieht. Ihre Haare sind seitlich und hinten kurz geschnitten und nach oben frisiert. Sie könnte erst neunundzwanzig oder schon sechsunddreißig sein, aber kaum jünger, kaum älter. Sie ist am Flughafen angekommen, sie bezahlt den Taxifahrer rasch, auf dem Gesicht einen Ausdruck unbestimmter Sehnsucht, am liebsten wäre sie jetzt irgendwo anders. Genauso wirkt sie auf den Gepäckträger, der ihre Tasche nimmt und ihr zum Schalter folgt. Sie scheint ihn nicht zu sehen.

Vor ihr warten zwei Menschen. Lises Augen stehen weit auseinander, blaugrau und stumpf. Ihre Lippen sind ein Strich. Sie ist weder hübsch noch häßlich. Ihre Nase ist kurz und breiter als auf dem Foto, das, halb Phantombild, halb richtige Fotografie, bald in den Zeitungen in vier verschiedenen Sprachen veröffentlicht werden wird.

Lise betrachtet die zwei Menschen vor ihr, erst die Frau und dann den Mann, beugt sich dabei zur einen und dann zur anderen Seite, entweder um in den Halbprofilen, die sich ihr bieten, ein bekanntes Gesicht zu entdecken, oder um sich durch die Blicke und Bewegungen von ihrer Nervosität zu befreien.

Als Lise an der Reihe ist, hebt sie ihr Gepäck auf die Waage und schiebt so schnell wie möglich dem Angestellten ihr Ticket hin. Während er es prüft, dreht sie sich um und starrt das Paar an, das nun hinter ihr wartet. Sie sieht beiden ins Gesicht, wendet sich dann wieder dem Angestellten zu, unbeeindruckt von den Blicken, die die beiden ihr zuwerfen als einmütige Reaktion auf Lises bunte Kleidung.

»Haben Sie noch Handgepäck?« fragt der Angestellte und späht über den Schalter.

Lise lächelt affektiert, schiebt die oberen Zähne ein wenig über die Unterlippe und holt Luft.

»Irgendwelches Handgepäck?« Der geschäftige junge Angestellte guckt sie an, als wollte er sagen »Was ist denn mit Ihnen los?« Und Lise antwortet mit einer Stimme, die anders klingt als die, mit der sie gestern mit der Verkäuferin sprach, bei der sie ihre entsetzlichen Sachen kaufte, und die sie am Telefon hatte und als sie frühmorgens mit der Frau vor der Portiersloge sprach. Jetzt spricht sie mit einer Kleinmädchenstimme, die diejenigen, die in Hörweite sind, wohl für ihre normale Stimme halten, auch wenn sie unangenehm ist. Lise sagt: »Ich habe nur meine Handtasche dabei. Ich halte viel vom Reisen mit leichtem Gepäck, weil ich viel unterwegs bin und weiß, wie schlimm es ist, wenn man großes Handgepäck mitnimmt und die Nachbarn im Flugzeug nicht wissen, wohin mit den Füßen.«

Der Angestellte seufzt, schürzt die Lippen, schließt die Augen, stützt das Kinn in die Hände und den Ellbogen auf den Tisch, alles in einer einzigen Bewegung. Lise wendet sich an das Paar hinter ihr. Sie sagt: »Wenn Sie soviel reisen wie ich, dann müssen Sie mit leichtem Gepäck reisen. Ich sage Ihnen, fast hätte ich überhaupt kein Gepäck mitgenommen, weil man alles, was man braucht, auch anderswo bekommt. Den Koffer hier habe ich nur deswegen mitgenommen, weil der Zoll Verdacht schöpft, wenn man ohne Gepäck ein- und ausreist. Sie glauben, man schmuggelt Rauschgift und Diamanten unter der Bluse, also habe ich die üblichen Sachen für einen Urlaub zusammengepackt, aber es war alles ziemlich unnötig, wie Sie noch verstehen werden, wenn Sie im Laufe der Jahre soviel herumgekommen sind, sich in vier Sprachen auskennen und wissen, was Sie tun ...«

»Hören Sie«, sagt der Angestellte, während er sich aufrichtet und ihr Ticket stempelt. »Sie halten die Leute auf. Wir haben viel zu tun.«

Lise wendet sich von dem verdutzt aussehenden Paar wieder dem Angestellten zu, der ihr ihr Tikket und die Bordkarte zuschiebt. »Ihre Bordkarte«, sagt er. »Ihr Flug wird in fünfundzwanzig Minuten aufgerufen. Der Nächste bitte.«

Lise nimmt ihre Papiere und entfernt sich, als sei sie in Gedanken schon bei der nächsten Formalität für den Abflug. Sie steckt das Ticket in ihre Tasche, nimmt ihren Paß heraus, schiebt die Bordkarte hinein und geht direkt zu den Schaltern der Paßkontrolle. Und es scheint fast, als sei Lise befriedigt darüber, daß sie ihre Anwesenheit auf dem Flughafen unter den Tausenden von Reisenden deutlich gemacht hat. Als habe sie eine kleine, aber sehr wichtige Sache erledigt. Sie geht auf den Beamten zu, reiht sich in die Schlange ein und händigt ihren Paß aus. Und jetzt, nachdem sie ihren Paß wieder zurückbekommen hat, schiebt sie sich durch die Tür in die Abflughalle. Sie geht bis zum Ende der Halle, macht dann kehrt und geht wieder zurück. Sie ist weder hübsch noch häßlich. Ihre Lippen sind ein wenig geöffnet. Sie bleibt stehen, um einen Blick auf die Anzeigetafel zu werfen, geht dann weiter. Die Menschen um sie herum sind meist zu sehr mit ihren Einkäufen und mit ihren Flugnummern beschäftigt, um Lise zu bemerken, aber die, die neben Handgepäck und Kindern auf den Ledersesseln sitzen und darauf warten, daß ihr Flug aufgerufen wird, schauen sie an, während sie vorbeigeht, registrieren wortlos die verrückten Farben ihres rot-weiß gestreiften Mantels, der locker über ihrem Kleid hängt, das gelbe Oberteil, der Rock in Orange, Lila und Blau. Sie schauen sie, während sie vorbeigeht, genauso an, wie sie die Mädchen anschauen, deren Röcke besonders kurz sind oder die Männer, die knapp sitzende blumengemusterte oder durchsichtige Hemden tragen. Unter ihnen fällt Lise nur durch ihre eigentümliche Farbkombination auf, die damit kontrastiert, daß ihre Röcke seit Jahren altmodisch lang sind; sie bedecken die Knie, wie die luftigen Kleider vieler anderer, aber geschmackvoller gekleideter Reisenden, von denen es in der Abflughalle wimmelt. Lise steckt ihren Paß in ihre Tasche und hält ihre Bordkarte in der Hand.

Am Zeitungskiosk bleibt Lise stehen, sieht auf ihre Uhr und fängt an, sich die Taschenbuchständer anzusehen. Eine weißhaarige, hochgewachsene Frau sieht sich die gebundenen Bücher an, die auf einem Tisch gestapelt sind. Sie blickt auf und sagt zu Lise, auf die Taschenbücher zeigend: »Gibt es dort etwas überwiegend in Rot, Grün oder Beige?«

»Wie bitte?« sagt Lise höflich in einem ausländisch gefärbten Englisch. »Was suchen Sie?«

»Oh«, sagt die Frau, »ich dachte, Sie sind Amerikanerin.«

»Nein, aber ich kann mich in vier Sprachen zumindest verständlich machen.«

»Ich bin aus Johannesburg«, sagt die Frau. »Ich habe ein Haus in Jo´burg und ein zweites in Sea Point am Kap. Mein Sohn, er ist Rechtsanwalt, hat eine Wohnung in Jo´burg. In jeder unserer drei Wohnungen gibt es Gästezimmer, also zweimal Grün, zweimal Rot, dreimal Beige, und ich versuche gerade, Bücher zu finden, die farblich passen. Ich sehe aber keine in genau diesen Pastelltönen.«

»Sie sollten es mit englischen Büchern probieren«, sagt Lise. »Ich glaube, englische Bücher finden Sie dort drüben im vorderen Teil des Ladens.«

»Dort habe ich schon nachgesehen und meine Farben nicht gefunden. Sind das hier keine englischen Bücher?«

Lise sagt: »Nein. Und sowieso sind alle sehr kräftig in den Farben.« Dann lächelt sie und beginnt, die Lippen geöffnet, rasch die Taschenbücher durchzugehen. Sie greift eines heraus, hellgrüne Buchstaben auf weißem Grund, und der Name des Autors ist so gestaltet, daß er wie blaue Blitze aussieht. Mitten auf dem Umschlag sind ein brauner Junge und ein braunes Mädchen abgebildet, nur mit Sonnenblumengirlanden bekleidet. Lise bezahlt, während die weißhaarige Frau sagt: »Diese Farben sind zu stark für mich. Ich finde nichts.«

Lise hält das Buch gegen ihren Mantel, kichert munter und schaut zu der Frau hin, als wollte sie sehen, ob ihr Kauf Anerkennung findet.

»Sie machen Urlaub?« fragt die Frau.

»Ja. Mein erster seit drei Jahren.«

»Sie reisen viel?«

»Nein. Ich habe so wenig Geld. Aber jetzt reise ich in den Süden. Ich war schon einmal dort, vor drei Jahren.«

»Also dann, hoffentlich haben Sie eine schöne Zeit. Eine sehr schöne Zeit. Sie sehen sehr fröhlich aus.«

Die Frau hat große Brüste, sie trägt einen hellroten Sommermantel und ein hellrotes Kleid. Sie lächelt und ist liebenswürdig, flüchtig vertraut mit Lise, und sie hat nicht die geringste Ahnung, daß schon sehr bald, nach anderthalb Tagen des Zögerns und nach einem langen mitternächtlichen Telefongespräch mit ihrem Sohn, dem Anwalt in Johannesburg, der ihr davon abrät, sie sich trotzdem melden und alles wiederholen wird, woran sie sich erinnert, und alles, woran sie sich nicht erinnert, und alle Einzelheiten, die sie für wahr hält, und all jene, die wahr sind; Einzelheiten ihrer Unterhaltung mit Lise, nachdem sie in den Zeitungen gelesen hat, daß die Polizei herausfinden will, wer Lise ist und wem sie, wenn überhaupt, auf ihrer Reise begegnet ist und was sie gesagt hat.

»Sehr fröhlich«, sagte diese Frau nachsichtig zu Lise und schmunzelt über Lises bunte Aufmachung.

»Ich hoffe, es wird eine fröhliche Zeit«, sagt Lise.

»Sie haben einen jungen Freund?«

»Ja, ich habe einen Freund.«

»Ist er denn nicht bei Ihnen?«

»Nein. Ich werde ihn finden. Er wartet schon auf mich. Vielleicht sollte ich im Duty-free-Shop ein Geschenk für ihn kaufen.«

Sie gehen in Richtung Anzeigetafel. »Ich fliege nach Stockholm. Ich muß noch eine Dreiviertelstunde warten«, sagt die Frau.

Lise schaut gerade auf die Tafel, als sich die Lautsprecherstimme durch das allgemeine Gemurmel kämpft. Lise sagt: »Das ist mein...
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Autor

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. >Die Blütezeit der Miss Jean Brodie