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Meistererzählungen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.01.20221. Auflage
Die besten Erzählungen von Muriel Spark: Die schwarze Madonna / Die Frau des Pfandleihers / Die Zwillinge / Miss Pinkertons Apokalypse / »... und für den Winter eine traurige Geschichte« / Vogelruf / Daisy Overend / Sie hätten den Schmutz sehen sollen! / Komm mit, Marjorie / Portobello Road / Der Seraph und der Sambesi

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR7,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR5,99

Produkt

KlappentextDie besten Erzählungen von Muriel Spark: Die schwarze Madonna / Die Frau des Pfandleihers / Die Zwillinge / Miss Pinkertons Apokalypse / »... und für den Winter eine traurige Geschichte« / Vogelruf / Daisy Overend / Sie hätten den Schmutz sehen sollen! / Komm mit, Marjorie / Portobello Road / Der Seraph und der Sambesi

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257611151
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum26.01.2022
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse655 Kbytes
Artikel-Nr.8733379
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Als man die Schwarze Madonna in der Kirche des Heiligen Herzens aufgestellt hatte, kam der Bischof höchst persönlich, um sie zu weihen. Zwei Chorknaben mit besonders prächtigem Lockenkopf trugen seine lange purpurne Schleppe. Als er vom Presbyterium über den Hof zur Kirche schritt, breitete sich plötzlich dünnes Oktobersonnenlicht über die Prozession und erwies damit diesem Tag eine besondere Gunst. Das Gefolge sang die Allerheiligen-Litanei: fünf Priester in Meßgewändern aus schwerer weißer, mit schimmernden Fäden durchwobener Seide, vier Laienbrüder in schlichten roten Gewändern und danach die Gemeindemitglieder sowie die untergeordneten Reihen der Mütterunion.

In der neuen Stadt Whitney Clay gab es viele Katholiken, besonders unter den Schwestern des neuen Krankenhauses. Doch auch in der Papierfabrik arbeiteten viele Katholiken, die das großzügige Siedlungsprogramm aus Liverpool hierhergezogen hatte, und das gleiche traf für die Arbeiter der Konservenfabrik zu.

Ein Konvertit, der erst kürzlich zum katholischen Glauben übergetreten war, hatte der Kirche die Schwarze Madonna gestiftet. Sie war aus Sumpfeichenholz geschnitzt.

»Das Holz wurde im Sumpf gefunden; es hat dort Hunderte von Jahren gelegen. Da hat man sofort mit dem Bildschnitzer telephoniert, und der ist unverzüglich nach Irland hinübergefahren und hat sich an die Arbeit gemacht. Er mußte das Holz nämlich bearbeiten, solange es noch naß war, wissen Sie?«

»Sieht ein wenig nach moderner Kunst aus.«

»Ach wo, das ist doch nicht modern; das ist ganz im alten Stil. Wenn Sie je zeitgenössische Arbeiten gesehen hätten, wüßten Sie, daß es altertümlich ist.«

»Es sieht aber mod - - - «

»Es ist aber altertümlich gehalten. Meinen Sie, man hätte sonst die Genehmigung erteilt, es aufzustellen?«

»So hübsch wie die Unbefleckte Empfängnis in Lourdes ist es aber nicht. Die wirkt dagegen richtig erhebend.«

Mit der Zeit jedoch gewöhnten sich alle an die Schwarze Madonna mit den viereckigen Händen und dem geradlinig geschnitzten Faltenwurf. Nur ganz zu Anfang waren einige dafür, sie in ein Gewand zu kleiden oder ihr wenigstens einen Schleier umzuhängen.

»Sie sieht ein wenig düster aus, Vater, meinen Sie nicht auch?«

»Nein«, antwortete der Priester, »ich finde, sie sieht gut aus, wie sie ist. Wenn man sie in Stoffe hüllen wollte, würde man die ganze Linie verschandeln.«

Manchmal kamen Leute eigens aus London, um die Schwarze Madonna zu sehen, und das waren keine Katholiken; wie der Pfarrer sagte, besaßen diese Menschen wahrscheinlich überhaupt keine Religion, die armen Seelen, obgleich sie doch intelligent zu sein schienen. Sie strömten herbei wie zu einem Museum, um die Form der Schwarzen Madonna zu bewundern, die nicht durch Gewänder verschandelt werden durfte.

 

Die neue Stadt Whitney Clay hatte das alte Dorf verschlungen. Nur noch zwei oder drei Häuser mit doppelten Giebelfenstern, ein Gasthaus mit dem Namen The Tyger, eine Methodistenkapelle und drei kleine Kramläden repräsentierten das Dorf. Den drei Läden war bereits vom Stadtrat der Abbruch angedroht worden; die Methodisten kämpften um die Erhaltung ihrer Kapelle, und nur die Häuser mit den doppelten Giebelfenstern und das Gasthaus mußten vom Planungskomitee der Stadt geduldet werden, da der Staat sie unter Denkmalschutz gestellt hatte.

Die Stadt war geometrisch in Quadrate, Halbkreise (um den Durchgangsverkehr zu erleichtern) und gleichschenklige Dreiecke eingeteilt, die an einer Stelle unvermittelt unterbrochen waren, um das alte Dorf zu umgehen, das aus der Vogelschau wie ein fröhlicher Klecks auf einem säuberlich beschriebenen Blatt aussah.

Die Manders Road bildete eine Seite eines Parallelogramms von mit Grünanlagen eingefaßten Straßen. Sie war nach einem der Gründer des Konservenkonzerns Manders´ Feigen in Saft benannt worden und bestand aus einer Ladenzeile und einem langgestreckten hohen Wohnblock, der nach dem verstorbenen Sir Stafford Cripps, welcher noch den Grundstein gelegt hatte, Cripps House hieß. Die Wohnung Nummer zweiundzwanzig im fünften Stockwerk des Cripps House gehörte Raymond und Lou Parker. Raymond Parker war Werkmeister in der Motorenfabrik und Angehöriger des Betriebsrates. Er war seit fünfzehn Jahren mit Lou verheiratet, die zu jener Zeit, da man über die wundersamen Kräfte der Schwarzen Madonna zu reden begann, siebenunddreißig Jahre zählte.

Fünf von den fünfundzwanzig Ehepaaren, die im Cripps House wohnten, waren katholisch. Alle außer Raymond und Lou hatten Kinder. Eine sechste Familie war kürzlich von der Stadtverwaltung in eines der neuerbauten Sechszimmerhäuser eingewiesen worden, da außer sieben Kindern auch noch ein Großvater dazu gehörte.

Raymond und Lou galten als vom Glück begünstigt, weil sie, obwohl kinderlos, eine Dreizimmerwohnung erhalten hatten. Leute mit Kindern wurden eigentlich bevorzugt; aber ihr Name hatte seit Jahren auf der Warteliste gestanden, und einige meinten, daß Raymond Beziehungen zu einem der Stadträte besäße, der gleichzeitig einer der Direktoren der Motorenfabrik war.

Die Parkers gehörten zu den wenigen Bewohnern des Cripps House, die ein Auto hatten. Sie besaßen kein Fernsehgerät wie die meisten ihrer Nachbarn; denn da sie kinderlos waren, hatten sie es sich leisten können, ihrem Geschmack großzügig nachzugeben, und ihre Gewohnheiten wichen infolgedessen ein wenig, ihre Vergnügungen und Hobbies jedoch erheblich von denen ihrer Nachbarn ab. Die Parkers gingen nur ins Kino, wenn der Observer den Film gelobt hatte; Fernsehen war ihnen zu gewöhnlich; sie hielten fest zu ihrer Religion; sie wählten Labour; das zwanzigste Jahrhundert war in ihren Augen unbedingt das bisher beste; sie stimmten dem Dogma von der Erbsünde zu; sie wendeten häufig das Wort viktorianisch auf Ideen und Leute an, die sie nicht mochten - wenn zum Beispiel einer der örtlichen Stadträte sein Amt niederlegte, sagte Raymond: »Er mußte ja gehen. Er ist Viktorianer. Und viel zu jung für diese Aufgabe.« Lou nannte Jane Austens Bücher viel zu viktorianisch; und jeder, der gegen die Abschaffung der Todesstrafe protestierte, war ein Viktorianer; Raymond hielt den Reader´s Digest, die Automobilzeitschrift Motoring und den Catholic Herald; Lou hatte The Queen, Woman´s Own und Life abonniert; sie lasen jeder zwei Bücher die Woche; Raymond zog Reisebeschreibungen vor, Lou mochte lieber Romane.

Während der ersten fünf Jahre ihres Ehelebens hatte ihnen die Tatsache, daß sie keine Kinder bekamen, viel Kummer bereitet. Sie hatten sich beide mehrfach ärztlich untersuchen lassen, und Lou erhielt daraufhin eine Anzahl Spritzen, jedoch ohne jeden Erfolg. Die Enttäuschung traf sie besonders schwer, da beide aus großen, kinderreichen katholischen Familien stammten. Keiner ihrer verheirateten Brüder und Schwestern hatte weniger als drei Kinder. Eine von Lous Schwestern, die inzwischen verwitwet war, besaß sogar acht; sie überwiesen ihr jede Woche ein Pfund.

Ihre Wohnung im Cripps House hatte drei Zimmer und Küche. Alle ihre Nachbarn sparten für ein eigenes Häuschen. Eine einmal erkämpfte Gemeindewohnung mit niedriger Sozialmiete bedeutete für sie lediglich eine Zwischenlandestation für den Raketenflug ihrer Wünsche. Lou und Raymond teilten diesen Ehrgeiz nicht; sie waren nicht nur zufrieden mit ihrer öffentlich subventionierten Behausung, sie waren begeistert davon und betrachteten sie gewissermaßen aus aristokratischer Sicht: mit dem stolzen Bewußtsein, in dieser Beziehung von den Vorurteilen der bürgerlichen Mittelschicht, zu der sie sich immerhin zählten, frei zu sein. »Eines Tages«, sagte Lou, »wird es zum guten Ton gehören, in einer Gemeindewohnung zu wohnen.«

In der Zusammenstellung ihres Freundeskreises waren sie sehr wählerisch. Hierbei gingen jedoch, das muß gesagt werden, ihre Ansichten ein wenig auseinander. Raymond hätte gern die Ackleys gemeinsam mit den Farrells eingeladen. Mr. Ackley war Buchhalter beim Elektrizitätswerk. Mr. Farrell sortierte Feigen bei Manders, und seine Frau war Platzanweiserin im Odeon.

»Letzten Endes«, machte Raymond geltend, »sind sie doch alle katholisch.«

»Das stimmt schon«, erwiderte Lou, »aber trotzdem gehen ihre Interessen weit auseinander. Die Farrells würden nicht verstehen, worüber die Ackleys reden. Die Ackleys beschäftigen sich am liebsten mit Politik, und die Farrells erzählen gern Witze. Ich bin kein Snob, ich denke nur vernünftig.«

»Oh, hab dich nur nicht so.« Denn niemand konnte Lou Snobismus vorwerfen, und jederman wußte, daß sie vernünftig dachte.

Als aktive Kirchenmitglieder besaßen sie einen sehr großen Bekanntenkreis. Genauer gesagt: sie waren Mitglieder verschiedener Vereinigungen und religiöser Gemeinschaften. Raymond stellte sich als Beistand zur Verfügung und organisierte außerdem die wöchentliche Fußball-Lotterie zur Unterstützung des Kirchenverschönerungsfonds. Lou kam sich besonders verloren vor, wenn die Mütterunion ihre Zusammenkünfte veranstaltete und eigene Messen lesen ließ, denn die Mütterunion war die einzige Vereinigung, für die sie nicht die notwendigen Voraussetzungen mitbrachte. Da sie vor ihrer Heirat als Krankenschwester gearbeitet hatte, war sie jedoch Mitglied der Schwesternvereinigung.

So hatte es sich ergeben, daß die meisten ihrer katholischen Freunde aus den verschiedensten Berufen kamen. Einige davon stammten zwar aus der Motorenfabrik, in der Raymond als Werkmeister arbeitete, gehörten...
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Autor

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. >Die Blütezeit der Miss Jean Brodie