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Die Tröster

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am23.02.20221. Auflage
Caroline, die junge Heldin des Romans, hört Stimmen, die sie und ihr Schicksal in ein imaginäres Buch im Buche einweben; Baron Stock, Okkultist und Buchhändler aus Passion, gefällt sich in der unfreiwilligen Rolle eines ihrer Tröster, während er nebenher merkwürdigen Geschäften nachgeht.
Die eigenwillige, ironisch gewürzte Betrachtung der Probleme eines Konvertierten.'

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextCaroline, die junge Heldin des Romans, hört Stimmen, die sie und ihr Schicksal in ein imaginäres Buch im Buche einweben; Baron Stock, Okkultist und Buchhändler aus Passion, gefällt sich in der unfreiwilligen Rolle eines ihrer Tröster, während er nebenher merkwürdigen Geschäften nachgeht.
Die eigenwillige, ironisch gewürzte Betrachtung der Probleme eines Konvertierten.'

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. ?Die Blütezeit der Miss Jean Brodie? wurde mit Maggie Smith in der Titelrolle verfilmt. Muriel Spark, die 2006 in Florenz verstarb, wird gerade international wiederentdeckt und gefeiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257611250
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum23.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse643 Kbytes
Artikel-Nr.8950362
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Als Laurence Manders am ersten Tag seines Urlaubs aufwachte, hörte er von unten die Stimme seiner Großmutter durch das Fenster dringen.

«Ich brauche ein großes Vollkornbrot. Mein Enkel, der bei der B.B.C. arbeitet, bleibt eine Woche bei mir. Er ist der Junge meiner Tochter, Lady Manders. Weißbrot ißt er nämlich nicht, das ist eine seiner Marotten.»

Laurence steckte den Kopf aus dem Fenster und rief: «Großmutter, ich esse nichts lieber als Weißbrot, und Marotten habe ich keine!»

Sie schürzte die Lippen und blickte lächelnd zu ihm hoch.

«Er ruft aus dem Fenster», meinte sie zu dem Bäcker.

«Du hast mich geweckt», sagte Laurence.

«Mein Enkel», erklärte sie dem Bäcker. «Ein großes Vollkornbrot, und vergessen Sie nicht, am Mittwoch wiederzukommen.»

Laurence sah in den Spiegel. «Ich muß aufstehen», sagte er und legte sich wieder ins Bett. Er genehmigte sich sieben Minuten.

Nach den Geräuschen, die deutlich durch die abgetretenen Dielen des kleinen Häuschens nach oben drangen, folgte er den Bewegungen seiner Großmutter. Mit achtundsiebzig verrichtete Louisa Jepp alles sehr langsam, doch mit äußerster Konzentration, wie manche Leute es tun, wenn sie leicht angetrunken sind. Laurence hörte ein Klirren - dann eine Pause - ein leises Klingen: sie deckte den Frühstückstisch. Ihre Schritte klickten wie eine langsam auslaufende Uhr, während sie zwischen Herd und Ausguß hin und her ging; sie erlaubte sich nicht, zu schlurfen.

Als er halb angezogen war, öffnete Laurence eine winzige Schublade im Oberteil der altmodischen Kommode. Sie enthielt einige persönliche Dinge seiner Großmutter, denn sie hatte ihm ihr Zimmer abgetreten. Er zählte drei Haarnadeln und acht Mottenkugeln; er fand ein kleines Stück schwarzen, mit Gagatperlen eingefaßten Samt; die Perlen hatten sich stellenweise mitsamt der Schnur gelöst und hingen nur noch lose an dem Stoff, den er auf etwa sechseinhalb mal vier Zentimeter schätzte. In einer anderen Schublade fand er einen Kamm mit ein paar Haaren seiner Großmutter darin und registrierte, daß er nicht sehr appetitlich aussah. Es bereitete ihm ein gewisses Vergnügen, diese Dinge vor sich ausgebreitet zu sehen: drei Haarnadeln, acht Mottenkugeln, ein nicht sehr appetitlicher Kamm - das Eigentum seiner Großmutter, hier in ihrem Heim in Sussex und im gegenwärtigen Zeitpunkt. So war Laurence.

«Das ist ungesund», hatte seine Mutter ihm kürzlich gesagt. «Es ist das einzig Ungesunde an dir, wie du die unsinnigsten Dinge bemerkst; das ist direkt abgeschmackt.»

«So bin ich nun einmal», hatte Laurence erwidert.

Sie wußte, daß sie damit wieder einmal auf einem toten Punkt angelangt war, fuhr aber trotzdem fort: «Jedenfalls ist es unnatürlich; denn manchmal siehst du Dinge, die du nicht sehen solltest.»

«Zum Beispiel?»

Sie sagte nichts, aber sie wußte, daß er in ihrem Zimmer gewesen war und in der unordentlichen Schublade ihres Toilettentisches herumspioniert, die kleinen Fläschchen spielerisch wie eine Katze betätschelt und die Aufschriften studiert hatte. Sie konnte ihn nie überzeugen, daß so etwas nicht recht sei. Schließlich handelte es sich um eine Verletzung der Privatsphäre.

Laurence hatte sehr oft gesagt: «Für dich wäre es nicht recht, aber für mich gilt das nicht.»

Und Helena Manders, seine Mutter, pflegte stets zu erwidern: «Das sehe ich nicht ein» oder «da bin ich anderer Meinung», obgleich sie ihm in Wirklichkeit in gewissem Sinne zustimmte.

In seiner Kindheit hatte er die Familie mit seinen ungeschminkten kleinen Wahrheiten schockiert.

«Onkel Ernest benutzt Hautnährcreme; er reibt sich damit jeden Abend die Ellbogen ein, damit sie zart bleiben»... «Eileen hat ihre Tage»... «Georgina Hogg hat drei Haare an ihrem Kinn, wenn sie sie nicht auszieht. Georgina hat einen Brief von ihrem Cousin bekommen, den ich gelesen habe.»

Das waren Aussprüche, die in der Erinnerung haften blieben. Andere Bemerkungen, die er im gleichen Atemzuge von sich gab, wie zum Beispiel: «Über dem dritten Treppenabsatz hängt jetzt seit zwei Wochen, vier Tagen und fünfzehn Stunden ein Spinngewebe, die Entstehungszeit nicht mitgerechnet»... nahm man mit Ergötzen oder gleichgültig zur Kenntnis, je nach der augenblicklichen Stimmung, und vergaß sie wieder.

Seine Mutter hatte ihn mehrfach ermahnt: «Wie oft soll ich dir noch sagen, daß du die Zimmer der Hausmädchen nicht betreten darfst! Schließlich haben sie doch ein Recht auf Ruhe und Ungestörtheit.»

Mit den Jahren lernte er, die anstoßerregenden Ergebnisse seiner Nachforschungen geheimzuhalten und nur das weiterzugeben, was zur Förderung seines Rufes als außergewöhnlich guter Beobachter notwendig war. Damals konnte sein Vater, gestützt auf einen Schulbericht, sogar sagen: «Ich hab´s ja immer gewußt, daß Laurence eines Tages über diese krankhafte Angewohnheit hinwegkommen würde.»

«Wir wollen´s hoffen», hatte Helena Manders geantwortet. Eltern ändern sich. In jenen Tagen hatte Laurence das Gefühl, daß sie ihn halbwegs im Verdacht hatte, irgendeine unbestimmte sexuelle Perversion zu betreiben, die sie nicht nennen konnte, nicht wahrhaben wollte, und die er in Wirklichkeit keineswegs betrieb. Daher kam es für sie fast einer Erleichterung gleich, einer Bestätigung, daß er noch der alte Laurence war, als er während seiner letzten Semesterferien verkündete: «Eileen erwartet ein Baby.»

«Das Mädchen ist eine gute Katholikin», hatte Helena protestiert; sie selbst war seit ihrer Heirat katholisch. Nichtsdestoweniger stellte sich Laurences Angabe als wahr heraus, als sie Eileen deswegen in der Küche zur Rede stellte. Mehr noch, Eileen weigerte sich trotzig, den Namen des Mannes preiszugeben. Laurence konnte jedoch auch diese Information liefern.

«Ich bin mit Eileens Korrespondenz immer auf dem laufenden geblieben», erklärte er. «Das belebt die Ferien ein wenig.»

«Du bist im Zimmer des armen Mädchens gewesen und hast heimlich die Briefe dieses bedauernswerten Geschöpfes gelesen!»

«Soll ich dir erzählen, was ihr Freund geschrieben hat?» fragte Laurence grausam.

«Du weißt, wie mich das schockiert», sagte sie, wohl wissend, daß sie auf ihn damit keinen Eindruck machen konnte. «Wie kannst du, ein guter Katholik ... aber abgesehen davon ist es meines Wissens ungesetzlich, Briefe zu lesen, die an jemand anders adressiert sind», fügte sie geschlagen hinzu.

Nur um ihr einen guten Abgang zu verschaffen, erklärte er: «Jedenfalls hast du die beiden verheiratet, liebste Mama. Eine gute katholische Ehe - das ist das glückliche Ergebnis meines schockierenden Mißbrauchs von Eileens Briefen.»

«Der Zweck heiligt nicht die Mittel.»

Es ging genauso aus, wie er es erwartet hatte. Eine Antwort auf alles. Doch wie dem auch sei, Zwischenfälle wie dieser halfen den Schock lindern, als sie erkannte, daß Laurence sich immer mehr von der Religion abwandte und sie schließlich ganz preisgab.

Louisa Jepp saß am Tisch und füllte ihren Totoschein aus, während sie auf Laurence wartete.

«Komm herunter!» rief sie zur Decke hinauf, «und laß dein Schnüffeln, mein Lieber.»

Sobald er erschien, erklärte sie ihm: «Wenn Manchester City letzte Woche gewonnen hätte, wäre ich jetzt um dreißigtausend reicher.»

Louisa faltete ihren Totoschein zusammen und legte ihn unter die Uhr. Forthin widmete sie all ihre Aufmerksamkeit Laurence und seinem Frühstück.

Sie war zur Hälfte Zigeunerin, die dunkelhaarige und jüngste einer großen rotköpfigen Familie, die ihre Wohlhabenheit zur Zeit von Louisas Geburt dem Erfolg ihres Vaters als Getreidehändler verdankte. Dieser Erfolg war die Fügung eines günstigen Schicksals, das damit seinen Anfang nahm, daß ihr Vater noch vor einer Gerichtsverhandlung gegen ihn aus dem Gefängnis entwich und danach nie wieder zu seinem Zigeunerstamm zurückkehrte. Hundertunddreißig Jahre nach diesem Ereignis saß Louisa mit Laurence am Frühstückstisch.

Louisas Haar hat sich zwar sehr gelichtet, ist aber schwarz geblieben. Sie ist klein, und besonders von der Seite gesehen erinnert ihre Figur an eine gefällige Doppelkartoffel, die man gerade aus der Erde geholt hat: ein kleiner runder Kopf auf einem rundlichen Körper, von dem, Wurzeln gleich, die beiden dünnen Beine unter einem losen braunen Rock hervorschauen. Ihr Gesicht, nach hinten flächig zurücktretend wie ein Prisma, ist viereckig. Charakteristische Falten haben sich tief in ihre Züge gegraben, scheinen bis auf die Knochen zu gehen; sie müssen seit ihrem dreißigsten Lebensjahr dagewesen und im Laufe der Zeit immer schärfer geworden sein. Die vielen kleinen Fältchen jedoch sind nur oberflächlich, kommen und gehen wie unzählige Sterne, huschen über ihre Haut, wenn sie lächelt oder überrascht dreinschaut. Ihre tiefliegenden Augen sind schwarz, ihre Hände und Füße sehr klein. Sie trägt...
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Autor

Muriel Spark, geboren 1918 in Edinburgh, Autorin von Romanen, Theaterstücken, Kinderbüchern und Gedichten. Zahlreiche ihrer Bücher wurden verfilmt. 1986 wurde sie zum Commandeur des Arts et des Lettres ernannt, 1993 zur Dame Commander of the British Empire; 1999 erhielt sie den Ehrendoktortitel für Literatur der Oxford University. >Die Blütezeit der Miss Jean Brodie