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Mord in der Straße des 29. November

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am22.02.20221. Auflage
Mitten im Lockdown werden die Knesset- Abgeordnete Ruchama Wacholder und ihr Ehemann Gil beim Spaziergang mit ihrem Hund Itztrubal auf offener Straße erschossen. Als lasteten die Corona-Pandemie und der vo?llige Stillstand des gesellschaftlichen Lebens nicht schon schwer genug auf den Gemu?tern, denkt sich Polizeipsychologin Kinny Glass. Der Fall geht ihr auch perso?nlich nahe: Kinnys Ex-Mann Ariel hat mit Gil Wacholder zusammengearbeitet. Auf dem Laufenden ha?lt sie der leitende Ermittler Nissim - der allerdings nicht wirklich ihr »Neuer« ist, wie Kinnys Tochter Mia behauptet. Mehrere Zeugenaussagen deuten auf einen islamistischen Terroranschlag hin, doch der Wirbel um regierungskritische A?ußerungen von Ruchama Wacholder la?sst eher ein parteipolitisches Motiv vermuten. Als der israelische Geheimdienst den Fall an sich reißen will, soll Kinny im Namen der Polizei verhandeln. Wenn man sie schon einspannt, wird sie wohl auch ein wenig ermitteln du?rfen, entscheidet die Psychologin. Dass sie Iztrubal zu sich genommen hat, macht die Sache leichter: Gemeinsam mit dem Yorkshireterrier erlaubt sie sich trotz Ausgangssperre den ein oder anderen Spaziergang durch die leeren Straßen Jerusalems.

ALFRED BODENHEIMER, geboren 1965 in Basel, schreibt am liebsten mit Musik in den Ohren. Sie trage ihn in Denkra?ume, in denen die Figuren ihr Eigenleben entwickeln ko?nnten. Das literarische Schreiben muss er wegen seiner Arbeit als Professor fu?r Ju?dische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universita?t Basel auf wenige Wochen im Jahr beschra?nken. Dann allerdings sei es, als o?ffnete sich ein Ventil, und er gerate in einen Zustand ungebremster Euphorie. Bodenheimer pendelt seit einigen Jahren zwischen Basel und Jerusalem, wo seine Familie lebt. Im Kampa Verlag ist bereits sein Rabbi-Klein-Krimi Der bo?se Trieb erschienen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextMitten im Lockdown werden die Knesset- Abgeordnete Ruchama Wacholder und ihr Ehemann Gil beim Spaziergang mit ihrem Hund Itztrubal auf offener Straße erschossen. Als lasteten die Corona-Pandemie und der vo?llige Stillstand des gesellschaftlichen Lebens nicht schon schwer genug auf den Gemu?tern, denkt sich Polizeipsychologin Kinny Glass. Der Fall geht ihr auch perso?nlich nahe: Kinnys Ex-Mann Ariel hat mit Gil Wacholder zusammengearbeitet. Auf dem Laufenden ha?lt sie der leitende Ermittler Nissim - der allerdings nicht wirklich ihr »Neuer« ist, wie Kinnys Tochter Mia behauptet. Mehrere Zeugenaussagen deuten auf einen islamistischen Terroranschlag hin, doch der Wirbel um regierungskritische A?ußerungen von Ruchama Wacholder la?sst eher ein parteipolitisches Motiv vermuten. Als der israelische Geheimdienst den Fall an sich reißen will, soll Kinny im Namen der Polizei verhandeln. Wenn man sie schon einspannt, wird sie wohl auch ein wenig ermitteln du?rfen, entscheidet die Psychologin. Dass sie Iztrubal zu sich genommen hat, macht die Sache leichter: Gemeinsam mit dem Yorkshireterrier erlaubt sie sich trotz Ausgangssperre den ein oder anderen Spaziergang durch die leeren Straßen Jerusalems.

ALFRED BODENHEIMER, geboren 1965 in Basel, schreibt am liebsten mit Musik in den Ohren. Sie trage ihn in Denkra?ume, in denen die Figuren ihr Eigenleben entwickeln ko?nnten. Das literarische Schreiben muss er wegen seiner Arbeit als Professor fu?r Ju?dische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universita?t Basel auf wenige Wochen im Jahr beschra?nken. Dann allerdings sei es, als o?ffnete sich ein Ventil, und er gerate in einen Zustand ungebremster Euphorie. Bodenheimer pendelt seit einigen Jahren zwischen Basel und Jerusalem, wo seine Familie lebt. Im Kampa Verlag ist bereits sein Rabbi-Klein-Krimi Der bo?se Trieb erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311703150
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum22.02.2022
Auflage1. Auflage
ReiheRed Eye
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1089 Kbytes
Artikel-Nr.8946236
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Kurz nach Mitternacht hatte mehrfaches Sirenengeheul von Polizei- oder Krankenwagen sie geweckt, ziemlich lange und penetrant, offenbar in einem benachbarten Quartier. Aber ihr Telefon blieb stumm, also musste sie auch nicht mehr wissen. Sie schlief rasch wieder ein, doch um kurz nach drei Uhr wachte sie wieder auf. Es war kalt im Zimmer - ein Winter, der nicht zu enden schien.

Die letzten Wochen ihrer fast vollständigen Einsamkeit hatten bei Kinny Glass Spuren hinterlassen. Natürlich war sie dauernd über Videoplattformen und per Telefon mit allen möglichen Kolleginnen und Kollegen im Gespräch, und in einzelnen Fällen rief man sie auch persönlich dazu. Vor einigen Tagen hatte sie einen verzweifelten Familienvater am Sprung vom Balkon seiner Wohnung in einem der modernen Hochhäuser von East Talpiot hindern müssen. Sie hatte es am Ende geschafft und war nach vielen Stunden völlig erschöpft nach Hause gefahren.

Bis vor Kurzem hatte der Mann gut gelebt, hatte seiner Familie erst vor wenigen Jahren die hübsche Vierzimmerwohnung im vierzehnten Stock gekauft, sie war sein ganzer Stolz. Doch dann kam der seger, der Lockdown des ganzen Landes. Seine Frau wurde von dem Kleidergeschäft, in dem sie arbeitete, sofort entlassen - da sie erst gut zwei Monate dort arbeitete, hatte sie kein Anrecht auf Arbeitslosengeld -, und er musste sein Geschäft für Souvenirs und Ritualgegenstände schließen. Die Politiker hatten vollmundig Hilfe für alle wirtschaftlich Betroffenen angekündigt, doch die ohnehin schon berüchtigte Bürokratie der Ministerien und der Nationalen Versicherungsanstalt erwies sich als völlig überfordert von dem Ansturm, der sogleich einsetzte. Überhaupt war ganz unklar, ob, was und wie viel einem wie ihm überhaupt zustehen würde, während sich die Rechnungen unbeirrt und erbarmungslos auftürmten.

Er hatte keinen Ausweg mehr gesehen.

Auch Kinny hatte ihm keinen aufzeigen können. Sie hatte ihm lediglich in seiner Balkontür stehend, langsam sprechend (Regel eins der Panikbekämpfung) klarmachen können, dass er für seine Kinder da sein müsse. Verhungern würden sie nicht, das kam heute in Israel einfach nicht mehr vor, und irgendwann kam man auch wieder auf die Beine. Aber wenn ihr Vater sich umbrachte, würde das die Kinder ein Leben lang verfolgen.

Diese Vorstellung hatte offenbar gewirkt. Langsam, schluchzend, entkräftet war der Mann vom Balkongeländer, auf dem er rittlings gelegen hatte, auf die richtige, die sichere Seite hinuntergeglitten, wo ihn Sekunden später zwei Polizisten mit Atemschutzmasken und Handschuhen behutsam, aber entschieden gepackt und in die Wohnung getragen hatten.

Es war dieser Anblick, der Moment seiner Kapitulation und ihres Erfolgs - jener Moment, in dem sich jeder Polizeipsychologe normalerweise innerlich auf die Schulter klopfte und den Job an die Kollegen in den Kliniken weiterreichte -, der sie nicht mehr losließ und auch jetzt wieder einholte. Der Anblick des Mannes, ungefähr in ihrem Alter, zusammengesunken auf dem Boden seines Balkons, von dem er noch wenige Wochen zuvor zufrieden auf die unter ihm liegende Stadt geblickt haben mochte, ein kleiner König seines Reiches, war ihr erschienen wie ein Sinnbild des ganzen Landes, das den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte. Sie musste auch an ihre Eltern denken, die natürlich zu den Risikogruppen zählten, mit einer Mischung aus Angst, es könnte ihnen etwas geschehen, und schlechtem Gewissen. Seit Langem konnte sie nicht mit ihnen sprechen, ohne genervt zu sein, und zugleich nicht an sie denken, ohne Schuldgefühle zu empfinden. Sie hatte das Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Aber wen konnte man um vier Uhr morgens guten Gewissens anrufen? Sie wählte die Telefonnummer von Golan. Bei ihm war es jetzt neun Uhr abends.

Er hob nach wenigen Sekunden ab. »Um Gottes willen, Kinny, bei euch muss es doch mitten in der Nacht sein!«

»Vier Uhr. Ich kann nicht schlafen.«

»Welcome to the club.«

»Du leidest auch an Schlafproblemen?«

»Halb New York leidet an Schlafproblemen. Du weißt schon, the city that never sleeps.«

Er erzählte ihr, dass er ganze Nächte damit zubringe, Playlists mit Songs über New York zusammenzustellen, die er sich dann in den folgenden Nächten anhöre. Songs, in denen die Stadt lebe, pulsiere, schwitze und lache, während man in der Realität gerade die Autos auf der Fifth Avenue einzeln abzählen könne. Arbeiten? »Nach der Wiederauferstehung der Toten wird es vielleicht wieder ein paar Leute geben, die an einem guten Fundraiser interessiert sind.« Dass seine Frau Fiona, die Ärztin war, Sonderschichten in einem Krankenhaus schob, wo sie nicht im Entferntesten gegen das Virus ausgerüstet waren, verbesserte seine Gemütslage nicht.

»Und die Kinder?«

»Sitzen zu Hause und wissen nichts mit sich anzufangen.«

»Habt ihr denn kein Homeschooling?«

»Doch, aber miserabel organisiert. Dauernd kommen sie zu mir und fragen mich irgendwas, was sie nicht verstehen. Ich sage ihnen: Das kann doch nicht sein, wenn ihr in der Schule sitzt, könnt ihr mich auch nicht die ganze Zeit löchern mit irgendwelchem Zeug, das ihr nicht kapiert. Und das Vermögen an Schulgeld, das ich da reinstecke, kann ja nicht den Zweck haben, dass ich dann zu Hause mit ihnen unverständliche Aufgaben lösen muss, bei denen ihnen sonst keiner hilft.«

»Mit dieser Haltung bringst du sie nicht gerade weiter, mein Lieber. Für sie ist ja diese Situation auch eine Herausforderung. Und für die Lehrer sowieso.«

»Ja, Frau Diplompsychologin, das verstehe ich schon. Aber ich krieg das nicht hin. Den ganzen Tag tigere ich im Haus rum und mache nichts. Lese nicht, schaue nicht nach dem Garten - nicht mal mehr als zehn Minuten von irgendeinem blöden Film kann ich mir am Stück ansehen. Fiona, wenn sie mal zu Hause ist, ist derart von der Rolle, dass man mit ihr kaum reden kann.«

Golan wäre nicht darauf gekommen, Kinny nach ihrem eigenen Befinden oder dem Mias zu fragen. Auch nicht nach den Eltern. Das ganze Gespräch war nur eine Litanei seines Elends. Kinny wusste besser als jeder andere, dass sich hier Dinge aufstauten, die schrecklichen Dinge, die Golans Leben geprägt hatten, und dass soeben das Stückchen Normalität, das er sich aufgebaut hatte, ins Wanken geriet. Dennoch war sie fassungslos über seine Unfähigkeit, über etwas anderes zu reden als über sich selbst. Die Psychologin in ihr erkannte mühelos die Depression, doch als seine Schwester litt sie unter Golans Egomanie. Nach zehn Minuten beendeten sie das Gespräch. Kinny kehrte ins Bett zurück und heulte, um Mia nicht zu wecken, in die Kissen hinein. Sie konnte nicht mehr aufhören, es schüttelte sie, bis sie wie ein kleines Kind begann, nach Luft zu japsen.

Irgendwann schlief sie wieder ein und erwachte erholter, als sie erwartet hätte. Sie duschte ausgiebig, föhnte die Haare und zog sich an. Die Sieben-Uhr-Nachrichten, die sie sonst nie verpasste, hatte sie verschlafen. Deshalb erwischte Nissims Anruf sie völlig unvorbereitet.

»Was sagst du?«, rief, nein, schrie sie.

Nissim wiederholte den Sachverhalt etwas langsamer und ein klein wenig lauter, als wäre es ein akustisches Problem gewesen, weshalb sie zurückgefragt hatte, und nicht der pure Unglaube.

»Diese Nacht. Kurz nach Mitternacht. Ruchama Wacholder und ihr Mann. Vier Schüsse insgesamt. In der Straße des 29. November. Beide sind noch am Tatort verstorben.«

Ruchama Wacholder. Und ihr Mann. Gil. Klar, zunächst fiel der Name Ruchama, denn sie war eine nationale Bekanntheit: Knesset-Abgeordnete, ehemalige Ministerin. Kinny hatte zu den vielen gehört, die ihr politisch fernstanden und sie dennoch respektierten, ja, sogar bewunderten. Aber viel besser gekannt als Ruchama hatte sie natürlich Gil, mit dem Ariel, ihr Ex-Mann, sein Architekturbüro in Rischon LeZion aufgebaut hatte, bevor Gil der politischen Karriere seiner Frau zuliebe zur dortigen städtischen Baubehörde gewechselt war. Ein unabhängiger Architekt, das hatte Kinny bei Ariel gesehen, kannte in den ersten Jahren nur Sechzehnstundentage, entweder weil er sich abstrampelte, um an große Projekte zu kommen, oder weil er sie wirklich bekam. Wenn dann die Frau auch noch in die nationale Politik ging, musste jemand für die Kinder da sein - da war die Stadt als Arbeitgeber die bessere Option gewesen.

Wie oft hatten Ariel und Gil in den glücklichen gemeinsamen Jahren von Rischon die Abendstunden hindurch bei Kinny zu Hause gesessen, weil sie es nach neun Uhr abends im Büro einfach nicht mehr aushielten. Sie hatte ihnen noch etwas gekocht oder aufgewärmt und literweise Kaffee vorbereitet, während die beiden schon wieder über ihren Plänen und Berechnungen brüteten. Manchmal waren sie spätabends auch zu den Wacholders gegangen, aber seltener. Der Grund war, dass Ruchama, die damals noch das bescheidene städtische Erziehungswesen leitete, eine ziemlich schlechte Köchin war, wie Ariel Kinny anvertraut hatte. Sie schaffte es angeblich nicht mal, einen anständigen Kaffee zu brühen.

»Dann war das der Sirenenlärm, den ich gehört habe heute Nacht«, meinte Kinny nach längerer Pause, einfach um mal was zu sagen.

»Das dürfte so sein«, bestätigte Nissim in seiner gewohnt sachlichen Art. »Ist vielleicht ein Kilometer Luftlinie von deiner Wohnung entfernt.« Das war wohl richtig geschätzt. Das Viertel Katamon, in dem der Tatort lag, grenzte an die German Colony, wo Kinny lebte. Es waren zwei der begehrteren Wohnquartiere im westlichen Teil der Stadt, in denen man zuweilen mehr Englisch als Hebräisch...
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ALFRED BODENHEIMER, geboren 1965 in Basel, schreibt am liebsten mit Musik in den Ohren. Sie trage ihn in Denkräume, in denen die Figuren ihr Eigenleben entwickeln ko¿nnten. Das literarische Schreiben muss er wegen seiner Arbeit als Professor fu¿r Ju¿dische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universität Basel auf wenige Wochen im Jahr beschränken. Dann allerdings sei es, als o¿ffnete sich ein Ventil, und er gerate in einen Zustand ungebremster Euphorie. Bodenheimer pendelt seit einigen Jahren zwischen Basel und Jerusalem, wo seine Familie lebt. Im Kampa Verlag ist bereits sein Rabbi-Klein-Krimi Der bo¿se Trieb erschienen.

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