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E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
232 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am06.04.20222. Auflage
Mit diesem Jahrbuch für Friedenstheologie 2022 wird die gesamte Breite der am Ökumenischen Institut für Friedenstheologie vertretenen Forschung sichtbar. Verbindend ist die Fundierung der Friedenstheologie in pazifistischer Perspektive. Jahresthema ist "Toleranz und Teilhabe". Weitere theologische Beiträge und Rezensionen ergänzen den Band.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR5,99

Produkt

KlappentextMit diesem Jahrbuch für Friedenstheologie 2022 wird die gesamte Breite der am Ökumenischen Institut für Friedenstheologie vertretenen Forschung sichtbar. Verbindend ist die Fundierung der Friedenstheologie in pazifistischer Perspektive. Jahresthema ist "Toleranz und Teilhabe". Weitere theologische Beiträge und Rezensionen ergänzen den Band.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756259229
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum06.04.2022
Auflage2. Auflage
Reihen-Nr.14
Seiten232 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9115569
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Geglückte und verwehrte Teilhabe in unserer Gesellschaft

Hamideh Mohagheghi

Eine Gesellschaft ist in dem Maße ein Spiegelbild der in ihr lebenden Menschen, wie diese an ihrer Gestaltung unabhängig von ihren persönlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen beteiligt sind und ihre spezifischen Anliegen vorbringen können. Es geht nicht um den Anspruch auf Sonderrechte, sondern darum, die Pluralität anzuerkennen und zu respektieren. Je vielschichtiger eine Gesellschaft ist, umso intensiver sind die Menschen herausgefordert, auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Menschengruppen einzugehen und die Gesellschaft so zu gestalten, dass alle Menschen sich dazugehörig fühlen.

Das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein, stärkt wiederum das Bemühen der Menschen, sich um die Belange dieser Gesellschaft zu sorgen und sich für das gute Zusammenleben aktiv einzubringen. Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen ist ein wichtiger Grundsatz, jedoch darf Toleranz nicht mit Gleichgültigkeit gegenüber den Menschen verwechselt werden. Es geht darum, die Verschiedenartigkeit der Menschengruppen bewusst wahrzunehmen und bei den Entscheidungen diese Unterschiede zu berücksichtigen. Die Unterschiede können in persönlichen körperlichen und geistigen Handicaps, in kultureller und religiöser Zugehörigkeit sowie sexueller Orientierung begründet sein, in Merkmalen, die zur individuellen Identität von Menschen gehören, die jedoch von ihren Mitmenschen als andersartig empfunden werden und sie angreifbar machen. Menschen mit den genannten Merkmalen gehören in der Regel zu Minderheiten und entsprechen angeblich nicht den Vorstellungen und Bildern der Mehrheit und werden oft als nicht dazugehörig angesehen.

Dies wird durch alltägliche abwertende Bemerkungen durch Teile der Mehrheitsgesellschaft, Darlegungen in den Medien sowie Abwesenheit bzw. Vernachlässigung dieser Gruppen in den politischen und gesellschaftlichen Debatten und Entscheidungen sichtbar. In diesem Beitrag geht es um Identität und Teilhabe der religiösen Minderheiten am Beispiel des Islam und der Musliminnen und Muslime in Deutschland.

Die Postmoderne geht oft davon aus, dass die Religion keine prägende Rolle in den europäischen und westlichen Gesellschaften mehr spielt. Diese Annahme, die empirisch nicht belegbar ist, verleitet dann dazu, Menschen, deren Identität und Selbstwahrnehmung durchaus durch eine Religion geprägt ist, nicht ernst zu nehmen.

RELIGIÖSE VIELFALT - CHANCEN UND GEFAHREN

Die Zugehörigkeit zu einer Religion ist meist eine vererbte Identität, deren erste Bezugsgröße die Familie bzw. Gemeinschaft ist, mit der die ersten Erfahrungen im Leben verbunden sind. Die Musliminnen und Muslime in unserer Gesellschaft sind mehrheitlich Bürgerinnen und Bürger, die aus anderen Kulturen und Gesellschaften immigriert sind. Auch wenn sie über Jahrzehnte hier leben, haben sie ihre Bindung zu den Wurzeln ihrer Herkunft nicht verloren. Das Festhalten an ihren hergebrachten kulturellen und religiösen Überzeugungen und Praktiken hat vielfältige Gründe: Die verwandtschaftliche Beziehung zu Angehörigen, die weiterhin in diesen Ländern leben, ist stark und wird durch regelmäßige Besuche und Kontakte gepflegt.

Das vermittelte Gefühl, dass die Lebensweise der gläubigen Musliminnen und Muslime nicht vereinbar mit den westlichen Werten ist, stärkt das Empfinden, zu einer Minderheit zu gehören, die nicht willkommen ist. Dazu gehört auch das Prinzip, dass der Minderheitenstatus in einer pluralistischen Gesellschaft zu Spannungen mit der Mehrheit führt. Das Ich -Gefühl wird durch Abgrenzung gegenüber dem Anderen gestärkt, indem die vertraute Lebensform an Bedeutung gewinnt. Gerade wenn zwei oder mehrere Weltbilder aufeinandertreffen, die nicht in allem übereinstimmend sind, wird der Mensch besonders sensibel und fühlt sich in seinem Selbstverständnis in Frage gestellt bzw. nicht als gleichwertig akzeptiert. Es kann dann eine Zerrissenheit entstehen, die den Menschen herausfordert, seine Identität zwischen verschiedenen Welten und Ansichten zu finden und eine Beziehung zu allen Bezugspunkten zu finden, mit denen er sich identifizieren kann und will.

Damit wird die Identitätsfindung zu einer Strapaze, die Zeit kostet, Geduld erfordert und Kenntnisse über den eigenen Standpunkt und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen braucht. Für manchen ist es dann einfacher, sich zurückzuziehen und sich stärker auf die vertrauten Gewohnheiten und Bräuche zu besinnen. Ausgrenzung und Stigmatisierung können diese Rückbesinnung fördern.

Der Glaube kann in dieser Situation Sicherheit geben und Sinn stiften, wenn der Mensch in einer unübersichtlichen Lage seinen Halt zu verlieren meint. Er dient als Schutzschild und Widerstand gegen das mangelnde Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl, gegen die Anpassungs- und Assimilationsforderungen. Auch wenn die Musliminnen und Muslimen über sechs Jahrzehnte in Deutschland leben, existiert bei einigen, auch unter jungen Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, diese Zerrissenheit. In diesem Land gelten sie immer noch als nicht dazugehörig, weil sie anders aussehen, einer fremden Religion angehören, andere Lebensgewohnheiten haben und ihre äußeren Erscheinungsformen nicht dem üblichen Straßenbild entsprechen. Aber auch im Land, aus dem ihre Eltern und Großeltern stammen, gehören sie oft nicht ganz dazu, da sie weder die Sprache noch die Kultur der sogenannten Heimat ausreichend kennen. Sie schweben zwischen zwei Welten, auch der deutsche Pass kann nicht immer ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln.

Der folgende Satz von einer Ärztin, die hier geboren und aufgewachsen ist und den deutschen Pass besitzt, beschreibt die Situation, in der sich einige Musliminnen und Muslime befinden: Ich fühle mich nicht als Deutsche, auch nicht als Ägypterin, in erster Linie bin ich Muslimin und dies gibt mir Sicherheit. (aus einem persönlichen Gespräch mit einer muslimischen Ärztin in Deutschland).

Diese Haltung zeigt, warum die Religiosität unter den Migrantinnen und Migranten in der jungen Generation wieder an Bedeutung gewinnt. Es ist nicht der Radikalismus oder die Ablehnung der demokratischen und freiheitlichen Werte, wie uns immer wieder vermittelt wird, sondern eine Suche nach Selbstfindung. Das bedeutet, dass wir uns noch im Prozess des Ankommens und des Angenommenwerdens befinden, der nur durch gemeinsames Wollen und Bemühen zu einem erfolgreichen Abschluss gelangen kann.

Die Mobilität und die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten überwinden Grenzen und lösen diese auf, ermöglichen mediale Kontakte zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen, vermitteln Bilder und Meinungen über einzelne Gruppen in einer Gesellschaft. Wenn die Kontakte nicht durch reale Begegnungen zwischen Menschen geschehen, können die vermittelten Bilder von diesen Gruppen störend wirken. Wir meinen, viel über die anderen zu wissen, unser Wissen basiert allerdings überwiegend auf Medienberichten und den von diesen vermittelten Bildern. Dies ändert sich auch kaum, wenn die Menschen räumlich nah beieinander leben. Die Ruhelosigkeit unserer Zeit lässt wenig Möglichkeit für nachhaltige und persönliche Begegnungen und tiefes gegenseitiges Kennenlernen. Gerade die vermittelten Bilder und Informationen über den Islam und über Musliminnen und Muslime auf der Welt überschütten und erschüttern unsere Wahrnehmungen von Musliminnen und Muslimen, die hier leben.

Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit haben im Laufe der Geschichte grausame Kriege gegeneinander geführt, und auch heute sind gegenseitige Ablehnung und Anfeindungen vorhanden. Dialoge und Annäherungsversuche in den letzten Jahren haben einiges bewirkt und müssen vertieft und gestärkt werden. Damit das gegenseitige Kennlernen zu Anerkennung und Respekt führt, bedarf es Aktionen auf allen Ebenen der Gesellschaft. Ein erster effektiver Schritt in diese Richtung und ein fester Bestandteil dieser Bemühungen sollte die interreligiöse Offenheit sein, die allerdings zuerst einer festen Überzeugung im eigenen Glauben sowie kritischer Auseinandersetzung mit ihm bedarf. Das bedeutet, dass der eigene Glaube nicht als die einzige und absolute Wahrheit gesehen werden kann, sondern als eine Wahrheit unter anderen. Erst dann ist es möglich, anderen mit offenen Augen und Herzen zu begegnen und bemüht sein, sie in ihrem eigenen Verständnis zu verstehen und respektieren.

Unsere gemeinsame Verantwortung für eine bessere Welt, eine Welt, in der Gerechtigkeit und Frieden herrscht, sollte die Basis des Zusammenlebens sein. Die Quellen, aus denen die Menschen ihre Kraft dazu schöpfen können, sind unterschiedlich. Das Ziel jedoch kann die Menschen verbinden und ihnen ermöglichen, verbindende und verbindliche Werte und Normen zu entwickeln, die zwar unterschiedlichen Quellen entspringen, aber im Kern ein gemeinsames Ziel haben.

Die Religionen verfügen über das...
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