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Spiel im Nebel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
328 Seiten
Deutsch
KBV Verlags- & Medien GmbHerschienen am06.05.2022
Ein abgelegener Gasthof im nebligen Münsterland ... Über Nacht verschwindet die dreizehnjährige Tochter der Eigentümer spurlos. Zu dieser Zeit nehmen dort gerade die Ensemblemitglieder des Münsteraner Theaters Kolibri an einem Seminar für Konfliktbewältigung teil. Gemeinsam mit ihrer Intendantin Saskia Erler sind sie die einzigen Gäste im Haus. Trotz intensiver Suche bleibt das Kind verschwunden. Als Saskia Erler sechs Monate später tot in ihrer Wohnung im Südviertel aufgefunden wird, sieht es zunächst wie ein Selbstmord aus. Schon bald aber entpuppt sich die Tat als heimtückischer Mord. Für die Ermittlerinnen Katharina Klein und Eva Mertens wirft das ein ganz neues Licht auf die zurückliegenden Geschehnisse: Stehen der Mord und das verschwundene Kind miteinander in Verbindung?

Henrike Jütting (* 1970), promovierte in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sie lebt und arbeitet in Münster. 2017 erschien ihr erster Krimi 'Schweigende Wasser'. Nach 'Villa 13' und 'Schatten über der Werse' wird die beliebte Reihe um die Münsteraner Kommissarin Katharina Klein nun mit 'Spiel im Nebel' fortgeführt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin abgelegener Gasthof im nebligen Münsterland ... Über Nacht verschwindet die dreizehnjährige Tochter der Eigentümer spurlos. Zu dieser Zeit nehmen dort gerade die Ensemblemitglieder des Münsteraner Theaters Kolibri an einem Seminar für Konfliktbewältigung teil. Gemeinsam mit ihrer Intendantin Saskia Erler sind sie die einzigen Gäste im Haus. Trotz intensiver Suche bleibt das Kind verschwunden. Als Saskia Erler sechs Monate später tot in ihrer Wohnung im Südviertel aufgefunden wird, sieht es zunächst wie ein Selbstmord aus. Schon bald aber entpuppt sich die Tat als heimtückischer Mord. Für die Ermittlerinnen Katharina Klein und Eva Mertens wirft das ein ganz neues Licht auf die zurückliegenden Geschehnisse: Stehen der Mord und das verschwundene Kind miteinander in Verbindung?

Henrike Jütting (* 1970), promovierte in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sie lebt und arbeitet in Münster. 2017 erschien ihr erster Krimi 'Schweigende Wasser'. Nach 'Villa 13' und 'Schatten über der Werse' wird die beliebte Reihe um die Münsteraner Kommissarin Katharina Klein nun mit 'Spiel im Nebel' fortgeführt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954416141
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum06.05.2022
Reihen-Nr.4
Seiten328 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1153 Kbytes
Artikel-Nr.9248854
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

PROLOG

Seit vier Monaten, zwei Wochen und drei Tagen wusste Saskia Erler, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Sie saß am Küchentisch, starrte gedankenverloren auf den Bildschirm ihres Laptops und erinnerte sich an den Tag, an dem sie die Diagnose bekommen hatte.

Bauchspeicheldrüsenkrebs.

»Kommt statistisch gesehen relativ selten vor, und wenn, dann eher bei älteren Menschen«, hatte ihr Dr. Leipold in seiner aufgeräumten Art versichert.

Saskia hatte sich gefragt, was der Internist ihr mit dieser Information sagen wollte. Sollte sie jetzt stolz sein? Hieß das, sie war etwas Besonderes? Herzlichen Glückwunsch, Frau Erler! Sie sind zwar noch keine fünfzig, aber Sie haben es trotzdem geschafft, an dieser seltenen Krebsart zu erkranken!

Den Rest der ärztlichen Ausführungen hatte sie nur noch gedämpft wahrgenommen. Eine dicke, watteartige Wand hatte sich zwischen den Arzt und sie geschoben. »Bauchspeicheldrüsenkrebs wird oft erst sehr spät erkannt«, erläuterte Dr. Leipold. »Das ist in Ihrem Fall leider auch so. Der Krebs ist nicht mehr lokal begrenzt, sondern bereits in den Magen und Darm hineingewachsen. Ich will ganz ehrlich sein, Frau Erler, die Prognose ist nicht sehr gut.«

Für die Frage, die Saskia daraufhin wie ein Düsenjet durch den Kopf schoss, musste sie etwas Anlauf nehmen. »Wie lange habe ich noch?« Das Entsetzen verzerrte ihre Worte ein wenig.

»Maximal sechs Monate. Wir können Sie leider auch nur noch palliativ behandeln.«

Von diesen prognostizierten sechs Monaten waren jetzt gute viereinhalb um, aber Saskia hatte nicht das Gefühl, dass es mit ihr zu Ende ging. Im Gegenteil. Es ging ihr besser als vor der Prognose.

Bevor man dem Krebs auf die Spur gekommen war, hatte sie häufig an einem heftigen Druck im Oberbauch gelitten. Oft hatte sie kaum geschlafen, geschweige denn etwas essen können. Zunächst war eine Entzündung der Magenschleimhaut angenommen worden, sodass man ihr ein gängiges schmerz- und entzündungshemmendes Mittel verschrieben hatte. Geholfen hatte das nicht. Inzwischen bekam sie eine auf sie abgestimmte Schmerztherapie, die gut anschlug. Außerdem nahm sie jeden Abend mindestens zwei Schlaftabletten, die sie noch vor 22 Uhr in eine tiefe und traumlose Nachtruhe schickten.

Vor ihrer Erkrankung hatte sie sich häufig mit stressbedingten Ein- und Durchschlafproblemen rumgeschlagen. Das war nun vorbei. So gesehen hatte der Krebs auch etwas Gutes, dachte Saskia manchmal in einem Anflug von Sarkasmus.

Doch bei allem Unglück hatte sie auch etwas Glück. Der Tumor hatte zwar gestreut, verengte aber weder den Gallengang noch den Magenausgang, was die Schmerzen erheblich vergrößert hätte. Da es ihr also einigermaßen gut ging, war sie bislang noch in der Lage, sich zu Hause eigenständig zu versorgen. Unterstützt wurde sie von ihrer Nachbarin und Freundin Raquel und von Frau Decker, einer Mitarbeiterin des Palliativnetzes Münster. Raquel sah sie täglich, Frau Decker kam dreimal in der Woche.

In den ersten Wochen nach der Diagnose war Saskia in eine Art Schockstarre gefallen. Mit Hilfe der psychologisch geschulten Frau Decker gelang es ihr aber, diesen Zustand nach einer Weile hinter sich zu lassen.

»Informieren Sie Ihr Ensemble und den Vorstand des Theaters über Ihre Krankheit und arbeiten Sie, solange es Ihnen möglich ist«, hatte Frau Decker ihr geraten, die schnell durchschaut hatte, dass die Arbeit als Intendantin am Theater Kolibri Saskias Lebensmittelpunkt war.

Saskia hatte Frau Deckers Rat befolgt. Seit sie die Leitung des Zimmertheaters übernommen hatte, stand sie zwar nicht mehr selbst auf der Bühne, hatte aber mit administrativen Aufgaben und der Planung und Umsetzung der Spielzeiten und Stücke genug zu tun.

Nach und nach hatte sich ihre anfängliche Schwermütigkeit und Lethargie in einen unbändigen Aktionismus verwandelt. Wie schon in den Jahren zuvor widmete Saskia ihre ganze Kreativität und ihr Organisationstalent dem Kolibri.

Zumindest war das bis vor Kurzem so gewesen. Nun hatte sich noch etwas anderes in Saskias Fokus geschoben, und wieder hatte Frau Decker dazu den Anstoß gegeben.

Frau Decker war eine mittelgroße Frau mit kräftigem Busen und starken Oberarmen. Ihr Haar war rot gefärbt und wuchs am Haaransatz grau nach. Sie hatte eine erfrischende, zupackende Art und eine gesunde Einstellung zum Tod. Letzteres waren ihre eigenen Worte. Saskia hatte während ihres Besuchs beim Palliativnetz Münster auch die Kolleginnen von Frau Decker kennengelernt. Zwei etwas entrückt wirkende Frauen, deren esoterische Lebenseinstellung man schon von ihrer Kleidung ablesen konnte. So war Saskia heilfroh gewesen, dass es Frau Decker gewesen war, die am nächsten Tag bei ihr geklingelt hatte - und nicht eine der beiden vergeistigten Batiktanten.

Während Frau Deckers Besuchen, bei denen sie meistens starken Espresso tranken und Frau Decker auf dem Balkon eine Zigarette nach der anderen rauchte, plauderten sie über dieses und jenes. Bei einem dieser Gespräche erzählte Frau Decker von einem Mann, den sie vor einigen Jahren begleitet habe und der seine verbleibende Lebenszeit dazu genutzt habe, seinen Sohn aus erster Ehe ausfindig zu machen. »Ich nenne das die Seele frei machen «, sagte Frau Decker. »Ballast abwerfen, um die letzte Reise so unbeschwert wie möglich antreten zu können. Vielleicht gibt es bei Ihnen ja auch noch etwas, wovon Sie sich befreien wollen.«

Bei diesen Worten zog sich in Saskias Brust etwas zusammen. Allerdings gab es da etwas. Etwas, wogegen die Suche nach einem verlorenen Sohn ein Klacks war. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es genau das war, was sie jetzt noch vom Leben wollte: die Zeit nutzen, um ihre Seele frei zu machen.

Sie hatte sich genau überlegt, wie sie vorgehen würde. Hatte sich einen Plan zurechtgelegt, den sie Schritt für Schritt abarbeiten würde. Saskia war eine große Freundin von Handlungsplänen. Genauso machte sie es, wenn sie am Anfang einer neuen Inszenierung stand. Ziel definieren, Arbeitsschritte formulieren, Abfolge festlegen ⦠loslegen. Hatte sie einmal einen solchen Plan erstellt, hielt sie sich akribisch daran. Viel Spielraum für Unwägbarkeiten und Improvisation gab es dann nicht mehr. Sie war der strukturierte Typ und benötigte für erfolgreiches Arbeiten ein Gerüst, an dem sie sich entlanghangeln konnte.

Saskia schob den Stuhl zurück und stand auf. Ihr Blick blieb an einer der vier gerahmten Schwarz-Weiß-Fotografien hängen. Sie zeigten mehrere Tänzer und Tänzerinnen auf der Bühne, die durchtrainierten, sehnigen Körper auf verschiedene Weise verbogen, die Arme anmutig nach oben oder zur Seite gestreckt. Eine der Tänzerinnen war sie selbst. Die Aufnahme war zwölf Jahre zuvor gemacht worden und stammte noch aus der Zeit, als Magdalena Kaiser das Kolibri geleitet hatte. Ein Lächeln huschte über Saskias Gesicht. An dem selbstgeschriebenen Stück aus dem Bereich experimenteller Tanz hatten sich die Geister geschieden. Es gab herausragende Kritiken, aber auch bitterböse Zerrisse. Ihrem Stammpublikum hatte es auf jeden Fall gefallen, und das war das Einzige, was für Magdalena gezählt hatte. Sie hatte immer gesagt: »Wenn wir nur Lob ernten, dann sind wir im Mainstream angekommen ⦠und da wollen wir nicht hin!«

Saskia betrachtete sich genauer auf dem Foto. Sie fand, dass sie sich in den zwölf Jahren gar nicht so sehr verändert hatte. Sie trug ihr Haar immer noch raspelkurz und färbte es weißblond. Sie hatte immer noch die typische Figur einer professionellen Tänzerin. Feingliedrig, schmal gebaut, kaum Oberweite und kaum Po. Wahrscheinlich wog sie jetzt sogar noch weniger als damals.

Saskia ging zum Kühlschrank und nahm eine Karaffe mit Zitronenwasser heraus. Sie goss etwas davon in ein Wasserglas und trat hinaus auf den Balkon.

Die laue Abendluft fühlte sich an wie eine Umarmung. Nachdem der Juni eher durchwachsen gewesen war, präsentierte sich sein Nachfolger von der besten Seite. Seit einer Woche herrschte schönstes Sommerwetter. Im Innenhof hüpften Amseln im Geäst der Kastanien herum und hatten mit ihrem Abendkonzert begonnen.

Saskia stellte sich an die Balkonbrüstung. Von ihrer Nachbarin, der alten Frau Schöne, wehte der betäubende Duft der Petunien zu ihr herüber. Saskia warf einen Blick auf die üppige Pracht in Weiß und Lila. Etwas Farbe würde ihrem Balkon auch guttun. Aber alle Versuche in diese Richtung waren jedes Mal gescheitert. Im vorherigen Jahr hatte Raquel ihr einen Topf mit Lavendel geschenkt. »Der übersteht auch kürzere Dürreperioden, falls du mal vergisst, ihn zu gießen«, hatte Raquel erklärt. »Er ist ein Überlebenskünstler.« Doch alles, was nach einigen Wochen von ihm übrig geblieben war, waren ein paar vertrocknete Stängel. Saskia hatte den Topf inzwischen...
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