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Ton für die Götter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.06.2023
Als der Töpfer Elango eines Morgens aus einem wilden Traum erwacht, weiß er, dass sich sein Leben für immer verändert hat. Er muss der Botschaft, die ihn erreicht hat, Gestalt verleihen - egal, von wem sie stammt, ob es die Hindu-Götter oder alte Töpferlegenden waren, die ihn von einem Pferd in Flammen träumen ließen, das den Ozean durchstreift. Er muss ein großes Terrakotta-Pferd schaffen! Und er muss es für Zohra tun, eine Muslimin, die er schon lange liebt, obwohl diese Liebe immer noch ein Tabu ist in Indien. Auf der anderen Seite der Welt, im kalten, nassen England, ist derweil auch für Sara das Töpfern überlebenswichtig geworden: Sie hat bei Elango gelernt, und jetzt, in einem unwirtlichen, ihr fremden Internat, ist es ihre einzige Verbindung zur verlorenen Heimat.
Zwischen Ost und West bewegt sich dieser Roman, zwischen alten Mythen und neuen Ideen. Und er erzählt von der Kraft des Schöpferischen in einer Welt, in der viel zu viele Menschen unter den Folgen von Fanatismus und Engstirnigkeit leiden.

Anuradha Roy hat mehrere Romane verfasst und lebt in Ranikhet, einer Stadt im indischen Himalaya. Die Autorin war 2011 für den Man Asian Booker Prize und 2016 für den Man Booker Prize nominiert, wurde 2011 mit dem Economist Crossword Prize und 2016 mit dem D.S.C. Prize for South Asian Literature ausgezeichnet. Ihr Roman »Der Garten meiner Mutter« kam auf die Shortlist des International Dublin Literary Award, des JCB Fiction Prize, des Hindu Literary Prize, wurde nominiert für den Walter Scott Prize for Historical Fiction und gewann den Tata Book of the Year Award for Fiction.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextAls der Töpfer Elango eines Morgens aus einem wilden Traum erwacht, weiß er, dass sich sein Leben für immer verändert hat. Er muss der Botschaft, die ihn erreicht hat, Gestalt verleihen - egal, von wem sie stammt, ob es die Hindu-Götter oder alte Töpferlegenden waren, die ihn von einem Pferd in Flammen träumen ließen, das den Ozean durchstreift. Er muss ein großes Terrakotta-Pferd schaffen! Und er muss es für Zohra tun, eine Muslimin, die er schon lange liebt, obwohl diese Liebe immer noch ein Tabu ist in Indien. Auf der anderen Seite der Welt, im kalten, nassen England, ist derweil auch für Sara das Töpfern überlebenswichtig geworden: Sie hat bei Elango gelernt, und jetzt, in einem unwirtlichen, ihr fremden Internat, ist es ihre einzige Verbindung zur verlorenen Heimat.
Zwischen Ost und West bewegt sich dieser Roman, zwischen alten Mythen und neuen Ideen. Und er erzählt von der Kraft des Schöpferischen in einer Welt, in der viel zu viele Menschen unter den Folgen von Fanatismus und Engstirnigkeit leiden.

Anuradha Roy hat mehrere Romane verfasst und lebt in Ranikhet, einer Stadt im indischen Himalaya. Die Autorin war 2011 für den Man Asian Booker Prize und 2016 für den Man Booker Prize nominiert, wurde 2011 mit dem Economist Crossword Prize und 2016 mit dem D.S.C. Prize for South Asian Literature ausgezeichnet. Ihr Roman »Der Garten meiner Mutter« kam auf die Shortlist des International Dublin Literary Award, des JCB Fiction Prize, des Hindu Literary Prize, wurde nominiert für den Walter Scott Prize for Historical Fiction und gewann den Tata Book of the Year Award for Fiction.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641296841
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.06.2023
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1876 Kbytes
Artikel-Nr.10228607
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


ZWEI
1

Morgengrauen. Die Fenster sind heruntergekurbelt, und ein Hund hängt halb aus dem Auto. Die Ohren im Wind, die Nase hoch in der Luft, verschlingt er die Welt mit jedem Atemzug. Die Frau hält den Blick auf die Straße gerichtet, die Hände auf dem Steuer. Der Mann sieht sich über die Schulter und murmelt ein paar Worte, die den Hund mit so wilder Liebe erfüllen, dass er alle Kraft zusammennimmt, um nach vorn auf den Beifahrersitz zu klettern. Er lässt sich auf dem Schoß des Mannes nieder und richtet seinen ernsten Blick auf die Straße. Sein Fell ist schwarz und braun, seine Brauen haben die Farbe von Kastanien.

Der Raum weitet sich. Der Horizont weicht zurück. Im langsam aufblühenden Licht sind Abenteurer in Lastwagen, Jeeps und Limousinen der Stadt entkommen. Sie lassen graublauen Himmel, Dieselgestank und in Nebel aufragende Masten hinter sich, Gruppen keuchender Radfahrer, hinter Büschen hockende Männer, zerrupfte purpurne Prunkwinden, in die Ferne starrende, gedankenverlorene Kühe. Die Frau tritt aufs Gas und stößt all das in die Vergangenheit. Sie unterhalten sich, mitunter finden sich ihre Hände zwischen den Sitzen, und vom Rhythmus des Fahrens und ihrer Stimmen eingelullt, zieht sich der Hund wieder nach hinten zurück.

Riesige, auf Feldern gestrandete Felsen. Hütten, die nicht vom Morast zu unterscheiden sind. In Pfützen gefangene Himmelskreise. Bäume, Bäume, Bäume. Ochsenkarren voller Kokosnüsse, blau-weiße Schulmädchen mit Pferdeschwänzen. Die Sonne starrt, ohne zu blinzeln, ins Auto. Geblendet fahren sie durch den Tag, überqueren von baufälligen Brücken überspannte Flüsse, durchqueren Städte ohne jede Versuchung. Die Zahlen der Kilometeranzeige werden zwei-, werden dreistellig. Bei Einbruch der Dämmerung sind sie immer noch unterwegs.

Jetzt fährt der Mann, und der Hund fängt an, an ihm zu kratzen und zu winseln. Über ihnen ein grünes Kathedralendach, und was an Licht noch da ist, wird vom Blattwerk gedämpft. Obwohl die Stadt, auf die sie zueilen, nicht mehr weit ist, fühlt es sich nicht so an, auf dieser Straße, die sich zwischen verkohlten Eukalyptusbäumen hindurchschlängelt. Die Stämme sind von Ruß geschwärzt, die oberen Hälften bleich, jadegrüne Blätter leuchten. Der Hund kratzt erneut an der Schulter des Mannes, drängender jetzt. Der Mann hält am Straßenrand, legt den Kopf in den Nacken und schließt einen Moment lang die vom grellen Sonnenlicht blutunterlaufenen Augen. Die Frau springt mit dem Hund an der Leine aus dem Auto. »Geh nicht zu weit«, sagt der Mann. In der Ferne kann er die trüben Lichter eines Dörfchens sehen. Sein Blick folgt der Frau, die den Hund zur Eile drängt, doch der zieht sie auf der Suche nach einem Geruch tiefer in den Wald hinein. Die Stimme der Frau verklingt, Vogelrufe füllen den leeren Raum.

Zwielicht vertieft die Schatten, als die Frau zurück in Richtung Straße geht, aber zwischen den Bäumen hindurch kann sie zwei Männer erkennen, die sich durchs Fahrerfenster in ihr Auto lehnen. Sie werden sich nach dem Weg erkundigen, doch ihr Herz wird zu einer Eisenkugel, die ihr gegen die Rippen schlägt. Sie sieht, dass die Beifahrertür offen steht. Sie kennt die Szene aus ihren Albträumen. Sie rennt, bewegungslos, kommt dem Auto keinen Schritt näher. Sie schreit, ohne dass ein Laut aus ihrer Kehle dringt. Die Autotür schlägt zu.

Der Hund versucht, die Frau in die andere Richtung zu ziehen, sie reißt an der Leine, lässt sie fallen und rennt, es ist ihr gleichgültig, auf das Auto zu. Als sie es erreicht, zerren die beiden Kerle ihren Mann heraus. Sein Körper hängt schlaff herunter. Er ist voller Blut, die Frau kann es sehen, sie hört sich schreien, spürt eine raue Hand auf ihrem Mund, wird hochgehoben und ins Auto geworfen. Sie versucht, die Tür aufzustoßen, doch die ist abgeschlossen. Das Auto schießt vor. Sie trommelt gegen das Fenster, gräbt die Finger ins Gesicht des Mannes neben sich, der ihr ein paar heftige Schläge versetzt und der Schlampe sagt, sie soll die verdammte Fresse halten, sonst ... Wie da rauskommen, wie da rauskommen? Der dünne Mann, der sie geschlagen hat, sagt lüstern, dass er seit Tagen, vielleicht Wochen keine Frau mehr gefickt hat und so weit ist, ihn in irgendeine läufige Hündin oder Ziege zu stecken, so schlimm ist es schon. Er hört gar nicht mehr auf, beklagt sich mit der Hartnäckigkeit einer Mücke. Mit einer Hand zieht er der Frau an den Haaren, mit der anderen grapscht er ihr zwischen die Beine. Ein Bahnübergang kommt in den Blick, und der Kerl am Steuer tritt aufs Gas, um rüberzukommen, bevor die Schranke für einen Zug heruntergeht.

Die Straße ist eine Ansammlung von Kratern, die von kaputten Teerstücken zusammengehalten werden, und das Auto rumpelt darüber, dass es ihr den Magen umdreht und sie denkt, ihre Knochen könnten zerspringen. Die Frau kann sehen, wie sich die Schranke zu senken beginnt, sie sieht ein Stück voraus einen Traktor und einen Transporter, die langsamer werden. Wenn das Auto am Übergang hält, wird sie um Hilfe rufen, wird sie fliehen. Der Dünne sagt, er hat neulich eine Vergewaltigungsszene gesehen. Eine Gruppenvergewaltigung, fünf Männer und ein Mädchen, und bei Gott, sie konnte hinterher nicht mehr stehen, abgewechselt haben sie sich, einer von hinten, einer in den Mund und ... Auf einmal bremst der Fahrer abrupt ab, springt aus dem Auto, läuft nach hinten, packt die Frau und schleudert sie an den Straßenrand. Sie fällt unglücklich, ihr Kopf schlägt auf etwas Hartes. Eine Tür knallt zu, und das Auto verschwindet in der zunehmenden Dunkelheit in Richtung Bahnübergang.

Was ist mit dem Hund? Ist er zum Dorf gelaufen? Oder hat er sich im Gesträuch verkrochen, gewartet, bis die Luft rein ist, und ist dann zum Mann hin und hat ihn mit der Pfote und der feuchten Nase angestoßen. Vielleicht. Vielleicht hat er dem Mann das Gesicht sauber geleckt, die Hände und die blutverschmierte Uhr, die neben ihm lag, hat die aufgeplatzte Stirn und die breiigen Augen beschnuppert. Als der Mann auf keine seiner Bemühungen, ihn zu wecken, reagiert, hat sich der Hund womöglich in den Kniekehlen seiner angewinkelten Beine eingerollt, wie er es jeden Abend im Bett tat. Hat sich noch hinter den Ohren gekratzt, einen Floh vom Ansatz seines Schwanzes weggefressen. Schließlich hat er die Nase zwischen die Vorderpfoten gesteckt und zufrieden, dem Mann so nahe zu sein, geseufzt. Und die kastanienbraunen Flecken auf seiner Stirn haben sich in wachsame Augen verwandelt, die zeigen, dass er niemals schläft.

Solche Dinge geschehen auf der ganzen Welt, jede Stunde, vielleicht sogar jede Minute, an manchen Orten öfter als an anderen. Die Variationen sind unendlich, und die jeweiligen Umstände nur für die wichtig, die sie betreffen.
2

Ich war damals noch ein Mädchen und wusste kaum etwas über den Vorfall an der Schnellstraße. Ich kannte nur die groben Fakten aus einem Zeitungsartikel, der mit dem in winzigen Kursivbuchstaben geschriebenen Namen Devika Nanaiya endete. Für andere Leute war sie Journalistin, für mich und meine Schwester unsere Mutter, deren Namen in der Zeitung zu sehen, so normal war, dass wir uns oft nicht die Zeit nahmen, ihre Artikel zu lesen. Verbrechen gehörten zu ihrem Aufgabenbereich, Leichenhallen, Krankenhäuser und Polizeiwachen zu ihren gewohnten Aufenthaltsorten. Sie schrieb über Vergewaltigungen, Selbstmorde, Messerstechereien und Einbrüche, berichtete in ruhig sachlichem Stil und ohne alle Mutmaßungen über das, was man wusste. Tia und ich zogen ihren Berichten die Kriminalgeschichten in unseren Büchern vor. Aber diese eine war anders. Weil es einen Hund in ihr gab.

Die Frau sei nicht schwer verletzt, berichtete der Artikel meiner Mutter, wobei die Ärzte nicht sicher seien, ob sie den Mann retten könnten. Die Verbrecher seien noch nicht gefasst worden und würden es wahrscheinlich nie. Der gestohlene Wagen habe mittlerweile fraglos falsche Kennzeichen und eine andere Farbe. Meine Mutter brachte Statistiken zu Gewaltverbrechen, erwähnte den vermissten Hund und zitierte die Teile der Verlautbarung des Commissioners, in der er die Binsenweisheiten wiederkäute, mit denen die Polizei bei solchen Gelegenheiten aufwartet. Ein kurzer Leitartikel lamentierte, die Polizei sei in Händen von Politik und Mafiabanden und solche Verbrechen würden so alltäglich werden, dass sich am Ende niemand mehr die Mühe machen werde, von ihnen zu berichten.

Mein Vater ließ die Zeitung mit einem Achselzucken sinken. »Dieses Dorf an dem Bahnübergang ...«, sagte er. »Das ist ein Kindergarten voller Kleinkrimineller. Eine Lasterhöhle. Gut, dass du erwähnst, dass Narsimha der Starvertreter des Ganzen ist. Waffen, Schnaps, Menschen - womit hat er noch nicht gehandelt?«

Tias Vorstellung von Laster gründete auf einem Film, den wir kürzlich gesehen hatten, Sholay, mit flotten Sprüchen und Barfußtanzen auf Glasscherben, bis Blut floss. »Ich will auch ein Star sein«, verkündete sie.

»Dazu wird´s nicht reichen«, sagte ich. »Dich kleistern sie höchstens auf ein Dartboard, zum Üben.«

Ich war erst elf, aber bereits eine Zynikerin, wenn es darum ging, was Mädchen tun konnten. Im Übrigen interessierten mich Lasterhöhlen nicht. Es gab sie überall, man konnte kaum aus dem Haus gehen, ohne in eine hineinzugeraten. Was ich wissen wollte, war: Wo war der Hund?
3

Ein Pferd stand in Flammen. Es streifte durch den Ozean und atmete Feuer, und wenn es die Mähne schüttelte, färbten die Flammen die Wellen feuerrot. Als es aus dem Wasser hervorbrach, war es groß wie ein Baum, und das Feuer knisterte wie Papier beim Zerknittern. Es wuchs hoch über dem niedrigen Dach von...

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Autor

Anuradha Roy hat mehrere Romane verfasst und lebt in Ranikhet, einer Stadt im indischen Himalaya. Die Autorin war 2011 für den Man Asian Booker Prize und 2016 für den Man Booker Prize nominiert, wurde 2011 mit dem Economist Crossword Prize und 2016 mit dem D.S.C. Prize for South Asian Literature ausgezeichnet. Ihr Roman »Der Garten meiner Mutter« kam auf die Shortlist des International Dublin Literary Award, des JCB Fiction Prize, des Hindu Literary Prize, wurde nominiert für den Walter Scott Prize for Historical Fiction und gewann den Tata Book of the Year Award for Fiction.