Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
96 Seiten
Deutsch
Westend Verlag GmbHerschienen am11.04.20231. Auflage
Der Transhumanismus verfolgt das Ziel, die Grenzen der menschlichen Natur zu überschreiten - körperlich wie geistig. Durch den Einsatz verschiedener Technologien sollen die Leistungsfähigkeit erhöht, verlorene Fähigkeiten ersetzt oder gar neue erfunden werden. Aber ist diese Erweiterung des Menschen tatsächlich eine Verbesserung oder nicht viel eher eine Abkehr vom gerade Menschlichen und so Hinwendung zur Maschine? Während Stefan Lorenz Sorgner davon überzeugt ist, dass in dieser Überschreitung die Chance einer besseren Welt und eines optimierten Lebens liegt, warnt Philipp von Becker vor den Gefahren eines technologiegetriebenen Transhumanismus als letztem großem Traum eines sinnentleerten, autoritären Kapitalismus, der Überwachung und Entmenschlichung auf die Spitze treibt. Wer sich eine kritische und fundierte Meinung zu den drängenden Fragen unserer Zeit bilden will, kommt an der Reihe 'Streitfragen' nicht vorbei!

Philipp von Becker, geboren 1979, lebt als Filmemacher und Autor in Berlin. In seinem Buch "Der neue Glaube an die Unsterblichkeit. Transhumanismus, Biotechnik und digitaler Kapitalismus" befasst er sich mit den Möglichkeiten der technischen Transformation des Menschen und dem gesellschaftlich-ökonomischen Wandel durch die Digitalisierung. 2018 reiste er für ein Filmprojekt zu gesellschaftlichen Veränderungen durch neue Technologien durch China. In seinem jüngsten Dokumentarfilm "Fukushima und die Mopsfledermaus" wirft er einen (wachstums-)kritischen Blick auf die Energiewende in Deutschland.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDer Transhumanismus verfolgt das Ziel, die Grenzen der menschlichen Natur zu überschreiten - körperlich wie geistig. Durch den Einsatz verschiedener Technologien sollen die Leistungsfähigkeit erhöht, verlorene Fähigkeiten ersetzt oder gar neue erfunden werden. Aber ist diese Erweiterung des Menschen tatsächlich eine Verbesserung oder nicht viel eher eine Abkehr vom gerade Menschlichen und so Hinwendung zur Maschine? Während Stefan Lorenz Sorgner davon überzeugt ist, dass in dieser Überschreitung die Chance einer besseren Welt und eines optimierten Lebens liegt, warnt Philipp von Becker vor den Gefahren eines technologiegetriebenen Transhumanismus als letztem großem Traum eines sinnentleerten, autoritären Kapitalismus, der Überwachung und Entmenschlichung auf die Spitze treibt. Wer sich eine kritische und fundierte Meinung zu den drängenden Fragen unserer Zeit bilden will, kommt an der Reihe 'Streitfragen' nicht vorbei!

Philipp von Becker, geboren 1979, lebt als Filmemacher und Autor in Berlin. In seinem Buch "Der neue Glaube an die Unsterblichkeit. Transhumanismus, Biotechnik und digitaler Kapitalismus" befasst er sich mit den Möglichkeiten der technischen Transformation des Menschen und dem gesellschaftlich-ökonomischen Wandel durch die Digitalisierung. 2018 reiste er für ein Filmprojekt zu gesellschaftlichen Veränderungen durch neue Technologien durch China. In seinem jüngsten Dokumentarfilm "Fukushima und die Mopsfledermaus" wirft er einen (wachstums-)kritischen Blick auf die Energiewende in Deutschland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783864898891
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum11.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten96 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11335466
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Philipp von Becker: Transhumanismus als Abschied vom Individuum
Einleitung

War es früher der Mensch, der die Welt durchschritt, ist es heute die Welt, die den Menschen durchschreitet.

Karl Ove Knausgård

Things are getting better, but already each day is fantastic.

Nick Bostrom

In Platons Version des antiken griechischen Mythos von Epimetheus und Prometheus fällt Epimetheus bei Schaffung der Lebewesen die Aufgabe zu, diese mit bestimmten Eigenschaften und Fähigkeiten auszustatten. Doch als er zuletzt zum Menschen gelangt, hat er »unvermerkt schon alle Kräfte aufgewendet für die unvernünftigen Tiere«. Prometheus besieht das Werk von Epimetheus und findet den Menschen deshalb »nackt, unbeschuht, unbedeckt und unbewaffnet« vor.1 Und so stiehlt Prometheus von Hephaistos und Athene die »kunstreiche Weisheit« und das Feuer und bringt sie den Menschen. Aus dem wehr- und schutzlosen Menschen wird damit ein »Kulturwesen«, das sich fortan durch die Schaffung von Artefakten, von Kleidung, Waffen und Werkzeugen in der Natur behaupten kann.

Auf dieser Anschauung des Menschen als von Natur aus defizitärem, mit Wissenschaft und Technik jedoch besonders anpassungsfähig und dominant gewordenem Wesen baut der Transhumanismus sein Menschen- und Weltbild auf.2 Genuine Eigenschaft und (evolutionäre) Aufgabe des Menschen sei es, sich selbst und die Natur mit technologischen Mitteln zu transformieren und zu kontrollieren. Will man in diesem Sinne zugestehen, dass der Mensch mittels Technologie seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten erweiterte und insofern tatsächlich immer schon ein Cyborg war, kann der Transhumanismus als die radikalste Form eines alten, insbesondere seit der Neuzeit an Dominanz gewinnenden Strebens nach der Ausdehnung von Grenzen und Beherrschung der (menschlichen) Natur verstanden werden.

Die Radikalisierung dieses Strebens steckt in der Vorsilbe trans - also dem Über-etwas-hinaus - und speist sich vor allem aus den imaginierten wie realen Möglichkeiten des Instruments, in dem die techno-logische Entdeckungsreise des Menschen im vergangenen Jahrhundert vorerst gipfelte: dem Computer. Mit seiner Hilfe sollen nun alte Träume wie Unsterblichkeit und Aufhebung des Alterns materielle Wirklichkeit werden. Für Transhumanisten ist der Mensch nur eine (mangelhafte) Zwischenstufe der Evolution: Mittels neuer Technologien soll er nicht mehr nur optimiert, sondern gleich ganz überwunden werden. Final würden dann intelligente Maschinen an seine Stelle treten und das Universum mit »Superintelligenz« kolonisieren.3

Dies relativierend, muss angemerkt werden, dass es den Transhumanismus als einheitliches Gedankengebäude nicht gibt und nicht alle seiner Anhänger postulieren, der Mensch könne oder solle in eine neue Lebensform überführt werden. Was transhumanistische Positionen jedoch eint, ist das Streben nach einer maximalen Steigerung menschlicher Fähigkeiten durch technische Eingriffe. Im Folgenden wird nicht der Platz dafür sein, jegliche Denkrichtungen und Argumente der unter dem Begriff Transhumanismus zusammengefassten Positionen sowie seine Ideengeschichte zu diskutieren. Stattdessen möchte ich anhand einiger zentraler Motive des transhumanistischen Denkens zeigen, dass es sich bei den Vorstellungen des Transhumanismus nicht um bloße Spekulationen über eine ferne Zukunft handelt, sondern um eine zugespitzte Form der ganz gegenwärtigen, (westlich-)modernen Art und Weise, sich auf die Welt zu beziehen. Diese basiert auf einer reduktionistischen, szientistisch-technokratischen Sicht auf Mensch und Gesellschaft und ist durch ein (absolutes) Streben nach Wachstum, Kontrolle und Beschleunigung sowie den Modus des Wettbewerbs gekennzeichnet, welche allesamt durch die Computerisierung eine Ausdehnung und Intensivierung erfahren.

Blind ist der Transhumanismus dabei gegenüber dem dialektisch-ambivalenten Charakter menschlicher Erfahrung und Existenz sowie den möglichen Konsequenzen der eigenen Vorstellungen. Das Verfolgen der transhumanistischen Agenda könnte deshalb in eine Welt führen, in der wir keineswegs unsere Gattung hinter uns gelassen, sondern weiterhin Menschen aus Fleisch und Blut sein werden, uns aber von den Voraussetzungen für ein individuell wie kollektiv selbstbestimmtes und (auch deshalb) gelingendes Leben noch mehr entfremdet haben, als es gegenwärtig ohnehin schon der Fall ist.
Der vollkommen berechenbare Mensch

Die Mittel, mit denen der Mensch technisch transformiert werden soll, lassen sich grob in drei Felder unterteilen: biotechnische und gentechnische Eingriffe sowie die Verschmelzung von Mensch und Maschine durch Implantate, Prothesen oder Mensch-Computerschnittstellen. Hinzu kommen die extremsten, nicht zuletzt aus der Science-Fiction gespeisten und von ihr wiederum popularisierten Phantasien, in denen der Mensch nicht nur mit Computern verbunden und aufgerüstet, sondern gleich ganz auf sie übertragen wird. In solchen Szenarien wird von einem »Gehirn- oder Mind-Upload« fabuliert: Das angeblich (nur) im Gehirn repräsentierte Wesen einer Person soll auf einen Computer übertragen werden. So lasse es sich dann vom organischen - und als solchem sterblichen - Körper befreit, in vermeintlich unsterblicher Materie weiterleben.

Die Vorstellung des Mind-Uploads beruht auf der Fiktion, dass das Wesen des Menschen unabhängig von der spezifischen Materie seines Körpers sei und lediglich aus Daten bestehe, die auf eine beliebige Materie transferiert werden könnten. Auch die Vorstellung zur gentechnischen Umgestaltung des Menschen beruht auf der Fiktion des Menschen als einer formalisierbaren, berechenbaren, von der Umwelt abgeschnittenen Entität. Der »Code der DNA« müsse nur entschlüsselt werden und könne dann gezielt umprogrammiert werden. Allgemein gilt, dass die Möglichkeiten technischer Körpertransformation in transhumanistischen Schriften maßlos übersteigert, simplifiziert oder schlicht falsch eingeschätzt werden. Trotz bereits Jahrzehnte andauernden massiven Forschungsanstrengungen unter Einsatz des Computers ist es bis heute nicht gelungen, auch nur annähernd zu verstehen, wie Genom und Gehirn funktionieren. Und auch eine sogenannte »starke KI« oder Artificial General Intelligence - eine künstliche Intelligenz, die Bewusstsein besitzt und in transhumanistischen Szenarien mit dem Menschen fusioniert oder gar an seine Stelle tritt -, existiert nach wie vor nur in der Science-Fiction.

Diese auch als praktische Kritik am Transhumanismus bezeichnete Kritik soll hier jedoch nicht das Ziel sein. Schreibt man über den Transhumanismus, befindet man sich insofern allerdings in einer Art Dilemma. Denn da es sich bei den Szenarien des Transhumanismus größtenteils um wissenschaftlich vollkommen unbegründete Fiktionen handelt, die aber wiederum mit ganz realen wissenschaftlichen Forschungen, Projekten und Bestrebungen verschränkt sind, birgt auch eine kritische Beschreibung transhumanistischer Szenarien die Gefahr, den Blick darauf zu verstellen, was im Rahmen der technischen Vermessung der Welt tatsächlich on the ground passiert. Darauf werde ich im zweiten und dritten Kapitel eingehen. Im ersten Kapitel soll es zunächst um die (imaginierte) gentechnische Transformation des Menschen gehen.
I. Pränatales gentechnisches Enhancement. Der Mensch als Designobjekt I

In der wissenschaftlichen Debatte werden pränatale Eingriffe in das Erbgut als »Keimbahninterventionen« bezeichnet. Dabei können drei Ziele unterschieden werden: 1.) Die Vermeidung (monogen) vererbbarer Krankheiten; 2.) die Reduzierung eines genetisch mitbedingten Krankheitsrisikos und 3.) die Steigerung oder Erweiterung von Eigenschaften und Fähigkeiten (»Enhancement«).4 Während es für das Bejahen von Ersterem bedenkenswerte Argumente gibt und dies durch Präimplantationsdiagnostik ansatzweise schon seit Anfang der 1990er-Jahre möglich ist, sind die sich im zweiten Fall ergebenden ethischen, sozialen und politischen Fragen bereits komplizierter und würde Letzteres eine fundamentale Veränderung des Menschseins bedeuten.

Obwohl eine gezielte Herstellung bestimmter Eigenschaften und Fähigkeiten der technisch-praktisch unrealistischste Aspekt möglicher Keimbahninterventionen ist, propagieren Transhumanisten pränatales Enhancement als machbares und unbedingt erstrebenswertes Ziel. Ihre Vorstellungen gründen dabei auf einem doppelten Determinismus. Auf der Makroebene wird die Evolution insgesamt als deterministisches Geschehen aufgefasst, das in drei Phasen verlaufe: Auf die natürliche Evolution folge (zwangsläufig) die vom Menschen (gen-)technisch gesteuerte Evolution, die dann wiederum in die »Singularität« münde - den Zeitpunkt, an dem intelligente Maschinen beginnen, sich selbst zu verbessern. Wir stünden nun am Beginn der zweiten Phase: Dank Gentechnik seien wir bald nicht mehr die »Sklaven unserer Gene«, sondern könnten der trägen, unkontrollierbaren und Mängelwesen produzierenden natürlichen Evolution entkommen und das Schicksal der Spezies endlich selbst in die Hand nehmen. In den Worten von Max More (dieser selbst zugelegte Name ist Programm): »Wir werden nicht länger Sklaven unserer Gene sein. Wir werden die Kontrolle über unsere genetische Programmierung übernehmen und unsere biologischen und neurologischen Prozesse beherrschen. Wir werden alle individuellen und arteigenen Defekte beheben, die von der Evolution durch natürliche Selektion übrig geblieben...
mehr