Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der Ammersee-Clan

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
256 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am22.06.2023
Der Ammersee im Drogenrausch - kernig, stimmungsvoll und mit Humor erzählt. Ein Jugendlicher liegt tot auf dem Grund des Ammersees. War es ein tragischer Unfall? Oder musste er sterben, weil seine Mutter als Clanchefin einer Drogenfarm dem Münchner Kartell in die Quere gekommen war? Kommissar Lenz Meisinger dringt immer weiter in die Abgründe der oberbayerischen Idylle vor. Seine Freundin Carola kann ihm dabei diesmal nicht zur Seite stehen, weil sie in Berlin einem groß angelegten Polit-Komplott auf die Spur kommt. Laufen am Ende alle Fäden zusammen?

Inga Persson hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, 1994 promovierte sie. Anschließend schrieb sie jahrelang im Auftrag anderer: erst für Bundestagsabgeordnete, später für ihre Agenturkunden. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn am westlichen Ammersee und betreibt dort die traditionsreiche Pension »Schatzbergalm«.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextDer Ammersee im Drogenrausch - kernig, stimmungsvoll und mit Humor erzählt. Ein Jugendlicher liegt tot auf dem Grund des Ammersees. War es ein tragischer Unfall? Oder musste er sterben, weil seine Mutter als Clanchefin einer Drogenfarm dem Münchner Kartell in die Quere gekommen war? Kommissar Lenz Meisinger dringt immer weiter in die Abgründe der oberbayerischen Idylle vor. Seine Freundin Carola kann ihm dabei diesmal nicht zur Seite stehen, weil sie in Berlin einem groß angelegten Polit-Komplott auf die Spur kommt. Laufen am Ende alle Fäden zusammen?

Inga Persson hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, 1994 promovierte sie. Anschließend schrieb sie jahrelang im Auftrag anderer: erst für Bundestagsabgeordnete, später für ihre Agenturkunden. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn am westlichen Ammersee und betreibt dort die traditionsreiche Pension »Schatzbergalm«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987070457
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum22.06.2023
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3393 Kbytes
Artikel-Nr.12055307
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Die Tasche!

Vor ihr senkten sich ebenso unerbittlich wie konsequent alle Türen des ICE gleichzeitig mit einem sattdunklen »Wo-opp« in die ovalen Öffnungen des weiß-roten Zuges. Es pfiff in ihren Ohren, ihr Herz tat einen Satz, und mit ihm sprang sie einen Schritt nach vorn. Doch der stählerne Lindwurm fuhr wie an einer Schnur gezogen, erst leise, dann immer lauter surrend an ihr vorbei aus dem Halbdunkel des Kopfbahnhofs hinaus in die helle Mittagssonne am Ende der Halle. Hilflos riss sie die Hände empor. Der Zug hatte nur noch eine Lücke hinterlassen, graubraun, nach Abrieb und Exkrementen stinkend.

Wo war die Tasche? Eben hatte sie sie doch noch gehabt. Sie rang mit sich und der plötzlichen Gewissheit: dass sie noch im Zug stand. Aus dem sie gerade ausgestiegen war. Von dem sie nur noch seine Umrisse im Gegenlicht erkennen konnte.

Hektisch sah sie sich um. Inmitten der anderen Reisenden auf dem Bahnsteig stand ihr kleiner Rollkoffer und glotzte sie an. Aber die Tasche, diese eine wichtige Tasche, auf die sie aufpassen musste, die stand nicht daneben. Das konnte doch nicht wahr sein. Eine Panikwelle brach über ihr. Aus der Ferne erklang ein Geräusch. Neu. Irgendwie bekannt. Pulsierend, rhythmisch. Wahnsinnig nervend.

Ihr war schlecht. Wo hatte sie die Tasche das letzte Mal gesehen? Sie hatte sie mit in den Zug genommen. Da war sie sich sicher. In den Zug, der sie von München nach Berlin bringen sollte. Sie neben ihren Füßen abgestellt. Einem sicheren Ort. Hatte sie zumindest gedacht. Was brummte bloß so laut?

Die gesichtslose Menge aus Fahrgästen, die eben noch mit ihr in dem Zug gesessen war, von dem sie inzwischen nicht einmal mehr die Rücklichter sah, setzte sich wie auf einen geheimen Befehl hin in Bewegung. Ging in die gegensätzliche Richtung, die der Zug genommen hatte, den Bahnsteig hinunter. Das Geräusch wurde lauter und lauter.

Was hatte sie bloß getan? Die Tasche stehen gelassen? Wirklich? Wie konnte sie nur so vergesslich sein? Diesen Job, diesen einen Job, den sie hatte, komplett vor die Wand fahren? Ein Wimmern formte sich in ihrer Kehle. Lautlos rang sie nach Luft. Eine Katastrophe, sie hatte versprochen, auf die Tasche aufzupassen, sie nach Berlin zu bringen. Das war doch so wichtig! Sie hatte sie im Zug gelassen. Was für eine Versagerin sie doch war.

Und wie erschöpft. Jede Zelle ihres Körpers fühlte sich leer an. Vollkommen ausgelaugt. Aber es half nichts. Sie musste jetzt gehen, sich bewegen, dorthin, wo sie jemanden nach der Tasche fragen konnte. Aufgesogen von der Gruppe ließ sie sich mitziehen, setzte einen Schritt vor den anderen, schloss sich Menschen an, mit denen sie nichts gemeinsam hatte, außer aus demselben Zug ausgestiegen zu sein. Sie waren überall, dicht an dicht schoben sie über den Bahnsteig. Und dann dieses Geräusch. Was war das bloß? So ausdauernd und so penetrant?

Ein Gedanke flog auf sie zu. Irgendwie ... kannte sie das alles doch schon. Urplötzlich wie das Umlegen eines Lichtschalters in einem dunklen Raum war ihr sonnenklar: Sie hatte den Zug, den Bahnsteig und die Leute schon einmal gesehen. Sie hatte schon mal getan, was sie gerade tat. Ganz bestimmt sogar. Und nicht nur einmal. Aber wieso? Das Brummen wurde ohrenbetäubend.

Moment.

Klang so nicht ihr Telefon? Wenn es auf Vibration gestellt war? Ja, klar, das war es. Sie hatte es vor dem Schlafengehen auf ihren Nachttisch gelegt. Jemand rief sie an. Mit einem Ruck trat sie vom Bahnsteig in ihr Zimmer, öffnete die Augen, tastete nach dem umherrobbenden Gerät und drückte auf den grünen Hörer.

»Ja«, ächzte sie und stützte sich mit dem Ellenbogen auf.

»Caro, ich bin´s, der Seppi. Weck ich dich etwa?«

Mühsam kniff sie die Augen zusammen und fokussierte ihren Blick. Ihr Digitalwecker zeigte vier rote Ziffern und einen Doppelpunkt. »02:46«. »Klar weckst du mich. Aber passt schon, hab eh ganz grausam geträumt.« Sie fuhr sich durch die Haare. »Was ist denn los? Warum rufst du an?« Ermattet ließ sie sich wieder in ihr Kissen fallen. Mannomann. Schon wieder dieser ätzende Traum. Wie oft hatte sie ihn nun schon geträumt? Sie konnte sich nicht erinnern.

»Du, ich bräucht dich, bitte. Kannst du mich abholen? Ja?« Seppis Stimme klang flehentlich.

Sie riss die Augen auf. »Sag einmal, spinnst du? Abholen? Wieso? Wo steckst du überhaupt?« Auf was für Ideen kam ihr Kollege denn noch? Mitten in der Nacht anzurufen war eine Sache. Sie um drei Uhr in der Früh aus ihrem warmen Bett zu holen aber eine ganz andere. Vor allem, wenn man bedachte, dass er sie gestern im Büro noch ordentlich von der Seite angeredet hatte. Jetzt mal ehrlich. Gab es nicht genug Schwererziehbare in seinem Freundeskreis, die diese Dienste für ihn erledigen konnten?

»In Dießen auf der Wache. Meine Kumpels trauen sich nicht her. Wär super, wenn du mich holen könntest. Würd mir eine Menge Ärger ersparen.«

Seppi? Bei der Polizei? Carola atmete aus und verschluckte eine Oberlehrerinnen-Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Das half jetzt auch nicht weiter. »Ist schon recht. Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir.«

Aus Seppis Stimme war das Strahlen zu hören, das sich auf seinem Gesicht ausgebreitet haben musste. »Merci! Bist einfach die Beste. Hast was gut bei mir.«

Aber so was von. Sie drückte auf den roten Hörer, schwang die Beine aus dem Bett und angelte nach ihrer Jeans.

Auf Zehenspitzen, ihre Schuhe in der Hand, tappte sie ein paar Minuten später die breite Stiege nach unten. Vorsichtig öffnete sie die schwere Haustür des Secklerhofs, der seit vier Jahren ihre bayerische Heimat war, und trat ins Freie. Die Kühle der Nacht umfing sie. Es war stockdunkel und still. So still. Sie horchte für einen Moment. Nichts. Nur Ruhe. Es faszinierte sie immer wieder.

Schnell schlüpfte sie in ihre Schuhe und zog die Tür vorsichtig ins Schloss. Dass sie keinen Schlüssel eingesteckt hatte, empfand sie als kleines Bekenntnis, in Bayern angekommen zu sein. Hier schloss niemand hinter sich ab. Leise knirschte der Kies unter ihren Füßen. Die Oktobernacht roch nach feuchter Erde, Laub und Gras.

Sie ließ ihr Auto den Berg herunterrollen. Was in drei Teufels Namen hatte ihr Kollege nur schon wieder angestellt? Sie hatte Josef Hinterstraßer, seines Zeichens Sportstudent und langjähriger Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Johannes Ludwig, quasi geerbt, als sie vor vier Jahren den Dienst im Wahlkreisbüro in Weilheim angetreten hatte. Seppi hatte ihr den Weg geebnet, ihr als waschechter Schleswig-Holsteinerin und Berliner Reichstagspflanze die Bayern erklärt und die bajuwarische Lebensart schmackhaft gemacht. Inzwischen waren sie ein verdammt gutes Team. Und irgendwie auch Freunde.

Dass Seppi aber nicht nur ein loyaler Abgeordnetenmitarbeiter und Student, sondern auch ein echter Schlawiner war, merkte sie immer dann, wenn er montags mit einem blauen Auge oder der einen oder anderen Schramme am Kopf wieder im Büro auftauchte. Sie war sich sicher, dass er sich diese Blessuren nicht beim Eishakeln oder Fußballspielen holte. Die blutigen Riefen auf seinen Fingerknöcheln sprachen eine andere Sprache.

Aber Fragen hatte sie ihm nie gestellt. Mind your own business, hatte sie sich gedacht. Schließlich kommentierte Seppi ja auch nicht ihr Privatleben, das sich überwiegend um Laurentius Meisinger drehte, den ältesten Sohn ihrer Vermieterin Resi Meisinger. Laurentius oder Lenz, wie ihn alle nannten, war Kommissar in Weilheim und der Mann an ihrer Seite. Aber eben auch nur überwiegend. Wo kam sie denn hin, wenn alle immer alles wussten? Da, wo sie herkam, sagte man: Wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Und sie fragte nicht und wollte keine Antwort geben.

Aber Seppi und die Polizei? Davon hatte sie in all den Jahren noch nichts gehört. Was um Himmels willen hat er bloß verbockt, dachte sie, als sie die Stufen zur Dießener Polizeiwache hinaufstieg und den Klingelknopf drückte.

Aus dem Lautsprecher neben der Tür kam unverständliches Kauderwelsch. »Grüß Gott, Carola Witt. Ich komme wegen Josef Hinterstraßer«, sagte sie und drückte die Tür auf.

In einem kleinen Vorraum saß ihr Kollege auf einer schmalen Bank. Auf seinem T-Shirt prangte eine Spielkarte. Er hob grüßend das Kinn und schaute anschließend wieder sparsam geradeaus.

Ui, dachte Carola, wie sieht der denn aus? Sie murmelte ein »Grüß Gott«.

»Servus«, sagte die erstaunlich junge und ebenso blonde Polizistin hinter dem Tresen. »Wie war der Name?«

»Witt«, antwortete Carola und deutete mit dem Daumen auf Seppi. »Herr Hinterstraßer hat mich angerufen. Kann ich ihn jetzt mitnehmen?«

»Ja«, beschied die Blondine streng, »das dürfen Sie. Ihr Freund sollte sich in Zukunft aber überlegen, wo und mit wem er sich nachts trifft.«

Seppi hatte seinen Mund für eine Antwort schon geöffnet, klappte ihn aber wieder zu, als er Carolas Blick auffing.

»Das wird er«, sagte sie. »Seppi, kommst du bitte.« Grußlos schob sie ihren Kollegen vor sich zur Tür hinaus.

»Caro -«

»Sag jetzt nichts«, unterbrach sie ihn. »Ich brauch einen Kaffee.« Sie sah auf die Uhr. Drei Uhr dreißig. Jesus. »Sag mal, was ist das denn für ein bescheuertes T-Shirt?«

»Schafkopf.« Er strich sich über den Bauch. »Gras-Ass.«

»What?« Sie zuckte mit den Schultern. »Ist jetzt eh schon alles wurscht. Wir fahren heim. Dann erzählst du mir die Story. Von Anfang an.«

Schweigend fuhren sie erst durch die menschenleeren Straßen Dießens, dann durch die Felder zum Secklerhof hinaus. Behutsam öffnete Carola die Haustür, nahm Seppi am Ärmel und zog ihn mit sich in die große Küche.

»Hock dich hin«,...
mehr