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Klimasolidarität - Verteidigung einer Zukunft für alle

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
128 Seiten
Deutsch
Leykam Buchverlagerschienen am02.10.2023
»Welches Klima hat die Krise?« Ein Plädoyer für eine gerechte Zukunft für alle Gegenüber der Gewalt der Klimakrise gibt es keine neutrale Position. Während einige von ihr profitieren, werden die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen verwüstet. Dabei trifft die Krise gerade die am härtesten, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben. Mit den Pegeln der Meeresspiegel und der Intensität der Stürme und Dürren steigern sich Ungleichheit und Gewalt. Die politischen Kämpfe ums Klima spitzen sich zu: Auf der einen Seite eskaliert die rassistische Gewalt gegen Flüchtende und ganze Länder im globalen Süden werden zu Opferzonen degradiert. Auf der anderen Seite kämpfen solidarische Bewegungen für Klimagerechtigkeit, schließen internationale Bündnisse und verteidigen eine Zukunft für alle. Wie reagieren wir politisch auf die Klimakrise: mit Gewalt und Rassismus oder mit radikaler Klimasolidarität? Johannes Siegmund argumentiert für einen Weg durch die Krise, der auf gegenseitiger Unterstützung beruht: Klimasolidarität. Das fordert nichts weniger als die gemeinsame Imagination einer Welt, in der ein würdevolles Leben für alle möglich wäre.

Johannes Siegmund ist politischer Theoretiker und lebt mit seiner Familie in Wien. Er unterrichtet an der Universität Wien und ist Trainer bei ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Seine Doktorarbeit zur Flucht als politischer Handlung wurde mit dem Dr. Caspar Einem-Preis ausgezeichnet. Aktuell forscht er mit einem Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu Rassismus und Solidarität in der Klimakrise. Zuletzt erschien sein Essay »Wir Zukunftslosen« (Edition Konturen).
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext»Welches Klima hat die Krise?« Ein Plädoyer für eine gerechte Zukunft für alle Gegenüber der Gewalt der Klimakrise gibt es keine neutrale Position. Während einige von ihr profitieren, werden die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen verwüstet. Dabei trifft die Krise gerade die am härtesten, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben. Mit den Pegeln der Meeresspiegel und der Intensität der Stürme und Dürren steigern sich Ungleichheit und Gewalt. Die politischen Kämpfe ums Klima spitzen sich zu: Auf der einen Seite eskaliert die rassistische Gewalt gegen Flüchtende und ganze Länder im globalen Süden werden zu Opferzonen degradiert. Auf der anderen Seite kämpfen solidarische Bewegungen für Klimagerechtigkeit, schließen internationale Bündnisse und verteidigen eine Zukunft für alle. Wie reagieren wir politisch auf die Klimakrise: mit Gewalt und Rassismus oder mit radikaler Klimasolidarität? Johannes Siegmund argumentiert für einen Weg durch die Krise, der auf gegenseitiger Unterstützung beruht: Klimasolidarität. Das fordert nichts weniger als die gemeinsame Imagination einer Welt, in der ein würdevolles Leben für alle möglich wäre.

Johannes Siegmund ist politischer Theoretiker und lebt mit seiner Familie in Wien. Er unterrichtet an der Universität Wien und ist Trainer bei ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Seine Doktorarbeit zur Flucht als politischer Handlung wurde mit dem Dr. Caspar Einem-Preis ausgezeichnet. Aktuell forscht er mit einem Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu Rassismus und Solidarität in der Klimakrise. Zuletzt erschien sein Essay »Wir Zukunftslosen« (Edition Konturen).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701183319
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.10.2023
Seiten128 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse967 Kbytes
Artikel-Nr.12609173
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Rassismus oder Solidarität

Am Morgen des vierten Septembers 2005, sechs Tage nachdem Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte, überquerte die Schwarze1 Familie Bartholomew gemeinsam mit Freunden die Danziger Bridge, um Lebensmittel zu besorgen. Plötzlich raste ein Truck auf sie zu, Zivilpolizisten sprangen aus dem Wagen und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer aus Sturmgewehren. Sie verletzten vier Familienmitglieder schwer und erschossen den siebzehnjährigen James Brisette. Weiter oben auf der Brücke hörten zwei Schwarze Passanten die Schüsse und rannten weg. Die Polizisten verfolgten sie mit einem Auto über die Brücke und töteten den vierzigjährigen geistig behinderten Ronald Madison durch fünf Schüsse in den Rücken.

Diese beiden rassistischen Morde waren nicht die einzigen im Ausnahmezustand nach dem Hurrikan. Polizei und weiße Bürgerwehren erschossen in der ganzen Stadt eine beträchtliche Anzahl Schwarzer, die vor den Überschwemmungen in höher gelegene Viertel flüchteten, auf Hausdächern ausharrten oder auf der Suche nach Hilfe für Angehörige und Eingeschlossene durch die Stadt irrten.2 Auf den verstörenden Aufnahmen des dänischen Filmemachers Rasmus Holm brüsten sich einige weiße Bürger auf einer Grillparty sogar damit, Jagd auf Schwarze gemacht zu haben.3 Während die Morde auf der Danziger Bridge und die Versuche ihrer Vertuschung Jahre später juristisch aufgearbeitet wurden, wurden die meisten Gewalttaten nie verfolgt.

Die große Essayistin Rebecca Solnit recherchierte zur exzessiven Polizeigewalt in der verwüsteten Stadt und ordnete sie in den Kontext einer Panikreaktion der Eliten ein.4 Medien berichteten fälschlicherweise von Leichen, Mord und Totschlag in den Sammelstellen der Geflüchteten. Politik und Polizei fantasierten, dass im Katastrophengebiet ein chaotischer Kampf aller gegen alle ausgebrochen wäre. Aus Angst vor Plünderungen und Kontrollverlust schickte die Politik Militär und Polizei, um für Ordnung zu sorgen.

Diese Panikreaktion hatte grausame Konsequenzen: Als die vom Wasser eingeschlossenen Menschen auf den Dächern Schüsse abgaben, um auf sich aufmerksam zu machen, klang das für die Polizei wie das wilde Schießen eines wütenden Mobs, der Staat und Eigentum angriff. Die flüchtenden Schwarzen verwandelten sich in den Augen der Polizei in Plünderer und gewaltbereite, bewaffnete Wölfe, die in ihrer Not und ihrem Kampf ums Überleben über Leichen gehen würden. Polizei und weiße Bürgerwehren ließen sich von ihren Ängsten leiten und regierten das Desaster in ihrer Panik mit rassistischer Gewalt.

Medien, Politik und Polizei interpretierten die Lage im Katastrophengebiet aber völlig falsch. Die Behörden verstanden nicht, dass die Betroffenen sich vom ersten Tag an gegenseitig halfen, sich zusammenschlossen und gemeinsam ihr Überleben organisierten. Die Betroffenen taten sich zusammen und ersetzten die zerstörte Infrastruktur durch gegenseitige Hilfe.5 Tausende von freiwilligen Helfer:innen fuhren mit ihren Booten wie mit kleinen Archen in die überschwemmten Gebiete und retteten Leben. Aktivist:innen aus der ganzen Welt strömten in die verwüstete Stadt und organisierten gemeinsam mit den Betroffenen Gemeinschaftsküchen und kostenlose Gesundheitsversorgung oder halfen beim Wiederaufbau. Selbst hunderte Kilometer entfernt nahmen Menschen Geflüchtete auf. Mitten im Ausnahmezustand des Sturmdesasters wurde die Utopie einer radikal solidarischen Welt gelebt.

Die Verantwortlichen intensivierten die Gewalt, die Betroffenen die Solidarität. Das Desaster erlaubte so bereits 2005 einen schonungslosen Blick auf die radikalen Politiken der Klimakrise.
Die Klimakrise radikalisiert die Politik

Was sich nach dem Hurrikan schon abzeichnete, wurde in Europa aber erst 15 Jahre später mit den großen Klimabewegungen wie Ende Gelände und Fridays For Future zum Gemeinplatz: Die Klimakrise ist da und sie ist eine soziale und politische Krise. Sie lässt sich nicht mehr leugnen, wie das ein korrupter Komplex aus Politik und Ölindustrie mit Milliarden von Euro über Jahrzehnte getan hatte.6 Sie lässt sich immer schwieriger verdrängen und sie lässt sich auch nicht mehr entpolitisieren und als technisches Problem der Naturwissenschaften darstellen. Die Klimakrise ist in den Metropolen des globalen Nordens angekommen, mit Stürmen, Fluten, Hitzewellen und Trockenheit, mit Inflation und Finanzkrisen, mit radikal solidarischen Protestbewegungen und faschistoidem Autoritarismus,7 mit zerbrochenen Lieferketten und Millionen von Flüchtenden. Die Klimaflüchtenden wurden zu ihrem politischen Sinnbild. Schwer greifbar und doch überall anwesend haben sie die traurigen Eisbären auf ihren Schollen genau in dem Moment ersetzt, in dem der Verlust der Lebensgrundlagen auch im globalen Norden nicht mehr zu leugnen war. In ihr spitzen sich die Politiken der Klimakrise bis zur entscheidenden politischen Frage zu: Wer lebt und wer stirbt?

Sytem change, not climate change! - Mit der radikalen Politisierung der Klimakrise ist die Systemfrage zurück und radikale Kapitalismuskritik findet sich wieder auf den Bestsellerlisten.8 Wir leben in revolutionären Zeiten, in denen das Leben, das wir führen, die Infrastrukturen, die es aufrechterhalten, und die Geschichten, die wir uns von der Welt erzählen, nicht mehr mit den Bedingungen des Lebens selbst zusammenpassen. Das kapitalistische Fortschrittsversprechen hat sich in vielfachen Krisen aufgerieben. Die moderne, ressourcenintensive Lebensweise, die im Zuge von Industrialisierung, Kolonialismus und Imperialismus entstand, lässt sich nicht mehr weiter ausdehnen. Wer glaubt noch daran, dass es den eigenen Kindern besser gehen wird, geschweige denn, dass das Leben für alle besser wird? Wie sollten zehn Milliarden Menschen ein Mittelschichtsleben führen? Das sprengt die Möglichkeiten des Planeten.

Während die Reichen Bunker ausheben und die Rechten Grenzen hochziehen und von unabhängigen Privatstädten oder Imperien träumen, werden in jeder Krise schonungslos die Gewinnmargen erhöht, wird Gemeineigentum enteignet und zerstört und den erschöpften Arbeitskräften noch mehr Mehrwert abgepresst. Die politischen und sozialen Kämpfe intensivieren sich, je kleiner die Reste des übrig gebliebenen Erdkuchens werden und je klarer sich die Zerbrechlichkeit der kapitalistischen Ordnung zeigt. Peak Everything ist überschritten, die Ressourcen der Erde gehen zur Neige und wir laufen auf Furcht erregende Kipppunkte zu.9 Die Verwüstungen des Kapitalismus übersteigen seine schöpferischen Kräfte. Überflutungen und Dürren machen tagtäglich deutlich, wie der sichere Boden unter unseren Füßen schwindet. Die Erde trägt uns nicht mehr. Wir müssen uns radikal verändern.

Bekanntlich ist die Krise in der Medizin der Moment, in dem sich der weitere Verlauf einer Krankheit entscheidet. Tod und Heilung liegen in ihr direkt beieinander. Deshalb können in der Krise kleine Handlungen eine große Wirkung entfalten. Die Chaostheorie bringt das ins Bild des Flügelschlags eines Schmetterlings, der einen Hurrikan auslösen kann. Die Krise ist daher der entscheidende politische Moment. In ihr liegt die Macht auf der Straße. Menschliche Handlungen, und seien sie noch so klein, können in ihr über den Verlauf der Geschichte entscheiden. Deshalb kommt es in der Krise auf alle an: Der mutige Schulstreik eines Mädchens kann eine globale Bewegung für Klimagerechtigkeit auslösen. Ebenso kann ein Terroranschlag den Weg in den Ökofaschismus ebnen.
Allein und ängstlich oder gemeinsam solidarisch?

Die radikale Infragestellung unserer Normalität und die Politisierung unseres Lebens machen Angst, Angst vor Konflikt, vor Veränderung, vor Verlust und Verzicht, vor Krieg. Doch es gibt gute Gründe, darauf zu vertrauen, dass wir der Klimakrise gemeinsam gewachsen sind. Es ist möglich, auf die Klimakrise radikal solidarisch zu antworten. Im überfluteten New Orleans brach unter den Betroffenen keine Panik aus. Krisen mögen die abgründigsten Ängste ans Tageslicht bringen, aber sie können auch das Beste in den Menschen fördern: gegenseitige Hilfe und die Freude am gemeinsamen Handeln.

Der Mensch sei aus Angst und Sorge gemacht und liefe einsam auf den Tod zu, so hat Martin Heidegger das faschistoide Weltbild der momentan oft heraufbeschworenen Zwischenkriegszeit philosophisch verbrämt. Seine jüdische Schülerin Hannah Arendt, die der Shoah nur knapp entkommen war und zur Chronistin der Abgründe des Faschismus wurde, hat die Menschen dagegen trotz allem mutig von der Geburt her bestimmt: Menschen handeln gemeinsam und beginnen immer wieder neu.10 Menschen seien deshalb nicht nur aus Angst und Einsamkeit, sondern vor allem aus Beziehungen und Neuanfängen gemacht. In der Krise...
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Johannes Siegmund ist politischer Theoretiker und lebt mit seiner Familie in Wien. Er unterrichtet an der Universität Wien und ist Trainer bei ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Seine Doktorarbeit zur Flucht als politischer Handlung wurde mit dem Dr. Caspar Einem-Preis ausgezeichnet. Aktuell forscht er mit einem Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu Rassismus und Solidarität in der Klimakrise. Zuletzt erschien sein Essay »Wir Zukunftslosen« (Edition Konturen).
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