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Der Teufel und seine Knechte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am24.04.2024
Walter Nigg verfolgt das personifizierte Böse durch die Jahrhunderte und zeigt eindrücklich, welche Auswirkungen der Teufelsglauben in frühen Jahrhunderten auf die kollektive Psyche hatte. Eingehend stellt er sowohl den Kampf der Heiligen mit den dunklen Mächten als auch die dichterischen Anstrengungen moderner Schriftsteller dar, dem Bösen zu begegnen. Baudelaires scharfsichtige Beobachtung, wonach es »die vollkommene List des Teufels« sei, den Menschen zu überreden, daß er gar nicht existiere, sieht Nigg in neuerer Zeit erfüllt. Dieser Täuschung, der Verleugnung und Verdrängung des Bösen als fester Größe, ist auch die Gegenwart zum Opfer gefallen, ohne zu merken, daß sie ihm gerade dadurch nahezu unbeschränkte Macht verleiht.
Ein engagiertes, anregendes Buch.'

Walter Nigg, geboren 1903 in Luzern, war Professor für Kirchengeschichte in Zürich und wirkte als protestantischer Pfarrer im zürcherischen Dänikon, wo er 1988 starb. Neben Heiligen, Ordensgründern, Propheten und Mystikern handeln seine Bücher auch von Künstlern und Dichtern und nicht zuletzt von Ketzern, die er als »verunglückte Heilige« verstand.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWalter Nigg verfolgt das personifizierte Böse durch die Jahrhunderte und zeigt eindrücklich, welche Auswirkungen der Teufelsglauben in frühen Jahrhunderten auf die kollektive Psyche hatte. Eingehend stellt er sowohl den Kampf der Heiligen mit den dunklen Mächten als auch die dichterischen Anstrengungen moderner Schriftsteller dar, dem Bösen zu begegnen. Baudelaires scharfsichtige Beobachtung, wonach es »die vollkommene List des Teufels« sei, den Menschen zu überreden, daß er gar nicht existiere, sieht Nigg in neuerer Zeit erfüllt. Dieser Täuschung, der Verleugnung und Verdrängung des Bösen als fester Größe, ist auch die Gegenwart zum Opfer gefallen, ohne zu merken, daß sie ihm gerade dadurch nahezu unbeschränkte Macht verleiht.
Ein engagiertes, anregendes Buch.'

Walter Nigg, geboren 1903 in Luzern, war Professor für Kirchengeschichte in Zürich und wirkte als protestantischer Pfarrer im zürcherischen Dänikon, wo er 1988 starb. Neben Heiligen, Ordensgründern, Propheten und Mystikern handeln seine Bücher auch von Künstlern und Dichtern und nicht zuletzt von Ketzern, die er als »verunglückte Heilige« verstand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257614527
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum24.04.2024
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse912 Kbytes
Artikel-Nr.14284303
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



«Teufel fahr´ in alle weichlichen Pfühle

Schmeißt an die Tür alle Stühle,

Schlagt alles klein und krumm!

Werft dort die Baßgeig um.

Satan ist heut hier im Saal»,


singt der schwedische Dichter Carl Michael Bellmann in seinem Schauspiel «Ulla Winblad», in dem ein Anakreontiker mit seiner Laute durch die Hafenkneipen geht. Das Publikum lauscht den übermütigen Liedern über Bacchus- und Liebesfreuden mit einem kaum verhaltenen Kichern, entsprechen sie doch seiner Vorstellung vom leichtlebigen Dasein. Vergnügt hört es dem lustigen, selbst den Tod überspielenden Gesang zu - auf der Bühne darf alles in Stücke gehen. Satan, der im Saal die Stühle umschmeißt, ist nur eine mit Wasserfarben gemalte Theaterfigur; jede Szene vergeht gleich Rauch und Schall.

Hat der heutige Mensch das Teufelsproblem mit derartigen munteren Sprüchen für alle Zeiten von sich gestoßen? Fast scheint es so. Er empfindet sich selbst aufgeklärt und gebildet, neuzeitlich und fortschrittlich, skeptisch und ungläubig, weshalb solche «mittelalterlichen Überreste» ihn nicht mehr anfechten. Er denkt an alles andere, nur nicht an den Teufel, und kennt die Teufelsvorstellung nur noch vom Hörensagen, nicht aber aus eigener Erfahrung. Für ihn sind das längst überwundene Ideen, Rudimente eines primitiven Bewußtseins, die im neuzeitlichen Lebensgefühl keinen Platz mehr haben. Er ist von diesem Thema so unendlich weit entfernt, daß ihn nicht einmal die kaltblütige Streichung des Teufelsglaubens aus seiner Gleichgültigkeit reißt. Er nimmt die Frage gar nicht ernst, geschweige denn, daß er ihre tiefere Bedeutung erfaßt. Die Teufelsfrage ist höchstens noch ein Thema für die volkskundliche Forschung und kann auch da nicht genau definiert werden. Woher kommt diese Ignorierung des Teufels, während er doch frühere Generationen intensiv beschäftigte? Sind die allzu populären Bilder daran schuld, die früher die Menschen erschreckten?

Eine erste Frage meldet sich: Gehört die Teufelsvorstellung in das Gebiet des Aberglaubens? Die Wahrnehmung ist nicht zu bestreiten, daß viele Menschen, auch viele fromme Leute, überaus abergläubisch sind, und nicht minder achten zahlreiche Freigeister auf allerlei abergläubisches Brauchtum. Der Aberglaube nimmt in den Religionen einen breiten Raum ein, auch da «sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten». Glaube und Aberglaube sind oft miteinander verwoben, gehen ineinander über und sind manchmal kaum zu unterscheiden. Der Aberglaube ist auch ein Glaube, aber ein entarteter. Pascal hat mehrfach vor ihm gewarnt. Auch Jeremias Gotthelf schilderte in seinen bäuerlichen Erzählungen die Verkettung von Glaube und Aberglaube. Er tat es erstaunlich unvoreingenommen, ohne Korrektur und ohne Polemik. Jeremias Gotthelf traute dem Leser die Unterscheidung selbst zu. Tatsächlich hat sich mit dem Teufelsglauben oft abergläubischer Unfug verbunden. Leider hat auch die Kirche den Aberglauben vielfach geduldet. Deswegen klagte die dem Evangelium nahestehende Simone Weil: «Die philosophische Reinigung der katholischen Religion hat niemals stattgefunden.»1 Diese Feststellung besteht durchaus zu Recht. Der Aberglaube muß ausgeschieden werden, weil er sich immer wieder in den Glauben einschleicht und ihn verunstaltet. Einer seelischen Fessel gleich wirkt er sich aus. Der Christ muß sich des Aberglaubens erwehren, muß erkennen, daß Glaube und Aberglaube unvereinbar sind.

Obschon sich der heutige Mensch rühmt, über die mittelalterlichen Teufelsvorstellungen weit hinausgewachsen zu sein und vermeint, sich von allem Aberglauben befreit zu haben, vermag er den Blick in diese Richtung nicht zu unterlassen. Spukgeschichten werden selbst in unserer aufgeklärten Zeit mit größtem Interesse gelesen. Warum? Wohl nur deshalb, weil das Problem des Aberglaubens nicht bewältigt, sondern einfach verschoben und überspielt wird. Anstelle des Teufelsglaubens ist der Okkultismus getreten, der sich eines großen Zulaufes erfreut. Was immer mit unheimlichen Geschichten zusammenhängt, wird begierig eingesogen und ganz unkritisch für bare Münze genommen. Ein beschämend primitiver Okkultismus ist zur Ersatzreligion vieler Gebildeter und Halbgebildeter geworden. Je obskurer die Dinge sind, um so interessanter sind sie. Die Verbreitung des Okkultismus verrät ein unabweisbares, wenn auch verkümmertes Bedürfnis, an der übersinnlichen Welt des Teuflischen teilzunehmen. Zahlreiche Menschen der Gegenwart spotten über den mittelalterlichen Teufelsglauben und befinden sich dafür im Banne des Spukes, der sie an der Nase herumfuhrt.

Es ist eine kurzschlüssige Überlegung, das Böse gelten zu lassen und die Teufelsvorstellung abzulehnen. Für den einfachen Menschen sind die beiden Begriffe identisch, weil er in konkreten Bildern, nicht in abstrakten Gedanken denkt. Für ihn personifiziert sich das Böse im Teufel, und wird ihm diese Verbindungslinie gestrichen, kommt er zur Leugnung des Bösen oder sieht in ihm nur das umgekehrte Gute.

Von jeher hat sich das philosophische Interesse mit dem Problem des Bösen beschäftigt. Freilich reden die Philosophen entsprechend ihrer abstrakten Denkweise vom Bösen und nicht vom Teufel; es klingt akademischer. Nicht der Böse, sondern das Böse ist Gegenstand der philosophischen Denkbemühungen, obschon Goethe seinen Mephisto spotten läßt: «Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.»2 Ob man nun «der Böse» oder «das Böse» sagt, ist natürlich ein Unterschied, aber man kann sich fragen, ob Mephistos Feststellung dem Menschen auch nur den kleinsten Vorteil gebracht hat? Problem bleibt Problem - man mag es so oder so umschreiben. Die Menschen leben in einer Welt, in der es Böses gibt und in der das Böse die Macht eines Zaubertrankes hat. Die Philosophen unterscheiden das Böse vom Übel und suchen den Grund des Bösen im menschlichen Egoismus. Das Böse ist nach Paul Häberlin das egoistische Verhalten des Menschen; es kann individueller oder gesellschaftlicher Natur sein. Zahlreich sind die philosophischen Abhandlungen über das Böse. Kant hat sich nicht gescheut, vom «Radikal-Bösen» zu schreiben, was ihm den Tadel Goethes eingetragen hat. Ist das Böse eine natürliche Unzulänglichkeit, oder ist es eine unheimliche Kraft, fragen sie. Die philosophischen Bücher über das Böse sind mit sichtlichem Ernst geschrieben und verdienen Beachtung. Das Rätsel des Bösen hat unübersehbare Auswirkungen, jedenfalls erträgt es weder Ironie noch Spott. Nur Unkenntnis kann die philosophischen Ausführungen über diese Thematik kurzerhand ablehnen. Jede ernsthafte Geistesarbeit hat Anspruch auf Respekt. Martin Bubers Schrift «Bilder von Gut und Böse» enthält tiefsinnige Folgerungen. Der böse Trieb wird «die Hefe im Teig» genannt und die Aufgabe des Menschen darin gesehen, «den bösen Trieb» nicht «zu vernichten, sondern ihn wieder mit dem guten zu vereinigen»3. Noch gewaltiger redet Leopold Ziegler in seinem Alterswerk «Menschwerdung» vom Bösen, und zwar dort, wo er auf die Bitte «erlöse uns vom Bösen» zu sprechen kommt. Als geistiger Einzeldenker stößt Ziegler folgerichtig auf Jakob Böhme, der nach ihm der einzige ist, der der Frage nach dem Ursprung des Bösen standhält. Er schreibt über ihn: «Er setzt an diese Frage nicht allein sein von außen wie von innen gleich bestürmtes Leben, sondern geradezu sein Seelenheil, das er irgendwie gefeit glaubt und wohl auch glauben darf gegen die Gefahren einer vordringlichen Beschäftigung mit dem Bösen.»4 Böhme, Ziegler und Buber unterscheiden sich von vielen Philosophen darin, daß sie nicht in abstrakten Überlegungen stecken bleiben. Ebenso wenig gehören sie zu den Gelehrten, die ruhig am Schreibtisch sitzen und von der Wirklichkeit des Teufels keine Ahnung haben. Sie beschreiben keine rein gehirnliche Angelegenheit, weil sie die Nähe des Bösen erkannt haben. Das Böse hatte es mit ihrer Existenz zu tun. Wenn sie auch zunächst das Problem rational angehen, ist bei ihnen das Böse in seiner Versuchung doch eine ganz und gar irrationale Macht. Der Teufel taucht mitten im Dasein auf und hält die Menschen in Schach. Dies spüren die Religionsphilosophen deutlich selbst durch alle intellektuellen Ausführungen hindurch.

Neben den Philosophen hat sich auch die religionsgeschichtliche Forschung ernsthaft damit beschäftigt. Die religionsgeschichtliche Arbeit schließt ein unumgängliches Anliegen in sich, das eine Zeitlang durch die Frage nach der Absolutheit des Christentums überschattet wurde. Dann hat sie erkannt, daß die verschiedenen Religionen auf verschiedenen Wegen nach Gott suchen. Diese Einsicht verdankt die Religionsgeschichte namentlich einigen hervorragenden Forschern, wie Richard Wilhelm, der die chinesischen Religionsphilosophen ins Deutsche und das christliche Schrifttum ins Chinesische übersetzte, wodurch sich ein neues, gegenseitiges Verstehen anbahnte. Auch Rudolf Ottos «West-Östliche Mystik» ist in diesem Zusammenhang zu nennen, ein Werk, das den Untertitel «Vergleich und Unterscheidung zur Wesensdeutung» trägt und damit einer unsauberen Vermengung vorbeugte. Im Hinblick auf den Teufel nahmen die Religionsforscher wahr, daß vor allem die altpersische Religion vom Bösen redet, indem sie den Dualismus zwischen dem Reich des Lichtes und dem Reich der Finsternis zum Prinzip erhob. Von Persien kommend drang der Satan in Israel ein. Der biblische Teufelsglaube ist somit eine persische Entlehnung. Mit dieser Wahrnehmung der religionsgeschichtlichen Forschung ist das Problem keineswegs gelöst....
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Autor

Walter Nigg, geboren 1903 in Luzern, war Professor für Kirchengeschichte in Zürich und wirkte als protestantischer Pfarrer im zürcherischen Dänikon, wo er 1988 starb. Neben Heiligen, Ordensgründern, Propheten und Mystikern handeln seine Bücher auch von Künstlern und Dichtern und nicht zuletzt von Ketzern, die er als »verunglückte Heilige« verstand.