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Das Handwerk des Lebens

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
480 Seiten
Deutsch
Rotpunktverlagerschienen am21.08.20241. Auflage 2024
Fünfzehn Jahre lang hat Cesare Pavese - einer der wichtigsten Vertreter des Neorealismo - in einem Tage¬buch sein Leben und seine Literatur reflektiert. Es sind die Jahre, in denen Paveses Werke erscheinen, von den ersten Gedichten bis zum letzten und berühmtesten Roman Der Mond und die Feuer, in dem Pavese schreibend an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Neben Gedanken zu seiner Arbeit als Autor und Lektor finden sich in den Tagebüchern Bekenntnisse eines zerrissenen Mannes. Das Handwerk des Lebens ist ein bewegendes Selbstzeugnis, das von den Verletzungen und Enttäuschungen eines großen Schriftstellers erzählt und bereits Jahre vor Paveses Suizid seine Sehnsucht nach dem Tod erahnen lässt. Maja Pflug wurde für ihre Übersetzung von dem Handwerk des Lebens 1999 mit dem Christoph--Martin¬Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet. Für die Neu¬ausgabe hat sie ihre Übersetzung vollständig durchgesehen und überarbeitet.

Cesare Pavese, 1908 in Piemont geboren, verlor schon früh seinen Vater. Nach dem Studium übersetzte er moderne amerikanische Klassiker ins Italienische und arbeitete ab 1938 als ¬Lektor beim Turiner Verlag Einaudi. Sein eigenes literarisches Werk umfasst Lyrik und Erzählungen, Romane und Essays. 1950 erhielt er den Premio Strega für Der schöne Sommer. Kurz darauf nahm er sich in Turin das Leben. Maja Pflug, geboren 1946, übersetzt seit vierzig Jahren italienischsprachige moderne Literatur ins Deutsche, unter anderem Natalia Ginzburg, über die sie auch eine Biografie geschrieben hat, Elsa Morante, Alberto Nessi, Pier Paolo Pasolini, Fabrizia Ramondino oder Susanna Tamaro. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk. Sie lebt in München und Italien.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR32,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR24,99

Produkt

KlappentextFünfzehn Jahre lang hat Cesare Pavese - einer der wichtigsten Vertreter des Neorealismo - in einem Tage¬buch sein Leben und seine Literatur reflektiert. Es sind die Jahre, in denen Paveses Werke erscheinen, von den ersten Gedichten bis zum letzten und berühmtesten Roman Der Mond und die Feuer, in dem Pavese schreibend an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Neben Gedanken zu seiner Arbeit als Autor und Lektor finden sich in den Tagebüchern Bekenntnisse eines zerrissenen Mannes. Das Handwerk des Lebens ist ein bewegendes Selbstzeugnis, das von den Verletzungen und Enttäuschungen eines großen Schriftstellers erzählt und bereits Jahre vor Paveses Suizid seine Sehnsucht nach dem Tod erahnen lässt. Maja Pflug wurde für ihre Übersetzung von dem Handwerk des Lebens 1999 mit dem Christoph--Martin¬Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet. Für die Neu¬ausgabe hat sie ihre Übersetzung vollständig durchgesehen und überarbeitet.

Cesare Pavese, 1908 in Piemont geboren, verlor schon früh seinen Vater. Nach dem Studium übersetzte er moderne amerikanische Klassiker ins Italienische und arbeitete ab 1938 als ¬Lektor beim Turiner Verlag Einaudi. Sein eigenes literarisches Werk umfasst Lyrik und Erzählungen, Romane und Essays. 1950 erhielt er den Premio Strega für Der schöne Sommer. Kurz darauf nahm er sich in Turin das Leben. Maja Pflug, geboren 1946, übersetzt seit vierzig Jahren italienischsprachige moderne Literatur ins Deutsche, unter anderem Natalia Ginzburg, über die sie auch eine Biografie geschrieben hat, Elsa Morante, Alberto Nessi, Pier Paolo Pasolini, Fabrizia Ramondino oder Susanna Tamaro. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk. Sie lebt in München und Italien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783039730322
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum21.08.2024
Auflage1. Auflage 2024
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1434 Kbytes
Artikel-Nr.15216752
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1936

16. Februar

Der Zufall hat mich Lavorare stanca mit Gedichten über Turin anfangen und beenden lassen - genauer gesagt, über Turin als Ort, aus dem man zurückkommt, und über Turin als Ort, in den man zurückkommen wird. Man könnte das Buch als Ausdehnung S. Stefano Belbos auf Turin und als seine Eroberung Turins bezeichnen. Unter den vielen Erklärungen der »Dichtung« ist dies eine. Aus dem Dorf wird die Stadt, aus der Natur wird das menschliche Leben, aus dem Jungen wird ein Mann. Wie ich sehe, ist »von S. Stefano nach Turin« für dieses Buch ein Mythos von allen nur erdenklichen Bedeutungen.

Ebenso merkwürdig ist, dass die nach dem letzten Paesaggio verfassten Gedichte, alle, von anderem handeln als von Turin. Der Zufall scheint mich lehren zu wollen, dass ich mein Unglück in eine entschiedene Umwälzung der Dichtung verwandeln muss.

Turin und damit zusammenhängende Spiele zu überwinden wird bedeuten, eine andere Welt aufzubauen, deren Grundlagen, wie immer, ein genau bestimmter Zeitraum von Schmerz und Schweigen sein werden. Denn was immer ich in diesen Monaten fiebrigen Müßiggangs schreibe, es wird stets nur eine »Kuriosität« sein in der Zukunft, das heißt Schweigen. Viele Werte der Vergangenheit fallen in diesen Monaten, und es werden innere Gewohnheiten zerstört, die - ein außerordentliches Glück - bisher noch nichts ersetzt. Ich muss lernen, diesen unbedeutenden Zusammenbruch, diese mühsame Nutzlosigkeit als gesegnete Gabe zu nehmen - wie sie nur Dichtern zuteilwird -, als Vorhang vor der Aufführung, die dann wieder neu beginnen soll. Ich will mich klar ausdrücken: Ich kehre zurück in einen larvenhaften Zustand der Kindheit, besser: der Unreife, mit allen Plumpheiten und Verzweiflungen dieser Phase. Ich werde wieder der Mann, der Lavorare stanca noch nicht geschrieben hat. Stunden damit hinzubringen, an meinen Nägeln zu kauen, an den Menschen zu verzweifeln, Licht und Natur zu verachten, mich aus kindlichen und dennoch entsetzlichen Ängsten heraus zu fürchten, das ist für mich eine Rückkehr in die Jahre, in denen ich um die zwanzig war. Welche Welt jenseits dieses Meeres liegt, weiß ich nicht, aber jedes Meer hat ein anderes Ufer, und ich werde es erreichen. Ich ekle mich jetzt vor dem Leben, um es dann wieder auskosten zu können.

Gewiss ist, dass die jetzt geschriebenen Gedichte - Parole, Altri tempi, Poetica, Mito, Semplicità, Un ricordo, Paternità, L´istinto, Tolleranza, U steddazzu - geistig mit Il Dio-caprone, Balletto, Pensieri di Dina, Gelosia, Creazione, Dopo, Agonia und den vergessenen zusammengehen: Dies wird ein Büchlein mit Epaves werden, nicht das Werk der Zukunft.

Die Zukunft wird aus einem langen Schmerz und einem langen Schweigen kommen. Sie setzt einen Zustand von solcher Unwissenheit und Verwirrung voraus, dass er schon Demut ist, kurz, die Entdeckung neuer Werte, eine neue Welt. Der einzige Vorteil, den ich meinen ersten zwanzig Jahren gegenüber haben werde, wird die geübte Hand sein, der unbewusste Instinkt. Der Nachteil die vorausgegangene Ernte und das Ausgelaugtsein des Bodens.

Doch das neue Werk - dass ich es nur weiß - wird erst am Ende des Schmerzes beginnen. Im Augenblick kann ich nur immer wieder über Ästhetik, das Problem der Einheit nachdenken und Fragen studieren, um dem Schmerz ein Ende zu machen.

17. Februar

Es ist gut, auf Homer zurückzugreifen. Was macht die Einheit seiner Dichtungen aus? Jedes Buch hat seine eigene gefühlsmäßige, durch seine Stellung bedingte Einheit, derentwegen man es harmonisch, und auch physisch, als ein Ganzes liest. VIII. Buch der Odyssee: Der Trost der Dichtung, des Tanzes, des Wettstreits; der Gesang, der goldene, spielerische Mythos; der neuerliche Sieg des edlen Lebens, in einer Oase von Genuss und ideellen Tränen. X. Buch der Odyssee: das Abenteuer, die Aufeinanderfolge von Hindernissen, das menschliche Weinen und das Sichverhärten. III. Buch der Ilias: die schöne Frau und der Krieg um die Frau, und die zermürbende Liebe. Und so weiter. Dachte Homer, oder wer für ihn, an diese Definitionen? Ich glaube nicht, aber es ist aufschlussreich, dass das Buch, in dem ganz Griechenland lebt, auf diese Art gemacht ist, oder vielmehr, was dasselbe ist, dass man es so interpretieren kann.

Doch geben wir acht. Die große Faszination der beiden Dichtungen ist die konkrete Einheit ihrer Personen, die von Mal zu Mal in diesen dichterischen Feuersbrünsten aufflammt. Wir haben also, vom ersten Beispiel großer absichtsvoller Dichtung an, dieses doppelte Spiel: natürliche Entfaltung von Begebenheiten (die, ohne Schaden, auch doppelt so viele oder die Hälfte sein könnten) und daran anschließend organische, dichterische Erleuchtungen. Die Erzählung also, und die Dichtung. Die Vereinigung der beiden Elemente ist nicht mehr als Geschicklichkeit.

Nun stellt sich das Problem, ob es bei einzelnen Gedichten nicht möglich ist, das Wunder zu wiederholen; aus keinem anderen Grund, als dass man das Denken immer auf die Einheit in allen ihren Äußerungen richtet. Schreiben je nach Eingebung, aber mit unterirdischer Geschicklichkeit die verschiedenen Stücke zu einer Dichtung zusammenlaufen lassen.

Die einfachste Art schiene die, ein und dasselbe Hauptelement in den aufeinanderfolgenden Gedichten beizubehalten. Und das geht nicht, denn dann wäre es besser, gleich eine erzählte Dichtung zu machen, was sich als absurd erwiesen hat.

Bleibt die Möglichkeit, in einer Gruppe von Gedichten die subtilen - und fast immer geheimen - Übereinstimmungen von Thema (stoffliche Einheit) und von Erleuchtung (geistige Einheit) aufzuspüren.

Aufspüren soll heißen, sie beim Verfassen hineinlegen; und die Möglichkeiten sind: sich daran gewöhnen, die Natur (eine Themenwelt) als ein sehr genau bestimmtes Ganzes zu betrachten, kritisch dem Widerhall und den Anklängen vorausgegangener Gedichte nachgeben, kurz, mit kühlem Kopf die Themen suchen und dabei ihren Platz kalkulieren, und sich intuitiv mit heißem Kopf der rhythmischen Welle der Vergangenheit überlassen. Sich, ein Gedicht verfassend, sagen: Ich entdecke einen anderen Zipfel der Welt, die ich zum Teil schon kenne, nehme bei dieser Entdeckung Verweise auf das schon Bekannte zu Hilfe, kurz, überwache, wie weit die eigene Vergangenheit gut und richtig ist. Nie vorgeben, den Sprung ins Unbekannte zu tun, schlagartig eines Morgens neu geboren zu werden. Die Kippen des Vorabends verwenden und sich davon überzeugen, dass die Zeit - das Vorher und das Nachher - nur eine fixe Idee ist. Aber es vor allem nie der Schlange nachmachen, nie die Haut abwerfen, denn was hat der Mensch an Eigenem, Gelebtem, wenn nicht das, was er eben schon gelebt hat? Sondern sich im Gleichgewicht halten, denn was hat der Mensch zu leben, wenn nicht eben das, was er noch nicht lebt?

Ein weiterer interessanter Punkt bei Homer sind die Beinamen und die wiederkehrenden Verse: kurz gesagt alles, was in jedem einzelnen Fall einen lyrischen Nervenstrang von unbestreitbarem Wert bildet und jedes Mal, gleich oder nahezu gleich, abgeschrieben wird, ohne dass man sich die Mühe macht, die ursprüngliche Eingebung zu überprüfen. (Auch hier zählt nicht die Wahrheit, dass es sich um dichterische Sprache handelt, um geheiligten Jargon, um Sätze, die im Gebrauch zu einem einzigen Wort geworden sind, um hieratische Kristallisationen eines Gefühls. Das mag sein, ist sogar so; doch auf mich haben sie eine andere Wirkung, und ich habe jedes Recht, darüber nachzudenken, als wären sie von Homer bewusst gewählt. Nicht seine Absicht zählt, es zählt, was ich, der Leser, darin sehe.)

Ich glaube daher, dass es sich um ein sehr wichtiges technisches Mittel handelt, durch das ein Teil der Einheit von einzelnen Büchern erzielt wird. Ich weiß nicht, ob jeder Leser bemerkt hat, dass jedes Buch als Merkmal eine bestimmte Gruppe von Beinamen und wiederkehrenden Versen hat, die ihm vorbehalten sind. Es könnte scheinen, als würde die Konkretheit bestimmter Gesten, bestimmter Gestalten, bestimmter Wiederholungen auf diese Art mit Dichtung eingefärbt - und sei sie auch mnemotechnisch und kristallisch erstarrt -, um die zwangsläufige Erfindungsarmut zu verbergen. Kurz, als habe der erste Grieche ohne weiteres den Gegensatz von Erzählung und Dichtung gespürt und bemühe sich so - für unseren Geschmack ziemlich naiv -, ihn auszugleichen. Es versteht sich von selbst, dass, wenn das Buch wechselt, auch - aber natürlich nicht immer - der Ton der Wiederholungen wechselt, je nach der besonderen Färbung oder, wenn wir so wollen, Fixierung eines jeden Buches.

Um es zusammenzufassen: eine Möglichkeit, die Einheit zu erzielen, ist die Wiederkehr bestimmter lyrischer Formeln, die den Wortschatz auflockern, indem sie einen Beinamen oder einen Satz in ein einfaches Wort verwandeln. Von allen Arten, die Sprache zu erfinden (das Werk des Dichters), ist dies die überzeugendste und, denkt man darüber nach, die einzig reale. Und sie erklärt, wieso in jenem ganzen Teil des Werkes, in dem die gleichen Formeln wiederkehren, eine einheitliche Atmosphäre herrscht: Es ist derselbe Mann - Erfinder -, der spricht.

23. Februar

Je mehr ich darüber nachdenke, umso bemerkenswerter scheint mir das homerische Verfahren der Buch-Einheit. In einem bestimmten Stadium, von dem man annehmen musste, dass es zur Einförmigkeit neigt,...
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Autor

Cesare Pavese, 1908 in Piemont geboren, verlor schon früh seinen Vater. Nach dem Studium übersetzte er moderne amerikanische Klassiker ins Italienische und arbeitete ab 1938 als ¬Lektor beim Turiner Verlag Einaudi. Sein eigenes literarisches Werk umfasst Lyrik und Erzählungen, Romane und Essays. 1950 erhielt er den Premio Strega für Der schöne Sommer. Kurz darauf nahm er sich in Turin das Leben.


Maja Pflug, geboren 1946, übersetzt seit vierzig Jahren italienischsprachige moderne Literatur ins Deutsche, unter anderem Natalia Ginzburg, über die sie auch eine Biografie geschrieben hat, Elsa Morante, Alberto Nessi, Pier Paolo Pasolini, Fabrizia Ramondino oder Susanna Tamaro. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk. Sie lebt in München und Italien.