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Die Wölfe kommen

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2017
Das Virus des Bösen Das Virus des Bösen Was verbindet einen Jugendlichen, der in den 70er Jahren in Kansas das Haus seiner schlafenden Eltern anzündet, einen New Yorker Stricher, der Jahrzehnte später den dreijährigen Sohn einer Kundin entführt, die Kellnerin in Indiana, die von einem grauenhaften Ereignis aus ihrer Vergangenheit eingeholt wird, und den Ehemann, der auf der anderen Seite des Atlantiks rasend vor Eifersucht seine Frau umbringt? Kapitel für Kapitel, Geschichte für Geschichte führt J. Fel den Leser hinein in ein beängstigendes Labyrinth: Im Epizentrum des von den USA bis nach Europa wabernden Bösen steht der Psychopath, eiskalte Mörder und Gangsterboss Walter Kendrick.

Jérémy Fel, geboren 1979 in Le Havre, Drehbuchautor und ehemaliger Buchhändler, ist ein großer Fan amerikanischer Literatur und US-amerikanischer Drama-Serien. Sein grandioses Romandebüt >Die Wölfe kommen< war für Kritik und Leser die Entdeckung der Rentrée 2015 und wurde auf dem Quais du Polar, dem größten Krimifestival Europas, mit dem »Prix Polar en Séries 2016« ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextDas Virus des Bösen Das Virus des Bösen Was verbindet einen Jugendlichen, der in den 70er Jahren in Kansas das Haus seiner schlafenden Eltern anzündet, einen New Yorker Stricher, der Jahrzehnte später den dreijährigen Sohn einer Kundin entführt, die Kellnerin in Indiana, die von einem grauenhaften Ereignis aus ihrer Vergangenheit eingeholt wird, und den Ehemann, der auf der anderen Seite des Atlantiks rasend vor Eifersucht seine Frau umbringt? Kapitel für Kapitel, Geschichte für Geschichte führt J. Fel den Leser hinein in ein beängstigendes Labyrinth: Im Epizentrum des von den USA bis nach Europa wabernden Bösen steht der Psychopath, eiskalte Mörder und Gangsterboss Walter Kendrick.

Jérémy Fel, geboren 1979 in Le Havre, Drehbuchautor und ehemaliger Buchhändler, ist ein großer Fan amerikanischer Literatur und US-amerikanischer Drama-Serien. Sein grandioses Romandebüt >Die Wölfe kommen< war für Kritik und Leser die Entdeckung der Rentrée 2015 und wurde auf dem Quais du Polar, dem größten Krimifestival Europas, mit dem »Prix Polar en Séries 2016« ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423431545
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.07.2017
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse752
Artikel-Nr.2156909
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
LORETTA

DIE ABENDDÄMMERUNG SENKTE SICH BEREITS AUF DIE Weizenfelder. Das Rauschen des Windes im Getreide hörte sich fast an, als klingelten tausende winziger Glöckchen.

Loretta beugte sich vor und riss mit einem Ruck eine der Ähren aus, die um ihre Hüften strichen, wobei eine Wolke feinsten Goldstaubs glitzernd in der Luft zerstob.

In der Ferne zeichnete sich ihr Elternhaus ab, dessen massige Konturen den wogenden Ozean weit überragten. Bald musste sie sich auf den Heimweg machen, denn mit Einbruch der Dunkelheit würden wieder diese finsteren Kreaturen durch die Great Plains zu streunen beginnen, die vor langer Zeit wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und seither die Bevölkerung von Kansas in Angst und Schrecken versetzten. Erst am Abend vorher, als sie sich auf der Treppe zur Veranda noch einmal umdrehte, hatte sie eines dieser Wesen auf sich zukommen sehen und dabei dieses unbestimmte, seltsam erregende Gefühl gehabt, dass es die Witterung ihres Bluts aufgenommen hatte.

Doch solange die Sonne noch nicht am Horizont untergegangen war, bestand keine Gefahr. Und zudem liebte sie die blaue Stunde viel zu sehr, um sich von der Angst beherrschen zu lassen, diese besondere Stimmung, die ihren Höhepunkt erreichte, sobald der Tag der Nacht wich. Eingenommen von ihrem friedlichen Zauber gelang es ihr dann meist auch, jegliche Gedanken an die Toten zu verdrängen, die man hin und wieder morgens am Straßenrand fand, in einem Zustand, in dem nicht einmal deren Angehörige sie wiedererkannten.

Trotz dieser Warnzeichen setzte Loretta jeden Tag aufs Neue ihre Freiheit aufs Spiel: Sie musste es einfach tun, wollte sie doch bis in den letzten Winkel ihres Körpers den süßen Kitzel der Gefahr spüren.

Mit wildem Flügelschlagen jagte jetzt ein Dutzend Nachtschwalben über ihren Kopf hinweg. Loretta blickte ihnen nach, bis sie im Sturzflug hinter der elterlichen Scheune verschwanden, deren Front sich im Dämmerlicht rot färbte. Die Weizenähre in ihrer Hand energisch hin und her schwingend, spürte sie die Insekten ihre Waden hinaufkrabbeln, als sie weiter durch das Feld stapfte, immer in Richtung der Getreidesilos, die ein paar Meilen entfernt schon im Schatten lagen. In Kürze würden sie ganz im Dunkel verschwinden und so wie ganz Kansas einmal mehr der nächtlichen Barbarei ausgeliefert werden.

Erst als im Westen die Sonne nahezu hinter den Feldern ihres Vaters versunken war, machte sie kehrt. Gemächlich schlenderte sie barfuß über den noch sonnenwarmen, sandigen Weg zurück zur Farm, von wo ihr der aus dem Schornstein aufsteigende Rauch den heimeligen Geruch des Kaminfeuers entgegentrug.

In der Ferne begann dumpf und durchdringend die Sirene zu heulen, die die letzten Leichtsinnigen heimtreiben sollte. Loretta beschleunigte ihre Schritte, während am Himmel die Vögel langsam unruhig wurden und die ersten Fledermäuse auf Beutefang gingen.

Als sie sich ihrem Elternhaus näherte, bewegten sich die Vorhänge leicht an ihrem Schlafzimmerfenster, und Loretta musste lächeln bei dem Gedanken, dass ihr Vater voller Angst nach ihr Ausschau hielt und ihr gleich eine Standpauke halten würde, weil sie es wieder einmal gewagt hatte, trotz der Sperrstunde so lange draußen zu bleiben.

Kaum an der Eingangstreppe angekommen, musste sie dann allerdings verwundert feststellen, dass es nicht ihr Vater war, der da hinter der Fensterscheibe auf sie wartete, sondern ein vollkommen Fremder, der sich in dunkler Erde gewälzt zu haben schien und sie mit Augen anstarrte, die glühten wie Kohlen â¦

 

Loretta Greer schreckte so heftig hoch, dass sie fast aus dem Bett gefallen wäre. Schlaftrunken, das Rauschen der Ähren noch in den Ohren, lehnte sie sich gegen das Kopfende und atmete tief durch.

Ein Traum.

Ein simpler Traum.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Gerade mal Mitternacht. George lag bäuchlings neben ihr und schlief fest. Sie wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn und sank in die Kissen zurück.

An wieder Einschlafen war indes nicht zu denken, sie war noch viel zu durcheinander von den Bildern ihres Traums. In jungen Jahren hatte Loretta ihre Träume immer in einem kleinen, in Leder gebundenen Notizheft festgehalten, diesen hier wollte sie jedoch so schnell wie möglich vergessen. So wie all die anderen Albträume, die sie in letzter Zeit heimgesucht und oft daran gehindert hatten, wieder in den Schlaf zu finden.

Um auf andere Gedanken zu kommen, ging Loretta noch einmal durch, was sie am nächsten Tag alles zu erledigen hatte, sobald George zur Arbeit aufgebrochen war. Zuerst würde sie sich um die monatlich anfallenden Rechnungen kümmern, danach zwei, drei Dinge in der Stadt besorgen und sich anschließend mit Judy in der kleinen Teestube treffen, die vor Kurzem neben dem Rathaus eröffnet hatte. Wenn sie wieder zurück wäre, stand die Zubereitung der Lammkeule an, die sie Anfang der Woche bei Walmart gekauft hatte. Bis dahin war sicher auch Daryl zu Hause, sodass sie alle drei zusammen essen konnten, gesittet und in aller Ruhe. Was Letzteres betraf, machte sich Loretta allerdings keine allzu großen Hoffnungen.

Wo er wohl gerade steckte?

Sie hatte ihn nicht mehr gesehen seit dem heftigen Streit zwei Abende zuvor, als er sich geweigert hatte, seinem Vater auf der Farm zur Hand zu gehen, da er Besseres zu tun habe als diese »beknackte Schinderei«. Ohnehin schon halb betrunken hatte sich George wutentbrannt auf ihn gestürzt und mit seinem breiten Gürtel auf ihn eingeschlagen - während Loretta einfach nur dastand, vollkommen gelähmt von der Angst, die er ihr in diesem Zustand einflößte, wie so ein armes kleines Ding, das sich selbst vor jedem väterlichen Hieb fürchtete.

Danach hatte sich ihr Sohn in seinem Zimmer eingeschlossen, George hingegen setzte sich an den Tisch und hieß Loretta das Essen auftragen. Noch vor Morgengrauen würde er den Rotzbengel aus dem Bett holen und in die Pflicht nehmen, knurrte er, bevor er sich über seine Spareribs hermachte. Es käme überhaupt nicht infrage, dass er sich für den Rest der Sommerferien auf die faule Haut lege. Lorettas Magen hatte sich zusammengekrampft, doch hatte sie sich ihrem Mann nicht widersetzt. Schweigend erledigte sie den Abwasch, während George es sich vor dem Fernseher bequem machte, und sobald er eingenickt war, brachte sie Daryl heimlich seinen Teller hoch, den sie allerdings vor die Tür stellen musste, weil er ihr nicht aufmachte. Am Morgen stand das Essen immer noch da, umschwärmt von unzähligen Fliegen. Gekränkt hatte sie es in den Mülleimer in der Küche gekippt und war in den Garten gegangen, in der Hoffnung, sich beim Unkrautjäten zu beruhigen.

Am Ende hatte George seine Drohung zwar nicht wahr gemacht, Loretta wusste jedoch nur zu gut, dass aufgeschoben noch lange nicht aufgehoben war. Und die Spannungen zwischen Vater und Sohn würden sich noch verschärfen, wenn die beiden auf ihrer Position beharrten. Nachdem ihr Mann das Haus verlassen hatte, hatte sie darum den ganzen Vormittag darauf gewartet, dass Daryl aus seinem Zimmer runterkam. Doch erst am Nachmittag, als sie in der Küche mit Judy telefonierte, hörte sie die Haustür ins Schloss fallen. Sie war zum Wohnzimmerfenster gestürzt, um laut nach ihm zu rufen, aber Daryl drehte sich nicht einmal mehr um. Mit einer Leinentasche auf dem Rücken lief er die Zufahrt zum Gatter hinauf, hinter dem ihn sein Freund Samy, an einen nagelneuen Chevrolet Impala gelehnt, erwartete, und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, ohne sie auch nur noch eines Blickes zu würdigen.

Gegen Abend war George vom Feld zurückgekommen. Ohne nach seinem Sohn zu fragen, verputzte er sein halbes Grillhähnchen und streckte sich danach vor dem Fernseher aus. Und was hatte sie getan? Sie hatte sich an den Küchentisch gesetzt, um Radio zu hören, dann aber den ganzen Abend darüber nachgegrübelt, was Daryl wohl gerade machte und wie er sie angesehen hatte, als sein Vater mit dem Gürtel auf ihn eindrosch. Am Boden kauernd, seine Wut unterdrückend, hatte er ihr einen Blick zugeworfen, der ihr allein gegolten hatte, einen Blick voller Verzweiflung und flammendem Zorn.

Loretta wusste schon lange, dass Daryl seinen Vater abgrundtief hasste, und sie hatte sich fast schon damit abgefunden. Aber dass er nun auch noch sie zu hassen begann, weil sie jeder noch so kleinen Auseinandersetzung aus dem Weg ging, anstatt ihn vor seinem Vater zu beschützen, das konnte und wollte sie auf Dauer nicht ertragen. Sie hatte bereits eine Tochter verloren, ihren Sohn würde sie nicht auch noch verlieren.

Bei dem Gedanken stiegen ihr Tränen die Augen, rollten über die Wangen aufs Kopfkissen. Egal, bei der Hitze würden sie schnell trocknen.

In letzter Zeit hatte sich Daryl wirklich unheimlich verändert; selbst sie erkannte in dem verschlossenen Jugendlichen, der anderen gegenüber auf einmal eine unnachgiebige Härte an den Tag legte, kaum noch das Kind wieder, das sie die letzten siebzehn Jahre großgezogen hatte. Seit Anfang des Sommers verbrachte er den Großteil des Tages außer Haus, ohne dass sie wusste, wo er sich herumtrieb, und kaum war er wieder da, schloss er sich in sein Zimmer ein, hörte laute Rockmusik oder bearbeitete mit seinen Fäusten stundenlang den Punchingball, den er sich von seinem Geburtstagsgeld gekauft hatte.

Vor einer Woche hatte Loretta in der Innenstadt von Emporia zufällig seine Exfreundin getroffen, ein reizendes Mädchen, das sie gern an Daryls Seite sah. Sie hatte ihr vom anderen Bürgersteig aus zugewunken, doch Lauren war einfach weitergegangen. Hatte sie sie nicht bemerkt? Daryl hatte ihr nie erzählt, warum es von heute auf morgen zwischen ihnen aus gewesen war, und darum überquerte Loretta kurzerhand die Straße, in der Hoffnung, es von Lauren zu...
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